Vorbereitung auf Prüfungen
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Niemand kommt im Leben ohne Prüfungen aus; und zum Wesensmerkmal einer modernen Leistungsgesellschaft gehört es geradezu, daß sich ihre Mitglieder zum kontinuierlichen Weiterlernen verpflichten - was nicht selten verlangt, daß man sich immer und immer wieder neuen Prüfungen unterziehen muß.

Trotzdem stellt sich durch die Häufung von Prüfungssituationen nicht unbedingt eine "Prüfungsroutine" ein. Ohne Nervosität und Lampenfieber gehen Prüfungen im allgemeinen nicht über die Bühne. So schlecht ist das im übrigen auch gar nicht, denn ein mittleres Maß an Motivation, die sich in einer gewissen Anspannung äußert, macht körperliche und intellektuelle Reserven frei (Eustreß), die der Vorbereitung und auch dem Prüfungsergebnis zugute kommen.

Prüfungen kommen im schulischen Bereich in vielerlei Formen vor, die vom schlichten "Abgefragtwerden" im Unterricht bis hin zur mündlichen und schriftlichen Abiturprüfung reichen können. Sie können das Leben und die Befindlichkeit einer Schülerin oder eines Schülers mitunter ganz entscheidend prägen, stellen sie doch in gewisser Weise Extremsituationen in einem Alltag dar, in dem man ansonsten gelernt hat, ruhig seinen Kurs zu halten.

Schulische Prüfungen sind wichtig. Die Frage stellt sich also: Wie kann ich den notwendig entstehenden Streß im Hinblick auf Prüfungen so vermindern, daß mir daraus zum einen keine schwerwiegende Belastung für Leib und Seele entsteht und zum andern auch das Ergebnis der Prüfung angenehm ausfällt?

In dieser letzten Folge der Textreihe "Das Lernen lernen" gehe ich daher folgenden Fragen nach:
  1. Warum gibt es überhaupt Prüfungen?
  2. Wie kann ich mich sinnvoll auf Prüfungen vorbereiten?
  3. Wie verhalte ich mich in der Prüfungssituation selbst?

Formen, Zweck und Bedeutung von Prüfungen

Zur Bewältigung der "normalen" Prüfungsangst kann es nützlich sein, daß man sich über Form, Zweck und Bedeutung der einzelnen Prüfungen Klarheit verschafft. Jeder am Schulbetrieb Beteiligte kennt ihre alltäglichen Formen:

Das Abitur nimmt unter den Schulprüfungen eine besondere Stellung ein, da es sich aus mehreren schriftlichen Prüfungsteilen und mindestens einem mündlichen Prüfungsteil zusammensetzt. Es werden umfangreiche Stoffgebiete geprüft, und es stellt einen Ausbildungsabschluß und einen wichtigen Qualifikationsnachweis für Studium und Berufsausbildung dar.

Zweck und Bedeutung von Prüfungen lassen sich auf zweierlei Weise charakterisieren:

  1. Prüfungen sind schulinterne Lernerfolgskontrollen. Sie geben dem Lehrer Auskunft darüber, ob er die angestrebten Lernziele erreicht hat und den weiteren Unterricht auf die vermittelten Kenntnisse und Fachgebiete aufbauen kann. Eine solche Lernerfolgskontrolle muß daher nicht unbedingt benotet werden. Dem Schüler bietet die Lernerfolgskontrolle ein Signal, ob und wie gut er ein gesetztes Lernziel verwirklicht hat, mit der Möglichkeit
  2. Prüfungen sind Leistungskontrollen und dienen der Leistungsbewertung. Sie haben den Zweck, zu kontrollieren und zu bewerten. In dieser Form haben Prüfungsergebnisse in Form einer Note auch Auswirkungen auf die Vergabe von Zukunftschancen (Studien- bzw. Ausbildungsplatz; spätere Verdienstmöglichkeiten etc.).

Planung von Prüfungen

Langfristige Prüfungsplanung

Es ist eine altbekannte, aber im täglichen Lernbetrieb immer wieder ignorierte Tatsache, daß kurzfristiges "Pauken" unmittelbar vor einer zu erwartenden Prüfung selten den erhofften Erfolg bringt. Unter Rückverweis auf die in Folge 2 erläuterten biologischen Grundlagen des Lernens gilt: Nicht die kurzfristige Vorbereitung bestimmt wesentlich das Prüfungsergebnis, sondern (siehe Folgen 3 und 4):

Das heißt z.B. für einen Schüler, der in der Regel 2 bis 2 1/2 Stunden für Hausaufgaben aufwendet, daß er durch Intensivierung vor Prüfungen diese Zeit höchstens um 2 Stunden erhöhen kann. Damit ist meistens die Aufnahmefähigkeit für neuen Lernstoff erschöpft. Deshalb kommt vieles darauf an, die Prüfungsvorbereitung frühzeitig zu beginnen und rechtzeitig vor dem Prüfungstermin abzuschließen. Hier helfen nur Planung und Organisation, Fehleinschätzungen des Zeitbedarfs, Termindruck und Streß zu vermeiden. Aber es kommt nicht nur auf die aufgewandte Lernzeit an, sondern auch auf die richtige Auswahl des für die Prüfung wichtigen Stoffes und auf die Intensität und Qualität des Lernens. Daraus folgt, daß man erst planen und lernen kann, wenn man weiß, was gelernt werden muß. Informationen dazu geben:

Darüber hinaus gibt es als weitere Informationsquellen Prüfungshinweise mehr inoffizieller und schulinterner Art, von denen man profitieren kann:

Mittelfristige Prüfungsplanung

Am Anfang einer gezielten Prüfungsvorbereitung sollte für jedes Fach eine Bestandsaufnahme stehen, die folgende Fragen zu beantworten sucht:

Die Fragen - nach Fächern und Themenbereichen getrennt aufgestellt - ergeben das Lern-Soll, das mit der zur Verfügung stehenden Lernzeit abgestimmt werden muß.

Eine in dieser Weise vorgenommene Prüfungsplanung erfordert:

Es ist wohl überflüssig zu betonen, daß alle Planung sinnlos bleibt, wenn sie nicht auch in die Tat umgesetzt wird ;-).

Kurzfristige Prüfungsplanung

Trotz der vorgeschlagenen lang- und mittelfristigen Maßnahmen bleibt es in der Regel nicht aus, daß man in den Wochen vor dem Prüfungstermin die Anstrengungen erhöht. Damit sie nicht zum Streß werden, gibt es auch hier zu beachtende Regeln:
Prüfungsablauf üben
Zum Üben der schriftlichen Prüfung bieten sich Aufgaben an, die den gleichen Schwierigkeitsgrad und Umfang wie echte Prüfungsaufgaben haben, z.B. Aufgaben früherer Abiturprüfungen oder Klausuren unter Abiturbedingungen (Ehemalige fragen; Aufgabensammlungen anlegen!) oder Modellaufgaben aus den Abituranforderungen (käuflich im Buchhandel!). Diese Aufgaben löst man mit den gleichen Hilfsmitteln und im selben Zeitraum, wie sie für die Abiturprüfung zur Verfügung stehen.
Für mündliche Prüfungen versucht man, sich in die Rolle des prüfenden Lehrers zu versetzen und den Stoff in Fragen umzuformulieren und zu beantworten. Ein Tip aus eigener Anschauung: Eine Prüfungsgruppe bilden und diesen Übungstyp in Partnerarbeit anwenden; anschließend Prüfungskritik, Fehleranalyse und Note!
Lernstoff strukturieren und lernen
Da mündliche, teilweise aber auch schriftliche Prüfungen zu einem wesentlichen Teil aus der Abfrage von erlerntem Wissen und dem Aufzeigen von Zusammenhängen bestehen, ist es sinnvoll, den Lernstoff zu strukturieren, indem man ihn selbst in übersichtliche und bedeutungs-stiftende Zusammenhänge bringt, z.B.:
Vorbereitungsgebiete wechseln
Weil das Lernen von Paukstoff schnell zur Ermüdung führt und außerdem leicht Interferenzerscheinungen auslöst), empfiehlt sich gerade hier, die Wissensgebiete zu wechseln und nicht länger als 30-40 Minuten bei einem Stoff zu verweilen.
Normales Leben führen
So bedeutsam die bevorstehende Prüfung vielleicht ist - das Leben sollte dennoch nicht zu kurz kommen. Erholung und Pausen sind wichtig, und auch die sozialen Kontakte wollen ja gepflegt sein. Normalität ist ein ganz gutes Gegenmittel für drohende Nervosität und Überforderung. Eine Gewaltkur mit einem 16-Stunden-Tag kann der Umgebung zwar imponieren, ist aber sinnlos, da jeder Mensch nur eine begrenzte Lernkapazität hat.
Zeit für Gesamtwiederholung einplanen
Am Ende einer größeren Prüfungsvorbereitung sollte unbedingt eine Gesamtwiederholung stehen, die der Zusammenschau der gelernten Einzelstoffe dient. Sie sollte spätestens einen Tag vor der Prüfung beendet sein.
Der letzte Tag vor dem Prüfungstermin dient ausschließlich der Entspannung. Kurzfristig vor einer Prüfung angelesenes Wissen wird nicht mehr mit den vorhandenen Kenntnissen verknüpft und stört darüber hinaus als retroaktive Hemmung das Hervorholen gelernter Kenntnisse während der Prüfung.

Die Prüfungsvorbereitung auf einen Blick:

  1. Aufbereitung (1/3 der Zeit):
    • Themen inhaltlich abwechseln
    • verschiedene Quellen zusammenführen
    • Lernstoff in sinnvolle Zusammenhänge bringen
  2. Einprägen (1/5 der Zeit):
    • keinen neuen Stoff mehr hinzufügen
    • Wiederholen, Einordnen, Wissenskontrolle
    • Prüfungsfragen zusammenstellen
    • Probeprüfungen durchführen und auswerten
    • aus Fehlern lernen
  3. Wiederholen (1/10 der Zeit):
    • nur noch mit den Aufzeichnungen arbeiten
    • Hauptziel: Überblick
    • Probeprüfungen über den Stoff kompletter Prüfungsfächer
    • Ruhetag(e) vor der Prüfung einhalten
  4. Pausen (ca 1/5 der Zeit):
    • dienen der Erholung und Belohnung
    • dienen dazu, daß sich der Lernstoff "setzt"
  5. Zeitreserve:
    • für Unvorhergesehenes, damit der Prüfungsplan funktioniert
    • größere Reserve unmittelbar vor der Prüfung

Prüfungsverhalten

Schriftliche Prüfungen

Für die Arbeit in schriftlichen Prüfungen gibt es einige erprobte Regeln, die nützlich sein können:

Mündliche Prüfungen

Mündlichen "Prüfungen" muß sich der Schüler im normalen Schulalltag in den verschiedenen Fächern laufend unterziehen. Infolge der Häufigkeit solcher Situationen sind diese für den Schüler durchschaubar.

Eine Sonderstellung nimmt in der Schule die Abiturprüfung ein, deren mündlicher Teil sich von vielen anderen Prüfungen dadurch unterscheidet, daß sie häufig vor einem größeren Zuhörerkreis über relativ umfangreiche Stoffgebiete stattfindet.

Trotz dieser zunächst angsteinflößenden Umstände kann diese Prüfung an Schrecken verlieren, wenn man bedenkt, daß der Prüfling Eigenarten, Vorlieben und Fragestellung des prüfenden Lehrers aus jahrelanger Erfahrung abzuschätzen weiß. Hilfreich kann auch die Einsicht sein, daß der Prüfer selbst sich gegenüber seinen Fachkollegen bzw. Vorgesetzten in einer prüfungsähnlichen Situation befindet.

Es gibt einige brauchbare Tips für das Verhalten in mündlichen Prüfungen. Hier sind einige davon:

  1. Denke laut!
    Weil die mündliche Prüfung ein Gespräch ist, stirbt die Unterhaltung, wenn man glaubt, nur fertige Ergebnisse vortragen zu dürfen. Wichtig ist, dem Prüfer Gelegenheit zu geben, zu erkennen, wie man zu Ergebnissen kommt; und nur so kann der Prüfer korrigierend und lenkend eingreifen, sobald man auf Abwege oder in Sackgassen zu geraten droht. Die meisten Prüfer sind ja bereit, Hilfe zu geben, wenn man ihnen auch Möglichkeiten dazu bietet.
  2. Beachte die Fragestellung!
    Der Prüfer erwartet eine Reaktion auf seine Frage. Gib zu erkennen, ob Du die Frage gehört und verstanden hast, z.B. durch Wiederholung oder durch eine Formulierung der Aufgabe mit eigenen Worten. Wenn das geschieht, kann man mit dieser wiederholenden Formulierung testen, ob die Richtung des vorgestellten Lösungsweges stimmt, z.B.: "Meinen Sie Ihre Frage in Richtung auf ...?" "Wollen Sie von mir hören, was ...?" Verunsichere den Prüfer bloß nicht nicht durch Schweigen!
  3. Nicht gleich resignieren!
    Wer alles auf Anhieb weiß, erhält eine sehr gute Note. Zwischen 00 und 15 Punkten liegt aber noch eine ganze Bandbreite, d.h., daß man nicht sofort den Kopf in den Sand stecken muß, wenn man eine Frage nicht sofort vollständig beantworten kann. Jede Prüfung hat Abschnitte, in denen man Fragen nur teilweise oder gar nicht beantworten kann. Es empfiehlt sich dann, anstatt aufzugeben oder zu verstummen, Lücken offen einzugestehen, aber das zu äußern, was man weiß. Dazu eignen sich z.B. folgende Formulierungen:
    "Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, es könnte ungefähr so sein, daß...", oder "mir fällt im Augenblick der Ausdruck nicht ein, aber es handelt sich, ...", und man versucht den Gegenstand mit anderen Worten zu umschreiben.
  4. Beachte die Reaktionen des Prüfers!
    Prüfer reagieren normalerweise auf falsche oder zutreffende Antworten mit Gesten, zustimmenden oder ablehnenden Gebärden. Diese Hilfen und Tips sollte man beachten, da sie einem Hinweise geben, ob man auf der richtigen oder falschen Fährte ist. Hier gilt ebenfalls: Stummes Nachdenken fordert auch keine Hilfen heraus.
  5. Denke nicht zu kompliziert!
    Verstelle Dir Lösungswege nicht durch kompliziertes Denken ("Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht"). Häufig wird viel Einfacheres und Näherliegendes gefragt, als man vermutet. Gerade zu Beginn einer Prüfung versuchen Prüfer durch einfache Fragen und Rückgriff auf Spezialgebiete, dem Prüfling wohlwollend entgegenzukommen, um ihm Selbstvertrauen und Sicherheit zu geben.
  6. Verstecke Deine Kenntnisse und Fähigkeiten nicht!
    Biete dem Prüfer Gelegenheit, Dich über Themen zu prüfen, in denen Du Dich besonders sicher fühlst. Oft läßt sich in Prüfungen durch geschickte "Lenkung" der Prüfende veranlassen, auf Deine Hinweise einzugehen. Ob er das tut, ist natürlich in sein Belieben gestellt, wie überhaupt eine solche Lenkung nur geschickt und zurückhaltend versucht werden sollte. Andererseits sind gerade bei festgelaufenen Prüfungen Prüfer dankbar, wenn Du ihnen solche Hilfen anbietest. - Nutze die Zeit im Vorbereitungsraum dazu, auf Deinem Konzept zu notieren, welche Informationen Du auf jeden Fall im Prüfungsgespräch unterbringen willst. Bestehe gegebenenfalls sanft darauf.
  7. Nervosität ist normal und wird vom Prüfer akzeptiert.
    Prüfer sind auch Menschen, die Prüfungen hinter sich gebracht haben. Sie kennen feuchte Hände, leicht zitternde Knie und nervöse Gesten und haben für natürliche Nervosität Verständnis. Kein Verständnis und kein Mitleid empfinden sie, wenn Nervosität als Entschuldigung für mangelhafte Leistungen vorgetäuscht wird. Eine der Prüfungssituation angemessene Nervosität ist hingegen natürlich. Deshalb kann man sie ruhig zeigen.
  8. Gehe mit realistischen Vorerwartungen in die Prüfung!
    Eine realistische Einschätzung seiner Fähigkeiten und Kenntnisse und damit der erreichbaren Prüfungsergebnisse baut Angst vor Versagen, Selbstüberschätzung und übersteigerte Erwartungen ab und stabilisiert Psyche und Nerven. Wer jahrelang in einem Prüfungsfach nur eine "Vier" hat, kann schlechterdings in einer Prüfung nicht auf eine "Zwei" hoffen. Wer andererseits kontinuierlich eine gute Note hat, kann auch in der Prüfung auf ein ähnliches Ergebnis hoffen.
  9. Stehe Prüfungen durch!
    Auf keinen Fall sollte man Prüfungen vorzeitig abbrechen, sondern bis zum Ende durchhalten. Fachlich begründete Prüfungsmißerfolge sind in der Regel durch Wiederholung wettzumachen. Wird eine Prüfung hingegen abgebrochen, gräbt sich diese Situation oft traumatisch in die Psyche ein und löst später immer wieder panische Angstgefühle aus.


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Datum der letzten Überarbeitung: 14.11.1997
© Wolfgang Pohl