In dieser Arbeitsblättersammlung werden Dokumente zur Grundlegung einer wissenschaftlichen Erziehungswissenschaft zusammengefaßt. Die Gliederung und die wesentlichen Teile der hier versammelten Dokumente stammen aus dem Vorlesungsskriptum "Methodologie" von Dr. Hubert Stigler (Universität Graz), der sich seinerseits auf umfangreiche einschlägige Literatur stützt.Es wird Fragen nachgegangen, die letztlich nach der Möglichkeit menschlichen Erkenntnis überhaupt fragen. Jeder Wissenschaftler sollte sich "mäßig, aber regelmäßig" mit diesen Grundproblemen wissenschaftlicher Erkenntnis auseinandersetzen, um zu versuchen, den "antiseptischen Traumschlössern Kants und Hegels und den Hundehütten Carnaps und Poppers" ( Paul Feyerabend) zu entkommen.
In einer sehr allgemeinen Definition kann die Aufgabe von Wissenschaften darin gesehen werden, Abläufe in der uns umgebenden sozialen, aber auch materialen Wirklichkeit zu erkennen und zu erklären, um daraus Möglichkeiten für praktisches Handeln abzuleiten und die Basis für eine Bewältigung und Veränderung dieser Wirklichkeit zu schaffen.
Ein Unterschied wissenschaftlicher Form des Erkennens und Erklärens gegenüber einer alltäglichen besteht im Versuch den Prozeß der Erfahrung unter Zuhilfenahme von Forschungsmethoden zu systematisieren.
Der Begriff der "Methode" im alltäglichen Verständnis, meint die Orientierung an und Berücksichtigung von Regeln bei der Durchführung bestimmter Abläufe (z.B. Der Lehrer der nach einer bestimmten Methode unterrichtet, oder die Verwendung bestimmter Atemtechniken [=Methoden] bei einer Geburt etc.).
Methodologie im wissenschaftlichen Sinn meint die Beschäftigung mit Problemen und Möglichkeiten von verschiedenen Zugangsweisen oder Wegen, um Wissen über den Objektbereich einer wissenschaftlichen Disziplin zu gewinnen. Der Begriff des Objektbereichs meint dabei diejenigen Teilaspekte der Wirklichkeit, die den zentralen Bezugspunkt der Arbeit innerhalb einer bestimmten Disziplin bilden.
Die methodologische Reflexion im strengeren Sinn zielt somit auf die theoretische Begründung der verschiedenen Methoden, die unterschiedlichen Arten die Welt - uns selbst und das uns Umgebende - zu sehen. Sie fragt nach den Bedingungen der Möglichkeiten von Verstehen, Erklären, Beobachten, Analysieren, Vergleichen usw., sowie nach der Gültigkeit der durch Forschung gewonnenen Aussagen. Sie fragt nach den verschiedenen Bedingungen des Erkennens, nach der historischen, gesellschaftlichen bzw. sozialen Einbettung des "Denkens" und der "Denker" und stellt somit eine Reflexion über Wissenschaft dar. Wissenschaftstheorie bzw. Erkenntnistheorie sind die Bezeichnungen für jene philosophischen Disziplinen, die sich mit diesen Fragestellungen befassen.
Grundsätzlich lassen sich drei Ebenen der theoretischen Reflexion über Wissenschaft bzw. des Ablaufs wissenschaftlicher Forschung herausarbeiten:
Im folgenden werden drei kontrastierende wissenschaftstheoretische Ansätze dargestellt: Der empirisch-analytische, der normative und der kritische Ansatz.
Anmerkung: Eine andere mehr methodisch orientierte Einteilung trennt die Ansätze der wissenschaftlichen Erziehungswissenschaft nach geisteswissenschaftlicher und empirischer Zugangsweise zum Gegenstand, wobei hier gemeinsam Hermeneutik, Phänomenologie und Dialektik einerseits der empirisch-naturwissenschaftlichen Zugangsweise andererseits gegenübergestellt werden.
Auf drei Ebenen lassen sich grundlegende Unterschiede zwischen ihnen ausmachen:
In Anlehnung an die verschiedenen wissenschaftstheoretischen Grundpositionen existieren auch innerhalb der Erziehungswissenschaft unterschiedliche Auffassungen darüber, was sie zu leisten habe bzw. mit welchen Methoden diese Aufgaben zu bewältigen seien.
Im Zentrum der Diskussionen der Vertreter der verschiedenen Positionen innerhalb der Erziehungswissenschaft steht dabei die Frage nach dem Verhältnis von Theorie und Praxis. Zwei Fragenkomplexe sind dabei von zentraler Bedeutung:
Die verschiedenen Richtungen innerhalb der Pädagogik lassen sich im Lichte der Diskussion um diese beiden Fragen in deskriptive und normative Ansätze unterscheiden.
Erziehungswissenschaft im Sinne des empirisch-analytischen Paradigmas als die Theorie einer vorfindlichen Praxis hat die Aufgabe, ein widerspruchsloses nachprüfbares und wertfreies Theoriesystem zu entwickeln, das Ursache-Wirkungs-Beziehungen aufzeigt, die im pädagogischen Feld erhoben werden können. Diese Ergebnisse liefern dann die Möglichkeiten, Prognosen (= Voraussagen), zu erstellen, die eine "Technologie" der Erziehung möglich machen. Theorie strebt hier nach dem Allgemeinen und nach auffindbaren allgemeingültigen Gesetzen, die Praxis, d.h. Handlungsabläufe voraussagen können. |
Pädagogik als Wissenschaft im Sinne des geisteswissenschaftlichen Paradigmas hat deskriptiven und normativen Charakter in Hinsicht auf die Praxis. Deskription heißt Beschreibung der Wirklichkeit, des Gegebenen. Das Verstehen und Beschreiben dieser Wirklichkeit ist Aufgabe der Theorie. Theorie geht von der Praxis aus und steht in Beziehung zu ihr. Theorie bestimmt gleichzeitig die Praxis durch Vorgabe von Handlungszielen. Theorie bestimmt jedoch nicht so die Praxis, daß die Praxis selbst eine direkte Fortsetzung der Theorie wäre. |
Eine differenziertere Auseinandersetzung mit diesen Problemen findet sich auf dem Arbeitsblatt "Grundfragen der Erkenntnis". Neuere Ansätze im Bereich der Handlungsforschung gehen hier noch einen Schritt weiter und postulieren eine Identität von Theorie und Praxis, d.h. sie lassen Theorie erst aus der Praxis entspringen und postulieren so diese Identität.