Das Bearbeiten von Fachliteratur ist sowohl im Studium als auch später im Beruf eine wichtige Tätigkeit. Da man dabei in der Regel unter einem gewissen Zeitdruck steht, ist es notwendig, die bisherigen Arbeits- und Lesetechniken grundlegend zu verändern. Im folgenden wird eine Methode vorgeschlagen, die üblicherweise bei der studierenden Lektüre von Fachliteratur angewendet wird. Bei dieser sog. "Fünf-Schritte-Methode" ist das Grundprinzip die aktive Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Text. Ziel ist dabei neben dem Verstehen auch das Aneignen des Materials, d.h., das Erlernen der Inhalte. Die fünf Schritte sind:
- Schritt 1: Überblick gewinnen
- Schritt 2: Fragen an den Text stellen
- Schritt 3: Lesen
- Schritt 4: Rekapitulieren und Fragen beantworten
- Schritt 5: Rückblick und Endkontrolle
Bevor man ein Fachbuch zu lesen beginnt, ist es notwendig, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, welche Themen das Buch oder der Artikel behandelt und auf welche Fragen er Antwort geben könnte. Das ist besonders bei der Auswahl von Literatur für ein Referat oder eine Diplomarbeit notwendig. Dieser Schritt entspricht in etwa dem kursorischen Lesen.
Hilfen dafür sind die Zusammenfassungen des Inhalts (Deckelumschlag, bei Zeitschriften das Abstract am Beginn oder Ende des Artikels), Vorworte und Einleitungen, Inhaltsverzeichnisse, Kapitelüberschriften, Untertitel und in irgendeiner Form im Text Hervorgehobenes. Bei vielen Fachbüchern findet sich am Ende ein Stichwort- oder Schlagwortverzeichnis, in welchem auf die Textstellen verwiesen wird, bei denen man Informationen zu einem bestimmten Begriff finden kann.
Hat man sich nun aufgrund des bisher gewonnenen Überblicks entschieden, ein Buch oder einen Artikel zu bearbeiten, so ist es meist notwendig, daß man diese zur Bearbeitung in Abschnitte unterteilt, die man nun genauer zu bearbeiten beginnt. Nun versucht man sich über den vorgegebenen Abschnitt einen etwas genaueren Überblick zu verschaffen und zwar so, daß gezielt Fragen an den Text gestellt werden können.
Schritt 2: Fragen an den Text stellen
Dieser Schritt ist der wichtigste, denn dadurch erfolgt das aktive Auseinandersetzen mit dem Text und gerade das soll ja erreicht werden. Dadurch daß man Fragen an den Text stellt, bearbeitet man diesen gezielter und aktiviert seine Vorkenntnisse.
Die Fragen, die man an den Text stellt, werden umso spezieller sein, je genauer man den Text kennenlernen will. Man kann z. B. Überschriften und Hervorgehobenes im Text zu Fragen umformulieren. Es ist auch wesentlich, Fragen nach der praktischen Anwendbarkeit des Gelesenen zu stellen, aber auch mögliche Prüfungsfragen, die sich aus dem Text ergeben, können gestellt werden. Es ist immer ratsam, diese Fragen gleich schriftlich festzuhalten. In der Regel bestimmt die Länge eines zu bearbeitenden Abschnittes die Anzahl der Fragen.
Das Lesen von Fachliteratur erfordert Kenntnisse, Interesse und Aufmerksamkeit und bedeutet meist harte geistige Arbeit. Der Leser muß die Gedanken des Autors nachvollziehen, diese in Frage stellen, vorausdenken, Verbindung zu seinen Vorkenntnissen herstellen, alles bewußt aufnehmen und einordnen. Aus diesem Grunde sind die vorangegangenen Schritte notwendig, die unser Interesse geweckt haben und Fragen aufgeworfen haben, deren Beantwortung wir erwarten. Normalerweise enthält jeder Abschnitt eine Hauptaussage, die vom Leser aufgesucht werden soll. Fremdwörter, Fachausdrücke und Begriffsbestimmungen (Definitionen) sollen besonders beachtet werden, wobei auch Wörterbücher und Fachlexika herangezogen werden müssen. Dadurch daß wir Fragen an den Text gestellt haben, deren Beantwortung wir erreichen wollen, verhindern wir, daß der Faden verloren geht, und es wird uns ermöglicht, für uns unbedeutende Teile wegzulassen.
Gerade für den Anfänger im wissenschaftlichen Arbeiten stellt sich das Problem, daß er nicht weiß, was an einem Text wichtig ist und was nicht. Zwei übergeordnete Aspekte sollten dabei beachtet werden: "Was ist für mich persönlich wichtig?" und "Was ist in bezug auf das Ziel meiner Arbeit wichtig?" Der erste Aspekt erleichtert das Lernen, denn Inhalte, die etwa für unser Leben von Bedeutung sind, werden auch leichter behalten (erhöhte Motivation). Der zweite Aspekt ist insofern von Bedeutung, da man dann schon vieles weglassen und sich auch die zentralen Bereiche seines Themas konzentrieren kann.
4. Rekapitulieren und Fragen beantworten
Bei diesem Schritt findet die erste Überprüfung statt. Nach dem Lesen legt man das Buch oder den Artikel weg und versucht, sich nochmals in Erinnerung zu rufen, welche Hauptpunkte im Text enthalten waren. Dann versucht man schriftlich die im Schritt 2 gestellten Fragen zu beantworten. Dabei sollten die Antworten aus eigenen Sätzen bestehen und nicht im Abschreiben des Buches. Können Fragen nicht vollständig beantwortet werden, so ist nochmals gezielt nachzulesen. Eventuell bei der Lektüre auftretende neue Fragen formulieren und ebenfalls beantworten.
Sind alle Abschnitte nach den Schritten 1 bis 4 bearbeitet, dann soll im Rückblick nochmals die Gesamtschau hergestellt werden. Es empfiehlt sich, bei umfangreicheren Arbeiten solche Rückblicke auch zwischendurch zu versuchen (etwa am Ende eines Arbeitstages). Die Aufzeichnungen werden dabei in die endgültige Form gebracht und letzte Unsicherheiten behoben. Das ist sehr wichtig, da die Notizen Ausgangspunkt einer zu einem späteren Zeitpunkt stattfindenden Wiederholung sind (aber auch für das Lernen zur Prüfung). Der letzte Schritt soll mögliche Lücken rechtzeitig aufzeigen und auch helfen, das Studierte in das Insgesamt unseres Wissens einmzuordnen.
Solche und ähnliche Schemata kann man unter dem Begriff der metakognitiven Lernstrategien zusammenfassen. Ein vergleichbares 3-stufiges Schema findet sich bei Wild & Klein-Allermann (1992) in ihrer Taxonomie "Metakognitiver Lernstrategien".