Kurt Lewin entwickelte ein einfaches allgemeines Lernmodell zur Beschreibung des Erwerbs von Verhaltensweisen, für gute und schlechte (An)Gewohnheiten im Besonderen. Er geht davon aus, daß der Mensch, bevor er etwas Neues lernt, alte Verhaltens- und Einstellungsarten verlernen muß. Diese Verhaltensweisen und Einstellungen sitzen häufig sehr tief, d. h., sie sind von der lernenden Person stark in deren alltägliches Leben integriert; dies bedeutet für eine anzustrebende Veränderung, daß der Lernende einen Teil von dem für ihn eigentlich Selbstverständlichen aufgeben muß. Dagegen wehren sich die Lernenden häufig, besonders emotional (im Bauch), obgleich sie oft erkannt haben (im Kopf), daß das neu zu lernende Verhalten sinnvoller ist.Diese emotionalen Abwehrkräfte ergeben sich aus dem Verlust gewohnter Verhaltens- und Einstellungsmuster und den damit verbundenen Verhaltensunsicherheiten, die das "alltägliche Gleichgewicht" ins Wanken bringen. Diese Befürchtungen sind aber weitgehend unberechtigt, denn es geht nicht nur darum, einen Teil von sich selbst aufzugeben, sondern darum, das vorhandene Verhaltensrepertoire sinnvoll zu erweitern. Und Menschen, die ein größeres Spektrum an Handlungsmöglichkeiten besitzen, können sich ihrer Umwelt auch besser anpassen bzw. sind eher in der Lage, in ihre Umwelt auch verändernd einzugreifen.
In dieser Phase wird die Motivation zu einer Veränderung entwickelt. Von dem Lernenden wird erkannt, gespürt, empfunden, daß das jeweils von ihm bis jetzt ausgeübte Verhalten, die bis dahin gültige Einstellung, problematisch wird (für ihn selbst bzw. für seine Umgebung). Der Lernende erlebt einen Widerspruch zu seinen alltäglichen Gewohnheiten, er kommt mit dem, was immer "funktioniert hat", in Konflikt.
In einem Unterricht, der teilnehmerorientiert ist, werden solche lernfördernde Konflikte nicht nur vom Lehrer oder Dozenten in Gang gesetzt, sondern von allen an dem Lernprozeß Beteiligten. Wenn ein solcher Lernanstoß von dem Lernenden selbst kommt, oder von einer Person, die man gut akzeptiert, so ist die Motivation zur Veränderung relativ hoch.
Die geschilderten Konflikte, die das Auftauen zu fördern
vermögen, können z. B. verursacht werden durch:
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Die Entwicklung neuer Verhaltens- und Einstellungsmöglichkeiten kennzeichnet diese 2. Phase des Lernens. Zu unterscheiden ist hierbei die Suche nach Alternativformen des Verhaltens und Einstellungen und der Erprobung (Probierhandlungen) dessen, was man als Alternative glaubt für sinnvoll erkannt zu haben.
Die Alternativen können von verschiedenen Personen angeboten werden. Pädagogisch sinnvoll ist es, den Lernenden den Freiraum und die Möglichkeiten zu geben, die Verhaltens- bzw. Einstellungsalternativen selbst zu finden. Zwingt man sie (z. B. als Dozent) dem Lernenden auf, wird die Motivation zur wirklichen Veränderung relativ gering bzw. nur von kurzer Dauer sein. Da der Einzelne das jeweils neu zu Lernende mit seinen übrigen Verhaltens- und Einstellungsarten in ein integriertes Verhältnis bringen muß, dies aber dem Dozenten oder dem Mitlernenden jeweils nur in sehr unzureichendem Maße bekannt ist, ist im Verhaltens- und Einstellungsbereich ein lLernen nach den Prinzipien "richtig - falsch" sehr problematisch.
Arbeitsaufgabe: |
Die Integration der Veränderung in das gesamte Verhaltens- und Einstellungsrepertoire des Lernenden kennzeichnet diese Phase. Andernfalls hält sich die Veränderung nur kurzzeitig. Dazu ist es notwendig, die Beziehungen der neuen Lernerfahrungen zu anderen vergangenen zukünftig zu erwartenden Gruppenerfahrungen (z. B. Lebens- und Arbeitssituationen) herzustellen und das Gelernte auch über die Lernsituation hinaus verfügbar zu halten. Die Rückkoppelung der erlebten Verhaltens- und Einstellungsänderung (sog. Feed-back) an den Lernenden durch die übrigen Kursteilnehmer kann diesen Prozeß der Stabilisierung positiv beeinflussen.