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Situation
Soziales Verhalten wird meist durch eine weitgehend objektiv bestimmbare Situation in Gang gesetzt: In einem Restaurant liefert mir der Kellner eine Speise, die ich nicht bestellt habe, und die ich zurückgehen lassen möchte. Eine solche Situation ist charakterisiert durch:
Zum Auslöser für soziales Verhalten werden Situationen durch ihren Anforderungs- oder Aufgabencharakter. Die spezifischen Aufgabenmerkmale ergeben sich dabei durch das Zusammentreffen von persönlichen Intentionen/Bedürfnissen auf der einen Seite und von sozialen bzw. raumzeitlichen Bedingungen auf der anderen Seite.
Auf das eingangs genannte Beispiel bezogen ergibt sich aus der Situation die Aufgabe "Reklamation durchführen". Mit den sozialen und raumzeitlichen Bedingungen variieren dann die Anforderungen, die an mich gestellt sind: bei einem alten, mürrischen Kellner in einer überfüllten Bierschwemme werden andere (und wahrscheinlich höhere) Anforderungen an mein Verhalten gestellt als bei einer freundlichen, jungen Kellnerin in einem mäßig besetzten, gediegenen Speiselokal. Ebenso unterscheiden sich die Anforderungen je nachdem, ob ich das Lokal allein besuche, mit guten Freunden zusammen bin, oder ob ich das erste Mal mit jemandem ausgehe, vor dem ich mich nicht blamieren will.
Kognitives Verhalten
Genauer besehen ergibt sich der Aufgabencharakter einer Situation erst aus der Wahrnehmung und kognitiven Verarbeitung durch die betreffende Person. Wenn ich z. B. sehr unaufmerksam bin und gar nicht bemerke, daß mir ein falsches Essen geliefert wurde, kristallisiert sich aus der Situation überhaupt keine Aufgabe heraus. Auch das Anforderungsmerkmal "mürrischer" vs. "freundlicher" Kellner resultiert natürlich aus Prozessen der Aufmerksamkeitssteuerung und der sozialen Wahrnehmung.
Die Situationswahrnehmung leitet meist eine weitergehende kognitive Verarbeitung und Analyse der sich stellenden Aufgabe ein. Ziel dieses Prozesses ist es, die Bedingungen der Situation so weit zu erkennen, daß eine (meist implizite) Entscheidung über das zur Bewältigung notwendige Verhalten möglich wird. Die Aufgabenanalyse kann sich auf folgende Punkte beziehen: Wie ist es zu der betreffenden Situation gekommen? Von wem hängt eine Lösung ab? Wie kann ich reagieren? Mit welchen Konsequenzen ist zu rechnen?
Solche Situationsanalysen erfolgen in enger Verknüpfung mit früheren Erfahrungen. Außerdem wird der Verarbeitungsprozeß beim wiederholten Vorkommen ähnlicher Aufgaben vereinfacht und automatisiert. So mag sich die Analyse bestimmter Situationen als Resümee aus früheren Erfahrungen auf knappe Selbstverbalisationen verkürzen. Der kurze innere Seufzer "Oje!" mag dann soviel bedeuten wie: "Das ist so eine Situation, mit der ich noch nie klargekommen bin!"
Emotionales Verhalten
Die kognitive Verarbeitung von Situationen bewirkt die Entstehung entsprechender Affekte und Emotionen. Der Gedanke "Mit diesem Kellner werde ich niemals fertig!" läßt beispielsweise fast zwangsläufig ein Gefühl der Mutlosigkeit aufkommen. Das kognitive Resümee "Das ist nur die Schuld des Kellners!" resultiert statt dessen eher in einem wütenden Affekt, während die Feststellung "Ich habe ein Recht auf das Essen, das ich bestellt habe!" zu Mut und Entschlossenheit führt.
Emotionale Vorgänge haben in dem vorgeschlagenen Modell mindestens noch zwei weitere Funktionen:
Motorisches Verhalten
Die kognitive und emotionale Verarbeitung von Situationen mündet in ein bestimmtes beobachtbares Verhalten, das wir (in Ermangelung eines besseren Ausdrucks) "motorisches" Verhalten nennen. Dieses Verhalten kann jeweils als mehr oder minder sozial kompetent bezeichnet werden. Bei näherer Betrachtung lassen sich drei Verhaltensaspekte unterscheiden:
Verhaltenskonsequenzen
Durch den Wahrnehmungsprozeß werden objektive Reize von einem Menschen aufgenommen. Durch motorisches Verhalten wiederum werden objektive Reize an die soziale Umwelt abgegeben. Letzteres löst bestimmte Effekte aus, die auf das Individuum zurückwirken. Diese Rückkoppelung erfolgt in drei Formen:
Zu beachten ist allerdings: Verhaltenseffekte werden bei der betreffenden Person immer erst wirksam, indem sie kognitiv und emotional verarbeitet werden, d.h. in welchem Ausmaß sie z. B. Selbstlob (oder Selbsttadel) veranlassen, und wie sie schließlich als Erfahrungen gespeichert werden.