p@psych

Das erste pädagogisch-psychologische e-zine im internet
Seit 1996

ISSN 1561-2503

3. Jahrgang (1998)


http://paedpsych.jk.uni-linz.ac.at/PAEDPSYCH/paedpsych98.html

Zur Erinnerung:

Die Deterritorialisierung der Bibliothek, zu der wir heute beitragen, kann nur das Vorspiel für den Beginn einer vierten Form des Verhältnisses zum Wissen sein. Durch eine Art Rückkehr in der Spirale zur ursprünglichen Oralität, könnte das Wissen eher wieder durch lebendige menschliche Gemeinschaften getragen werden als durch die davon abgespaltenen Arbeitsleistungen der Interpreten und Weisen. Nur ist der unmittelbare Träger des Wissens dieses Mal im Unterschied zur archaischen Oralitat nicht mehr die körperliche Gemeinschaft und deren fleischliches Gedächtnis, sondern der Cyberspace, der Ort der virtuellen Welten, durch deren Vermittlung die Mitglieder der Gemeinschaft ihre Objekte entdecken und konstruieren und sich selbst als intelligente Kollektive erkennen.
Pierre Levy

Inhaltsverzeichnis


Vorwort des Herausgebers

Nach wie vor ist zu konstatieren, daß die Wissenschaft das internet nur langsam "erobert", was natürlich in dieser Formulierung eine Übertreibung darstellt. Bernhard Koring (1998) schreibt dazu:

"Allerdings fehlen noch Konzepte, die in virtueller Form die wissenschaftliche Arbeit, also Forschung und Lehre, sinnvoll unterstützen. Auch die Entwicklung fachorientierter Suchmechanismen und Präsentationsformen ist noch nicht in vollen Gange. Wenn man im Zuge dieser Entwicklung erreicht, daß der Mechanismus der Reputationssteigerung, der eng die mit der Publikation in angesehenen Printmedien gekoppelt ist (also den führenden Fachzeitschriften mit entsprechenden mafiös organisierten Redaktionskollegien), auf Publikationsmedien im Internet verlagert werden könnte, dann würde die wissenschaftliche Arbeit vielleicht eine neue Qualität erreichen können, die ihr ernsthaft einen Weg in die Moderne weist. Neue Formen der Struktur und Verfügbarkeit von wissenschaftlichen Texten, neue Formen der Selektivität und des Suchens und neue Formen der Vernetzung und Präsentation von Texten sind denkbar. Die Hypermedien bieten den Wissenschaftlern neue Möglichkeiten der Autorenschaft, die bis heute kaum erkannt sind. Die Herstellung vernetzter wissenschaftlicher Informationsobjekte für Zwecke der Lehre und der Präsentation macht die Entwicklung eines neuen Autorentypus erforderlich. Die lineare Darstellung wissenschaftlicher Information in Form von Texten - nur gelegentlich durch Fußnoten unterbrochen - steht in radikalem Gegensatz zu den Möglichkeiten des Hypertextes und der Hypermedien, die ein vernetztes Denken und Präsentieren erforderlich machen. Allerdings wissen wir nicht genau, welche Form der von den Wissenschaftlern hergestellten Information zuträglich ist. Man muß es ausprobieren. Vielleicht können wir die Maschine sogar dazu bringen, wissenschaftliche Texte zu schreiben?"

Als eine der Ursachen für diese Trägheit der Wissenschaft im net ortet Koring die patriarchalischen, zunftförmigen oder mafiösen Strukturen.

"Die wissenschaftlichen Diskurse funktionieren vorrangig nach den Prinzipien der Reputation, der Protektion und der Reproduktion von Gesinnungsgemeinschaften - damit sind auch schon die zentralen Aktionsfelder der universitären Patriarchen genannt. Dominant ist in diesem Kontext also die überragende Gestalt des genialen Einzelwissenschaftlers, der mit ganz wenigen andern genialischen Figuren über ein Zitierkartell unumschränkt herrscht. Gelegentlich konzentriert sich die Kraft dieser Herrschaft übrigens in den Redaktionen von Fachzeitschriften. Im Angesicht solch überragender Gestalten wird der Nachwuchs freilich zur Nachahmung degradiert. Schon aufgrund der zunftförmigen Produktionsverhältnisse müssen die überragenden Gestalten zur Teamarbeit absolut unfähig sein und letztlich patriarchalische Folgebereitschaft geradezu verlangen. Aber nicht nur die Hochschule selbst, sondern auch die reputationsschwangeren Publikationsmedien der Wissenschaften, die schon angesprochenen Fachzeitschriften, funktionierten nach dem mafiös-patriarchalischen Prinzip. Die Steuerung des Zugangs zu Publikationsmöglichkeiten in renommierten Fachorganen erfolgt durch die Patriarchen. Nur sie verfügen über den zentralen Mechanismus der Erzeugung von wissenschaftlichem Reputations-Kapital - und zwar durch Einflußnahme auf die mediale Präsentation von Forschungsergebnissen. Es liegt auf der Hand, daß das Ignorieren von Personen, Informationen, Beiträgen und Forschungsergebnissen das primäre Selektionskriterium der wissenschaftlichen Arbeit dieses Typus ist. Man kann ja schließlich ohnehin nicht alles lesen und es würde zuviel Zeit brauchen, auch zur oberflächlich zu begründen, was der Patriarch nutzen und was er zu ignorieren gedenkt. Es wird ja soviel geschrieben."

Vom Internet drohe nun eine Zerstörung dieser patriarchalischen Grundstrukturen:

"Transparenz, Teamarbeit, Selbstorganisation und ein freier Fluß der Informationen müssen jene veralteten Strukturen massiv angreifen. Plötzlich sehen sich die Patriarchen den Wissenschaftsbetriebs einem massiven Industrialisierungs- und Modernisierungsschub im Wissenschaftsbereich ausgesetzt, der Publikations- und Reputationsstrukturen verändern wird. Herrschaftsinstrumente werden aus den Händen geschlagen."

Der Widerstand gegen die neuen Medien hat sicherlich noch eine Vielzahl von anderen Ursachen, aber die Vehemenz, mit der sich manche WissenschaftlerInnen gegen die Entwicklung sträuben, ja teilweise Gegenstrategien entwickeln, mag das Ausmaß der "Bedrohung" kennzeichnen, das mancherorts erlebt wird und die von Koring vorgezeichneten Argumentationslinien stützen.

Der dritte Jahrgang des e-zines bringt in Bezug auf den Titel eine kleine Änderung: da das Zeichen @ - oft auch als Klammeraffe bezeichnet - üblicherweise als "ät" oder "äd" ausgesprochen wird, erübrigt nach Meinung des Herausgebers das ergänzende "ed" im Namen, sodaß p@psych letztlich gleich ausgesprochen wird wie "paedpsych". Nach Kilgus (1998) finden sich einige Hinweise zur Herkunft des Zeichens schon im Mittelalter. In England wurde im kaufmaennischen Bereich häufig das lateinische "ad" verwendet. Hiermit scheint auch die Weichheit des "t" linguistisch abgesichert ;-)

Die URL-Adresse des ersten deutschsprachigen pädagogisch-psychologische e-zines im internet bleibt mit "paedpsych" gleich, da Sonderzeichen in URLs bekanntlich problematisch sind. Die Bezeichnung der vorigen Jahrgänge wird - obwohl das in virtuellen Zeitschriften natürlich einfach möglich wäre, nicht an die neue Bezeichnung angepaßt.

Auch das Layout wurde mit dem Ziel einer besseren Übersicht verändert. Die Gliederung nimmt nun auf die Datenstruktur des servers Rücksicht, sodaß von einer Hauptseite auf alle bisherigen Jahrgänge zugegriffen werden kann. Der Besucher, der über die homepage der Abteilung kommt, "landet" zunächst auf einer allgemeinen Titelseite. Hier besteht die Möglichkeit zur Auswahl, wobei nach 10 Sekunden automatisch auf den jeweils aktuellen Jahrgang gesprungen wird.

Neu begründet wurde die mailinglist p@psych, die nunmehr von einem amerikanischen Provider "heimgeholt" auf dem listserver der Universität Linz angesiedelt wurde. Hier mußte aus den oben genannten Gründen das "ae" in der internet-Adresse beibehalten werden.

W.S.

Literaturbelege


Inhaltsverzeichnis

Bernhard Koring:
Didaktische Potentiale des Lernens im Internet und die Aufgabe der Universitäten (98-08-18)
 
In vier Abschnitten beschäftigt sich der Autor mit dem Verhältnis von internet und Pädagogik, wobei neben didaktischen Fragen auch dem "didaktischen Design" der neuen Medien nachgegangen wird. Vor allem die medialen Möglichkeiten virtueller Lernprojekte an der Universität werden exemplarisch erörtert. Durch die Nutzung graphischer Elemente und netspezifischer Gestaltungsmöglichkeiten ist diese Arbeit gleichzeitig ein Beispiel internetgerechter Präsentation.
 
Bernhard Jacobs:
Aufgaben stellen und Feedback geben (98-07-01)
UPDATE (07-05-99) Feedback nach Bearbeitung einer Klausur - Wird es genutzt?
AKTUALISIERUNG (17-03-00) Feedback nach Bearbeitung einer Probeklausur - Wird es genutzt ?
 
Der Autor - tätig am Medienzentrum der Philosophischen Fakultät der Universität Saarbrücken - geht in seiner Arbeit von der Annahme aus, daß die "Bearbeitung von Übungsaufgaben sowie sachliche Rückmeldungen im Anschluß an die Übungsergebnisse (...) wichtiger Bestandteil jeder Instruktionstheorie" sind. "Im Mittelpunkt (...) steht der Versuch, die Lerneffektivität von Aufgaben mit Feedback für schulisches Lernen einzuschätzen sowie einige Bedingungen der Wirkungsweise des Feedbacks herauszustellen." Zahlreiche konkrete Beispiele illustrieren die Überlegungen, die aus einer langjährigen Beschäftigung mit der Thematik erwachsen sind.
 

Werner Stangl:
internet in der Schule. Eine Bestandsaufnahme über den Einsatz des internet im Unterricht an Österreichs Schulen (98-06-08)

In dieser Arbeit wird über eine Untersuchung zum Einsatzes des internet im Unterricht an österreichischen Schulen berichtet, wobei ausgehend von einer aktuellen Bestandsaufnahme der Versuch unternommen wird, die Perspektiven dieses Mediums im Bildungsbereich generell zu diskutieren. Die Arbeit wird angesichts neuer Entwicklungen aktualisiert und erweitert.
 
Werner Stangl (Hrsg.):
Internet-Boom - ein Medienschwindel?
 
Dokumentation und Zusammenfassung der Diskussion der mailinglist p@psych Mai/Juni 1998 zu diesem Thema.
 

Werner Stangl:
Ergänzende Anmerkungen zum Definitionsversuch und anderen Veranstaltungen der offenen Arbeitsgruppe "Zentrum für soziale Kompetenz" (Version 1.2 - 98-07-01)
Dokumentation einer diskursiven Auseinandersetzung mithilfe von e-mail und website. Nach einer kurzen Chronologie der Ereignisse wird vom Autor ein Textentwurf zur Begriffsbestimmung von sozialer Kompetenz kritisch analysiert. Diese Dokumentation hat zum Ziel, Möglichkeiten des internet zum wissenschaftlichen Diskurs an einem konkreten Beispiel aufzuzeigen.
Über verschiedene Zwischenfassungen entstand ein kleiner Text:
Der Begriff der sozialen Kompetenz in der psychologischen Literatur. Er liegt inzwischen in der Version 1.6 vor.

 


Inhalte früherer Jahrgänge des e-zines

Jahrgang 1997
Lernen als "konstruktiver" Prozess: Trugbild oder Wirklichkeit?
Universitäre Lehre und internet
Lernen im internet
 
Jahrgang 1996
Die Evaluation universitärer Lehrveranstaltungen
JETZT NEU UND ERWEITERT: Das Lernen lernen
"Fachgebärdenlexikon Psychologie"

 


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©opyright p@psych Linz 1998.
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