Kommentar zum Vorschlagspapier ÑKompetenzzentrumÑ vom 31.3. 98

Dr. Wolf Böhnisch/Mag. Brigitta Nöbauer


Zum Hintergrund dieses Kommentars:

Seit seinem Bestehen ist am Forschungsschwerpunkt Personalwirtschaft "soziale Kompetenz" als Lehrziel gleichrangig mit fachlichen und methodischen Zielsetzungen (Böhnisch et al. 1997). Einzelne Mitarbeiter beschäftigen sich mit der Frage generell oder mit Teilaspekten sozialer Kompetenz wie Moderation, Konfliktlösung, Arbeit in Gruppen, Projektmanagement.

Eine Grundphilosophie ist, daß diese Fähigkeiten grundsätzlich Bestandteil der fachbezogenen Lehre sind, d. h., in spezielle didaktischen Überlegungen eingebaut sind. Nur ausnahmsweise sind sie Gegenstand von Sonderveranstaltungen.


Anmerkungen zum Papier vom 31.3. 1998

Die Anmerkungen beziehen sich vor allem auf drei Punkte:

  1. die Begriffsbestimmung von "sozialen Kompetenzen"
  2. die organisatorische Realisierung
  3. die didaktische Umsetzung


1. Was sind 'soziale Kompetenzen'?

Es ist richtig, daß es keine allgemein akzeptierte Definition gibt. Das rührt jedoch nicht daher, daß es keine profunde wissenschaftliche Auseinandersetzung darüber gäbe, sondern aus der Tatsache, daß unterschiedliche theoretische Zugänge zwangsläufig unterschiedliche Definitionen darüber hervorbringen.

Wir glauben, daß der Begriff - wie im Papier - auf der Ebene von Verhaltensta'onomien nicht 'in den Griff zu bekommenë ist. Das wäre ein Widerspruch in sich.

Wissenschaftliche Zugänge charakterisieren nämlich das Konstrukt 'soziale Kompetenzë durch zwei Grundmerkmale:

ï Kompetenz wird im allgemeinen als eine individuelle Fähigkeit betrachtet. Diese Auffassung beinhaltet letztlich die Annahme, daß alles soziale Geschehen auf individuelle Handlungen oder individuelle Denkvorgänge zurückzuführen sei. Psychodynamische, verhaltenstheoretische und kognitive Modelle tragen diesen 'Reduktionismusë in sich.

Unsere Position (und die der neuesten Literatur) dazu ist, daß vor allem kognitiven Modellen die 'soziale Perspektiveë fehlt. In Schlagworten wie 'sich selbst motivierenë, 'Fähigkeit zur Eigeninitiativeë, 'kreative Fähigkeitenë oder 'Reflexion von Informationenë ist die soziale Perspektive nicht mehr zu erkennen.

Wir sind der Auffassung, daß soziale Kompetenz sich nicht im Inneren des Menschen, sondern 'zwischen Menschenë zeigt. Rollen, Normen, situative Bedingungen kommen in dieser Auffassung ins Spiel (vgl. z. B. Argyris)

ï Es handelt sich um einen 'normativenë Begriff. Er beinhaltet kulturelle, gesellschaftliche oder lokale Wertvorstellungen über 'angemessenesë Verhalten gegenüber anderen Personen.

Auf die kulturelle Begrenztheit sozialer Kompetenz hat u.a. Reber in seinem Papier hingewiesen. Lokale Begrenztheit zeigt sich z. B. darin, daß z. B. in konfessionell geführten Krankenhäusern andere Vorstellungen von kompetentem Verhalten herrschen als in einem Stahlwerk.

Die im Vorschlagspaper beispielhaft angeführte Verhaltenstaxonomie kann daher nur ein Abbild bestimmter gesellschaftlicher Vorstellungen sein, niemals jedoch eine 'Definitionë, schon gar keine konsensuale. Das wäre ein Widerspruch in sich.

Diese beiden Grundannahmen sind in den meisten 'Schulenë nicht expliziert, das führt zu eigenartigen Mythen und Vorstellungen über das 'Wesenë sozialer Kompetenz, seine Messung und Trainingsformen.

Vor allem das zweite Charakteristikum zieht nach sich, daß auch die Entscheidungsträger/Durchführenden an der Universität nicht von der Aufgabe entbunden werden können, den Begriff inhaltlich zu füllen.

Welche konkreten Fähigkeiten sollen die Studierenden

im Rahmen ihrer universitären Ausbildung erwerben?

Auf welchen Ebenen sollten die Fähigkeiten vermittelt werden?

Dabei wird wohl eine Auswahl und Einschränkung notwendig sein, die Auswirkungen haben wird auf alle anderen Diskussionspunkte.

Uns scheint, daß den Ausführungen ein zu unklares Verständnis dessen zugrundeliegt, was hier unter dem Schlagwort 'soziale Kompetenzë verstanden wird. Erst wenn diese Frage geklärt ist, werden andere diskussionsreif.


2. Organisatorische Realisierung

Rahmenbedingungen:

Wir sehen die Idee eines Kompetenzzentrums in Analogie zu der Funktion der Personalentwicklung in Unternehmen. Viele Unternehmen haben die Frage der Zentralisierung - Dezentralisierung dieser Funktion mittlerweile gelöst. Dort gibt es firmeninterne Kompetenzzentren, das als 'interner Dienstleisterë fungiert.

Wir plädieren für eine strukturelle Einbindung in Bestehendes und die Nutzung vorhandener Kernkompetenzen (z. B. Psychologie, Pädagogik, Sozialpsychologie, aber auch Soziologie und Unternehmensführung). Damit wäre die Realisierung weitgehend ressourcenneutral.


3. Didaktische Umsetzung

Wenn 'soziale Kompetenzë als Lehrziel ernsthaft etabliert werden soll, bedarf es aus unserer Sicht folgender Grundvoraussetzungen:

a. Koppelung an fachliche Ziele

Das Lehrziel 'soziale Kompetenzë muß an fachliche Ziele gekoppelt sein (als Bestandteil bestehender Veranstaltungen oder in enger Beziehung zu diesen). Es ist undenkbar, eigene Veranstaltungen dazu anzubieten, wenn dieses Wissen im Studium nirgends eine Rolle spielt.

Warum sollten Studierende ein gruppendynamisches Training besuchen, wenn das Thema 'Gruppeë im Studium keinen Raum bekommt?
Warum sollte jemand eine Schulung zu Feedback erhalten, wenn es später in keiner Lehrveranstaltung gefragt ist?

Unternehmen haben mittlerweile die Vorteile arbeitsplatznaher Qualifikationsformen bzw. die Seminarvor- und -nachbereitung entdeckt. Was sich dort als Standard etabliert, sollte auch der Universität ein Anliegen sein.

Viele Inhalte, die im Papier unter Punkt 3 genannt sind, können sinnvoll und ressourcenschonend in bestehende Veranstaltungen eingebunden werden (z. B. Konflikt, Evaluation, Feedback, Zeitmanagement, Moderationstechniken usw.)

b. Qualifikation der Lehrenden

Das erfordert neben der Qualifikation der Lehrenden auch die Etablierung einer fördernden Lern- und Lehrkultur im Bereich der 'sozialen Kompetenzë. Damit das Lehrziel 'soziale Kompetenzë glaubwürdig ist, ist eine besondere Qualität des Umgangs miteinander erforderlich, in dem u. U. Rollen, Verantwortlichkeiten und Spielregeln zwischen Lehrenden und Lernenden neu vereinbart werden müssen.

c. Theoretische Grundlagen

Beratungsunternehmen müssen ihre Legitimation nicht zwangsläufig über saubere theoretische Konzepte erbringen. Für die Universität bekennen wir uns jedoch zu Methoden, die auf sauberen theoretischen Grundlagen beruhen. Ein Mix aus Methoden, die gerade 'en vogueë sind, lehnen wir ab.

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Quelle: http://www.economics.uni-linz.ac.at/csc/boenoe.htm