2. Telekommunikationsformen im Vergleich

"Ein neues Medium muß neue, vorteilhafte Eigenschaften gegenüber den alten besitzen, sonst setzt es sich gar nicht durch. Das bedeutet aber gewöhnlich, daß es andere Eigenschaften der alten Medien NICHT hat." Stefano MonachesiVI

2.1 Briefe

"Denn was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen." Johann Wolfgang von GoetheVII (S.64)

Unser Leben ist immer mehr von Zeitmangel und Streß gekennzeichnet, so wird die aufwendige Kommunikationsform Brief weiter und weiter von "modernen" Medien verdrängt.

"Historisch betrachtet war die asynchrone Kommunikation - wie zum Beispiel das Briefeschreiben - immer eher ein formaler als ein spontaner Austausch." Nicholas Negroponte (S.207)

Der schriftliche Gedankenaustausch ist allerdings die präziseste und produktivste Form der Kommunikation. Zwar werden direkte Reaktionen eingeschränkt, die Möglichkeit des mehrmaligen Überdenkens, oder überhaupt des Nachdenkens über längere Zeit, läßt jedoch auch fundierte und komplizierte Gedankengänge zu. Durch die Fixierung des Textes kann man präzise Aussagen über und Bezüge auf die Kommunikation festhalten. Der Charakter eines Geschenks, der einem persönlichen Brief immer mehr zukommt, wird in Zukunft den Rückgang des Mediums bestimmen.

2.2 Telefon

"Eine unmittelbare oder am Telefon geführte Unterhaltung findet in Echtzeit statt und ist synchron..." Nicholas Negroponte (S.207)

Das Telefon ist das meistgenutzte Telekommunikationsmittel unserer Zeit. Die Vorteile liegen auf der Hand: Telefonieren kommt der direkten Kommunikation am nächsten, abgesehen natürlich von Mimik, Gestik und allgemein der optischen Zeichenaufnahme, außerdem bietet es eine schnelle, einfache Handhabung, die Ungebundenheit an einen Ort, bzw. die Möglichkeit, es sich mit dem handlichen Gerät gemütlich zu machen. So kommt diesem Medium oft die vornehmliche Rolle eines Mitteilungsinstrumentes zu.

"Von dem, was in einer großen Stadt zusammentelefoniert wird, ist gut und gern die Hälfte überflüssig." Kurt TucholskyVIII

Aus der heimischen Welt kann man mit der Außenwelt kommunizieren, schneller und direkter als mit jeder anderen Technik, die Zeit- und Aktionsinvestition ohne unmittelbares Feedback hält sich in sehr engen Grenzen. Oftmals ist der Anlaß der Kommunikationsaufnahme Selbstzweck und nicht inhaltlicher Art; eine der Hauptaufgaben des Telefons besteht im Kontakterhalten.

Durch die Erweiterung des Mediums mit dem automatischen Anrufbeantworter ist für Benachrichtigungen nicht einmal mehr die Anwesenheit des Adressaten notwendig, der Einsatz von Mobiltelefonen erzielt eine Unabhängigkeit von Ort und durchgehende Erreichbarkeit.

2.3 Fax

"Das Fernkopiergerät oder Fax ist ein ernsthafter Makel der Informationslandschaft." Nicholas Negroponte (S.229)

Die einfache und direkte Bedienung des Faxgeräts ebnete ihm in den Achtzigern den Weg zu einem unumgänglichen geschäftlichen Medium. Es spiegelt die Bezogenheit der Gesellschaft auf Gedrucktes, auf etwas, das man in der Hand halten kann, wider. Nicholas Negroponte stellt das Telefax als Schlag ins Gesicht für die Entwicklung der Kommunikationsmedien dar - denn durch die Entfernung der Computerlesbarkeit und somit der Möglichkeit, die Nachricht zu speichern, neu zu lesen und zu verändern, bringt das Fax doch lediglich eine Ausfeilung der alten Medien mit sich. Die Vorzüge in Übertragungskosten auf weite Entfernung sind meist nur für Unternehmen von Bedeutung, der Zeitvorteil allein hat das Fax im privaten Raum nicht etablieren können, da die Erreichbarkeit auch von der Verbreitung abhängig ist.

2.4 E-Mail

"Dieses neue Quasi-Sprachmedium unterscheidet sich wirklich völlig vom Briefeschreiben. Es ist weit mehr als ein schnelles Postamt,..." Nicholas Negroponte (S.232)

"Email bildet das Computer-Pendant zu einem Brief, wie man ihn herkömmlicherweise mit der Post verschickt." schreiben Martin Rost und Michael Schack in ihrem Buch "DFÜ - Ein Handbuch" (S.14). Das erscheint auf den ersten Blick vielleicht plausibel, zeigt aber auf den zweiten Blick wenig Auseinandersetzung mit dem Medium. Nicholas Negroponte nennt die E-Mail "eher ein Sprachmedium" (S.232). Auch wenn es sich nicht um einen gesprochenen Dialog handelt, kommt es doch dem Sprechen näher als dem Schreiben bzw. dem Versenden von Briefen.

Die Antwort auf eine elektronische Nachricht ist mit weniger Mühe verbunden als eine schriftliche, die Übertragung erfolgt in Sekunden; es entfallen Arbeiten wie das Suchen von Papier und Stift, das Eintüten in den Umschlag und nach dem Kauf einer Briefmarke das Einwerfen in den Briefkasten. Wenn man gerade am Lesen der empfangenen Botschaften ist, reicht ein einfacher Knopfdruck aus, um direkt dem Sender zu antworten; und hier zeigt sich ein weiterer Pluspunkt der E-Mail - die Geschwindigkeit. In der Regel erreicht die Nachricht den Adressaten in wenigen Sekunden, dieser hat allerdings die Möglichkeit, sie zu bearbeiten, wann immer er dafür die Zeit findet.

"Einer der großen Vorteile der elektronischen Post oder E-Mail liegt darin, daß sie im Gegensatz zum Telefon nicht störend wirkt. Sie können sie bearbeiten, wann es Ihnen gerade paßt." Nicholas Negroponte (S.207)

Der Vorteil für vielbeschäftigte Menschen liegt auf der Hand: die Option der eigenen Zeiteinteilung verringert den Streßfaktor, der durch dauernde Erreichbarkeit über Telefon oder Handy gegeben ist.

Die E-Mail kann natürlich als schnellere Variante des Briefeschreibens dienen, doch für Menschen, die täglich mit dem Computer arbeiten, ist sie besonders für den kurzen Austausch und für Benachrichtigungen von Wert. Durch das Kostenverhältnis der E-Mail kann sie im Gegensatz zu Briefen auch häufiger mit kurzen Texten genutzt werden, für Alltags-Kommunikation ohne Fortbewegen vom Arbeitsplatz.

"Die E-Mail gewinnt an Popularität, weil sie sowohl asynchron als auch computerlesbar ist. Die E-Mail schafft eine enorme Mobilität, ohne daß jemand wissen muß, wo Sie sich gerade aufhalten." Nicholas Negroponte S.236

Im Grunde ist die Asynchronität, die Nicholas Negroponte als Faktor der Popularität betrachtet (S.236), keine neue Sache, denn ein Anrufbeantworter leistet das gleiche. Es ist eine Frage der Bevorzugung schriftlicher oder mündlicher Kommunikation, ob man in diesem Bereich dem Anrufbeantworter oder der E-Mail Vorteile zuschreibt.

Die Computerlesbarkeit ist in der Tat insbesondere für inhaltliche Arbeit bedeutend, die Weiterverarbeitung ohne Zwischenschritte ein Faktor zum Zeitgewinn. Auch die Archivierung der Inhalte geht bei der elektronischen Post natürlich um ein Vielfaches leichter und real platzsparender als bei den anderen Medien - Speicherplatzprobleme dürften nur in seltenen Fällen auftreten.

Die problemlose Vervielfältigung von Nachrichten und die Möglichkeit, einen Text automatisch vielen Personen gleichzeitig zuzustellen, "erhöht die Effizienz der Zusammenarbeit von Arbeitsgruppen." (Martin Rost / Michael Schack, S. 15)

Ein Problem der elektronischen Post liegt derzeit noch in ihrer Sicherheit; in den Netzwerken ist in keinem Fall garantiert, daß die verschobenen Datenmengen nicht mitgelesen, verändert oder gefälscht werden. Im Bereich der privaten Kommunikation stellt sich diese Problematik kaum, jedoch im wissen- und wirtschaftlichen Bereich ist die Datensicherheit zur Zeit noch die entscheidende Frage, die im Raum steht, wie auch Mitglieder des "Chaos Computer Clubs" bei computergesteuertem Homebanking bewiesen.IX

Durch Verschlüsselung kann zwar eine relative Sicherheit erreicht werden, mit dem Verfahren eingeschleuster Programme könnte allerdings ohne Probleme auch der Schlüssel entwendet werden.

Weitere behindernde Faktoren sind die aus der Gewohnheit resultierenden Unannehmlichkeiten wie die Lesbarkeit von langen Texten am Computerbildschirm und die Gemütlichkeit - weder abends im Bett noch am Frühstückstisch kann man die elektronische Post "nebenher" erledigen.

Abschreckend wirkt sicherlich auch die vermeintliche Sterilität der Computertexte, die durch die Symbolauszeichnung (siehe 1.3) zwar verwässert wurde, aber für die meisten Menschen immer noch maßgeblich ist.

Die Hürde der E-Mail-Nutzung liegt über kurz oder lang in der Befassung mit dem Computer. Für die nachwachsende Generation ist der Umgang mit einem Rechner schon zur Selbstverständlichkeit geworden, der Großteil der Bevölkerung scheint dem Ruf der Postinformationsgesellschaft nur zögernd zu folgen. Die Etablierung der E-Mail folgt einem Kreislauf; je mehr Menschen über das Netzwerk erreichbar sind, desto sinnvoller wird die Verwendung dieses Mediums, desto mehr Menschen beteiligen sich wiederum daran.

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