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Int. J. Rehab. Research 1984, 7, (1), 25-35
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1. EinleitungDer hier vorgestellte BES1183-1. (Behinderten-Einstellungsstrukturtest 1983 - 1. Version) soll die beim Kontakt von Nichtbehinderten mit Behinderten wirkenden und das Verhalten steuernden Einstellungsbereiche differenziert erfassen. Als Prämissen werden angenommen:
- daß Personen bei der Interaktion mit Behinderten unterschiedlich handeln;
- daß die Unterschiedlichkeit aus individuellen Lernerfahrungen resultiert (diese sind in der Persönlichkeit niedergelegt);
- daß die Kenntnis der Einstellungsstruktur Maßnahmen zu einer Veränderung dieser Struktur ermöglicht.
Die Notwendigkeit zur Entwicklung eines solchen Verfahrens soll kurz an einem Beispiel demonstriert werden.
Ein Behinderter soll an einem neuen Arbeitsplatz eingesetzt werden, an dem er mit Nichtbehinderten zusammenarbeiten muß. Aus Untersuchungen (vgl. SEIFERT & STANGL, 1980) weiß man, daß diese Eingliederung oft nicht reibungslos vor sich geht. Sie hängt in hohem Ausmaß davon ab, wie der Behinderte von seinen neuen Mitarbeitern aufgenommen wird - natürlich auch vom Behinderten selber. Ob es zu einer Annahme oder zu einer Ablehnung kommt, hängt zum Teil von situativen Gegebenheiten (Arbeitsplatz, berufliche Anforderungen) ab, gleichzeitig aber auch von persönlichen und individuellen Komponenten der Beteiligten. Diese individuellen Einstellungskomponenten sind letztendlich für das Gelingen oder Scheitern der Integration verantwortlich. Eine Vorbereitung der Beteiligten (Aufklärung, Schulung) auf die neue Situation kann die Chancen auf die erfolgreiche Eingliederung erhöhen. Diese Vorbereitung sollte sich auf die Kenntnis der individuellen Einstellungsstrukturen stützen.
Bei dem vorliegenden Testverfahren geht es nicht darum, eine Bewertung der Einstellungen in positive und negative vorzunehmen, sondern um das Sichtbarmachen der individuellen und kollektiven Einstellungsstrukturen ("Integrationsklima"). Das ermöglicht von Fall zu Fall eine individuelle Vorbereitung und Bewertung der neuen Situation.
Gleichzeitig soll auch gewährleistet werden, Behinderten dieses Verfahren vorlegen zu können, um die komplementäre Einstellungsstruktur des zu Integrierenden (Erwartungen, Befürchtungen, Wünsche gegenüber seinen neuen Kollegen) zu erfassen. Daher kommen herkömmliche Einstellungstests mit ihren oft denunzierenden Itemformulierungen nicht in Frage. Weiters sind diese meist zu abstrakt formuliert, unterliegen den bei Fragebögen auftretenden Verfälschungstendenzen und können oft nicht eindeutig interpretiert werden. Auch erfassen sie in der Regel nur positive und negative Einstellungen, liefern aber keine detaillierten Informationen für eine zielführende Integrationsstrategie. Der BES1T83 soll mithelfen, diese wichtigen Informationen zu erhalten.
2. Das theoretische Konzept des BESTT83Wicker (1969) fand bei der Analyse von 32 Forschungsarbeiten, daß Einstellungen kaum mehr als 10 % der Verhaltensvarianz erklären können. Zu ähnlichen Schlüssen kommt Benninghaus (1976). Diesem Dilemma versuchte man dadurch zu begegnen, indem man eine größere Anzahl von intervenierenden Variablen miterfaßte, die den Erklärungswert der Prädiktoren erhöhen sollten. Zu diesen Variablen gehören vor allem personale Faktoren (wie intellektuelle, verbale und soziale Fähigkeiten) und situative Faktoren (wie sozialer Druck, soziale Normen und soziale Distanz - vgl. Cloerkes, 1979, 142 ff.). Beim vorliegenden Verfahren wurde ein anderer Weg eingeschlagen, da gerade die Erfassung zusätzlicher Variablen im Hinblick auf die Testökonomie die Vorteile von Einstellungsmeßinstrumenten teilweise zunichte macht. Auch dürfte die richtige Auswahl dieser intervenierenden Variablen mehr Probleme schaffen als lösen.
Bei der Auswahl des Testmaterials für den BESTT83 wurde versucht, den Realitätsfaktor und die Verhaltensnähe von vornherein möglichst hoch zu halten, sodaß einerseits die bei Einstellungsmeßverfahren wirkenden Verfälschungstendenzen nicht in dem üblichen Ausmaß auftreten können, andererseits um den oft hypothetischen Charakter von Einstellungstests zu vermeiden. Zusätzlich wurde - ähnlich wie beim SET von Joerger (1973) - ein Projektionsmechanismus "zugeschaltet", der es den Untersuchten ermöglicht, eigene Schuldgefühle, wie sie gerade gegenüber Behinderten immer wieder auftreten (Seifert & Stangl, 1981), und andere Abwehrtendenzen in das konkrete Verhalten anderer Personen _ hineinzulegen.
Da es unmöglich ist, alle relevanten Variablen von Einstellungen gegenüber Behinderten zu erfassen, wurde eine durch bisherige Untersuchungen gerechtfertigte Auswahl getroffen, wobei das von Cloerkes (1979, 92) vorgeschlagene Konzept in leicht modifizierter Form angewendet wird. In Tabelle 1 sind die drei Grunddimensionen von Einstellungen (Kognition, Emotion und Handeln) in jeweils fünf Faktoren repräsentiert, die ihrerseits wieder durch jeweils vier Indikatoren (Items) operationalisiert wurden (dazu Abschnitt 6.).
Die Abweichung vom Konzept von Cloerkes besteht darin, daß eine strenge Trennung der drei Einstellungsdimensionen nicht angestrebt wird, da diese m. E. nicht geleistet werden kann bzw. für den Untersuchungszweck nicht unbedingt notwendig ist.
Im vorliegenden Ansatz ist in allen Dimensionen der Verhaltensaspekt zentral, wobei die Unterscheidung in drei Hauptbereiche nur das Dominieren einer der drei menschlichen Erfahrungsweisen (Denken, Fühlen und Handeln - vgl. Newman, 1973) bedeutet.
Unter dem kognitiven Aspekt werden also jene Bereiche zusammengefaßt, in denen Mechanismen wie Zuschreibung, Rationalisierung, Labelling, Attribuierung wirksam werden. Die Aufnahme der Variablen "Eingeständnis des Nichtwissens" erfolgte dabei im Hinblick auf mögliche Anwendungen des Verfahrens - dadurch sollte es möglich sein, Informationsdefizite der Beteiligten zu erkennen. Die Zuordnung zum kognitiven Bereich scheint insofern gerechtfertigt. Unter der emotionalen Reaktion werden jene "inneren Verhaltensweisen" verstanden, die eher unbewußt Denken und Handeln steuern. Hierin besteht auch die größte Übereinstimmung mit dem Konzept von Cloerkes (1979, 91 ff.). Der Handlungsbereich kann in einem Einstellungstest in der Regel nur Handlungsbereitschaft, -disposition erfassen, nicht aber das reale Handeln. Diese Realitätsferne sollte durch die Auswahl des Testmaterials zumindest teilweise aufgehoben werden (s. Abschnitt 3.).
Die Zuordnung von konkreten Verhaltensweisen zu einer der drei Grunddimensionen ist immer zugleich Interpretation, die nur empirisch oder logisch gestützt werden kann. Das Ziel des BESTT83 besteht darin, die Ausprägung und Dominanz dieser Einstellungsfaktoren zu erfassen. In diesem ersten Stadium der Testentwicklung stehen auch praktische Aspekte im Vordergrund: wird das Testmaterial angenommen, können diagnostische und differentielle Aufgaben wahrgenommen werden?
3. Das TestmaterialUm eine möglichst große Nähe zu konkreten Verhaltensweisen herzustellen, wurde optisches Material eingesetzt. Es wurden Schwarzweißphotographien gesammelt, auf denen Behinderte in alltäglichen sozialen Situationen abgebildet sind. Ein Auswahlgesichtspunkt war die Vielfältigkeit der Situationen, um möglichst viele Interaktionsmöglichkeiten zu erfassen. Es wurden sowohl Bilder ausgewählt, die einen oder mehrere Nichtbehinderte in der Interaktion mit einem oder mehreren Behinderten darstellen, andererseits auch Bilder aufgenommen, die Behinderte untereinander zeigen. Der letztgenannte Aspekt sollte vor allem für einen künftigen Einsatz bei Behinderten Vorsorge treffen.
Ein Problem stellte sich mit der Auswahl der Behindertenarten. Da sich aus einer eigenen Untersuchung (Seifert & Stangl, 1981, 69) der Rollstuhlfahrer (Querschnittsgelähmte) als der bei der Bevölkerung "typische" Körperbehinderte herauskristallisierte, wurde bei der Bildauswahl diesem Umstand Rechnung getragen. Um die Probanden nicht zu ermüden, wurden Bildgröße und Interaktionsformen variiert. Endgültig ausgewählt wurden schließlich 15 Bilder und ein Probebild, die auch im Hinblick auf die Formulierung der Fragen zu den Bildern und den Antwortmöglichkeiten möglichst großen Spielraum ließen. Zu jedem der Bilder wurde eine Frage und möglichst viele Antworten gesucht, die sich den fünfzehn theoretisch abgeleiteten Faktoren zuordnen ließen.
Nicht bei jedem Bild war es möglich, zu allen Faktoren Alternativen zu finden, auch war eine eindeutige Formulierung nicht immer so zu treffen, daß nicht auch die Zuordnung zu einem anderen Faktor möglich gewesen wäre. Insgesamt wurden pro Bild vier Antwortmöglichkeiten vorgegeben, die 60 Items wurden ihrerseits auf die 15 Faktoren so verteilt, daß jeder Faktor mit vier Items vertreten war.
Gleichfalls durfte bei einem Bild jeder Faktor nur einmal auftreten, auch sollte vermieden werden, daß aus den drei Grunddimensionen mehr als zwei Alternativen bei einem Bild repräsentiert sind. Ebenfalls variiert wurde die Reihenfolge der Dimensionen bzw. Faktoren, ferner die Frageformulierungen bei den einzelnen Bildern. Obwohl aufgrund des vorliegenden Materials und der oben genannten Einschränkungen einige Kompromisse geschlossen werden mußten, dürfte die systematische Variation und damit die Ausschaltung testinterner Fehlerquellen weitgehend gelungen sein.
Die Formulierung der Fragen und Antwortmöglichkeiten erfolgte in einer einfachen Sprache, die den Einsatz bei allen Altersgruppen und Bildungsschichten ermöglichen soll. Dieses Testmaterial wurde samt einer geeigneten Instruktion in ein handliches Format (DIN A5) gebracht, wobei jeweils auf der linken Seite das Bild und die Frage, rechts die mit Buchstaben (A, B, C, D) gekennzeichneten Alternativen angeordnet waren (s. Abb. 1).
Die Aufgabe der untersuchten Personen bestand darin, die vier Alternativen so zu reihen, wie sie ihr am treffendsten erscheinen. Bewußt vermieden wurde das Wort "richtig", um die Testsituation von einer Prüfungssituation zu unterscheiden. Auch wurde in der Instruktion darauf verwiesen, daß das Verhalten der in dem Bild gezeigten Personen vorhergesagt werden soll.
Die Reihung der vier Alternativen stellte die Probanden vor keine Probleme. Die Vorgabe im Einzelversuch dauert zwischen 10 und 20 Minuten. Aus ökonomischen Gründen wurde ein Antwortblatt verwendet, in welches die Reihung eingetragen wird. Im ersten Teil des Blattes werden die üblichen demografischen Merkmale (Alter, Geschlecht, Schulbildung, Berufsangabe) erfaßt. Zusätzlich wurden vier Einzelitems aufgenommen:
- Ausmaß des persönlichen Kontaktes mit Behinderten
- Ausmaß der bisherigen Beschäftigung mit Behindertenproblemen
- Einschätzung der eigenen Gefühle und Erfahrungen im bisherigen Umgang mit Behinderten
- Einschätzung der Identifikation mit Behindertenproblemen
Diese vier Variablen haben sich in einer Untersuchung von Seifert und Bergmann (1983) als wichtige Validierungskriterien erwiesen, die zur Erklärung von Einstellungen gegenüber Behinderten herangezogen werden können.
Da dieses Verfahren sowohl für den Einsatz in Gruppen als auch für den Einzelversuch geeignet ist, wurde bei der vorliegenden Untersuchung dem Einzelversuch der Vorrang gegeben, da es nur in diesem Fall möglich war, individuelle Reaktionen auf das Testmaterial zu erfassen. Damit sollten Hinweise für eine Verbesserung bzw. Neukonstruktion des Testverfahrens gewonnen werden.
Bei einem Teil der Stichprobe wurden auch Spontanantworten zu den einzelnen Bildern verlangt und festgehalten, die die Grundlage für eine Überarbeitung des Verfahrens liefern sollen.
4. Die StichprobeDie empirische Uberprüfung erfolgte an einer nicht repräsentativen Stichprobe, die hinsichtlich ihrer demographischen Merkmale folgende Charakteristika aufwies:
- Alter in Jahren:
- Durchschnitt = 31 Jahre
- Minimum 10 Jahre - Maximum 90 Jahre
- Geschlecht:
- 75 männlich (42,9 %) - 100 weiblich (57,1 %)
- Schulbildung:
- 14 (8 %) Volksschule
- 14 (8 %) Hauptschule
- 19 (11 %) Berufsschule
- 23 (13 %) Fachschule
- 42 (24 %) allgemeine und berufsbildende höhere Schule
- 63 (36 %) Hochschule bzw. Studierende
- Berufsgruppen:
- 10 (6 %) Handwerk, Landwirtschaft
- 17 (10 %) Kaufmännische Berufe
- 18 (10 %) Büroberufe
- 30 (17 %) Sozialberufe, Dienstleistung
- 100 (57 %) in Ausbildung befindlich
Diese Stichprobe (N = 175) kann vor allem im Hinblick auf die Breite in der Altersverteilung und beruflich und bildungsmäßig weite Streuung als geeignet angesehen werden, Schwachstellen bei der Testkonstruktion (insbesondere für die Uberprüfung der Verständlichkeit) aufzudecken.
5. Prüfung der Konsistenz und ReliabilitätDie Uberprüfung der Zuordnung der Items zu den fünfzehn Testfaktoren konnte aufgrund der Verwendung von Reihungen nicht mit den üblichen statistischen Verfahren durchgeführt werden (vgl. Joerger 1973). Die Items jedes Bildes korrelieren logischerweise negativ, auch sind die erwarteten Rangkorrelationen zwischen den Items innerhalb der Einstellungsfaktoren niedriger als bei herkömmlichen Einstellungsmeßverfahren, da der Einfluß des Bildes bzw. der sozialen Situation stark ausgeprägt sein kann. Es wurde daher ein gemischt statistisch-inhaltliches Vorgehen gewählt, das den Daten angemessen ist. Die wichtigsten Schritte waren dabei:
- Gruppierung der Items aufgrund eines Expertenratings durch 33 Personen (7 promovierte Psychologen, 26 Studenten der Soziologie und Wirtschaftspädagogik).
- Berechnung von Rangkorrelationen zwischen den Items der neugruppierten 15 Faktoren und Auswahl der Items mit den höchsten positiven Rangkorrelationen (Stichprobe s. Abschn. 4).
- Berechnung des durchschnittlichen Rangplatzes in jedem Faktor und Berechnung von Rangkorrelationen mit allen Einzelitems.
- Teilweise Neugruppierung bzw. Neuzuordnung von Items - Ausscheiden von 5 Items aus den weiteren Berechnungen.
- Berechnung von 15 Faktorenwerten (durchschnittliche Rangplätze) als Grundlage für die in den Abschnitten 7. und 8. dargestellten Validierungsprüfungen.
Auf Doppelzuordnungen oder Gewichtungen von Items wurde vorläufig verzichtet.
6. Die fünfzehn Einstellungsfaktoren des BESTT83Die Neuzusammenstellung der Items aufgrund des Expertenratings und der empirischen Uberprüfung an der Stichprobe führte teilweise zu einer Neubenennung der Faktoren. Für den anschließenden Validierungsabschnitt sind diese Neubenennungen maßgebend. Der unterschiedliche Umfang der einzelnen Faktoren wird bei einer Überarbeitung des Verfahrens korrigiert werden. Die gleiche Bezeichnung für zwei Faktoren (K1 und K2) wurde als
vorläufiger Kompromiß akzeptiert. Eine Verbesserung bzw. Extremisierung der Operationalisierung einzelner Items sollte bei einer Überarbeitung des Verfahrens eine deutlichere Abgrenzung ermöglichen. Die Zahlenangaben beziehen sich auf die Itemreihenfolge im Testverfahren.
- K1 Zuschreibung positiver Eigenschaften
- Obwohl der Hannes im Rollstuhl sitzt, ist er viel ausdauernder als wir (7)*
- Behinderte Kinder haben besondere Begabungen (12)
- Seit dem Unfall ist sie besonders lieb zu mir (15)
- Er ist viel fleißiger als die meisten Gesunden (22)
- K2 Zuschreibung positiver Eigenschaften
- Sie muß sich viel hübscher anziehen als andere gesunde Mädchen (26)
- Ich bin sicher, erfährt vorsichtiger als andere (30)
- Behinderte Kinder haben viel Ausdauer (34)
- Er wird vorsichtiger fahren, denn ein Unfall ist schnell passiert (50)
- K3 Eingeständnis des Nichtwissens über Behinderte
- Ich weiß nie, wie ich mit der Sigrid im Rollstuhl reden soll (I)
- Ich möchte wirklich wissen, wie der Hannes das Leben im Rollstuhl schafft (6)
- Ich hätte nie gedacht, daß man mit einer solchen Behinderung autofahren kann (32)
- Was wissen wir über behinderte Kinder? (36)
- Weil sie nicht weiß, was sie jetzt tun soll (43)
- Ich weiß bis heute noch nicht, ob ich auch alles richtig mache (48)
- Er wird nicht wissen, wie man einen Rollstuhl im Fahrzeug verstaut (49)
- K4 Zuschreibung negativer Eigenschaften im Sozialbereich
- Wenn die Behinderten nicht so empfindlich und mißtrauisch wären (38)
- Wenn er nur nicht so empfindlich und reizbar wäre (47)
- Viele ältere Menschen schließen sich am liebsten von allem ab (57).
- K5 Betonung der Belastung durch Behinderte
- Man muß schon sehr viel Zeit für den Hannes im Rollstuhl opfern (5)
- Mutter ist jetzt im Haushalt auf mich angewiesen (14)
- Beeil' dich doch, du kommst sonst zu spät (20)
- Ich weiß, ich bin ja doch nur eine Belastung für ihn (54)
- Gebrechliche Menschen sind für die Familie auch eine Belastung (60)
- E1 Betroffenheit und emotionale Zuwendung
- Ich muß meine Mutter jetzt noch mehr liebhaben (13)
- Ich bin immer erschüttert, wenn ich sie so sehe (28)
- Behinderte Kinder brauchen viel Liebe (35)
- Weil der Behinderte sonst ihre Betroffenheit merken könnte (41)
- E2 Bewunderung über die Haltung des Behinderten
- Der Hannes ist immer fröhlich, obwohl er behindert ist (8)
- Ich bewundere ihn, wie er seine Arbeit macht (23)
- Manchmal bewundere ich ihn, wie er so alles erträgt (46)
- E3 Verlegenheit und Unbehagen in Gegenwart eines Behinderten
- Manchmal ist es mir peinlich, wenn wir miteinander ausgehen (25)
- Irgendwie fühle ich mich beim Mitfahren nicht ganz wohl (31)
- Weil es ihr unbehaglich ist, mit einem Behinderten zusammenzutreffen (42)
- Hoffentlich starren uns nicht alle Leute im Lokal an (55)
- E4 Emotionale Abwendung und Betroffenheit
- Es gibt mir jedes Mal einen Stich, wenn ich ihn sehe (24)
- Ich kann mir schwer vorstellen, mit einem Behinderten zusammenzuleben (40)
- Manchmal möchte ich am liebsten davonlaufen (45)
- E5 Zufriedenheit, nicht selber behindert zu sein
- Man muß schon dankbar sein, wenn man selber gesund ist (37)
- Man muß froh sein, daß man selber noch nicht so gebrechlich ist (59)
- H1 Aktive Hilfsbereitschaft
- Ich helfe dir, auch wenn wir beide zu spätkommen (19)
- Man muß für sie schon sehr viel Zeit und Geduld aufbringen (27)
- H2 Indirekte Hilfsbereitschaft
- Soll doch die Susi mit der Sigrid im Rollstuhl spielen (2)
- Zuwenig Pflegerinnen für behinderte Kinder (9)
- Ich geh' voraus und sage dem Lehrer, daß du kommst (17)
- Man müßte die Steuern für Behindertenautos abschaffen (29)
- Eigentlich sollten Behinderte einen ständigen Begleiter haben (39)
- H3 Interaktionsvermeidumg
- Keine Zeit - ich muß noch die Hausübung abschreiben (18)
- Weil man einem Behinderten nicht seine Neugier zeigen soll (44)
- Er fährt weiter, denn hinter ihm kommt ein größerer Wagen (51)
- H4 Ablehnung des sozialen Kontakts
- Ich möchte nicht mehr mit der Sigrid im Rollstuhl spielen (3)
- Manchmal machte ich einfach davonlaufen (16)
- Gesunde Kinder lehnen behinderte ab (33)
- H5 Befürwortung der Segregation
- Die Sigrid im Rollstuhl soll wieder in ihr Heim zurück (4)
- Man hätte ihm doch ein eigenes Büro geben können (21)
- In einem schönen Altenheim wird doch am besten für sie gesorgt (58)
7. Ergebnisse der empirischen Auswertung und Prüfung der Validität der fünfzehn Variablen des BESTT837.1. Die durchschnittliche Einstellungsstruktur
Die in Abbildung 2 dargestellte durchschnittliche Einstellungsstruktur kann einen ersten Hinweis hinsichtlich inhaltlicher Validität liefern. Die in der eigenen Untersuchung (Seifert & Stangl, 1981, 91 ff.) erfaßten emotionalen Reaktionsweisen zeigen in den vergleichbaren Faktoren des BESTT83 dieselben Tendenzen: die Zufriedenheit, nicht selber behindert zu sein wird ebenfalls an erste Stelle gereiht, während Ablehnung und Abwendung auf den letzten Positionen liegen. Generell bemerkenswert ist der an dritter Position gereihte Faktor "Eingeständnis des Nichtwissens" - die Wichtigkeit dieses Faktors kann auch aufgrund der Ergebnisse in der eigenen Untersuchung (Seifert & Stangl, 1981, 67 ff.) belegt werden. Es sollte daher bei der weiteren Testentwicklung dieser Moderatorvariable größtes Augenmerk geschenkt werden, da bei der Auswertung herkömmlicher Einstellungstests die individuellen Informationsstände der Probanden nicht berücksichtigt werden und Urteile von Probanden mit großem Wissen in gleicher Weise bewertet werden wie Urteile von Personen, die sich mit dem Problem überhaupt noch nicht auseinandergesetzt haben.
7.2. Die Einstellungsstruktur im Geschlechtsvergleich
Die ebenfalls in Grafik 3 dargestellten Geschlechtsunterschiede sind bei keinem der Einstellungsbereiche signifikant. Cloerkes (1979, 203 ff.) referiert zusammenfassend 61 Arbeiten, wobei in 27 Untersuchungen signifikante und in 24 Arbeiten keine signifikanten Geschlechtsunterschiede in der Einstellung gegenüber Behinderten gefunden werden konnten. Daß mit dem hier verwendeten Instrumentarium keine Unterschiede erreicht wurden, liegt vermutlich an der Zusammensetzung der Stichprobe bzw. am geringen Einfluß von Antworttendenzen (geschlechtsspezifische Unterschiede aufgrund von unterschiedlichen Rollenerwartungen). Außerdem fehlt die in anderen Untersuchungen beabsichtigte Bewertung in positive und negative Einstellungen. Wenn auch ein endgültiges Urteil erst nach weiteren Validierungsstudien gefällt werden kann, so sind die im emotionalen Zuwendungsbereich (E1 und E2) gefundenen Unterschiede zugunsten der weiblichen Probanden in der von Cloerkes behaupteten Richtung.
7.3. Die Einstellungsstruktur im Altersvergleich
Die gefundenen Ergebnisse stützen die Befunde, die Cloerkes, (1979, 194 ff.) referiert, daß generell kein linearer Zusammenhang zwischen Alter und Einstellung gegenüber Behinderten angenommen werden kann. Die in Abbildung 2 untersuchten fünf Altersgruppen zeigen in sechs Einstellungsbereichen signifikante Unterschiede (überprüft mit einfaktoriellen Kruskal-Wallis-Varianzanalysen). Wenn auch aufgrund der nicht günstigen Altersverteilung der Stichprobe vorschnelle Interpretationen unterbleiben müssen, kann vorläufig festgehalten werden, daß sich vor allem im kognitiven und Handlungsbereich Strukturunterschiede zwischen verschiedenen Altersgruppen ergeben haben, die sich in ihrer Richtung mit bisherigen Untersuchungsergebnissen gut vereinbaren lassen.
7. 4. Einstellungsstruktur und Schulbildung
Die bisherigen Untersuchungen zu diesem Zusammenhang sind in vielen Fällen Artefakte (vgl. Cloerkes, 1979, 187 ff.) und gesicherte Aussagen sind kaum zu treffen.
Die in Abbildung 2 gegenübergestellten Gruppen zeigen bei fünf Bereichen signifikante Differenzen, doch sind auch bei anderen Faktoren deutliche Tendenzen ablesbar. Personen mit geringem Ausbildungsniveau zeigen eher aktive Hilfsbereitschaft und emotionale Betroffenheit, während Personen mit höherer Schulbildung eher ihre Unwissenheit anmelden. Allgemein neigen die besser Gebildeten eher zu einer mittleren (differenzierteren?) Einstellung, während Personen mit geringerem Ausbildungsniveau die extremeren Profile aufweisen.
Daß es zwischen Personen unterschiedlichen Bildungsgrades Unterschiede in der Einstellungsstruktur gibt, läßt sich hier zumindest in dieser allgemeinen Form bestätigen. Aufgrund der Stichprobe erscheint es nicht sinnvoll, über diese Feststellung hinauszugehen (vgl. auch Cloerkes, 1979,193 f.).
8. Weitere ValiditätsprüfungenIn Tabelle 2 sind die signifikanten Beziehungen der fünfzehn Faktoren zu den vier Einzelitems (s. Seifert & Bergmann, 1983 und Abschnitt 3) dargestellt. Im Vergleich zu den von den beiden Autoren mitgeteilten Korrelationen (Produktmomentkorrelationen) fällt die eher geringe Anzahl von Signifikanzen auf, wobei diese bei Seifert und Bergmann durchschnittlich hoch sind und nur aufgrund der großen Probandenzahl signifikant sind. Auch könnte die Ähnlichkeit der Antwortmuster bei diesen Variablen mit den Antwortmustern bei der Einstellungsskala eine Rolle spielen. Das hier gewählte Zusammenhangsmaß (Eta) dürfte den Variablen auch eher gerecht werden, da die Linearitätsannahme anzuzweifeln ist. Die hier vorliegenden Ergebnisse stützen diese Kritik.
Die wichtigste Zusatzvariable ist die Identifikationsfähigkeit mit Behinderten. Hier gibt es insgesamt sechs signifikante Beziehungen.
Ein zusätzlicher Validierungsversuch wurde mit einer Zusammenfassung der vier Zusatzitems unternommen. Diese Vorgehensweise ist insofern gerechtfertigt, als Seifert und Bergmann in ihren Ergebnissen hohe Korrelationen mit den Gesamtscores ihrer Einstellungsskala mitteilen. Sie können daher in ihrer Gesamtheit auch als indirekter Ausdruck der Einstellung angesehen werden
Eine negative Einstellung ist gekennzeichnet durch die Betonung der Belastung, Verlegenheit und Unbehagen, emotionale Abwendung, während eine positive Einstellung sich durch Zuschreibung positiver und negativer Eigenschaften ausdrückt. Dieses auf den ersten Blick überraschende Resultat zeigt, daß nicht apriori angenommen werden darf, daß negative und positive Zuschreibung einander ausschließen, sondern als generelle Reaktionstendenz bei eher positiv eingestellten Personen auftreten kann.
Hier nicht im Detail mitgeteilte Ergebnisse (Vergleich von Berufsgruppen) bestätigen, daß Personen in Sozialberufen und Berufen mit häufigem sozialen Kontakt eine ,günstigere' Einstellung aufweisen als Personen in kaufmännischen Berufen. Die in der Zusammenfassung von Cloerkes (1979, S. 225 ff.) zitierten Professionals mit ihrer anderen aber nicht immer positiveren Einstellung können ebenfalls als erste Hinweise auf inhaltliche Validität angesehen werden.
9. Zusammenfassung und SchlußfolgerungDie hier berichtete erste Stufe der Testentwicklung eines Einstellungsstrukturtests gegenüber Behinderten kann als vorläufige Bestätigung des verwendeten Konzepts und des Instrumentariums aufgefaßt werden. Das leicht handhabbare Verfahren kann detaillierte Aussagen über Einstellungsstrukturen liefern, wobei einige Faktoren in der weiteren Entwicklung modifiziert bzw. neuf ormuliert werden müssen. Auch scheint eine geringe Erweiterung des Umfangs auf 20 Bilder (Situationen) wünschenswert, um die einzelnen Faktoren reliabler erfassen zu können. Erste Hinweise auf die differentielle Validität bestätigen die Anwendbarkeit des Verfahrens für Forschungszwecke, wobei vor allem der Bereich der Veränderungsmessung von Einstellungsstrukturen wichtig erscheint. Bei der Überarbeitung des Verfahrens werden die erhobenen Spontanantworten berücksichtigt werden, denn aus den Ergebnissen läßt sich ableiten, daß bestimmte Bildsituationen und -inhalte unterschiedlichen Aufforderungscharakter aufweisen. Der Vorteil des Verfahrens liegt vor allem in der Realitätsnähe der Testsituation, in der eher geringen Anfälligkeit für Verfälschungstendenzen und der Möglichkeit, latente Abwehrtendenzen aufgrund des projektiven Charakters des Verfahrens sichtbar zu machen.
10. LiteraturBenninghaus, H. Ergebnisse und Perspektiven der Einstellungs-Verhaltens-Forschung. Meisenheim,
Cloerkes, G. Einstellung und Verhalten gegenüber Körperbehinderten. Berlin 1979.
Joerger, K. Gruppentest für die soziale Einstellung - S-E-T. Göttingen, 1973.
Lienert, G. A.: Testaufbau und Testanalyse. Weinheim, 1969.
Newman, W. M.: American pluralism. A study of minority groups and social theory. New York 1973.
Seifert K. H., & Bergmann, Chr. Entwicklung eines Fragebogens zur Messung der Einstellungen geienüber Körperbehinderten. Heilpädagogische Forschung 1983, 10, 290-320.
Seifert, K. H., & Stangl, W. Einstellungen zu Körperbehinderten und ihrer beruflich-sozialen Integration. Bern, 1981.
Siller, J. Generality of attitudes toward the physically disabled. Proceedings, 78th Annual Convention. APA 1970, 5, Part 11, 697-698.
Wicker, A. W. Attitudes versus actions: The relationship of verbal and overt behavioral responses to attitude objects. Journal of Social Issues, 1969, 25, 41-78.
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Auch als pdf-Datei:
Entwicklung eines Behinderten-Einstellungs-Strukturtests: BESTT83. Erste Validierungsstudien zu einem projektiven Meßverfahren. (pdf, 496kb)Siehe auch:
ONLINE: Behinderten-Einstellungs-Strukturtest (BESTT) (pdf, 8kb)Die Entwicklung und Validierung eines Behinderten-Einstellungs- Strukturtests (BESTT). Kurzbericht über erste Validierungsstudien zu einem projektiven Meßverfahren. Rehabilitation 1984, 23 , 26-27.
Die Einstellungsstruktur gegenüber Behinderten. Heilpädagogische Forschung 1984, 11, 207-220.
Der BESTT83 - Behinderten-Einstellungs-Strukturtest 1983. In: ALBERT, D. (Hrsg.): Bericht über den 34. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Psychologie in Wien 1984. Band 2. Göttingen: Hogrefe 1985, 585.
Entwicklung und Validierung eines Behinderten-Einstellungs-Strukturtests (BESTT83). In: HEHL, F.-J. & EBEL, V. & RUCH, W. (Hrsg.): Kongreßbericht zum 12. Kongreß für Angewandte Psychologie. Band 3. Diagnostik und Evaluation bei betrieblichen, politischen und juristischen Entscheidungen. Bonn: Deutscher Psychologen Verlag 1985, 186-193.
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