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Das erste pädagogisch-psychologische e-zine im internet | Seit 1996 | ISSN 1561-2503
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Diskussion der Ergebnisse

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Begriff Respekt im Allgemeinen und insbesondere bezogen auf Lehrkräfte offensichtlich bei heutigen Schülern keineswegs veraltet und/oder ohne Vorstellungsinhalte belegt ist, sondern im Gegenteil eine Vielzahl von Zuschreibungen und Assoziationen zu erlebten Situationen in der Schule wachruft. Dies zeigen die anhand von offenen Fragen gewonnenen Ergebnisse der dargelegten Pilotstudie.
Die vorliegenden Ergebnisse weisen darüber hinaus auf eine Vielzahl von Verhaltensweisen hin, die eine Lehrperson aus Sicht der Schüler zeigen sollte, damit Schüler ihr gegenüber Respekt empfinden.

Aus den Antworten der Schüler lassen sich inhaltlich drei voneinander abgrenzbare Grunddimensionen des Lehrerverhaltens interpretieren (s. Abb. 1).

Eine erste Dimension "Fachorientierung" bildet dabei die fachliche und didaktische Qualität des Lehrverhaltens, die sich insbesondere darauf richtet, inwieweit die Lehrkraft den Stoff beherrscht, diesen präsentiert und vermittelt.

Die zweite Dimension "Personorientierung" beinhaltet zumeist eher soziale, auf die Persönlichkeit der Schüler ausgerichtete und Verständnis für die Belange der Schüler signalisierende Verhaltensweisen. Neben diesen positiven Aspekten ist aber auch das "Niedermachen" und Bloßstellen" der Schüler durch eine Lehrkraft zu dieser Dimension zu zählen.

Als dritte zentrale Dimension "Lenkung" sind Verhaltensweisen zusammengefasst, die den Charakter von Lenkung und Bestimmung zum Ausdruck bringen. Aufgrund der dargestellten Befragungsergebnisse ist zu vermuten, dass diese drei Dimensionen des Lehrerverhaltens die Basis für das Ausmaß an Respekt von Schülerseite gegenüber der Lehrperson bilden.

Abb. 1: Dimensionen des Lehrerverhaltens

 

Rückblickend finden sich die hier herausgearbeiteten Dimensionen des Lehrerverhaltens in unterschiedlichen Kontexten der Lehrerforschung wieder, jedoch ohne Bezugnahme auf den Respekt zwischen Lehrern und Schülern.

In sozialphilosophischer Hinsicht sind die Dimensionen Fachorientierung und Personorientierung schon in der 'Typenlehre des Lehrers' von Caselmann (1949) enthalten. Er unterscheidet auf der einen Seite generell zwischen dem logotrophen Lehrertyp, der überwiegend philosophisch und fachwissenschaftlich orientiert ist. Andererseits stellt er den paidotrophen Lehrertyp, der sich eher personorientiert gibt, heraus. Die Dimension der Lenkung nennt Caselmann nicht explizit, sie liegt je nach Lehrertypus eher implizit mit unterschiedlicher Ausprägung vor. Beim logothrophen Lehrertypus ist die Lenkung stärker ausgeprägt als beim Typus des paidotrophen Lehrers.

Tausch und Tausch (1970; 1998), die zahlreiche Studien zum Lehrerverhalten seit den 1950/60er Jahren durchgeführt haben, charakterisieren Lehrerverhalten in deutlich anderen Termini. Sie stellen drei Hauptdimensionen des Lehrer- bzw. Erzieherverhaltens heraus. Zu diesen Hauptdimensionen zählen die sozio-emotionale Zuwendung (Echtheit, Wärme, Rücksichtnahme), fördernde nicht dirigierende Einzeltätigkeiten und die Dirigierung-Lenkung. Tausch und Tausch (1998) betonen in ihren Darstellungen insbesondere die förderlichen Aspekte der sozio-emotionalen Zuwendung durch die Lehrkraft und die positive Wirkung der nicht dirigierenden Einzeltätigkeiten für den Erziehungsprozeß. Dirigierung-Lenkung stellen sie hingegen als wenig förderliches Lehrer- und Erzieherverhalten heraus.

Stellt man nun die Dimensionen von Tausch und Tausch den in der zuvor dargestellten Studie gefunden Dimensionen zum Respekt der Schüler vor der Lehrkraft gegenüber, so sind folgende Parallelen und Diskrepanzen feststellbar. Die Dimension sozio-emotionale Zuwendung entspricht in etwa der Dimension Personorientierung. Die Dimension fördernde nicht dirgierende Tätigkeiten kommt der Dimension Fachorientierung sehr nahe, wobei allerdings Tausch und Tausch insbesondere die Förderung der Selbsttätigkeit der Schüler betonen. Schließlich bleibt die Dimension der Lenkung, die, wie an den dargestellten Ergebnissen zu sehen ist, von den Schülern als durchaus relevant für den Respekt gegenüber der Lehrkraft angesehen wird. Lenkung spielt damit im Konzept des Respektaufbaus eine zentrale Rolle, wenngleich sie auch in den Ergebnissen von Tausch und Tausch eher als negativ angesehen wird. Vielmehr können die vorliegenden Ergebnisse so interpretiert werden, dass sogar ein gewisses Maß an Lenkung unbedingt erforderlich scheint, damit Schüler vor einem Lehrer Respekt entwickeln können.

Aufgrund dieser Feststellungen sind im Folgenden die drei den Respekt konstituierenden Dimensionen des Lehrerverhaltens in einem Modell zur Bestimmung des Respekts gegenüber einer Lehrkraft zusammengefasst (s. Abb. 2).

In diesem vorgeschlagenen Modell kann theoretisch jede Lehrkraft auf den drei Hauptdimensionen eingestuft werden und es kann so das Maß an Respekt der Schüler gegenüber der Lehrkraft ermittelt werden.

Abb. 2: Modell zur Bestimmung des Respekts gegenüber einer Lehrkraft

Im Modell beinhaltet die Fachorientierung der Lehrkraft die Beherrschung und Vermittlung des zu behandelnden Stoffs, wobei eine auf das Verständnis und die Ansprüche bzw. die Leistungsfähigkeit der Schüler ausgerichtete Didaktik besonders wichtig ist. Die zweite Dimension stellt die Personorientierung dar. Mit Personorientierung sind die von der Lehrkraft ausgehenden Verhaltensweisen zur Schaffung gegenseitigen Vertrauens zwischen ihr und den Schülern, das Respektieren der Ideen und Vorschläge der Schüler, die Rücksichtnahme auf Gefühle und Wünsche der Schüler, die Berücksichtigung von menschlichen Problemen sowie die Förderung der Schüler, die Gewährung von Mitwirkung an Entscheidungen und insgesamt die Ermunterung zu einer Zwei-Wege-Kommunikation zwischen Lehrkraft und Schülern, gemeint. Personorientierung bedeutet aber nicht, dass sich Lehrer und Schüler gegenseitig oberflächlich "auf die Schulter klopfen", sich Duzen etc.. Allerdings muss angemerkt werden, dass auch der Respekt aus Gründen der Unterwerfung gegenüber der Lehrkraft hier mit einfließt.
Die dritte Dimension stellt die Lenkung dar. Sie beinhaltet die Planung und Organisation der Klassenaktivitäten, das Festlegen der Arbeitsziele in der Klasse, die Verteilung der Aufgaben und Funktionen, die Festlegung der Arbeitstechniken, das Anstreben angemessener oder hoher Leistungen und auch deren konsequente Kontrolle, z.B. durch Hausaufgaben und Klassenarbeiten bzw. Tests. Wichtig ist hierbei erkennbares konsequentes Handeln, so dass den Schülern die Erwartungen des Lehrers deutlich vor Augen geführt werden.
Ein Lehrer kann sich nun jeweils mehr oder weniger fachorientiert, gleichzeitig mehr oder weniger personorientiert, und gleichzeitig mehr oder weniger stark lenkend verhalten. Vermutlich stellt ein ausgewogenes Verhältnis von Fachorientierung, Personorientierung und Lenkung, jeweils in hoher Ausprägung langfristig das effektivste und erfolgversprechendste Lehrerverhalten dar und bedeutet in seiner Folge, dass die Lehrerin bzw. der Lehrer von den Schülern respektiert und geachtet wird.
Nicht zuletzt dürfte das Vorhandensein von Respekt eine grundlegende Basis für effektiven und lehreffizienten Unterricht darstellen und damit letztlich auch für die individuelle Arbeitszufriedenheit (Ulich, 1996) von Lehrkräften ausschlaggebend sein. Schließlich steht immer die Forderung im Raum "besser und bessere Lehrer auszubilden", wie es Weinert (1996, S. 148) formulierte, und es ist deshalb für die Lehreraus- und -weiterbildung empfehlenswert, sowohl die Fachorientierung und Schülerorientierung sowie Formen und Auswirkungen von lenkenden pädagogischen Maßnahmen gleichermaßen umfangreich in die Ausbildung mit einzubeziehen und insbesondere auch mit einzuüben.

Um den Begriff 'Respekt' aus seinem Schattendasein zu befreien und für die pädagogische Diskussion vertiefend nutzbar zu machen, müssten weiterführende qualitative und quantitative Studien an Schulen zeigen, welche Rolle und welche Ausprägungen dem Konstrukt Respekt z.B. an unterschiedlichen Schulformen zugeschrieben wird. Diese Studien sollten dann sowohl den Respekt von Schülern gegenüber Lehrern als auch den Respekt von Lehrern gegenüber Schülern zum Thema haben.


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