Daniel Quathamer
"Wenigstens das Abstract sollte verständlich sein" sagte der Psycholinguist Hans Strohner 1994 auf einem Kongreß zum Thema "Textverstehen - Textverständlichkeit". Er spielt dabei auf die Bedeutung und Wichtigkeit des Abstracts als Teil eines Forschungsberichts an.
Nur wer seinen Text zusammenfassen kann, hat wirklich begriffen, wovon er/sie geschrieben hat. Ein gutes Abstract ist somit ein Indikator für die Klarheit, die der Autor bzgl. seines Textes besitzt. Schwierigkeiten bei der Zusammenfassung eines Textes sind ein Symptom für allgemeine Verstädnisprobleme. Wer als Autor dieses Symptom richtig interpetiert, verfügt über eine verbesserte "metakognitive" Kontrolle des eigenen Schreibens / Lesens (Garner, 1987, 111).
Oft werden nur die Abstracts eines Aufsatzes gelesen. Die Wichtigkeit eines verständlichen Abstracts ist vor allem seit der Bereitstellung der Psychological Abstracts und des Psychological Index auf CD-Rom (vgl. Strohner, 1994) gegeben. Durch die Aufnahme in eine CD-Rom Datenbank ergibt sich die neue Anforderungen an das Abstract, daß es
Wenn Autoren/innen dies nicht beachten, laufen sie Gefahr, bei in den CD-Rom-Datenbanken 'unterzugehen'.
Zusammenfassend kann man sagen: Das Abstract gewinnt immer mehr an Bedeutung. Gleichzeitig ist das Abstract eine extrem komplizierte Schreibaufgabe:
Nicht umsonst ist das Abstract eine große Herausforderung für den Autor / die Autorin: Es muß
Der Autor "weiß" beim Schreiben zuviel von seinem Experiment, und läuft deshalb immer Gefahr, zuviel vorrauszusetzen und nicht explizit zu erwähnen. Außerdem muß der Autor zu seiner Studie entscheiden, was wirklich wichtig ist; subjektiv erscheinen einem nach dem Verfasssen des Berichts wahrscheinlich alle Unterpunkte als gleich wichtig. Jeder Text läuft deshalb Gefahr, zu sehr aus der Perspektive des Autors geschrieben zu sein.
Linda Flower (1981, 193) beschreibt die sog. "Writer-based prose" wie folgt:
Dies kann man sich leicht vergegenwärtigen, wenn man sich Wegbeschreibungen von anderen geben läßt. Die Wegbeschreibung ist fast immer am Bezugspunkt des Sprechers orientiert, und nicht am Zuhörer (Linde & Labov, 1975).
Es geht darum, sich in den Leser hineinzuversetzen, um leserorientiert schreiben zu können Flower (1981, 201ff) beschreibt "Reader-based prose" wie folgt:
Beiden Ansprüchen kann man als Autor nur dadurch gerecht werden, daß man diese schwierige Schreibaufgabe in mehrere Unteraufgaben zerlegt. Verschiedene Vogehensweisen werden vorgeschlagen:
Hans Strohner schlägt folgendes Vorgehen vor:
Dieses Vorgehen hat sich zumindest als partiell effektiv erwiesen. Die Idee, eine fremde, aber interessierte Person korrekturlesen zu lassen, ist für das gesamte Verfassen eines Berichts und vor allem für die Erstellung des Abstracts wichtig. Wenn keine Zweitleser "greifbar" sind, sollte man zumindest nach dem Verfasssen des Text einige Tage liegen lassen, um ihn dann noch einmal zu lesen. Oft führt dies zu erstaunlichen Verständnisschwierigkeiten beim Autor selbst. Der sogenannte Abstandseffekt beim Schreiben sollte ebenfalls beachtet werden.
Wie bei Hans Strohners Strategie handelt es sich hierbei im Grunde um die Strategie, eine komplexe Aufgabe in zu bewältigende Teilziele aufzuteilen. Das Endprodukt, das lesbare Abstract, entsteht also in distinkten Arbeitsdurchgängen:
Wenn der Bericht so geschrieben ist, daß die einzelnen Unterabschnitte jeweils zusammengefaßt werden (die Einleitung durch die Fragestellung, der Ergebnisteil durch eine Zusammenfassung der Ergebnisse), fällt einem diese Aufgabe erheblich leichter
Hierbei empfiehlt es sich, den Bericht nicht zur Hilfe zu nehmen und stattdessen "frei" zu schreiben. Wenn man den Bericht nicht sieht, kann man eher die Hauptpunkte und Kerngedanken bar jeder Formulierung aufschreiben. Dieser scheinbar banale Aspekt wurde von Schreibforschern betont und mit dem Stichwort "The power of the unseen Text" bezeichnet (Matsuhashi & Gordon, 1985).
Beim Schreiben sollte man sich zwar knapp halten, aber nicht genau auf Wortzahl o.ä. achten. Dies wird erst im nächsten Abschnitt getan:
Nun wird Redundanz aus dem Text entfernt. Oben wurde die Frage danach gestellt, wie man bewerten soll, was wichtig ist. Für den Leser sind bei empirischen Arbeiten wichtig:
Je nach theoretischer Verankerung sollten Theorieelemente ebenfalls hinzugefügt werden. Dies erleichtert dem Leser, nach bestimmten Themen oder Theorien zu recherchieren, und die Untersuchung einzuordnen.
Natürlich kann ein Abstract nicht alle Fragen gleichzeitig befriedigend beantworten. Bei empirischen Arbeiten sollte daher die Betonung auf die Fragestellung, die Methode und die Ergebnisse gelegt werden,
Zu allen Stufen der Revision sollte man versuchen auch Zweitleser einzubeziehen (s.o.). Falls dies nicht möglich ist, sollte man zumindest Zeit vertreichen lassen und zwischendurch etwas völlig anderes machen (...).
Quelle:
http://www.uni-duisburg.de/FB2/PSYE/quathamer/schreiben/abstract.htm
(99-12-05)