Kommentar zum Vorschlagpapier "Zentrum für soziale Kompetenz"

Herbert Altrichter, Institut für Pädogagoik und Psychologie


Allgemeine Überlegungen

1. Ich halte es für sehr sinnvoll, eine Initiative im Bereich Schlüsselqualifikationen und Sozialkompetenz zu setzen. Das vorliegende Papier steckt meines Erachtens sehr gut den Bereich dessen, was "eigentlich" zu tun wäre, ab.

2. Der ursprünglich verwendete Begriff "Schlüsselqualifikationen" ist erheblich breiter als jener der "Sozialkompetenzen" (vgl. z. B. DÖRIG 1994), was nicht nur eine akademische Frage ist (vgl. 3). Nach meiner Einschätzung geht es dabei im Kern um die Frage, wie Personen, die nicht als "ForscherInnen", sondern hochqualifizierte "professionelle PraktikerInnen" am besten für ihre praktische Tätigkeit und ihr Leben vorbereitet werden können. Dazu wissen wir, daß "professionelle Praxis" nicht allein durch die Anwendung generellen Wissens bestritten werden kann, sondern eine Kompetenz zur "Forschung im Praxiskontext", zur Entwicklung "lokalen Wissens" in einem sozialen Kontext erfordert (wie dies Donald SCHÖN in seinem Buch "The reflective practitioner" auf sehr anschauliche Weise argumentiert hat). Dazu braucht es die erwähnten Sozialkompetenzen und zusätzlich die Fähigkeit, diese mit fachlichen Handlungsfähigkeiten (Bereich spezifische Diagnose- Problemlösungs- und Evaluationsfähigkeiten) an konkreten beruflichen Problemen und in konkreter sozialer Interaktion zur Wirkung zu bringen.

3. Aus der Expertenforschung (vgl. BERLINER 1992) wissen wir, daß sehr wenige dieser Fähigkeiten zur Bewältigung komplexer beruflicher Praxis "generell" sind, d. h. ohne Schwierigkeiten von einem Fachbereich auf den anderen zu übertragen sind. Daher werden kontextunabhängige Trainingsveranstaltungen in vielen Fällen nicht genügen, sondern eine Vorstufe dafür sein, daß die Fähigkeit "reflektierter Praxis" auch an beispielhaften Fachproblemen erworben wird. Dies kann - um ein Beispiel aus einem früheren Arbeitsplatz zu nennen - z. B. durch ein "Projektstudium Betriebspädagogik" (vgl. SALZGEBER 1996; ein zweijähriges Projektstudium, bei dem Studentengruppen reale Aufträge von Betrieben der Region und der Betreuung von universitären Lehrveranstaltungsleitern und einem lehrbeauftragten Betriebsberater als Coach bearbeiteten) geschehen. Dies heißt nun nicht, daß Trainingsveranstaltungen gegen fachliche Veranstaltungen ausgespielt werden sollen, sondern vielmehr, daß sie einander ergänzen können.

4. Der Vorschlag von Ötsch nimmt nun auf diese Situation Rücksicht, indem er den Begriff "Sozialkompetenz" in Punkt 2 sehr breit definiert. Zweitens wird im Sinne der letzten Einwände berücksichtigt, daß nicht nur für Studierende Trainings angeboten werden sollen, sondern daß sich auch die fachliche Lehre in einigen Bereichen ändern müßte.

Hier ist nun zu fragen, wie realistisch es ist, daß mit den vorliegenden Vorschlägen diese komplexe Sache angegangen werden kann.


Einige Rückmeldungen zu dem Papier

Ad 3. und 3.4:

Wie oben erwähnt, wird richtiger Weise auch die Weiterentwicklung der "fachlichen Lehre" in den Blick genommen. Allerdings stellt sich die Frage, ob ein solches Beratungs- und Dienstleistungsangebot von akademischen LehrerInnen angenommen würde. Alle Erfahrungen in der Hochschuldidaktik deuten darauf hin, daß eine Innovation der Lehre durch externe Stabstellen kaum jemals gelungen ist, sondern, daß sich eher eine Resistenz gegenüber als "extern" erlebten Forderungen aufgebaut hat.
Insofern ist zu fragen, durch welche speziellen Gestaltungsmerkmale eines solchen Sozialkompetenzzentrums wird es gelingen, HochschullehrerInnen zur Weiterentwicklung ihrer Lehre zu stimulieren?

Ad 3.2:

Hier könnte sicher der am leichtesten zu organisierende Schwerpunkt einer Tätigkeit eines solchen Zentrums liegen. Ich persönlich würde der Liste auf jeden Fall noch Fähigkeiten im Bereich "Evaluation und Feedbackkultur" hinzufügen.

Ad 4:

gute Idee

Ad 5:

Warum sollten Lehrende Doppelzuordnungen anstreben? Erleichtert das ihr Leben?

Ad 6:

Raumbedarf für attraktive Blockveranstaltungen.


Weitere Bemerkungen

Wenn solche Trainings gut gemacht sind, dann müßten sie auch als Weiterbildungsprogramme innerhalb einer Betreuung der AbsolventInnen der Fakultät attraktiv sein. Könnte eine solche Akademie auch Weiterbildungsaufgaben haben?

Es wurde vor einiger Zeit auf gesamtuniversitärer Ebene ein Zentrum für Laufbahn- und Karriereplanung diskutiert. Vor allem die Trainingsinhalte sind auch in diesem Zusammenhang erwähnt worden. Wie ist das Verhältnis zu diesen Planungsarbeiten?

Wie könnte das Verhältnis der Tätigkeit eines Sozialkompetenzzentrums zu den jetzt schon abgehaltenen Lehrveranstaltungen, die diesem Bereich zuzuzählen wären, gestaltet werden? Wie andere Institute bietet das Institut für Pädagogik und Psychologie schon bisher Lehrveranstaltungen in diesem Bereich an, z. B.:

Besonders möchte ich auf die im universitären Kontext in Österreich einmalige "Übungsfirma" hinweisen, die die Gelegenheit bieten soll, verschiedene fachliche und soziale Fähigkeiten anhand von konkreten Aufgabenstellungen zu integrieren und weiterzuentwickeln.


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