Bachmann, Nicole, Berta, Daniela, Eggli, Peter & Hornung,
Rainer (1999).
Macht Studieren krank? Die Bedeutung von Belastung
und Ressourcen für die Gesundheit der Studierenden.
Göttingen Toronto Seattle Bern: Verlag Hans Huber.
ISBN 3-456-83186-2
223 Seiten.
Die AutorInnen verfolgen dabei einen sozio-ökologischen Ansatz, der auf das grundlegende theoretische Modell von Lewin zurückgeht, wonach das Verhalten eine Funktion von Person, Umwelt und deren Interaktion darstellt.
Inhalt und Aufbau
Die einzelnen Kapitel des Buches befassen sich mit unterschiedlichen Fragestellungen zur Problematik, wobei die einleitenden Abschnitte die Anlage der Studien, die Stichprobe sowie die verwendeten Erhebungsinstrumente darstellen. In den nächsten Kapiteln werden einerseits soziodemographische und soziokulturelle Profile der Studierenden an Zürcher Hochschulen vorgestellt, sowie andererseits Studienmotive und Studienerwartungen beschrieben und diskutiert. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage: Verändert sich die psychische und physische Gesundheit im Verlauf des ersten Studienjahres?
In den folgenden Abschnitten werden die Belastungen und Ressourcen im Studienalltag, die Entstehung und Bedeutung sozialer Ressourcen im Studium und Entwicklung individualer personaler Ressourcen (Persönlichkeitsmerkmale) betrachtet.
Die abschließenden Kapitel versuchen mit Hilfe multivariater statistischer Analysen die zentralen Determi-nanten der psychophysischen Gesundheit der Studierenden herauszuarbeiten (Studien- bzw. Lebenskrisen, Inanspruchnahme von Bera-tungs- und Therapieangeboten). Den Schluß bilden Überlegungen im Hinblick auf mögliche Interventionen, um die aufgezeigten Übergangsprobleme zu Studienbeginn leichter bewältigbar zu machen. Im Anhang werden die verwendeten Instrumente und Skalen dokumentiert und Detailergebnisse berichtet.
Ergebnisse und Bewertung
Nur ein geringer Teil des Buches befaßt sich direkt mit der im Titel genannten Frage "Macht Studieren krank?", vielmehr werden detailreich Beziehungen zwischen den untersuchten Variablen herausgearbeitet, etwa wie sich Studentinnen von Studenten in den Wohnverhältnissen unterscheiden oder durch welche sozialen Klimamerkmale die Eingangsphasen in den einzelnen Studienrichtungen gekennzeichnet sind. Allerdings wirken sich viele dieser Variablen negativ und belastend auf das Erleben der Studieneingangsphase aus und erhöhen den erlebten Druck durch die anfänglichen Anforderungen des Studiums.
Interessant sind Detailergebnisse, etwa daß die Studienbedingungen für die psychische Gesundheit der Studentinnen eher abträglich sind als für Studenten, wofür subtile Mechanismen innerhalb der Bildungslaufbahn verantwortlich gemacht werden. Zwar werden die belastenden Einflüsse auf die StudienanfängerInnen durch personale Merkmale (Einschätzung der Studienkompetenz, Copingstil etc.) moderiert, allerdings sind diese durch vielfältige äußere, oft studienfachspezifische Kontexbedingungen, die nicht durch die Personen beeinflußt werden können, überlagert. Generell zeigt sich, daß die These "Studienzeit ist Krisenzeit" (Bakman) weiterhin und besonders für diese Transitionsphase gilt, da alle untersuchten personalen Ressourcen während des ersten Studienjahres reduziert werden. Überspitzt formuliert bedeutet das in Bezug auf die zu dieser Zeit noch nicht abgeschlossene Persönlichkeitsentwicklung der StudentInnen, daß im ersten Studienjahr dem Zuwachs an fachlichem Wissen eine Abnahme an persönlicher und sozialer Kompetenz gegenübersteht.
Besonders eingehend wurde auch die Wahrnehmung der sozialen Rahmenbedingungen untersucht, wobei sich in Bestätigung bisheriger Studien zeigte, daß eine gute Einbindung in den sozialen Kontext der Universität positive Auswirkung auf das Bewältigen der Studienbelastungen hat, wobei ebenfalls zahlreiche moderierende Variablen (z.B. Geschlecht, Größe des Netzes, Familienbindung) zu registrieren sind. Die Förderung von sozialen Ressourcen etwa in Form von Tutorien in der Studieneingangsphase läßt sich hier somit auch durch eine Verbesserung der Gesundheit der StudentInnen begründen. In solchen Begleitmaßnahmen sollten vor allem auch persönliche Krisen und Probleme thematisiert werden.
Für die institutionelle Ebene werden durch die Ergebnisse der Studie ebenso klare Anforderungen abgeleitet, etwa daß durch die Schaffung von strukturierten und transparenten Studienbedingungen ein Belastungsabbau erreicht werden kann.
Zwar wurden die berichteten Daten an durch spezifische Merkmale gekennzeichneten Bildungsinstitutionen gewonnen, jedoch dürften sich die Ergebnisse auf Universitäten mit ähnlichen Rahmenbedingungen durchaus verallgemeinern lassen, zumal viele vergleichbare Einzelbefunde vorliegen. Das Buch ist neben den im Cover genannten Berufsgruppen (Berufs- und StudienberaterInnen, Verwaltungsangestellte an Universitäten, PsychologInnen) insbesondere auch BildungspolitikerInnen zu empfehlen, damit der Übergang zwischen den verschiedenen Bildungseinrichtungen auch auf dieser Ebene in den Blick genommen wird. Zahlreiche der untersuchten Aspekte dieses Buches ermöglichen einen tieferen Einblick in das Phänomen des Drop-out, das zu einem oft beklagten Verlust an intellektuellem Potential der Gesellschaft führt, das aber mit geeigneten Maßnahmen zu reduzieren wäre. (W.S.)