Joachim Hasebrook & Mathias Otte
E-Learning im Zeitalter des E-Commerce. Die dritte Welle
Verlag Hans Huber 2002., 163 S., 45 Abb., 12 Tab.
ISBN 3-456-83654-6
Joachim Hasebrook, der schon 1995 ein Buch über "Multimedia-Psychologie" verfasst hat, legt in diesem Band nun gemeinsam mit Mathias Otte eine auf zahlreiche praktische Erfahrungen und wohl auch Enttäuschungen gegründete realistischere Sicht auf den Bereich des eLearning vor, als sie noch vor einigen Jahren von manchen Verfechtern im Feld der beruflichen Aus- und Weiterbildung gezeichnet worden war. Die Autoren heben daher in ihrem Vorwort zu recht hervor, dass eine Technik allein nicht "automatisch" das Lernen unterstützt, sondern immer an die persönliche Motivation und Anstrengungen des Einzelnen und an soziale Prozesse der Wissensbildung gebunden ist.
Die Autoren betrachten in dem in acht Abschnitte gegliederten Buch zunächst die historischen (Comenius) und aktuellen Aspekte ("Lernende Organisationen") des eLearning. Dies geschieht vor allem aus wirtschafts- und bildungspolitischer Perspektive, wobei sie auch auf die sich schnell verändernde Problematik des Lernens zwischen Wissensgesellschaft und "new economy" abheben, was in der Folge sowohl als Folie wie auch als Spannungsbogen für ihre Ausführungen dient.
Das seitenmäßig umfangreichste Kapitel des Buches ist den Methoden und Theorien gewidmet, die sich des multimedialen Lernens und dessen Wirkungsweisen, der sozialen und virtuellen Realitäten und dem individuellen Umgang mit ihnen, annehmen. Hier liegt ein Schwergewicht auf der Darstellung und Auswertung zahlreicher älterer (z.B. Paivio) und neuerer auch eigener Detailstudien zu so unterschiedlichen Fragestellungen wie Wirksamkeit von Medien, Kontrollstrategien bei der Steuerung von Lernprozessen oder dem Umgang mit MUDs. Eher unvermittelt werden hier und auch an manch anderen Stellen grafisch gut aufbereitete theoretische Modelle (z.B. Aptitude-Treatment-Interaction) eingestreut.
Im Abschnitt "Neue Technologien und Anwendungen" werden die eher fragwürdigen Prognosen von Morawec zur mittel- und langfristigen Entwicklung der künstlichen Intelligenz, oder Turings Thesen zu ihrer prinzipiellen Möglichkeit, den aktuellen Bestrebungen in meist kommerziell orientierten Initiativen der Wissensvermarktung gegenüber gestellt. Daten zur Mediennutzung von Jugendlichen werden ebenso dargestellt wie die Nutzungshäufigkeit von eLearning-Systemen in der betrieblichen Ausbildung.
Im nächsten Kapitel werden einige Fallbeispiele der betrieblichen Bildung (AKAD Hochschulen für Berufstätige - Wissenschaftliche Hochschule Lahr, Deutsche Bank AG, Dresdner Bank AG, Skandinaviska Enskilda Banken, Unilever Deutschland GmbH) referiert, die vermutlich anhand einiger Leit- und Interviewfragen von den Autoren erfasst worden sind - leider finden sich keine näheren methodischen Angaben darüber, in welcher Form die berichteten Daten erhoben worden sind. Im Résumé heißt es dann auch: "Wie die Zukunft aussieht, bleibt unklar."
Unter dem Abschnitttitel "Einführung von eLearning" werden Misserfolgs- und Erfolgsfaktoren dafür diskutiert, wobei das Urteil über die derzeitigen Versuche des betrieblichen Wissensmanagement (richtigerweise, W.S.) vernichtend ausfällt, da derzeit mit hohem finanziellen Aufwand Technik und nicht zuletzt menschliche Ressourcen in Entwicklungen gesteckt werden, die schon aus psychologischen und pädagogischen Gründen deshalb zum Scheitern verurteilt sind, da bei Lernprozessen stets der Lernende und nicht das Funktionieren eines organisatorischen Systems im Mittelpunkt stehen sollte. Folgerichtig skizzieren die Autoren die Notwendigkeit der Entwicklung einer umfassenden Lernkultur, die nicht so sehr unter dem Aspekt der Effizienzsteigerung oder raschen Wirksamkeit stehen sollte, sondern nur in einer langfristigen und alle Beteiligten einbindenden Perspektive gesehen werden sollte.
Im nächsten Abschnitt werden das curriculumorientierte eLearning, das vor allem im angloamerikanischen Sprachraum verbreitet ist und sich weitgehend in Analogie zu normalem Präsenzunterricht darstellt, dem eher in Europa angewendeten Konzept des selbstgesteuerten Lernens mit Hilfe von CBT und WBT - die sich letztlich am traditionellen Konzept des programmierten Unterrichts orientieren und sich in der Erstellung als äußerst aufwändig erweisen - einander gegenübergestellt. Nach Meinung der Autoren ist eine Integration beider Ansätze in Form eines "blended eLearning" notwendig, das mit einer am Lerner orientierten Durchmischung der unterschiedlichsten Medien arbeitet, wobei Video, Präsenztraining, Textdokumente, WBT und Verknüpfungen ins Internet unter der "didaktischen Klammer" einer tutoriellen Betreuung zusammenwirken sollten. Dieses integrative Konzept wird im nächsten Kapitel anhand des Beispiels der efiport AG skizziert, in welchem sich Präsenzveranstaltungen und Klausuren mit WBT-Phasen und Formen des traditionellen Lernens anhand von Fachbüchern abwechseln.
Das abschließende Kapitel ist der Evaluation bzw. notwendigen Maßnahmen zum Bildungscontrolling gewidmet, wobei vor allem der Mangel an brauchbaren Gesamtkonzepten beklagt wird, was dazu führt, dass einerseits zu aufwändige, andererseits letztlich ineffiziente Programme implementiert werden, die bei an wirtschaftlichen Maßstäben orientiertem Management notwendigerweise zu Enttäuschungen führen.
Bewertung
Das Buch vermittelt umfangreiches technisches, didaktisches und organisatorisches Wissen und berichtet auch exemplarisch über den praktischen Einsatz von eLearning in Wirtschaftsunternehmen - eher nur am Rande auch an Hochschulen -, jedoch kommt es in manchen Teilen des Buches zu einer oft verwirrenden Aneinanderreihung von zweifellos zum Verständnis notwendigen Details, die sich einem Nichtfachmann in einem der zahlreichen Fachgebiete wohl nur mühsam erschließen. Die zahlreichen Schaubilder und Diagramme tragen zum Verständnis komplizierter Inhalte bei, allerdings erschwert die häufige Verwendung von sehr speziellen Fachausdrücken und auch Abkürzungen das kursorische Lesen. Vermutlich weniger den Autoren als den Editoren muss daher das Fehlen eines Glossars angekreidet werden, wobei unter Umständen schon ein Stichwortverzeichnis zum Nachschlagen von erstmaligen Begriffserklärungen hilfreich wäre. So erschließen sich manche Teile des Textes wohl nur denjenigen, die mit diesem Forschungsfeld schon mehr oder minder eng vertraut sind. Dieser Mangel fällt auch deshalb ins Gewicht, da die Begriffe aus den unterschiedlichsten Kontexten (Psychologie, Ökonomie, Technik) stammen und das Buch vermutlich dazu gedacht war, eine übergreifende Verständigung zu ermöglichen bzw. herzustellen. Bemerkenswert ist immerhin auch der Umfang der verarbeiteten Literatur: das Literaturverzeichnis umfasst 15 Seiten mit 326 Quellenangaben, von denen - was bei dieser Thematik doch ein wenig verwundert - zwar 13 von den Autoren aber nur 4 aus dem Internet stammen.
Ein wenig unergründlich ist auch die im Buch durchgehende linke Kopfzeile "Lernen mit neuen Medien", welche sich zwar auf die eingangs erwähnte Buchreihe bezieht, aber keine unmittelbare Orientierung für den vorliegenden Band bietet, während die rechten Kopfzeilen sich wie üblich auf die acht Hauptkapitel beziehen. Auch die unterschiedliche Schreibweise von "eLearning" im Titel und im Text irritiert. Ein wenig isoliert wirken auch die am Ende jedes Kapitels angeführten Kontrollfragen und Arbeitsaufgaben, die oft nur reines Faktenwissen betreffen und manchmal auch bloß subjektive Stellungnahmen zu einzelnen Kapitelthemen einfordern. Vermutlich sind diese "Aufgaben" für den Einsatz des Buches als Kursunterlage gedacht, für den es auch geeignet scheint, da hier vermutlich die tutorielle Unterstützung beim Verständnis mancher Inhalte gegeben ist, die der traditionelle Leser in der Bibliothek oder im Lehnstuhl sich an mancher Stelle wünschen würde. (W.S.)
Literatur:
Hasebrook, Joachim (1995). Multimedia-Psychologie: eine neue
Perspektive menschlicher Kommunikation. Heidelberg: Spektrum.