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ISSN 1561-2503

5. Jahrgang 2000


Modifizierter Auszug aus den "Ethischen Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Psychologie e. V. und des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V."

(zugleich Berufsordnung des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V.)

Fassung vom 29.09.1998

Es wurden solche Passagen ausgewählt, die auf (elektronische) Publikationen im internet anwendbar sind bzw. im Zusammenhang mit deren Entstehung relevant sein könnten. Die Bezifferung derAbsätze wurde aus dem Original übernommen.

 

A. Präambel

Die Aufgabe von Psychologen ist es, das Wissen über den Menschen zu vermehren und ihre Kenntnisse und Fähigkeiten zum Wohle des einzelnen und der Gesellschaft einzusetzen. Sie achten die Würde und Integrität des Individuums und setzen sich für die Erhaltung und den Schutz fundamentaler menschlicher Rechte ein. Der Beruf des Psychologen ist seiner Natur nach frei.

Das berufliche Handeln von Psychologen, seien sie nun wissenschaftlich in Lehre und Forschung, in der Diagnostik, Psychotherapie, Supervision, Beratung, als Experten oder in anderen Funktionen tätig, ist geprägt von der besonderen Verantwortung, die Psychologen gegenüber den Menschen tragen, mit denen sie umgehen. Um helfen zu können, benötigen sie ihr Vertrauen. Der Schutz und das Wohl der Menschen, mit denen Psychologen arbeiten, sind das primäre Ziel dieser Richtlinien.

Psychologen sind dazu verpflichtet, in der praktischen Ausübung ihres Berufs zu jeder Zeit ein Höchstmaß an ethisch verantwortlichem Verhalten anzustreben. Sie sind dazu verpflichtet, die Rechte der ihnen beruflich anvertrauten Personen nicht nur zu respektieren, sondern, wann immer erforderlich, auch aktiv Maßnahmen zum Schutz dieser Rechte zu ergreifen.

Psychologen anerkennen das Recht des Individuums, in eigener Verantwortung und nach eigenen Überzeugungen zu leben. In ihrer beruflichen Tätigkeit bemühen sie sich um Sachlichkeit und Objektivität und sind wachsam gegenüber persönlichen, sozialen, institutionellen, wirtschaftlichen und politischen Einflüssen, die zu einem Mißbrauch bzw. zu einer falschen Anwendung ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten führen könnten.

Psychologen arbeiten auf der Basis von zuverlässigem und validem, wissenschaftlich fundiertem Wissen. Ihre psychologischen Kenntnisse finden in einer Vielzahl beruflicher Kontexte Anwendung. Verantwortliches berufliches Handeln erfordert hohe fachliche Kompetenz. Psychologen sind dazu verpflichtet, sich kontinuierlich fortzubilden und auf dem neuesten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis zu halten. Sie bieten nur Dienstleistungen an, für deren Erbringung sie durch Ausbildung oder fachliche Erfahrung qualifiziert sind. In Tätigkeitsfeldern, in denen es noch keine wissenschaftlich anerkannten Standards gibt, orientieren sich Psychologen am Grundsatz wissenschaftlicher Redlichkeit und überprüfen regelmäßig den Erfolg ihrer Interventionen. Zugleich ergreifen sie alle notwendigen Maßnahmen, um die Wohlfahrt derer, mit denen sie arbeiten, zu schützen.

Die Ethischen Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Psychologie e. V. und des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V. geben verbindliche Regeln für das professionelle Verhalten von Psychologen vor. Sie finden nicht nur auf berufliche Kontexte im engeren Sinne Anwendung, sondern haben für die Berufsangehörigen in ihrer Eigenschaft als Psychologen in allen Lebenssituationen bindenden Charakter.

Im öffentlichen Bewußtsein besitzt der Beruf des Psychologen heute ein hohes Ansehen, dem auch durch ein differenziertes Netz an ethischen und rechtlichen Bestimmungen Rechnung getragen werden muß. Die gemeinsamen Ethischen Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Psychologie e. V. und des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V. sind Ausdruck des Selbstverständnisses des Psychologenberufs. Sie vermitteln den Berufsangehörigen eine gültige Orientierung für ihre praktische Arbeit und setzen Maßstäbe, anhand derer psychologische Tätigkeiten öffentlich überprüfbar werden. Auf diese Weise dienen die im folgenden aufgestellten Regeln der inneren Ordnung des Berufsstandes und ermöglichen bei Nichteinhaltung von Normen entsprechende Sanktionen.

Soweit Gesetze oder Rechtsnormen diese Ethischen Richtlinien für einzelne psychologische Tätigkeiten weiter einschränken, sind sie vorrangig.

B.III. Umgang mit Daten

III.1. Schweigepflicht

  1. Psychologen sind nach § 203 StGB verpflichtet, über alle ihnen in Ausübung ihrer Berufstätigkeit anvertrauten und bekannt gewordenen Tatsachen zu schweigen, soweit nicht das Gesetz Ausnahmen vorsieht oder ein bedrohtes Rechtsgut überwiegt. Die Schweigepflicht von Psychologen besteht auch gegenüber Familienangehörigen der ihnen anvertrauten Personen. Ebenso besteht die Schweigepflicht von Psychologen gegenüber ihren Kollegen und Vorgesetzten.
  2. -
  3. Die der Schweigepflicht unterliegenden Tatsachen, Befunde und Beratungs- bzw. Behandlungsergebnisse dürfen anonymisiert weiterverwendet werden, sofern ausgeschlossen ist, daß Rückschlüsse auf die Patienten/ Klienten möglich sind.
  4. -

III.2. Aufzeichnungen, Erhebung und Speicherung von Daten

Psychologen dürfen nur nach vorheriger Einwilligung durch die Klienten / Patienten Aufzeichnungen auf Bild- oder Tonträger über Besprechungen oder Behandlungen erstellen oder Besprechungen von einem Dritten mithören lassen. Psychologen dürfen nur im Rahmen ihres Auftrages Daten über Klienten / Patienten erheben, speichern und nutzen. Dies gilt auch für Telefongespräche. Aufzeichnungen jeder Art, insbesondere auf Datenträger, sind gegen unrechtmäßige Verwendung zu sichern. Urmaterialien und ihre Aufbereitung sind entsprechend den Festlegungen der Auftraggeber oder mindestens für 10 Jahre aufzubewahren.

C. Psychologie in Forschung und Lehre

C.I. Wissenschaftsfreiheit und gesellschaftliche Verantwortung

  1. Das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit (Art.5, Abs.3 GG) erlegt den in der Forschung und Lehre tätigen Psychologen die Verantwortung für Form und Inhalt ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit auf. Das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit ist formal unbeschränkt. Es findet aber seine Grenze dort, wo andere Grundrechte verletzt werden. In ihrer Berufsausübung sind die in Forschung und Lehre tätigen Psychologen an ihre ethische Verantwortung gegenüber ihren Mitmenschen und der natürlichen Umwelt gebunden.
  2. Aus dem Recht auf Freiheit von Forschung und Lehre erwächst die ethische Verpflichtung der in diesem Bereich tätigen Psychologen, Forschung und Lehre von Fremdbestimmung und wissenschaftsfremder Parteilichkeit freizuhalten. Das schließt ein, daß in der Forschung tätige Psychologen die Fragestellung ihrer Forschungsarbeit, die methodischen Grundsätze, die Ergebnisinterpretation und deren Verbreitung selbst zu verantworten haben und nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet sind, verfassungswidrige Eingriffe in diesen Verantwortungsbereich abzuwehren.
    Die Anerkennung der wissenschaftlichen Leistungen Andersdenkender, Andersgläubiger, Angehöriger anderer Altersgruppen und des anderen Geschlechts, anderer sozialer Schichten und Kulturen, und die Bereitschaft, eigene Irrtümer durch überzeugende Argumente, welcher Herkunft auch immer, zu korrigieren, kennzeichnen das Berufsethos der in Forschung und Lehre tätigen Psychologen in besonderem Maße.
  3. Die grundgesetzlich garantierte Freiheit der Forschung von Fremdbestimmung ist zugleich als Appell an die moralische Verantwortung der in Forschung und Lehre tätigen Psychologen zu verstehen, innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft demokratische Arbeitsformen zu fördern. Neue Fragestellungen, Denkansätze und Methoden sind ohne Rücksicht auf ihre Herkunft unvoreingenommen zu prüfen.
  4. Die vorstehenden Grundsätze gelten auch für Psychologen, die in weisungsabhängiger Stellung forschen, sowie für in der Auftragsforschung tätige Psychologen.
  5. Unbeschadet der Verantwortlichkeit Angehöriger anderer Berufsgruppen für die von ihnen im Rahmen eines Forschungsvorhabens durchgeführten einzelnen Maßnahmen, tragen Psychologen als Leiter solcher Forschungsvorhaben für diese die Gesamtverantwortung.

C.II. Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis

  1. Grundlegend für die Berufsausübung in Forschung und Lehre ist die unbedingte Redlichkeit in der Suche nach und bei der Weitergabe von wissenschaftlichen Erkenntnissen. Um gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen, verpflichten sich in Forschung und Lehre tätige Psychologen zur Einhaltung folgender Grundsätze:
  2. Sie unterwerfen ihre Forschungstätigkeit den allgemein gültigen Regeln methodischen Vorgehens und der Überprüfbarkeit von Ergebnissen. Sie sind jederzeit bereit, ihr wissenschaftliches Vorgehen entsprechend dem jeweiligen Untersuchungsziel darzustellen, zu begründen und rationaler Kritik zugänglich zu machen.
  3. Werden Forschungsvorhaben realisiert, ohne daß sie, zumeist auf dem Wege der Finanzierung, personell bzw. institutionell an Strukturen gebunden sind, die der Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis dienen, so obliegt es den Forschenden selbst sicherzustellen, daß die Durchführung solcher Vorhaben mit den wissenschaftlichen, fachlichen und ethischen Grundsätzen dieser Ethischen Richtlinien in Übereinstimmung steht.
  4. In Forschung und Lehre tätige Psychologen sind darum bemüht, bereits im Forschungsprozeß alle verfügbaren Informationen und Gegenargumente angemessen zu berücksichtigen. Sie sind offen für Kritik und bereit, auch eigene Erkenntnisse konsequent anzuzweifeln.
  5. In Forschung und Lehre tätige Psychologen verpflichten sich, ihre Forschungsergebnisse zu dokumentieren. Sie sind bereit, wissenschaftliche Aussagen vollständig und ohne Auflagen zugänglich zu machen und so ihren Einbezug in den kumulativen Prozeß der Forschung und Lehre zu gewährleisten. Diese Selbstverpflichtung gilt im Grundsatz auch für solche Forschungsergebnisse, die der eigenen Theorie bzw. den eigenen Hypothesen widersprechen oder deren Veröffentlichung aus anderen Gründen als nicht opportun erscheint.
  6. Die Beiträge von Partnern, Kollegen, Studierenden und Vorgängern zum eigenen Forschungsthema werden explizit und deutlich kenntlich gemacht.

C.III. Grundsätze der Forschung am Menschen

  1. Psychologische Forschung ist auf die Teilnahme von Menschen als Versuchspersonen angewiesen. Psychologen als Wissenschaftler sind sich der Besonderheit der Rollenbeziehung zwischen Versuchsleiter und Versuchsperson und der daraus resultierenden Verantwortung bewußt. Sie stellen sicher, daß durch die Forschung Würde und Integrität der teilnehmenden Personen nicht beeinträchtigt werden. Sie treffen alle geeigneten Maßnahmen, Sicherheit und Wohl der Versuchspersonen zu gewährleisten, und versuchen, Risiken auszuschließen.
  2. Die Verantwortung ist besonders hoch zu bemessen, wenn es sich bei den Versuchspersonen um Abhängige oder um Personen handelt, die nicht in der Lage sind, eigenverantwortlich zu handeln, oder wenn die Forschungssituation geeignet ist, eigenverantwortliches Handeln der Versuchspersonen zu reduzieren.
  3. Die Teilnahme an psychologischen Versuchen erfolgt freiwillig (unbeschadet der Bestimmungen in Prüfungsordnungen, die grundsätzlich die Teilnahme an psychologischen Versuchen vorschreiben können). Die Versuchspersonen sind über alle Ziele, Einzelheiten, Belastungen und Risiken auf verständliche Weise zu informieren, die für ihre Teilnahmeentscheidung mutmaßlich von Bedeutung sind. Über verdeckte Beobachtung sind sie zu informieren. In den Ausnahmefällen, in denen eine vollständige Information vor der Versuchsdurchführung mit dieser nicht vereinbar ist, muß in besonderem Maße sichergestellt sein, daß den Versuchspersonen durch ihre Teilnahme kein Schaden entstehen kann. In diesem Fall sind die Versuchspersonen in allgemeiner Form über die mangelnde Aufklärung zu informieren. Nach Abschluß der Untersuchung sind die Probanden aufzuklären. Gleiches gilt analog für die verdeckte Beobachtung. Im Falle nicht einwilligungsfähiger Personen ist die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter einzuholen.
  4. Handelt es sich bei den Versuchspersonen um Studierende oder um von den projektverantwortlichen Psychologen abhängige Personen, so sind diese verpflichtet sicherzustellen, daß diesen Teilnehmern aus einer Rücknahme ihrer Zustimmung zur Teilnahme vor bzw. während der Untersuchung keine schädlichen Konsequenzen erwachsen.
  5. Psychologen setzen ihre Versuchspersonen keinen psychisch oder physisch schädigenden Einflüssen oder Gefährdungen aus. Versuche sind unverzüglich abzubrechen, wenn Versuchspersonen unerwartete Belastungsreaktionen zeigen. Treten unerwünschte Konsequenzen der Versuchsteilnahme auf, so hat der Psychologe diese zu beseitigen bzw. für ihre Beseitigung zu sorgen.
  6. Psychologen sind auch verantwortlich für eine ethisch einwandfreie Ausführung der unter ihrer Supervision oder Kontrolle durch andere Personen ausgeführten Forschungsarbeiten am Menschen. Anderen an der Forschung beteiligten Personen dürfen nur solche Aufgaben übertragen werden, für die sie angemessen trainiert und vorbereitet wurden.
  7. Psychologische Versuche sind nur in jeweils dazu geeigneten Einrichtungen oder Institutionen durchzuführen.

C.V. Veröffentlichung von Forschungsergebnissen

  1. Die Ergebnisse psychologischer Forschung sind der Fachöffentlichkeit zugänglich zu machen. Durch korrekte, vollständige und eindeutige Darstellung sind Fehlinterpretationen zu verhindern.
  2. Daten, über die Individuen identifizierbar sind, sind zu anonymisieren.
  3. Fachinterne Diskussion und Kritik sind der Entwicklung der Wissenschaft zuträglich und dürfen nicht verhindert werden.
  4. Bei gemeinsamen Publikationen sind die wesentlichen Mitarbeiter explizit und deutlich zu beteiligen. Die Reihenfolge der Autoren sollte ihrem Leistungsbeitrag gerecht werden.
  5. Psychologen, die in ihren veröffentlichten Daten nachträglich bedeutsame Fehler entdecken, sind verpflichtet, sinnvolle Schritte zu deren öffentlicher Korrektur, etwa durch ein Erratum oder durch andere angemessene Publikationsmaßnahmen zu ergreifen.
  6. Psychologen, denen Planungsvorhaben, Ergebnisberichte oder sonstige unveröffentlichte wissenschaftliche Texte im Rahmen ihrer Tätigkeit als Gutachter für Publikationen, Forschungsanträge etc. zugänglich gemacht werden, sind verpflichtet, die Vertraulichkeit und die Autorenrechte derer, die diese Materialien eingereicht haben, zu wahren.


Quelle: http://www.dgps.de/gesellschaft/mitteilungen/ethikrichtlinien.html (99-07-21)