In der Handlungsforschung sind jene Menschen und Menschengruppen, welche von den Wissenschaftlern untersucht werden, nicht mehr bloße Informationsquelle des Forschers, sondern Individuen, mit denen sich der Forscher gemeinsam auf den Weg der Erkenntnis zu machen versucht (LEWIN).
Handlungsforschung ist ein Ansatz empirischer Forschung, der in
den Human- und Sozialwissenschaften und in Abgrenzung zur
traditionellen Empirie - insbesondere der strengen experimentellen
Forschung - entwickelt wurde.
Drei wesentliche Merkmale (Prämissen) kennzeichnen diese
Abgrenzung:
Diese Prämissen fordern eine grundlegende Neubestimmung des sozial- und humanwissenschaftlichen Gegenstandes (Inhalt), und damit auch eine von diesem jeweiligen Gegenstand abhängige Konzeption der Methoden. Zentral für die bisherigen Umsetzungen dieses neuen Forschungskonzeptes ist der emanzipatorische Charakter des Forschungsprozesses.
Die heute in der Erziehungswissenschaft gebräuchlichen Begriffe Handlungs-, Aktions- und Tatforschung sind synonyme Übersetzungen des Begriffes "action research", den KURT LEWIN geprägt hat. LEWIN wollte - kommend von der experimentellen Sozialpsychologie - eine Wissenschaft begründen, deren Forschungsergebnisse unmittelbar Nutzen für Pädagogen, Sozialarbeiter etc. haben konnten. LEWIN wollte praxisnahe Hypothesen aufstellen und entsprechend diesen Hypothesen sinnvolle Veränderungen im sozialen Feld (social change) durchführen und dann in längerfristigen Studien die Auswirkungen dieser Veränderungen kontrollieren. Dieser von LEWIN vorgestellte Ansatz wurde erst Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre vor allem von Pädagogen und Soziologen aufgegriffen und als Möglichkeit verstanden, um aus der Misere des neopositivistischen Paradigmas herauszukommen.
Als grundlegende Kennzeichen einer sich so verstehenden Handlungsforschung stellen KLÜVER und KRÜGER (1972) folgendes heraus:
Die Diskussion um die Methodologie der Handlungsforschung ist gekennzeichnet durch folgende Schwerpunkte:
Der forschende Lehrer durchläuft mehrere Zyklen der Erkenntnisgewinnung und Handlungsverbesserung: Identifizierung eines Problems, Untersuchung der Situation, Entwicklung von Handlungsstrategien, Beobachtung, Reflexion der Realisierung, Vergleich mit Perspektiven anderer Betroffener, Neuformulierung des Problems und Entwicklung neuer Strategien.
Wissenschaftler können diesen Vorgang des "praktischen Theoretisierens" durch Beratung und Analyse unterstützen. Die Aktionsforschungsergebnisse sind nicht im üblichen Sinne (mit Hilfe statistischer Verfahren) verallgemeinerbar. Eine "naturalistische Verallgemeinerung" ist möglich, indem der Leser einer Studie den Fall auf seine eigene Situation bezieht und selbst die Gültigkeit der Aussagen für seinen Fall beurteilt, bzw. "quer durch die Fälle" den Vergleich mehrerer Studien anstellt.
In der Psychologie gibt es bisher nur wenige überzeugende
Versuche, das Paradigma der Handlungsforschung forschungsleitend
umzusetzen. Am ehesten können der Ansatz der
Ethnomethodologie (CICOUREL), das Konzept des symbolischen
Interaktionismus (MEAD) und einzelne kommunikationstheoretische
(insbesondere therapeutisch orientierte) Richtungen als erste
Versuche in dieser Richtung bewertet werden.
Die Bedeutung der Handlungsforschung für die Psychologie liegt
vor allem in den Perspektiven, die sie eröffnet. Die Bestimmung
des Stellenwertes künftiger human- und sozialwissenschaftlicher
Forschung für eine Gesellschaft - vor allem angesichts immer
knapperer Ressourcen in diesem Bereich - ist meines Erachtens von
zentraler Bedeutung. Eine Rechtfertigung für Wissenschaft bzw.
wissenschaftliches Handeln führt letzendlich zu einem Nachweis
der Existenzberechtigung des Wissenschaftlers bzw. der Notwendigkeit
seines Handelns. Dazu vermag die Handlungsforschung einen
essentiellen Beitrag zu leisten. Grafisch läßt sich der
Prozeß der Handlungsforschung - und damit wissenschaftlichen
Handelns - wie folgt veranschaulichen.
In Thesenform seien daher einige Aspekte zusammenfassend wiederholt, wobei diese Punkte eine Abgrenzung zu herkömmlichen Forschungspraxis darstellen:
* Handlungsforschung ist dialogisch.
* Handlungsforschung ist emanzipatorisch.
* Handlungsforschung ist demokratisch.
* Handlungsforschung hilft bei der Lösung von Konflikten.
* Handlungsforschung wirkt verändernd.
* Handlungsforschung betont die Emotionalität des Menschen.
* Handlungsforschung setzt neue Impulse für wissenschaftliches Handeln.
* Handlungsforschung ist dynamisch.
* Handlungsforschung steht im gesamtgesellschaftlichen Kontext.
* Handlungsforschung berücksichtigt den Menschen.
* Handlungsforschung baut Macht ab.
* Handlungsforschung reduziert Ängste.
* Handlungsforschung ist idiographisch.
* Handlungsforschung verbindet Alltags- und wissenschaftliches Wissen.