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Medien waren schon immer Teil der schulischen Didaktik, und seit dem Eindringen des Komputers in die Lebens- und Arbeitswelt wurden immer wieder theoretische Ansätze entworfen, die ihm eine Sonderstellung unter den Medien einzuräumen versuchten - bis hin zum Komputer als Ersatz für den Lehrenden. Nach anfänglicher Euphorie und heftiger Kritik - die wohl die Einführung aller Medien wie z.B. Foto, Film oder Fernsehen in den Unterricht begleitet hatten - folgte meist eine Phase der Enttäuschung und Häme. Oft erst Jahrzehnte später werden Medien zur Selbstverständlichkeit, was auch in dem mit der Zeit kompetenteren Umgang mit ihnen begründet liegen mag.Seit geraumer Zeit ist es dem Komputer in verschiedener Form gelungen, in die Schulen einzudringen - wenngleich auf manchen Irr- und Umwegen. Allerdings haftet auch heute noch dem Komputer der Nimbus des ausschließlich oder zumindest überwiegend Technischen an, sodass in einer kognitiv-rational ausgerichteten Landschaft wie der Schule, in der in den letzten Jahrzehnten das musische und kreative Element häufig zu Füllseln zwischen wichtigeren" Fächern verkommen ist, auch dieses Medium vorwiegend unter einem kognitiv-rationalen Blickwinkel betrachtet wird.
Die wohl jedem Bildungssystem traditionellerweise innewohnende Skepsis gegenüber Neuem trifft im Bereich der Neuen Medien auf einen immer schnelleren Wechsel von Moden und Hypes, sodass jeder Versuch, nur einigermaßen Schritt zu halten, realistischerweise scheitern wird. Wie Untersuchungen zeigen, kann das in vielen Fällen schlicht auf mangelnde Möglichkeiten oder fehlende Kompetenzen der Lehrenden im Umgang mit den Neuen Medien zurückgeführt werden, da diese Werkzeuge zu Beginn einen erhöhten Arbeits- und Lernaufwand erfordern, den nicht jeder zu leisten imstande ist.
Die rasanten Innovationszyklen im Bereich der Medienentwicklung lassen häufig eine vertiefte Auseinandersetzung nicht zu, vielmehr hetzen selbst Fachleute den von Marketingstrategen vollmundig propagierten neuesten" Entwicklungen hinterher, ohne deren Richtung zu kennen bzw. mit der ständigen Angst, letztendlich die eigenen Ziele aus den Augen zu verlieren. So ist auch die Reaktion vieler Verantwortlicher innerhalb des heute wieder häufiger als Schonraum" titulierten Systems Schule verständlich, sich zunächst abwartend zu verweigern, oder rückwärtsgewandt auf das Bewährte und oft nur vordergründig Bewahrenswerte zu setzen. Das umso mehr, als die Lehrenden mit einer Generation von SchülerInnen konfrontiert sind, die das Werkzeug Komputer wie selbstverständlich handhabt, also das im Unterricht normale" Kompetenzgefälle sich bei dessen Benutzung auch umkehren kann.
Allerdings haben CünstlerInnen als Avantgarde oder bloß Neugierigere schon früh versucht, Neue Medien für kreative und gestalterische Zwecke zu nutzen. Heute ist der Komputer für viele CünstlerInnen nicht nur im bildnerischen Feld zum selbstverständlichen Werkzeug geworden, dem nur mehr wenig Technisches anhaftet, und das gegenüber traditionellen Werkzeugen und Hilfsmitteln noch weitgehend unerforschtes Potential bereitstellt. Daher ist es für CunsterzieherInnen nahe liegend, einer Generation von SchülerInnen, die mit dem Komputer vorwiegend als Werkzeug und Spielkonsole aufwächst, die kreativen Seiten dieses Mediums zu eröffnen. Auch wenn vielleicht zu Beginn die Komplexität dieses Werkzeugs für Lernende wie Lehrende irritierend sein mag, so bietet es bei dosiertem und didaktisch klugem Einsatz zahllose Möglichkeiten, das schöpferische Potential gerade von kognitiv-technisch Sozialisierten zu wecken.
Um die oben genannten Hürden auf Seiten der Lehrenden zu überwinden, ist mannigfaltige Unterstützung notwendig, die von finanzieller Ausstattung bis zu ideeller Förderung, vom Angebot von Soft- und Hardware bis zur Ausschreibung von Wettbewerben, von Maßnahmen zur Aus- und Weiterbildung bis zum Angebot kompletter Unterrichtsmodule reichen kann.
Das heute noch beinahe ausschließlich über das Medium Komputer vermittelte Internet, ursprünglich als vorwiegend verbales Medium konzipiert, entwickelt sich immer mehr zu einem visuellen, das sowohl bei der Gestaltung als auch bei der Rezeption eine Konfrontation mit Fragen der Ästhetik, der psychologischen Wirkungen und den Möglichkeiten der Kommunikation mit sich bringt. Insbesondere scheint es unter dem Aspekt der Medienkompetenz notwendig, sich diesem vernetzten Medium auch auf ungebräuchlichen Wegen und in konfrontierender Art und Weise zu nähern, denn die Allgegenwart im heutigen Leben befördert derzeit eher eine passive Konsumorientierung und das Sichtreiben-Lassen, noch bevor ein aktives ziel- und bedürfnisorientiertes Handhaben des Mediums erlernt werden konnte. Abstrakte bzw. unüberschaubare Phänomene wie World Wide Web, Vernetzung oder Hyperlinkstrukturen verlangen neben dem kognitiv-rationalen Zugang auch eine ergänzende ganzheitlich-emotionale Annäherung, da die immer mehr um sich greifende digitale Codierung der menschlichen Lebenswelten stets einer analogen Entschlüsselung bedarf, um dem Technologischen das Humanum an die Seite zu stellen und so für den Einzelnen fassbar zu bleiben.
So sehr manchen die Verbindung von Cunst und Komputer irritieren mag und diese beiden vorwiegend als Gegensatz verstanden werden, können sie dennoch in einem organisierten, sinnvollen Zusammenspiel aber auch unmittelbaren konfrontierenden Aufeinanderprallen neue Perspektiven auf Vertrautes eröffnen. Auch wenn vielleicht das aktivierende Momentum des Neuen und Überraschenden mit der Zeit nachlässt - was in manchen Anwendungsfeldern der Neuen Medien schon beobachtet werden kann -, und auch die Gefahr der schablonenhaften Anwendung komplexer Programme bestehen mag, wird es letztlich an der geeigneten Didaktik bzw. den vermittelnden Lehrenden liegen, vom Selbstzweck, der als Gefahr in jeder Technologie steckt, den Bezug zu konkreten Beispielen in der die SchülerInnen umgebenden Lebenswelt zu suchen.
Nicht unterschätzt werden sollte daher der allein durch eigenes Tun beförderte Erwerb einer medienkritischen Einstellung, um den Manipulationen und Verlockungen der uns alle umgebenden medial vermittelten Scheinwelten auch widerstehen zu können. Die künstlerisch-kritische Auseinandersetzung mit den Neuen Medien ist auch deshalb bedeutsam, da diese immer mehr in das Schussfeld staatlicher und organisatorischer Regulierungsinteressen geraten und die ursprünglichen Mechanismen der freien Selbstregulierung zurückgedrängt werden. Was, wenn nicht die Cunst, wäre geeignet, hier manchen Anfängen zu wehren.
Langfassung des Vorwortes zum Kunstprojekt "Fliegendes Klassenzimmer" der Universität für ***
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