Brigitta K. Pfäffli (2005).
Lehren an Hochschulen. Eine Hochschuldidaktik für den Aufbau von
Wissen und Kompetenzen.
Bern/Stuttgart/Wien: Haupt Verlag.
ISBN 3-258-06871-2.
287 Seiten.
¤ 38,50
Die Verbindung von Forschung und Lehre ist seit ca. 200 Jahren, seit Humboldt und Schleichermacher ein Konzept für die preußische Universitätsreform entwickelt haben, Zielvorstellung der Universität in Mitteleuropa und anderswo. Die Qualifikation für die Forschung steht im Mittelpunkt von Studium, Dissertation, Publikationen, Habilitation, Berufungsverfahren etc. Die Fähigkeit zu lehren ist nur zufällig vorhanden. Genau setzt Frau Pfäffli an: Da es keine systematische Ausbildung zur Hochschullehrerin bzw. zum Hochschullehrer gibt, will sie mit ihrem Buch den Lehrenden helfen: "Die folgenden Ausführungen enthalten konkrete Vorschläge, wie Sie als Dozent und Dozentin an Ihrem Platz, an der Hochschule, ein Stück aktuelle Lernwelt mitgestalten können." (S. 11)
Zu diesem Zweck hat sie ihr Buch in vier große Abschnitte gegliedert:
- Die "Kontextthemen (Teil I) sind dem Phänomen Lernen und der Motivation der Studierenden gewidmet." (S. 14)
- "In den Leitlinien der Hochschuldidaktik (Teil II) werden deren Kernpunkte thematisiert, nämlich die praxis- und wissensorientierte Ausrichtung der Lehre, die Bedeutung von Zielen für das Lernen und Lehren und der Aspekt der Eigenverantwortlichkeit der Studierenden." (S. 14)
- "Die Entwicklung und Planung von Lehrveranstaltungen (Teil III) bezieht sich auf die verschiedenen Planungsbereiche der Studiengänge, auf Module und konkrete Lernprozesse." (S. 14)
- "Die Gestaltung von Lernprozessen (Teil IV) wird zu einem wesentlichen Teil durch die Beziehung zwischen Dozierenden und Studierenden geprägt." (S. 14)
In allen vier Teilen wird der Inhalt in mehrere Unterkapitel gegliedert, die wiederum einheitlich durchstrukturiert sind. Zum Beispiel wird im Absatz zu "Lernen und Lehren" (S. 18 - 25) in zwei Sätzen die "Absicht" erläutert, zwei Spiegelstriche geben "Leitfragen" wieder, eine halbe Seite fasst "in Kürze" zusammen, eine Grafik und zweieinhalb Seiten Text erläutern gemeinsam mit einer Tabelle zum Unterschied von Objektivismus und Subjektivismus den Inhalt und schließlich wird alles noch einmal in einer halben Seite "auf den Punkt gebracht".
Diese Darstellungsweise, der Versuch, alles Wichtige für nicht pädagogisch und didaktisch vorgebildete Lehrende kurz und prägnant sowie für die Praxis der Lehre orientierend und hilfreich aufzuschreiben, kennzeichnet Stärke und Schwäche dieses Buches. Für Lehrende kann es sehr hilfreich sein, kurz und knapp zu erfahren, was "konkrete Qualitätsstandards der Hochschullehre" (S. 39) sind, wie ein "lernförderliches Klima" hergestellt werden kann (9 Spiegelstriche auf S. 40) und auf welche Weise "Konsistenz zwischen Zielen, Inhalten, Lernorganisation, Lernkontrolle und Evaluation" (S. 41) erreichbar ist. Wie geht das? "Die Lehrpersonen stellen in der Planung, Durchführung und Evaluation von Lerneinheiten die Ziele, Lerninhalte, Lerngestaltung und Lernüberprüfung in einen intelligenten Zusammenhang." (S. 41) Dazu folgen dann zwei illustriende Beispiele, Skizzen von Lerneinheiten.
Für pädagogisch und didaktisch vorgebildete Lehrende ist nicht immer nachvollziehbar, weshalb bestimmte Inhalte in Spiegelstrichen auftauchen und andere nicht. In einigen Fällen verweist Pfäffli auf Hintergrundliteratur. So werden "die Zielstufen für den Aufbau von Wissen" (S. 82) in Anlehnung an die Dublin Descriptors in zwei Gruppen sortiert: "Stufe 1 bis 3 beziehen sich primär auf die Bachelorausbildung, die Stufe 4 vor allem auf die Masterausbildung." (S. 82)
- Wissensstufe 1: Wissen verstehen
- Wissensstufe 2: Wissen zuordnen
- Wissensstufe 3: Wissen beurteilen
- Wissensstufe 4: Wissen entwickeln (vgl. S. 82)
Zu diesem Thema gibt es bekanntlich eine ganze Bibliothek von Literatur, nicht nur die im Text erwähnte Taxonomie von Bloom aus dem Jahre 1956. Es wäre wünschenswert, darauf wenigstens in einer Fußnote zu verweisen und einige andere Literaturverweise zu geben.
An dieser Stelle des Buches zeigt sich wie an vielen anderen auch die prinzipielle Schwierigkeit, komplexe pädagogische und didaktische Theorie in Form von Black Boxes als konkrete hochschuldidaktische Handlungsanweisung zu formulieren. Die Autorin selbst weist auf dieses Problem in der Einleitung hin (S. 15f.).
Aus pädagogischer und didaktischer Sicht lässt sich über manche implizite These streiten, die aus der einen oder anderen Zusammenfassung in Spiegelstrichen und Rezepten hervorgeht. In diesem Sinne ist das Buch als Lehrinhalt von Pädagogiklehrveranstaltungen gut geeignet, um die Studierenden auf Spuren- und Quellensuche zu schicken bzw. zum Widerspruch zu ermutigen. An manchen Stellen ergibt sich aber auch Widerspruch aus einer universitären Sicht von Wissenschaft: "In Kürze", heißt es auf S. 67: "Vordefiniertes, allgemeines Wissen ist nicht geeignet, einzigartige Praxissituationen zu erfassen." Mir scheint hingegen, ohne vordefiniertes, allgemeines Wissen, also Wissenschaft, können Praxissituation aus Technik und Gesellschaft nur höchst unzureichend erfasst werden. Nichts ist für eine gute Praxis so hilfreich wie eine gute Theorie. Hier wie an vielen anderen Stellen schimmert der praktische Fachhochschulbezug des Buches durch, der offenbar durch die Praxis der Autorin bestimmt ist.
Prof. Dr. Pfäffli ist Leiterin der Fachstelle für Hochschuldidaktik an der Fachhochschule Zentralschweiz in Luzern.