Grüning, Christian (2007).
Visual Reading® - Garantiert schneller lesen und mehr verstehen
München: Verlag Grüning.
215 Seiten.
ISBN 3-9810936-1-5
EUR 16,80
Durch diese Konzentration auf einen zentralen Aspekt ist es eingängiger und auch für Laien wohl leichter zu verarbeiten, wobei der Autor bei der Konzeption des Buches in erster Linie wohl an die eigenen Seminarangebote denkt, die er auch mit Hilfe dieser Publikation über die Akademie Grüning vermarkten will.
Das Buch liefert in wesentlichen Teilen Grundlagen, Erklärungen und Übungen zur Verbesserung der Lesegeschwindigkeit, wobei der Autor von üblicherweise dafür verwendeten Begriffen "Speed Reading" und "Mind Mapping" abrückt und dafür von "Visual Reading" und "Visual Cards" spricht. Wie beim ersten Buch Grünings sollte die im Titel abgegebene "Garantie" als Marketingargument betrachtet werden, denn man benötigt für das Erlernen der im Buch angesprochenen Techniken zur Steigerung der Lesegeschwindigkeit ein gerüttelt Maß an Zeit und Durchhaltevermögen. Der Aufbau des Buches orientiert sich daher sinniger Weise am Besteigen eines Berggipfels, das für den Ungeübten recht mühsam und beschwerlich sein kann.
Die behandelten Themenbereiche - zum "Visual Reading" und den "Visual Cards" kommt noch "Visual Memory" hinzu - bieten dem Fachmann in Fragen der Vermittlung von Lerntechniken keine wirkliche Überraschung, allerdings zeichnet sich die Darstellung abermals durch eine sprachlich lockere Form aus, wobei die im ersten Buch manchmal etwas übertriebene Begeisterung des Autors über seine "Erkenntnisse" einer eher bescheideneren Position gewichen ist.
So sind etwa die Ausführungen zum Speed Reading und deren Begründung in der Funktionsweise des Gehirns (Lateralisierung), die auch von anderen Autoren (z.B. Vester, Birkenbihl) fälschlicherweise simplifizierend vorgenommen wird, hier einer sachlicheren Darstellung gewichen. Zu recht wird auch ausführlich auf die Rahmenbedingungen eines gelingenden Leseprozesses eingegangen, so etwa auf die Einflüsse von Stress und psychischen Belastungen auf die Leseleistung.
Der langsamere Aufbau und mit zahlreichen Übungsaufgaben begleitete Weg zu einer Verbesserung der Lesetechnik kommt dem Hilfesuchenden wohl zugute, wozu auch die Übungstexte mit Kontrolllfragen beitragen. Allerdings ist der Lernende bei der Überprüfung der Richtigkeit seiner Lösungen auf die Selbstüberprüfung angewiesen, sodass die Kontrolle des Fortschritts sehr mit der vorhandenen Fähigkeit zur Selbstkritik verknüpft ist..
Der schon im ersten Buch auftauchende Begriff des "radialen Denkens" kündigt wohl einen Folgeband an, wobei es dem Autor anzurechnen ist, dass er auf seiner Homepage einige Arbeitsmaterialien zum Buch (etwa die 3-2-1 Übung als MP3-Datei oder den kostenlosen Download des Programms "Freemind" zur Erstellung von Mindmaps) anbietet (http://www.akademie-gruening.de/lernbuch/).
Insgesamt betrachtet finden sich in diesem Ratgeber viele richtige Darstellungen und Analysen zum Zusammenhang von sinnverstehenden Lesen und Lernen, die für manchen Leser neu und überraschend sein dürften. Auch mag die empfohlene Technik bei konsequenter und auch anhaltender Anwendung und Übung zu einer Verbesserung der Leseleistung führen, allerdings weiß man aus der Praxis, dass Menschen auf Grund eines Buches nur in seltenen Fällen ihre Gewohnheiten verändern können, vielmehr bedarf es der praktischen Anleitung eines kundigen Lehrers vor Ort, der die doch oft nachlassende Motivation angesichts der notwenigen Mühen unterstützt.
Wie schon beim ersten Band sei daran erinnert, dass eine behutsame Veränderung von Lesegewohnheiten zwar eine Verbesserung der Leseleistung vor allem im Hinblick auf die Verarbeitungsgeschwindigkeit herbeiführen kann, dass es aber durch den Eingriff in die über Jahrzehnte verfestigten Lesegewohnheiten in einigen Fällen auch zu einer Verschlechterung der Leseleistung kommen kann. So ist es für WissenschaftlerInnen mit ihrem diagonal-scannenden Lesestil - um einen solchen geht es in diesem Buch in der Hauptsache - oft schwierig, sich auf den langsamen und kontemplativen beim Lesen von Belletristik umzustellen. (W.S.)