[stangl: internet @ schule 2000] diskussion

Am Beginn der Diskussion der Ergebnisse soll ein "nackter" Vergleich der Zahlen belegen, daß das internet an den Schulen Österreichs im Verlauf der letzten zweieinhalb Jahre eine wesentlich größere Verbreitung gefunden hat. Immerhin gibt es einige Schultypen (AHS und HAK), bei denen man von einer beinahe vollständigen Anbindung an das internet sprechen kann.

Grob betrachtet kann man von mehr als einer Verdoppelung der net-Anbindungen der österreichischen Schulen sprechen.

Entwicklung - Vergleich der Statistiken

Schulen mit Internet

Schulen
insgesamt

15.Dezember
1997
in Prozent

21. Juni
2000
in Prozent

Volksschulen

3.397

7

34,5

Hauptschulen

1181

34

73,5

Sonderschulen

329

11

44,3

Polytechnische Schulen

171

30

74,0

Berufsschulen

198

30

76,9

Allgemeinbildende höhere Schulen

327

66

96,7

Technisch-gewerbliche
Schulen

163

32

63,9

Kaufmännische Schulen

119

78

94,5

Sozial- und wirtschaftskundliche Schulen

133

47

91,9

Lehrerbildende Schulen und Akademien

86

36

83,3

Land- und forstwirtschaftliche Schulen

121

29

67,2

Summe:

6225

20

51,8

Quellen: Statistiken des Ministeriums

Vollständige Tabellen zum Vergleich:

15.Dezember 1997

1. Juni 1998

1.Oktober 1999

21. Juni 2000

Allerdings darf nicht übersehen werden, daß auch zum Zeitpunkt der ersten Erhebung beträchtliche Zweifel an solchen Zahlen aufgetaucht waren. Es stimmte zwar, daß schon damals etwa 1000 Schulen entweder über e-mail oder eine homepage verfügten, doch waren viele Zugänge zum internet das Ergebnis von Privatinitiativen von LehrerInnen oder auch Gewerbebetrieben vor Ort. Manchmal mußte auch der Firmen-PC von LehrergattInnen dafür herhalten, die Schule oder eine Klasse im net zu präsentieren. Man fand in der technischen Ausstattung eine sehr breite Streuung, die von über 150 voll internettauglichen PCs bis zu einem einzigen für Lehrer kaum zugänglichen Direktions-PC, der über Modem am net hing, reichte (vgl. Stangl 1998).

Die Studie zeigte damals insgesamt, daß die in den Medien kolportierten Jubelmeldungen wie "1000 der 6000 Schulen im Netz" oder "Globale Klassenzimmer" die Tatsache verschleierten, daß bis auf wenige Ausnahmen das Internet an Österreichs Schulen kaum oder gar nicht genützt wurde. Inzwischen sind aber mehr als zweieinhalb Jahre ins Land gezogen und zahlreiche öffentliche und kommerzielle Initiativen (Austrian School Network - ASN, Black*Board, Education Highway Oberösterreich, Netway, Qualifikationsoffensive Infotech) trieben die Einführung des Internets vehement voran - die sogenannten internet-Schulen sind nach Aussagen mancher BildungspolitikerInnen heute gewissermaßen die Regel.

Es soll hier allerdings nicht verschwiegen werden, daß die Vernetzung der Schulen teilweise auch mit dem Ziel vorangetrieben wurde, die äußerst aufwendige zentrale Abrechnung der Mehrdienstleistungen der LehrerInnen EDV-mäßig über Datenleitungen abzuwickeln. Aber das ist eine andere Geschichte ;-)

Im Herbst 1999 lief in Österreich eine bundesweite "Qualifikationsoffensive Infotech" an. So soll es unter anderem eine Fachschule geben, in der EDV-Techniker ausgebildet werden. An Handelsschulen und Handelsakademien werden moderne Lehrpläne für die Schwerpunkte Telekommunikation, Medientechnologie, Netzwerktechnik, Multimediatechnik und Multimediadesign zum Einsatzkommen. An den höheren Lehranstalten für wirtschaftliche Berufe wird der Schwerpunkt "Medieninformatik" gestartet. Die aktuellste Maßnahme zur Lehreraus- und -weiterbildung ist der "Computerführerschein".

Wenn man sich aber den Lehrplan des European Computer Driving Licence (ECDL 1998) betrachtet, dann erkennt man, daß das internet auf das Abschicken oder forwarden einer e-mail, das Herstellen einer Verbindung zum internet und das Abfragen und Abschicken von Informationen beschränkt bleibt. Für Medienkritik bleibt in diesem Curriculum keine Platz.

Obwohl alle Maßnahmen, die das Verständnis und den Umgang mit dem internet befördern, prinzipiell zu begrüßen sind, muten die geplanten Erfolgszahlen im Vergleich zu den Zuwachsraten im internet wie ein Tropfen auf den heißen Stein an. In einer Presseaussendung des Bildungsministeriums (1999) heißt es dazu: "Derzeit schließen etwa 2000 Jugendliche eine Ausbildung für neue IT-Berufsfelder ab. Durch die Ausbildungsschwerpunkte an verschiedenen Schulstandorten werden es in drei Jahren 4500 sein. Jeder siebente Absolvent einer berufsbildenden Schule wird damit im Jahr 2002 über eine hochwertige Ausbildung im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien verfügen."

Der jüngste Austrian Internet Monitor (Fessel-GfK & Integral 2000) besagt, daß rund ein Drittel der ÖsterreicherInnen über 14 Jahren das internet regelmäßig nutzt (mehrmals im Monat). Insgesamt besitzen mittlerweile 39 Prozent aller ÖsterreicherInnen, entweder im Büro oder zu Hause, einen Internetzugang, das entspricht 2,57 Millionen Personen. Regelmässige internetuserInnen verbringen durchschnittlich 70 Minuten am Tag im Netz. 22 Prozent der österreichischen Haushalte hatten mit Ende des ersten Quartals 2000 internet zur Verfügung, das entspricht knapp 1,5 Millionen Personen. Bis Jahresende prognostiziert Fessel bereits 30 Prozent. Bei den UserInnen dominieren mit 59 Prozent aber immer noch die Männer.

In der BRD sind nach den neuesten Ergebnissen der sechsten Erhebungswelle des GfK-Online-Monitors (2000) mittlerweile 34 Prozent der Bundesbürger zwischen 14 und 69 Jahren (=18 Millionen) internet-Nutzer. Sie sind zumindest gelegentlich von Zuhause aus, am Arbeitsplatz, bei Freunden, an öffentlichen Orten oder mobil im W3. Damit hat sich die Nutzerschaft innerhalb des vergangenen Jahres fast verdoppelt. Das net wird folglich zum festen Bestandteil der Mediennutzung. Unter soziodemographischen Aspekten betrachtet verlangsamt sich die Annäherung der Internet-Nutzer an die allgemeine Bevölkerungsstruktur. Dabei zeichnen sich in den einzelnen Bevölkerungsgruppen sehr unterschiedliche Entwicklungen ab: Der Anteil der Frauen unter den usern hat sich über die vergangenen Erhebungen stetig vergrößert, ihr Anteil von 38,9 Prozent stabilisiert sich aber offenbar. Damit liegt der Anteil weiterhin unter dem Frauen-Anteil in der Gesamtbevölkerung. Darüber hinaus entdecken die höheren Altersgruppen der Deutschen das internet für sich &endash; diese weisen prozentual die höchsten Wachstumsraten aus. Jüngere, besser gebildete sowie besser verdienende Personen bleiben im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung überrepräsentiert. Von den userInnen sind 7,8 Millionen täglich im internet. Innerhalb einer Woche sind mehr als 72 Prozent mindestens einmal online. Dabei steht das Versenden privater e-Mails und das Surfen zum Vergnügen im Vordergrund. Es folgen das Abrufen aktueller Nachrichten und die Versendung geschäftlicher E-Mails vor der Einholung von Wirtschaftsinformationen und dem download von software. Die informativen, nutzwertigen Inhalte des internets spielen für die userInnen die größte Rolle.

Das Ergebnis einer britischen Studie Ende 1999 zeigte, daß Westeuropa vor einer explosionsartigen Zunahme der internet-Nutzung steht. Innerhalb der kommenden sechs Jahre wird sich die Zahl der internet-Nutzer von heute 38 Millionen auf 150 Millionen vervierfachen. Für das Jahr 2005 rechnet man damit, daß rund die Hälfte der westeuropäischen Bevölkerung das internet nutzen wird.

Diese Zahlen allein belegen, daß das internet auch vom Bildungsbereich nicht länger - aus welchen Gründen auch immer - stiefmütterlich behandelt werden darf, will dieser nicht den Anspruch verlieren, auf zukünftige Entwicklungen und Anforderungen der Gesellschaft vorzubereiten und seine ihm anvertraute Klientel dafür kritisch und mündig zu machen. Sich die Schule als internetfreien (Schon)Raum vorzustellen - wie das manchmal in Diskussionen vertreten wird - ist nämlich nicht bloß vergleichbar mit einer Vorstellung, in der Schule dürften zukünftig keine Bücher oder Filme verwendet werden, sondern vermutlich vielmehr: in einer Schule dürfte nicht gesehen oder gesprochen werden. Das ist nun keine Überbewertung des Mediums sondern eine eher realistische Einschätzung von mittelfristigen Entwicklungen. Alle Medien, die bisher in den Schulen und im alltäglichen Leben verwendet werden, könnten eines Tages in diesem Universalmedium aufgehen, das dann vermutlich ganz anders aussehen wird, als es sich uns heute darstellt. Die Schule mag zwar mit einiger Berechtigung darauf verweisen, daß sie nicht einfach ein Abbild der Welt "draußen" sein muß, aber sie ist heute in Gefahr, weltfremd zu werden.

 

Schein vs Sein?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

computer führerschein

Daß es aber nicht allein mit der Ausstattung der Schulen mit vernetzten Computern getan ist, zeigen die bisherigen Erfahrungen. Denn damit das multimediale Zeitalter an den Lehranstalten Einzug halten kann, müssen die hochkomplexen Computernetzwerke einigermaßen zuverlässig funktionieren. Weil aber in den meisten Fällen das Geld für professionelle Netzwerkbetreuer fehlt, werden die LehrerInnen selbst an die hardware-Front zitiert. Bisher funktionieren die installierten Netzwerke nämlich hauptsächlich dort, wo engagierte Lehrer sich privat in die komplizierte Materie eingearbeitet haben. Diese werden mit viel zu wenigen Fortbildungskursen rmehr schlecht als recht unterstützt. Ob das allerdings der Weisheit letzter Schluß sein kann, soll hier doch bezweifelt werden, denn es ist mehr als fraglich, ob LehrerInnen die technischen Aufgaben, die an Schulen etwa in Schweden, England und Spanien seit langem fest angestellte Vollzeitkräfte erledigen, tatsächlich übernehmen können.

computerklasse

[Bildquelle: http://www.3b-infotainment.de/]

Im Zusammenhang mit Überlegungen zur Verwendung des Internet in der Schule stellt sich auch die Frage, wo - räumlich gesehen - die Lern- und Lehrprozesse mit dem Medium stattfinden können. Die Verwendung des internets setzt eine Veränderung und Umgestaltung der gewohnten Lernorte Schule und Klassenzimmer voraus. Die Diskussion um den Computerfachraum ist gerade in letzter Zeit stärker geworden. Befürworter verteidigen ihn vehement, die Gegner stellen ihn in Frage und fordern die Verteilung der Computer auf die Klassenzimmer. Das Computerfachraumkonzept ist historisch gesehen aus der Vermittlung der informationstechnischen Bildung für Lerngruppen oder Klassen entstanden und steht in der Tradition naturwissenschaftlicher Fachräume.

Je nach Ausstattung des EDV-Raumes bietet nur ein einziger oder im Idealfall jeder Computerarbeitsplatz Zugang zum internet. Mittlerweile sind die Computer in den EDV-Räumen der Schulen zum Großteil zu lokalen Netzwerken zusammengefasst. Für den Erhalt bzw. die Einrichtung von vernetzten Computerfachräumen mit Internetzugang spricht die Möglichkeit der zentralen Steuerung und Verfügbarkeit von Programmen und Dateien, aber auch die Möglichkeit der gemeinsamen Nutzung von Ressourcen (z.B. Drucker, Festplatten und CD-ROM-Laufwerke). Ein weiteres Argument für den Fachraum ist die große Anzahl der zur Verfügung stehenden Arbeitsplätze, da so z.B. das Arbeiten mit dem Internet im Klassenverbund ermöglicht wird. Mit dem Fachraum sind allerdings auch Probleme verbunden. Häufig wird die Belegung des Computerraumes durch Fächer wie Informatik oder KBB (Kaufmännisch bürotechnischer Bereich) beklagt. Den Bedürfnissen von Lehrern aus anderen Fächern, die den Computer ebenfalls einsetzen wollen, kann dann nicht entsprochen werden. Das Konzept des Fachraumes eignet sich außerdem nicht für alle unterrichtlichen Bedürfnisse, wie z.B. die spontane Informationsrecherche während des Unterrichts im Klassenzimmer. Deshalb wird - im Idealfall nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zum Fachraum - die Ausstattung jedes Klassenzimmers mit einem Computer inklusive Internetanschluss gefordert.

anordnung der computer in der schulklasse

[Bildquelle: http://www.3b-infotainment.de/]

In einer "Medieninsel" oder "Medienecke" können in jedem Klassenzimmer neben einem Computerarbeitsplatz auch Sachbücher, Karteikästen oder Lexika stehen. Durch einen problemlosen Einsatz ohne technische Hürden und aufwendige organisatorische Maßnahmen wird so ein spontanes Arbeiten mit dem Netz möglich. Auch für Freiarbeitsphasen und Lernzirkelarbeit, für Differenzierungsangebote sowie Gruppenarbeiten ist eine Medieninsel im Klassenzimmer geeigneter als der Computerraum. Der Computerarbeitsplatz im Klassenzimmer als schulische Normalität verliert seine anfängliche Faszination und wird zu einem Medium unter vielen. Die Schüler lernen, dass er für bestimmte Aufgaben gut und für andere dagegen weniger gut geeignet ist.

Computer mit Internet-Zugang können auch als Arbeitsstationen und Informationsinseln in Bibliotheken und speziellen Arbeitsräumen, in der Schulhalle oder in Aufenthaltsräumen aufgebaut werden. Im Rahmen von Freistunden und Freiarbeit sowie für Projekte und Arbeitsgemeinschaften stehen diese Geräte den Schülern während und auch außerhalb des Pflichtunterrichts zur Verfügung und können für Hausaufgaben, zur Vorbereitung von Referaten, für Projektarbeit und zur Unterrichtsvorbereitung sowie für private Zwecke genutzt werden. Durch solche Zentren erhöht sich die Attraktivität der Schule als Lernort. Probleme bestehen jedoch unter Umständen in einem erhöhtem Wartungsbedarf dieser Geräte und der Gefahr der Zerstörung durch Vandalismus.

Der Einsatz von mobilen Computern (Laptops oder Notebooks) scheiterte bisher an vielen Schulen aufgrund der hohen Gerätekosten und der fehlenden Möglichkeit des Netzzugangs. Aufgrund sinkender Hardwarekosten und technischer Entwicklungen im Bereich des Netzanschlusses von Notebooks wird jedoch zunehmend die Ausstattung der Schulen mit mobilen Computern gefordert. Diese besitzen gegenüber fest installierten Geräten für die Schule eine Reihe von Vorteilen: Beim Einsatz von Notebooks, insbesondere wenn diese untereinander vernetzt sind (z.B. über Infrarot- oder Funkübertragung), erhalten Lehrpersonen und Lernende ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit. Die Kommunikation zwischen Schülern kann in flexiblen Sozialformen erfolgen und wird nicht durch eine frontale Sitzordnung eingeschränkt. Die Technologie ist nicht ortsgebunden und somit lernortunabhängig. Wechseln Schüler zwischen Klassenräumen oder zu außerschulischen Lernorten, können die Computer einfach mitgenommen werden.

Zur häufig geäußerten Befürchtung, daß Computerarbeit isoliert, meint Bredin (2000): "Zum anderen ist nicht nur auf Grund der in der Regel beschränkten Anzahl an Computern, sondern auch aus medien-didaktischen Gründen die Arbeit in kleinen Teams die wohl beste Arbeitsform. Einerseits kann somit versucht werden zu verhindern, dass dieses Medium als »abgeschotteter« Raum empfunden wird, zum anderen wird dadurch gerade der kommunikative Aspekt gefördert. Gleichzeitig gilt es sicher zu stellen, dass die einzelnen Kleingruppen nicht nur autonom arbeiten, sondern sich jeweils als Teil einer Gesamtgruppe verstehen. So können auch individuelle Fähigkeiten und Interessen gewinnbringend eingebracht werden. Gerade in den Anfangsphasen sollte darauf geachtet werden, dass es in Bezug auf bereits vorhandene  Internet-Kompetenz zu gemischten Gruppen kommt. Gerade durch seine medienimmanente Vielfalt, die bei professionellen Webseiten durch Experten verschiedener Sparten geschaffen werden, erfordert es im schulischen Bereich eine bewusste Nutzung und Evaluation wiederum dieser verschiedenen Fähigkeiten, die es gilt im Team zusammen zu stellen und zu bündeln. Hinzu kommt, dass der jeweilig benötigte Zeitrahmen genau austariert und abgesteckt wird. Eine sinnvolle Recherche im Internet im 45 Minutentakt ist wohl ebenso unsinnig wie eine Doppelstunde Online-Lernen. Der wichtigste Aspekt scheint mir aber zu sein, dass die Kommunikation und der Austausch über die Arbeit im und mit dem Internet gesichert sind und ständig betrieben werden. Nur so kann die notwendige Reflexion stattfinden und verhindert werden, dass der Internetarbeitsplatz zu einem isolierten und zu stark individualiserten Arbeitsplatz wird. Denn gerade das Internet ist als kommunikatives und interaktives Medium zwischen den Benutzern konzipiert."

Die größten Hindernisse für den Einsatz des Internet stellen wegen der hohen Kosten immer noch die Ausstattung der Schulen mit Computern, deren Vernetzung und die Bereitstellung von Internet-Zugängen dar. Durch infrastrukturelle Probleme, wie z.B. veraltete Computerausstattungen und Telefonanlagen, wird eine sinnvolle Nutzung des Internet schon im Vorfeld erheblich erschwert oder sogar verhindert (vgl. Ostermeier 2000).

computerraum in schule

[Bildquelle: http://www.3b-infotainment.de/]

Mehr als ein Austattungsproblem

Als damals vollmundige Aussendungen des Ministeriums in Lehrerkreisen diskutiert wurden, war ein Kopfschütteln noch die moderateste Reaktion. Auch in den letzten Monaten im Jahr 2000 finden sich ähnliche Ankündigungen in den Medien. So heißt es etwa in einer Aussendung nach einer Konferenz der Bildungsminister und des allgemeinen Rates in Lissabon, daß die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien als vordringliche Bildungsmaßnahmen zur Sicherung der Arbeitsplätze und zur Sicherung der Weiterentwicklung der Wirtschaft in Europa vorangetrieben werden müßten:

Folgende Maßnahmen im Bildungsbereich sind notwendig:
  • Die technische Vernetzung wird ausgebaut, die Anbindung auf 2 bis 10 Megabit/sec. erhöht und die Computerausstattung auf hohem technischen Niveau und nach neuesten Erkenntnissen vorangetrieben (Laptop-Klassen).
  • Die Lehrpläne werden an die Erfordernisse der neuen Arbeitsplätze im Technologiebereich angepasst, damit jährlich etwa 20.000 Absolventen für diesen speziellen Bereich zur Verfügung stehen. 
  • Spezialisten sollen mit Lehraufträgen für geblockte Lehrveranstaltungen an die Schulen geholt werden. 
  • Die Ausbildung der zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer an Pädagogischen Akademien und Universitäten muss Schwerpunkte im Bereich der neuen Medien beinhalten.
  • In der Lehrerweiterbildung werden Schwerpunkte gesetzt, damit bis 2002 die gesamte im Dienst stehende Lehrerschaft für den Umgang mit dem Internet geschult ist.
  • Lernen am Netz muss für Jugendliche und Erwachsene zur Selbstverständlichkeit werden.
  • Speziell ausgebildete Fachleute (Informatikmanager) werden die Betreuung der Anlagen in den Schulen und die schulinterne Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer übernehmen.
  • Eine sektionsübergreifende Steuerungsgruppe wird die Detailausarbeitung der Ziele sowie die Umsetzung und Evaluierung begleiten. 
  • Alle Experten rechnen mit einer explosionsartigen Entwicklung des Arbeitsplatzbedarfs im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien. Laut IDC-Studie (International Data Corporation) werden in Österreich bis zum Jahr 2003 mindestens 85.000 neue Arbeitsplätze in diesem Technologiebereich entstehen und in Europa wird der Bedarf an neuen Arbeitskräften im Bereich des e-business bis zum Jahr 2003 rund 1,7 Millionen sein. 
  • Es zeigt sich immer mehr, dass die Arbeit am Computer neben Rechnen, Schreiben und Lesen zur vierten Kulturtechnik wird. Dieser Entwicklung ist im Schulbereich Rechnung zu tragen, durch:
    •  die Anbindung aller Pflichtschulen an das Internet,
    • die Schulung aller Lehrer im Umgang mit dem Internet,
    • ein frühzeitiges Angebot des EDV-Unterrichts,
    • die Ausstattung der Schulen auf hohem technischen Nievau und nach neuesten Erkenntnissen.

An Pädagogischen Akademien werden die StudentInnen mehr oder weniger dahingehend beeinflußt, den "Computer-Führerschein" zu erwerben. Die Lehrpläne sollen an die Erfordernisse der neuen Arbeitsplätze im Technologiebereich angepaßt werden Spezialisten sollen mit Lehraufträgen für geblockte Lehrveranstaltungen an die Schulen geholt werden. Die Ausbildung der zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer an Pädagogischen Akademien und Universitäten muß Schwerpunkte im Bereich der neuen Medien beinhalten, damit bis 2002 die gesamte im Dienst stehende Lehrerschaft für den Umgang mit dem Internet geschult ist.

An Absichtserklärungen mangelt es also nicht.

Nach Kürth (2000) ist die Vorstellung, daß wir allein durch einen Internetanschluß andere SchülerInnen, andere LehrerInnen oder gar eine andere Schule bekommen, hoffnungslos naiv: "Das Problem besteht vielmehr darin, daß

  • gehaltvolle und pädagogisch sinnvolle Informationen und Anwendungen in einer Flut von Datenschrott zu finden, der an völlig anderen Kriterien ausgerichtet ist (Unternehmenspräsentation, Werbung, Gewinnen von Kunden, Selbstdarstellung von Individuen usw.);
  • Wege zu finden, die Faszination dieses Mediums nicht zu beschneiden, aber medienpädagogisch reflektierte schulische Nutzungen, Aufgaben und Projekte zu entwickeln;
  • die Kolleg/innen zu befähigen, mit diesen neuen Medien souverän umgehen zu können, und
  • den Kolleg/innen die Angst zu nehmen, bei diesen neuen Medien den Schülern gegenüber ins Hintertreffen zu geraten.

Kürth resumiert: "Sowohl anhand der vorhandenen Literatur wie auch des Angebots im Internet selbst ist mühelos zu konstatieren, dass wir landesweit hinsichtlich vernünftiger, praktikabler und medienpädagogisch reflektierter Verwendung des Internet im schulischen Alltagsunterricht noch völlig am Anfang stehen und dass unsere Lehrkräfte händeringend nach pädagogisch überzeugenden Einsatzmöglichkeiten suchen. Ellenlange Linklisten auf Dutzenden von Bildungsservern, z.T. auf weitgehend gleiche Adressen wie z.B. Suchmaschinen, sind leider keine sonderlich qualifizierte und unterrichtsnahe Hilfe für den leidgeprüften Pädagogen vor Ort. Er braucht Ideen, Konzepte, fertige Unterrichtssequenzen und die Erfahrungen seiner Kollegen und Kolleginnen!"

 

kinder am computer

[Bild: http://aula.bias.ch/materialien/
referate/cuuref2000/cuugruppesn.jpg]

Vergleicht man diese Forderungen und geplanten Maßnahmen mit den vor etwa zweieinhalb Jahren von mir (Stangl 1998) und auch anderen erhobenen Vorschlägen (vgl. Bruck & Geser 2000), so zeigt sich heute zumindest ein höheres Maß an Bewußtsein für die damals monierten Mißstände im Aus- und Weiterbildungsbereich. Dennoch kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß der Bildungssektor von der Internetisierung der heutigen Lebenswelten überrollt wird und mehr reagiert als agiert.

Ein Blick über die Grenzen zeigt allerdings, daß in Europa und speziell im deutschsprachigen Ausland ähnliche Nachholaktionen laufen, wobei man imho vielleicht den Fehler macht, die Entwicklungen in den USA einfach nachzuvollziehen, anstatt aus den Fehlern, die dort gemacht wurden, zu lernen.

Von den 44 000 öffentlichen Schulen in der BRD verfügen erst 13 000 über eigene Computer mit internet-Anschluß. In Finnland sind dagegen bereits fast alle Schulen vernetzt, in Kanada und Großbritannien 80 Prozent, in den USA rund 60 Prozent. In den Niederlanden haben immerhin schon 40 Prozent aller Schulen Netzzugang. Der Start in Deutschland wurde vor gut drei Jahren mit der Gemeinschaftsaktion "Schulen ans Netz" geschafft. Doch vielerorts bremsten die Kommunen als Schulträger, weil die Folgekosten nicht geklärt waren. Nach einer jüngsten Umfrage Dortmunder Schulforscher haben zwar 80 Prozent aller Lehrer inzwischen einen eigenen PC zu Hause. Die wenigsten setzen aber bisher Computer im Unterricht ein (vgl. [news.00.03]).

Was von solchen Maßnahmen vor Ort gehalten wird, kann ein offener Brief an das Bildungsministerium illustrieren, der jüngst zu Schulbeginn in diversen Lehrerforen als Reaktion auf einige "Jubelmeldungen" in der Presse gepostet wurde (gekürzt, S.W.):

Sehr geehrte Frau Ministerin!
            
Mit der im Betreff wiedergegebenen Überschrift in der heutigen "Presse"
muß die Öffentlichkeit den Eindruck bekommen, daß die Nutzung des
Internet an Schulen bisher an den fortbildungsunwilligen Lehrern
scheiterte. 
Das ist angesichts der groben Versäumnisse des Unterrichtsministeriums
starker Tobak! Seit Jahren machen Lehrer das Ministerium auf die Mängel
aufmerksam und machen konkrete Vorschäge. Darunter war
selbstverständlich auch die Forderung, endlich für eine systematische
Einweisung aller Lehrer zu sorgen. (...)
1. Das "Austrian School Network" gehört endlich in professionelle
Verwaltung gegeben und muß bedarfsgerecht ausgestaltet werden! Es ist
ein Jammer, wie schlecht dieser Internet-Zugang funktioniert. 
2. Die Pädagogischen Institute müssen ein Sonderbudget für die
Internetkurse für alle Lehrer bekommen! Wenn von 60
weiterbildungswilligen KollegInnen einer Schule 40 abgewiesen werden,
weil "kein Geld dafür da ist", könnte einem die Galle hochkommen, wenn
man die oben wiedergegebe Zeitungsüberschrift lesen muß. 
3. Die Systembetreuer an den Schulen müssen ausreichend unterstützt
werden; sie sind jene, die bisher die Versäumnisse des Ministeriums mit
ihrem Idealismus kaschiert haben. Diese Ausbeutung muß eine Ende haben!
Stellen Sie die IT-Politik des Ministeriums endlich um von einigen
Herzeige-Projekten auf die SYSTEMATISCHE Versorgung aller Schulen! (Das
Projekt "Laptops für alle Oberstufe-Schüler", zum Beispiel, ist
angesichts der Mängel an grundlegenden Voraussetzungen für die
IT-Versorgung der Schulen absurd.) Insbesondere die AHS werden - im
Vergleich zu den BHS - vom Ministerium bisher geradezu stiefmütterlich
behandelt. 

Im Vergleich zur ersten Untersuchung hat erwartungsgemäß die Nutzung des internet an Schulen in der Einschätzung der Befragten an Intensität zugenommen, wobei diese im Vergleich zu den prinzipiellen Möglichkeiten des Mediums noch immer eher gering scheinen. Viele der Angaben beziehen sich daher auf die Nutzung außerhalb des Unterrichts (etwa durch SchülerInnen in Pausen oder der Freizeit), wobei manchmal beinahe "neidisch" auf die privaten Zugangsmöglichkeiten verwiesen wird. Nach wie vor gibt es eine große Streuungsbreite hinsichtlich der Ausstattung der Schulen, die vom einzelnen nur wenigen zugänglichen PCs bis zu technologisch hochgerüsteten Schulen - meist einschlägigen Fachschulen - reicht.

Dies unterstreicht die triviale Tatsache, daß das internet nur über eine vorhandene Technologie nutzbar ist, auch wenn nach neuesten Untersuchungen mehr als drei Viertel der LehrerInnen den Computer täglich zur Vorbereitung auf den Unterricht nutzen. Durchschnittlich wenden sie wöchentlich fast neun Stunden Zeit dafür auf. Ein Drittel der befragten Lehrer kommuniziert wöchentlich via Netz mit den Schülern, 30% bereiten Projekte vor und 28% nutzen den Computer für Präsentationen. Die Kommunikation mit den Schulbehörden und das Testen von Lernsoftware gehört für jeden fünften Lehrer zur Routine. Diese Zahlen einer Studie des Fessel-GFK-Instituts im Auftrag des Unterrichtsministeriums erstaunen auch insofern, als mit Stand Juni 2000 nur knapp mehr als die Hälfte aller Bildungseinrichtungen über zumindest einen Internetzugang verfügen, wobei nur knapp 15 % über eine eigene Homepage verfügen, also im Internet aktiv präsent sind (vgl. [news.00.02]).

Nach wie vor gibt es eine große Gruppe von LehrerInnen, die das Medium ablehnen bzw. überhaupt nicht nutzen. Oft sind es die "Freaks", die hier Pionierarbeit an unseren Schulen leisten. Diese Zweiteilung der Lehrerschaft wurde auch schon in der ersten Untersuchung beklagt, wobei damals von einer völligen Ignoranz mancher KollegInnen die Rede war, die in dieser Form heutzutage aufgrund des medialen Trommelfeuers mit "www.dingsbums.at" kaum mehr zu finden ist ;-) Eine wichtige Rolle spielt an den Bildungsinstitutionen noch immer die Einschulung in den Gebrauch des Mediums. Hier kann die schon in der ersten Studie gefundene LehrerInnentypologie als bestätigt gelten, in der neben den "Freaks & Pionieren" unterschiedlich große Gruppen von "Prinzipiell Interessierten", von "Überforderten & Technologieneulingen", von "Technologieverweigerern & Traditionalisten" und von eher "Ratlosen Laien" zu finden sind.

In der ersten Untersuchung und auch teilweise noch heute wird die Reglementierung des Zugangs moniert, allerdings gibt es einige Schulen, an denen die Zugänge wochentags bis 22.00 frei benutzt werden können, wobei allerdings nur in Ausnahmefällen eine aus pädagogischer Sicht notwendige Betreuung vorhanden ist.

Kritisiert werden wie in der ersten Untersuchung zunächst organisatorische Hemmnisse, es wird aber auch das Fehlen geeigneter methodisch-didaktischer Konzepte beklagt. Vor allem in den AHS und den BHS bleibt die Nutzung in überwiegendem Ausmaß den traditionellen Fächern wie Informatik und EDV vorbehalten, nur in wenigen Fällen wird das internet auch in "technologiefernen" Fächern wie Sprachen, Geschichte oder Musik eingesetzt. Allerdings scheint sich hier eine "Aufweichung" der Fronten abzuzeichnen, was wohl darauf zurückgeführt werden kann, daß das Medium im Alltag in beinahe allen Lebensbereichen präsent ist und somit seine Möglichkeiten unübersehbar "demonstriert". Hiermit wird bestätigt, daß das internet im Vergleich zu anderen Medien jenes ist, das selber am stärksten zu seiner eigenen Verbreitung beiträgt. Ich hatte das in der ersten Studie als "Selbstverstärkung" bezeichnet.

Ob das neue Medium selber der Unterrichtsgegenstand sein soll oder ob man es als bloßes Werkzeug gebraucht, um damit andere Gegenstände zu behandeln, sollte immer klar auseinandergehalten werden. Zum Unterrichtsgegenstand läßt sich das internet in fast allen Fächern machen: Neben den technischen und systemischen Aspekten, die etwa in den Fächern Mathematik, Physik oder im Informatikunterricht zur Sprache kommen können, hat das internet auch ganz spezifische mediale Eigenschaften, die in den Sprachfächern, im Fach Kunst oder Medienunterricht verhandelt werden. Um das internet als Werkzeug für die konkrete Unterrichtsarbeit nutzen zu können, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein: Nebst den rein technischen Voraussetzungen, welche in vielen Köpfen von Lehrkräften, Schulleitungen und Verwaltungen oft erst noch geschaffen werden müssen. Grundsätzlich bedarf es einer großen Offenheit und Experimentierfreudigkeit bei allen Beteiligten, verbunden auch mit einer gewissen Lust zum Risiko und nicht zuletzt der Bereitschaft, Arbeitsstunden zu leisten, die auch nicht immer entschädigt werden. Was viele Lehrkräfte besonders verunsichert, ist die Tatsache, daß wohl nie jemand wird behaupten können, er habe das internet voll im Griff. Ein Anspruch, den LehrerInnen oft haben, wenn es um die Beherrschung von Fachwissen geht. Alles Wissen über das internet bleibt jedoch immer Stückwerk, ist immer vorläufig und ist meist schon veraltet, wenn man es endlich zu besitzen meint. Für den Umgang mit dem neuen Medium braucht es Phantasie, Unerschrockenheit und die Lust, Neues und Unbekanntes ohne alle Vorurteile erst einmal zu entdecken. Lauter Fähigkeiten, welche die Schüler manchmal oft in höherem Maße besitzen als ihre Lehrer. Dabei kann die neue Rollenverteilung im Schulzimmer durchaus auch pädagogisch nutzbar gemacht werden: SchülerInnen, die sich in der Rolle von Experten wiederfinden, lassen sich oft für Lernprozesse motivieren, für die sie bei einer traditionellen Rollenverteilung kein Interesse zeigen (vgl. Gertsch 1997).

Ein Internet-Arbeitsplatz in der Schule bedeutet aber, wie Bredin (2000) schreibt, "arbeiten mit dem Internet und Arbeit schulbezogen bedeutet LERNEN und LEHREN. Und Internet-Lernen und -Lehren erfordern ein anderes Lernverhalten und neue didaktische Ansätze. Nicht nur auf den ersten Blick scheint es kaum angemessen zu sein, wenn gesagt würde: »Gebt alle die Adresse www.user.xpoint.at/odyssee/faust.htm ein.« Und dann: »Max fangen Sie bitte an zu lesen.« oder eine beliebige andere URL mit der Aufgabenstellung, den Text laut zusammenzufassen, gegeben würde. Warum eigentlich? Im normalen Unterricht haben auch alle Schüler dasselbe Buch mit demselben Text vor sich. Eine Aufgabenstellung wie: »Geht zu dieser Adresse und arbeitet die wichtigsten Informationen und Standpunkte heraus« erscheint dagegen durchaus angemessen. Es ist offensichtlich, dass das Internet als Lehr- und Lernmedium weniger für den Frontalunterricht mit einzeln aufgerufenen Schülern geeignet ist, sondern vielmehr für gruppendynamisch oder schülerindividuell orientierte Unterrichtsverfahren. Klar ist auch, dass wir es beim Internet-Material auf die Schulpraxis bezogen weniger mit Primärtexten als vielmehr mit Sekundärmedien zu tun haben."

Die Nutzung des internet scheint vor allem dann sinnvoll, wenn die gewonnen Informationen medienkritisch auf ihre Zuverlässigkeit überprüft werden, in einen problemorientierten Unterricht und komplexe Situationen integriert werden und es somit als ein Baustein in ganze Unterrichtssequenzen eingebettet ist. Langfristig kommt es bei dem Einsatz des internet im Schulunterricht auf die Effizienz an. Wenn einmal die Motivation durch das neue technische Spielzeug "internet" nicht mehr trägt, weil e-mail und WWW - oft ermüdender und monotoner - Alltag geworden sind, wird man sich bei jeder Internetaktivität fragen müssen, inwieweit dabei nicht zuviel wertvolle Lernzeit durch die spezifischen technischen Zwänge des Mediums (Wartezeiten, ausgefallene Server, technische Probleme) verloren geht (vgl. Schröder 2000).

Wie bei der Untersuchung vor zweieinhalb Jahren wird von allen Bildungssektoren hauptsächlich das W3 genutzt, im Gegensatz zu den damaligen Ergebnissen spielen allerdings in allen Bildungsinstitutionen die kommunikativen Funktionen (mail, newsgroup, mailinglist, chat) eine wesentlich bedeutsamere Rolle. Bei der ersten Untersuchung war diese Nutzung des internet eher sporadisch, wobei das interessanterweise vor allem für Österreich galt, während damals in der BRD das mailen häufig der Einstieg in das net bildete (Stangl 1997).

Da in der Praxis in den meisten Klassen während des internet-Einsatzes offene Arbeitsformen angewendet werden, findet sich oft ein "natürlicher" Kontrast zu traditionellen Unterrichtsformen. Viele Antworten weisen auf die nach wie vor bestehenden Unsicherheiten hin, welche Notwendigkeiten und Möglichkeiten in didaktischer Hinsicht mit dem internet-Einsatz verbunden sind. Diese stehen in vielen Fällen in direktem Zusammenhang mit den eingesetzten Funktionen - so bedeutet etwa der chat für viele LehrerInnen, die das internet durchaus akzeptieren - prinzipiell als etwas den Unterrichtsertrag Gefährdendes. Im Vergleich zur ersten Untersuchung argumentieren aber die befragten LehrerInnen im Durchschnitt nur mehr selten mit einer mehr oder minder unverhohlenen Abneigung gegenüber dem internet.

Besonders hervorzuheben ist aber auch, daß die Kompetenz der Antwortenden deutlich zugenommen hat, was sich in einer genaueren Kenntnis der Begrifflichkeit aber auch der Bandbreite des Mediums internet ausdrückt.

Alle Medien im Unterricht - also auch das internet - stehen stets im Dienst des Lernens. Sie sollen zur Veranschaulichung komplizierter, abstrakter oder komplexer Unterrichtsinhalte dienen und den geographischen, historischen und personal-sozialen Erfahrungsraum der Schüler ausweiten, indem sie die Auseinandersetzung mit Lerninhalten ermöglichen, die der direkten Erfahrung der Schüler nicht zugänglich sind. Durch die Globalität und die damit verbundene Vielfalt der angebotenen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten kann dies mit dem internet in hohem Maße erreicht werden. Darüber hinaus kann der Einsatz von Medien eine Abkehr vom lehrerzentrierten Unterricht und die Verwirklichung der Unterrichtsprinzipien Selbsttätigkeit, Differenzierung/Individualisierung und Mehrperspektivität ermöglichen. Beispielsweise können Schüler selbständig je nach Interessenlage unterschiedlichste Informationen aus dem W3 gewinnen. Dadurch kann auch der alleinigen Abhängigkeit der Schüler von den Meinungen und Interessen der Lehrkraft entgegengewirkt werden. Das internet ist grundsätzlich in allen Phasen des Unterrichts einsetzbar und bietet darüber hinaus in großem Umfang Gelegenheit zu kritischer Medienerziehung, beispielsweise durch Thematisierung medialer Besonderheiten oder möglicher Gefahren (vgl. Ostermeier 2000).

Im Unterschied zu den meisten herkömmlichen Medien sind Hypertexte bzw. Hypermedia so konzipiert, daß sie meist nicht zum sequentiellen Lesen gedacht sind. Es besteht die Möglichkeit Inhalte zu selektieren und völlig frei durch das gesamte Informationsgebiet zu navigieren. Sie befreien von dem sturen "programmierten Unterricht" alter Prägung. Das internet bietet dem Lernenden eine Fülle an Informationen zu bestimmten Fachgebieten. Die meist sehr hohe Komplexität des Hypertextes erfordert in der Regel eine hohe Lerndisziplin und Konzentration des Benutzers, der sich in dem Netzwerk aus Knoten und Links orientieren und die für ihn relevanten Informationen heraus filtern muß. Dies kann oft zur Überforderung (cognitive overhead) für ungeübte Benutzer werden. Weiters besteht auch immer die Gefahr, dasß der Navigierende die Orientierung verliert und/oder durch Inhalte abgelenkt wird und somit vom "vom hundertsten ins tausendste" kommt (das berüchtigte "lost in hyperspace").

Die neue Lehrergeneration, die sich noch in der Ausbildung befindet, ist nach einer von der  Universität Bielefeld in Auftrag gegebenen Studie an bundesdeutschen Hochschulen (http://www.stiftung.bertelsmann.de/projekte/bereiche/big.htm) zwar weitgehend fit am Computer, doch fühlt sie sich nur unzureichend für den Unterrichtseinsatz mit den Neuen Medien vorbereitet. Immerhin nutzen 98 Prozent der Studierenden einen Computer, wobei 70 Prozent über einen eigenen Computer verfügen. Während die KollegInnen in den Schulen den Computer gerade einmal als bessere Schreibmaschine einsetzen, sind 79 Prozent der Lehramtsstudenten im internet unterwegs. Hauptsächlich werden dabei die Zugangsmöglichkeiten der Hochschulen genutzt.

Die Studie sieht bei den Studierenden eine Trendwende eingeläutet, denn nun kommen wohl Lehramtskräfte auf die Schulen zu, die eine positive und aufgeschlossene Haltung gegenüber dem Computer einnehmen. Der Wermutstropfen: nur jeder achte Studierende sieht sich durch das Angebot im Studium ausreichend auf die Unterrichtspraxis vorbereitet. Und noch eines verdeutlicht die vorgelegte Studie: die männlichen Studenten nutzten das Internet mehr als doppelt so oft wie ihre Kommilitoninnen (vgl. [news.00.03]).

Allerdings gibt es auch Befunde, die in Teilbereichen wenig Veränderung erahnen lassen: In einer Studie von Lukesch (2000) sehen immerhin 37,5% der befragten LehrerstudentInnen Gefahren in der Internetnutzung in der Schule. Genannt wurden dabei:

  1. kein s Lernen (Spielerei statt Lernen, Zeitvergeudung, nur Effekthascherei, Ablenkung, Qualität wird durch Quantität verdrängt)
  2. Suchtpotential (Chat-Sucht)
  3. Glaubwürdigkeit (falsche Informationen, nicht überprüfbar, unkritischer Umgang, Betrug, Oberflächlichkeit)
  4. soziale Gefahren (fehlender Kontakt zu Mitlernenden, Entfremdung, keine Lebenszusammenhänge mehr erkennbar
  5. Jugendgefährdung durch Inhalte (Mißbrauch, Pornographie, Propaganda rechter Gruppen, Gewalt)
  6. keine Kontrolle möglich (z.B. bei Referaten)
  7. Verlust des Interesses an Inhalten zugunsten des Mediums
  8. Zeit- und Geldverschwendung (Zunahme der Zeit vor dem Bildschirm)
  9. Wirtschaft diktiert den Lernstoff
  10. Benachteiligung für Schüler, die keinen Computer + Internet zu Hause haben

Wie man erkennen kann, decken sich diese im Wesentlichen mit den Ängsten der schon berufstätigen KollegInnen.

Das internet und seine Möglichkeiten werden nur unzureichend genutzt

Viele der von den Befragten angesprochenen Probleme beziehen sich auf die technische Ausstattung der Schulen, wobei trotz der inzwischen angelaufenen Ausstattungsoffensiven dieselben Schwachstellen wie vor zweieinhalb Jahren genannt werden: Ausstattung, Geräteausstattung, Netzanbindung, Organisation, Finanzierung, Schulung und Didaktik. Diese genannten Problemfelder hängen oft eng miteinander zusammen, denn eine schlechte Ausstattung führt z.B. dazu, daß im Unterrichtsbetrieb die Nutzung des internet wegen Überlastung der Verbindung recht unbefriedigend ist und "inzwischen" zur Überbrückung andere sites angesurft werden. Wie überhaupt - trotz der Aufgeklärtheit - an manchen Schulen die Befürchtungen vor dem Mißbrauch des Mediums durch die SchülerInnen (seltener durch die LehrerInnen ;-) am Beginn aller Überlegungen stehen.

Generell betrachtet fühlen sich manche Schulen mit dem Medium alleingelassen, wobei vor allem die oberbehördliche Unterstützung - ähnlich wie vor zwei Jahren - als äußerst gering erlebt wird. Dabei bezieht sich dieses Mangelerlebnis sowohl auf schulinterne Hilfen als auch auf externe. Diese Mängel liegen jetzt allerdings auf einem höheren Niveau - damals stand die Grundausstattung im Vordergrund, heute geht es mehr um den laufenden Betrieb bzw. dessen Aufrechterhaltung.

Für viele Lehrer wäre eine bessere Ausbildung in der Handhabung des Computers notwendig, wobei betont wird, daß alle LehrerInnen darin einzubinden wären. Zwar können die meisten mit einem laufenden Rechner umgehen, bei unvorhergesehenen Pannen jedoch fehlt ihnen oft das einschlägige knowhow, wie aus zahlreichen Anfragen in einschlägigen mailinglists zu erkennen ist. Hier leidet ein Einsatz des internet daran, daß auch die Nutzung des Computers von unseren Bildungsinstitutionen teilweise verschlafen wurde und daher zuwenig grundlegende Kenntnisse (Betriebssystem, Datenorganisation, Umgang mit Textverarbeitung oder Tabellenkalkulation) anzutreffen sind. Bis vor kurzem wurden in einschlägigen Lehrerkreisen noch Programme aus der Computersteinzeit als Innovationen verkauft, wobei ungeachtet der hohen Qualität solcher Entwicklungen doch grundlegende Kenntnisse im Umgang mit Programmiersprachen für deren Einsatz notwendig waren.

Schulungen und Weiterbildungsmaßnahmen werden daher gefordert und der Meinungsaustausch mit KollegInnen wird als notwendig und hilfreich erachtet. Es wird zwar registriert, daß solche Schulungen angeboten aber auch, daß sie nur selten auf die Bedürfnisse abgestimmt sind und daher wenig in Anspruch genommen werden. Auch sind die bestehenden newsgroups und mailinglists nach wie vor zu sehr an technischen Fragen ausgerichtet. Vielleicht kann hier die vom Autor eingerichtete mailinglist "internetschule" hier Abhilfe schaffen, denn explizites Ziel ist der Schwerpunkt auf nicht-technischen Fragen im Zusamenhang mit dem internet-Einsatz im Unterricht.

Allerdings hat man es als weiterbildungswillige LehrerIn auch nicht immer einfach, wie jüngst folgender mail in einem Lehrerforum zu entnehmen war (gekürzt, W.S.): "Ich wollte mich für einen Ausbildungslehrgang zum EDV -Lehrer anmelden und bin schon im Vorfeld mit der Begründung abgeblitzt, dass ich da - als Sprachlehrerin nicht die Zielgruppe sei. Ich bin etwas sauer, denn ich glaube nicht, dass nur ein Mathematiker oder Informatiker die Inhalte verstehen und verwenden kann, außerdem wird es in den kommenden Jahren Engpässe bei den einschlägig ausgebildeten Lehrern geben, Sprachstunden gehen allerdings zurück aufgrund der höheren Klassenschülerzahlen. Zudem würde ich gerne den ECDL so schnell wie möglich machen. Er wird in den nächsten Jahren als Qualifikationsnachweis an den Schulen eine ziemlich gefragte Sache sein und wir sollen auch die Schüler dafür ausbilden. (...) Ich möchte das soo gerne machen und fühle mich in meinem Fortbildungsdrang eigentlich dauernd gebremst - wie übrigens viele meiner KollegInnen auch (...)".

Wenn man ein grobes Fazit aus allen Antworten ziehen sollte, dann ein ähnliches wie vor zweieinhalb Jahren: es ist nicht so sehr hard- und software sondern socialware gefragt (vgl. Stangl 1998).

Nach wie vor gilt: "socialware" vor "hard-" und "software"

Fragt man nach den Veränderungen, die das internet in den letzten Jahren für die Schulen gebracht hat, dann werden zwar vorwiegend positive Veränderungen aufgezählt, aber diese werden in manchen Antworten oft auch als Nachteil erlebt, wobei es in vielen Fällen auf die Perspektive und die Einstellung der Befragten ankommt.

Teilweise wird beklagt, daß SchülerInnen und LehrerInnen vom Medium überfordert werden. Hier kommen auch Ängste zum Vorschein, daß LehrerInnen einen Teil der Kontrolle über das Unterrichtsgeschehen verlieren. In diesem Bereich manifestiert sich teilweise die generelle Unfähigkeit von Bildungsinstitutionen, sich wandelnden gesellschaftlichen Strukturen anzupassen und sich den Herausforderungen etwa eines anderen Anspruches der Gesellschaft an sie zu stellen. Das in zahlreichen Untersuchungen nachgewiesene Scheitern traditionellen Unterrichts konnte bisher noch wenig in Bewegung bringen, das internet könnte hier einen Impuls dafür geben.

Messungen des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung haben ergeben, im Schnitt sind nur 2,6 Prozent des Unterrichts nicht lehrerdominiert. In einer Klasse mit 30 Schülern kommt jeder Schüler eineinhalb Minuten lang zu Wort - falls der Lehrer ganz schweigt. Gängige Unterrichtsmethoden sind das gelenkte Unterrichtsgespräch, die direkte Instruktion, der Vortrag. Unhinterfragt und unangefochten gaben Lehrer das Methodenrepertoire von Generation zu Generation weiter. Erst in den Jahren nach der 68er-Bewegung kamen Gruppen- und Partnerarbeit - ergänzend - dazu. Jeder experimentierfreudige Lehrer kann ein Lied davon singen, wie oft seine kommunikative Sitzordnung (U-Form, Karree, Gruppentische) vom nächsten Lehrer wieder zurückgebaut wird, weil er sich nicht zurechtfindet. (...) Eine Hamburger Gesamtschule hat den Englischunterricht der Oberstufe zu einem fächerverbindenden Projekt umgestaltet. Die Schüler bilden sich zum Fremdenführer für Ausländer aus, die über die Sehenswürdigkeiten der Stadt auf Englisch informiert werden sollen. (...) Zur Verblüffung der Lehrer war der Lerneffekt in der Fremdsprache ungleich größer als beim herkömmlichen Unterricht mit englischen Sachtexten. Der zweite Zugewinn betraf die Persönlichkeit der Schüler. Sie wurden in den wenigen Wochen der Arbeit als Fremdenführer selbstsicherer als in Jahren normalen Unterrichts. (...) Was Not tut, ist die Ausarbeitung von Lernarrangements in jedem Fach, die mehr Selbsttätigkeit im Lernen ermöglichen. Dabei darf das Ziel des Lernens nicht immer nur gesichertes Wissen sein. Um Kreativität und Methodenbewusstsein zu schaffen, sollte entdeckendes Lernen, der Umgang mit unterschiedlichen Lösungswegen mehr als bisher geübt werden. Lehrer müssen ihre Scheu vor den modernen Medien ablegen, weil sich hier effektive Lernmethoden auftun, die man für den Unterricht nutzen kann. Wichtig ist dabei die sinnvolle Einbindung in jedes Fach. Erfahrungen in Geschichte und Politischer Weltkunde zeigen, dass Schüler ohne strukturierendes Vorwissen in der unverstandenen Flut der Information, die im Internet abrufbar sind, hilflos umher schwimmen. Aufgabe des Unterrichts ist mehr denn je, Grundlagen zu vermitteln, Strukturen und Modelle, denen sich das konkrete Wissen zuordnen lässt. (Werner 2000).

Die SchülerInnen verfügen heute in der Regel über ausreichende internet-Kenntnisse, um das Medium auch ohne besondere technische Anleitung zu nutzen. Sollte es bei einzelnen SchülerInnen nicht vorhanden sein, so lernen sie es von den peers. Will die Schule den Anschluß an das internet-Zeitalter nicht versäumen, so sollte es sich dieses Potential bedienen. LehrerInen sind aber sehr wohl als internet-guides gefragt, wobei hier auf die erziehende und didaktische Funktion abzuheben ist. SchülerInnen lernen selbständiger, die Führung durch LehrerInnen ist nicht mehr wie früher lehrer- sondern schülerzentriert, sie sind mehr als Initiator und Moderator des Lernprozesses notwendig.

Einigei Befürchtungen - etwas mehr als bei der ersten Untersuchung - richten sich auf die "verbotenen Seiten" des internet, die nicht zuletzt aufgrund medialen Tromelfeuers manchen Uninformierten als Kernbereiche des net erscheinen mögen. Viele österreichische Schulen befinden sich daher hinter firewalls und anderen Mauern, die man zum Schutz der Kinder und Jugendlichen errichtet. Allerdings sind die Programme, die den Zugang Kinder und Jugendlicher zu gefährdenden Inhalten wie Pornografie und Rechtsextremismus verhindern sollen, ziemlich wirkungslos. Das ergab ein "Crack-Workshop" der Aktion Kinder und Jugendschutz Brandenburg (AKJS) und des Vereins Jugendschutz-Net http://www.jugendschutz.net/ in der BRD, in welchem die zwölf- bis 17-jährigen TeilnehmerInnen innerhalb von zwei Stunden alle Filterprogramme überlisten konnten. Die TeilnehmerInnen hatten zuvor kaum Kenntnisse über Computer-Betriebssysteme oder das internet, vielmehr waren es überwiegend "Spiele-Kids", die sich einfach bei Computerspielen auskannten (vgl. [news.00.04]).

Es mangelt nicht an Programmen, die versprechen, unerwünschte Internet-Inhalte automatisch auszublenden. Eine amerikanische Initiative namens Getnetwise (http://www.getnetwise.org/), die von Organisationen wie Safekids.com, Cyberangels, The National Center for Missing & Exploited Children oder der People for the American Way Foundation getragen wird, listet auf ihrer Website 111 solcher Filterprogramme auf. Sie haben sprechende Namen wie Netnanny, Cyberpatrol oder Netshepard. (...)
Alle Filterprogramme verwenden ähnliche Verfahren. Entweder verlassen sie sich auf Listen mit den Adressen erlaubter oder verbotener Websites. Oder sie konsultieren jedesmal, bevor sie eine Webseite auf dem Bildschirm anzeigen, eine Liste von Schlüsselwörtern und stellen sicher, dass die anzuzeigende Seite Wörter wie «sex», «violence» oder «rape» nicht enthält. Dabei können allerdings unter Umständen auch pädagogisch wertvolle Materialien, ein Dokument über Sussex oder eine sexualkundliche Abhandlung unterdrückt werden. Dort wo menschliche Zensoren die Aufgabe übernehmen, Internet-Seiten zu bewerten, sind sie angesichts des rasch wachsenden Umfangs des im Internet gespeicherten Materials, angesichts von bereits mehr als einer Milliarde Webseiten, rasch überfordert.
"Technische Lösungen allein können beim Medium Internet keinen absoluten Schutz bieten", heisst es daher auch in einer aktuellen Untersuchung des deutschen Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. «Sie können die Aufklärung und die Massnahmen zum Aufbau von Medienkompetenz bei Jugendlichen nur begleiten. "Die Studie, die nach Auskunft eines Vertreters im Wirtschaftsministerium Grundlage für gesetzgeberische Massnahmen zur Sicherung des Jugendschutzes im Internet sein soll, weist zudem darauf hin, «dass die verfügbaren Filterprogramme überwiegend amerikanischer Herkunft sind und nicht auf den deutschsprachigen oder europäischen Kulturraum passen" (Emert 2000).

Falls SchülerInnen beim Einsatz des internet von der ihnen gestellten Aufgabe nicht wirklich fasziniert sind und sich inhaltlich gefordert fühlen, landen sie nach ein oder zwei Stunden mit Sicherheit auf einer page, die eigentlich vom Lehrer nicht geplant war. Die SchüleriInnen müssen daher von den LehrerInnen in eine anwendungsbezogene Nutzung des internets eingeführt werden. Das gilt auch dann, wenn die SchülerInnen schon Kenntnisse besitzen, da diese in der Regel nicht lösungsorientiert und meist oberflächlich sind. Eine anwendungsorientierte Nutzung beinhaltet nicht nur die browser-Funktionen (bookmarks, find, caching, print preview usw.), sondern die SchülerInnen müssen zumindest in der Lage sein, Internetadressen und Seiteninhalte in eine Textverarbeitung zu kopieren und dort weiterzubearbeiten, downgeloadete Grafiken einzubinden, damit die SchülerInnen ihre Ergebnisse anschließend im Klassenverband präsentierten können. Nicht die Suche nach Informationen, sondern die anwendungs- und adressatengerechte multimediale Präsention der gefundenen Informationen in einem klar definierten inhaltlichen Kontext sollte das Unterrichtsziel sein. Erst wenn die SchülerInnen diese Fertigkeiten und Kenntnisse besitzen, kann man sie sinnvoll alleine arbeiten lassen. Der oft praktizierte Einsatz von Suchmaschinen ist in vielen Fällen gar nicht angebracht, vielmehr wäre eine Orientierung an Linklisten oder innerhalb von Bildungsservern die Methode der Wahl. Wichtig ist, daß die SchülerInnen das Erkenntnisinteresse immer klar vor Augen haben (vgl. Kührt 1999). Die Schule hat heute die Aufgabe, eine sinngerechte bzw. vernünftige Nutzung des Mediums im Sinne eines Wissens- und Verwendungsmanagements (Knowledge und Application Management) zu trainieren und sollte daher die Einbindung dieses Mediums in das Lehr- und Lerngeschehen zur Erschließung neuer Informationsquellen und Darstellungsmöglichkeiten als ganz normales Werkzeug neben Buch und Heft leisten (vgl. Bredin (2000).

Die Funktion des internet als offenes und nach außen gerichtetes Medium wird vielfach betont. Diese größere Öffentlichkeit kann aber auch zum Problem werden und kommt auch in einer Veränderung der kommunikativen Strukturen zum Ausdruck. So könnte der Kontakt zwischen Eltern und LehrerInnen sich durchaus auch (!) der mail-Funktionen bedienen. Es sind heute in vielen einschlägigen newsgroups ratsuchende Eltern unterwegs, die sicherlich wenig Probleme haben, auch mit den LehrerInnen diese Kontakte zu knüpfen.

Will man ein Fazit aus den beobachteten Veränderungen im Bildungssystem ziehen, so unterscheidet es sich wenig von den Veränderungen in anderen Lebensbereichen, etwa in der Geschäftswelt oder der öffentlichen Verwaltung. Auch hier kämpft man noch mehr mit der Technologie und die Zweifel an den Möglichkeiten und Chancen des Mediums sind groß. Allerdings sind in diesen Bereichen häufig die dafür zur Verfügung stehenden Mittel großer und werden auch schneller verteilt. Euphorische Erwartungen im Hinblick auf das Medium stehen ablehnender Skepsis gegenüber, beides wird einer nüchternen Betrachtung hie wie dort Platz machen müssen.

Eile ist dennoch geboten, denn die Schulen sind ebenso wie Fachhochschulen, Universitäten und andere Weiterbildungsinstitutionen heute gehalten, sich ein charakteristisches Profil zu geben, d.h. sich in irgend einer Weise auch "marktkonform" zu verhalten und sich in untereinander konkurrierende "Betriebe" umzuwandeln. Das aber schließt ein Interesse an Konkurrenz und somit auch dem Untergang des konkurrierenden Nachbarn ein.

Die Schule hinkt hinter der allgemeinen internet-Entwicklung her

Nach der ersten Untersuchung wurden vom Autor einige Maßnahmen vorgeschlagen, was zu geschehen hätte, wenn das internet nutzbringend in den Schulen Einzug halten soll (Stangl 1997). Ich werde im Folgenden kurz diese Punkte im Licht der aktuellen Entwicklungen kurz kommentieren:

  • An unseren Schulen sind nicht so sehr hard- und software gefragt, sondern socialware in Form von ständig verfügbarer technischer und medientechnologischer Unterstützung, etwa kollegialer support und Austausch.
    Diese Forderung ist nach wie vor gültig, jedoch hat sich bei den Verantwortlichen Bildungsverantwortlichen die Einsicht durchgesetzt, daß es nicht genügt, in jeder Schulklasse eine bestimmte Anzahl von internet-Zugängen aufzustellen.
  • Weniger flächendeckende Aufoktroyierung der Vernetzung als Förderung der bereits bestehenden Initiativen vor Ort.
    Die Vernetzung der Schulen wurde mehr oder minder durchgezogen und die befürchtete "Ausrottung" von Einzelinitiativen ist ausgeblieben.
  • Weniger kurzfristige Einzelprojekte sondern kontinuierliche Unterstützung in finanzieller und personaler Hinsicht - zahlreiche Lockangebote von kommerziellen Anbietern sind vermutlich Danaergeschenke, da die Folgekosten die Errichtungskosten um ein Vielfaches übersteigen.
    Für eine abschließende Bewertung ist es hier noch zu früh, denn die Vernetzung ist in manchen Sektoren noch nicht abgeschlossen. Viel wird davon abhängen, wie die "Computermilliarde" eingesetzt wird.
  • Keine halbherzigen Lösungen (ein Zugang mit Modem in der Direktion, der weder für LehrerInnen noch SchülerInnen offen ist bzw. aufgrund von zu geringem know-how verstaubt) sondern großzügige Ausstattung von einigen Klassen.
    Auch hier ist eine Bewertung noch nicht möglich, da derzeit noch immer viele Schulen erst über einen oder zwei Zugänge zum internet verfügen, von Stationen in allen Klassen ist noch lange keine Rede. Verbessert hat sich allerdings die Zugangsmöglichkeit innerhalb der Schulen, jedoch bestehen hier sehr große Unterschiede, da eine solche Öffnung auch außerhalb des Unterrichts mit Betreuungskosten verbunden ist.
  • Vorbild der Behörden und Institutionen in Bezug auf die Nutzung des internet.
    Die homepages der Behörden sind gerade dabei, in Richtung Kommunikations- und Informationsplattform aufgebaut bzw. weiterentwickelt zu werden. Viel wird davon abhängen, ob es eine laufende Betreuung und Aktualisierung solcher Seiten geben wird.
  • Bevorzugung offener Lösungen statt geschlossener.
    Zwar laufen viele Schulzugänge über firewalls, die unerwünschte Inhalte fernhalten sollen, allerdings war der aktuellen Untersuchung zu entnehmen, daß es mit dieser Kontrolle nicht sehr weit her ist. Es setzt sich offensichtlich die Erkenntnis durch, daß Erziehung immer noch besser ist als ein Verbot, das aufgrund der Struktur des net ohnehin nicht aufrechterhalten werden kann.
  • Flächendeckende Einbindung des internet in die Ausbildung an Universitäten und anderen Lehrerbildungseinrichungen.
    Hier ist zwar ein gewisser Fortschritt zu beobachten, allerdings bieten die meisten wenig bis gar keinen eigenen content an, der anderen Institutionen frei zur Verfügung steht.
  • Einsatz des Mediums in der Lehrerfort- und -weiterbildung, insbesondere Förderung der Sozial- und Managementkompetenzen beim Umgang damit.
    Auch hier sind erste Ansätze zu beobachten, allerdings hält der Umfang der angebotenen Maßnahmen nicht mit der Nachfrage mit.
  • Förderung und Unterstützung vor allem von Initiativen in nicht-technischen Fächern, in denen bisher die größte Skepsis gegenüber dem internet besteht.
    Obwohl die "Front" zwischen diesen beiden Gruppen noch manchmal berichtet wurde, ist doch im Allgemeinen ein Abbröckeln zu beobachten. Das ist aber wohl weniger auf Maßnahmen innerhalb des Systems zurückzuführen als darauf, daß sich das Medium im öffentlichen Diskurs so sehr in den Vordergrund geschoben hat, daß ein konsequentes Verweigern beinahe schon den Rückzug in eine Eremitage erfordern würde.
  • Schaffung von geeigneten Rahmenbedingungen für die Erprobung und Entwicklung neuer Unterrichtsformen im Zusammenhang mit dem internet.
    In diesem Bereich ist wohl bisher am wenigsten bis nichts geschehen. Eine systematische Erforschung des internet-Einsatzes im Unterricht findet bis auf wenige Ausnahmen nicht statt. Zwar gibt es kleinere Projekte - etwas wie die "laptop-Klassen" - und daran anschließende Studien (Bruck & Geser 2000), aber hier stehen häufig technische und organisatorische Fragen im Vordergrund. Hier sind zunächst die Praktiker des internet-Einsatzes gefragt, die ihre eigene Unterrichtstätigkeit reflektierend auch theoretisch zu durchdringen versuchen. Im Zuge der Demokratisierung der Forschung, die sich in diesem Bereich etwa als Paradigmenwechsel von externer zu interner Bildungsforschung langsam vollzieht, sind hier einige Hoffnungen berechtigt.

Ein Blick über die Grenzen ins benachbarte Deutschland zeigt, daß auch dort die Verhältnisse ähnlich liegen. Regina Schröder (2000), Online-Redakteurin bei business@school und Lehrer-Online schreibt dazu:

Es gibt landes- und bundesweite Initiativen, die den Einsatz von Computern und Internet mit Millionen von DM fördern. Das Internet ist der prägendste Informationsträger und Wirtschaftsfaktor des angebrochenen Jahrhunderts. Ein Medium - egal wie man zu ihm steht -  das nicht mehr aufzuhalten ist. Und dennoch: Der Einsatz des Internet im Schulunterricht erscheint vielen noch immer wie Teil eines Science Fiction.
Dies kann unterschiedliche Gründe haben. Die Einen haben sich noch nie mit diesem Medium beschäftigt und wollen es auch in Zukunft nicht. Die Anderen nutzen und schätzen das Internet schon seit Jahren für private Zwecke oder auch zur Unterrichtsvorbereitung, scheitern aber bei der Umsetzung neuer Möglichkeiten und Ideen an den Voraussetzungen ihrer Schule.
Die technische Ausstattung ist unzureichend, das Geld für die anfallenden Telefongebühren ist nicht da, oder es lohnt sich einfach nicht, für 45 Unterrichtsminuten den Kontakt mit den Informatikkollegen auf sich zu nehmen, die den Computerraum als ihre Bastion ansehen, die es durch komplizierte Steckerkombinationen gegen den Zugriff von Laien zu verteidigen gilt.
Eine übertriebene Darstellung? Mag sein. Aber selbst wenn diese Hürden nicht bestehen oder längst genommen sind, steht noch die für den Unterricht alles entscheidende Frage nach dem Wie und Warum im Raum.
Dazu gibt es mittlerweile viele Publikationen, die von der Warnung, dass die Lernenden  durch den Einsatz des Internet zur reinen "Klickmentalität" ohne jeglichen Intellekt erzogen würden bis hin zu der Forderung reichen, den Unterricht nur noch online zu gestalten und die LehrerInnen damit als weitgehend überflüssig darstellen.

Welche 1997 vorgeschlagenen Maßnahmen wurden inzwischen durchgeführt?

Nach Kürth (2000) ist die entscheidende Fragestellung nicht, ob eine Schule ans Netz geht, sondern wie sie das tut. Er nennt dazu einige Voraussetzungen:

Internetanbindung als kollegiale Entscheidung und Teamarbeit, d.h., über die Internetanbindung einer Schule sollten nicht die EDV-Spezialisten entscheiden, sondern alle KollegInnen, insbesondere aber die, die von internet keine Ahnung haben. Man sollte auf einer pädagogischen Konferenz darüber sprechen, was eine Internetanbindung der Schule konkret bedeutet, welche Folgen sich daraus für die Kolleginnen und das Lehrer-Schüler-Verhältnis ergeben. Nur dann, wenn sich die Mehrheit der Kolleginnen für diese gemeinsame Herausforderung entscheidet, und bereit ist, daran mitzuarbeiten, sollte eine Schule ans Netz gehen.

Internetanbindung ist imme auch als Schulentwicklungs-, Fortbildungs- und Vernetzungsprozeß zu verstehen, d.h., es ist entscheidend, ob es gelingt, die Mehrheit im Kollegium für diesen Schritt zu gewinnen, zu befähigen und zu begeistern. Voraussetzungen dafür sind u.a.

  • ein umfassendes, verständliches und realisierbares Gesamtkonzept,
  • ein technisches Konzept (möglichst einheitlich und zentral, einfach zu bedienen, eine möglichst geringe Belastung der Systembetreuer),
  • ein finanzielles Konzept für Erstausstattung und Folgekosten,
  • ein organisatorisches und personelles Konzept, um die Innovationsbasis an der Schule zu verbreitern,
  • die Schulleitung muß aktiv hinter dem Gesamtkonzept stehen und es auch gegen Widerstände innovationsresistenter Teile des Kollegiums befördern,
  • eine flankierende externe Lehrerfortbildung, eine oder besser zwei praxis- und adressatengerechte Einführungsveranstaltungen,
  • eine Verzahnung mit der pädagogischen Schulentwicklung (handlungsorientierter Unterricht, Moderatorenkonzept etc.),
  • die regionale Vernetzung der Innovatoren (sprich: der Internet-Aktiven) und
  • das Angebot vernünftiger, leicht handhabbarer Unterrichtsmaterialien für den Interneteinsatz im Fachunterricht.

version 1.2 (02-02-15)

 

 

[internet @ Schule] [internet @ schule 2000]

[internetschule@stangl-taller.at]

https://internetschule.stangl-taller.at/NETSCHULE2000/