Copyrightvorbehalt
Die Seite, die Sie soeben lesen, enthält nicht das Original der Arbeit, sondern stellt einen mirror/download zu Dokumentationszwecken im Rahmen der wissenschaftlichen Untersuchung
Stangl, Werner (1998). internet in der Schule - Eine Bestandsaufnahme über den Einsatz des internet im Unterricht an Österreichs Schulen. p@psych 3.
WWW: http://paedpsych.jk.uni-linz.ac.at/PAEDPSYCH/NETSCHULE/NetSchule.html (YY-MM-DD)
dar. Damit soll den userInnen die Nachprüfbareit der Originalquellen ermöglicht werden, die im internet aufgrund der Dynamik des Entstehens und Vergehens von pages selten möglich ist. Das Original findet sich unter der jeweils angegebenen WWW-Adresse; eventuell vorhandene lokale links wurden entfernt. (WS)
Mandl, H., Gruber, H. & Renkl, A. (1991). Lernen mit dem
Computer. Empirisch-pädagogische Forschung in der BRD zwischen
1970 und 1990 (Forschungsbericht Nr. 7). München:
Ludwig-Maximilians-Universität, Lehrstuhl für Empirische
Pädagogik und Pädagogische Psychologie.
Lernform Computerprogrammtyp Lernen als Wiederholen und Memorieren Übungsprogramm Lernen als interaktiver und Tutorielles Programm konstruktiver Prozeß Lernen als explorativer und Simulationsprogramm entdeckender Prozeß
Lernen als Rekonstruktionsprozeß Cognitive Tool
Abb. 1
Verschiedene Lernformen und dazu kongruente
Computerprogrammtypen.
4. Empirisch-pädagogische Forschung in der BRD
Im folgenden gehen wir differenziert auf den Beitrag der Empirischen
Pädagogik in der BRD zum Lernen mit dem Computer in vier
unterschiedlichen Bereichen ein, die sich aus einer Analyse
möglicher Lernprozesse ergeben und in vier unterschiedlichen
Typen von Computerprogrammen ihren Niederschlag fanden: In
Übungsprogrammen, in Tutoriellen Programmen, in
Simulationsprogrammen und in Cognitive Tools. Zu den ersten drei
Programmarten gibt es bereits eine Vielzahl von Beispielen, der
vierte Typ stellt eine neuere Entwicklung dar. Wir geben eine kurze
Darstellung der Prinzipien der jeweiligen Programmtypen, nennen ihre
wichtigsten Funktionen im Unterricht und stellen jeweils ein
spezifisches Programm näher dar. Neben der Entwicklung und dem
Einsatz der Programme blieb häufig zu einer wissenschaftlich
fundierten Evaluation nur wenig Zeit (Lehmann & Lauterbach,
1985). Daher gibt es zu wenige empirische Studien zu diesem Thema.
Selbstverständlich ist es aber nicht notwendig, daß in der
BRD jegliche Forschungsbefunde repliziert werden, die z.B. in den USA
bereits gewonnen wurden. Sofern gesicherte Erkenntnisse vorliegen,
kann sich die deutsche Forschung natürlich auf die dort
gewonnenen Resultate beziehen.
4.1 Übungsprogramme
Computerunterstützte Übungsprogramme sollen den Lernenden
bei der Festigung von Wissen und Fertigkeiten unterstützen. Die
herkömmliche Struktur dieser Lehrprogramme besteht im
wesentlichen aus einer Folge von Übungsaufgaben, die meist nach
folgendem Schema abgehandelt werden: (1) Anbieten der Aufgabe; (2)
Registrieren der Antwort des Lernenden; (3) Bewerten der Antwort des
Lernenden; (4) Übergang zur nächsten Aufgabe.
Bei vielen Programmen erfolgt Rückmeldung lediglich in Form von
Falsch- oder Richtig-Angaben. Es gibt aber auch
anspruchsvolle Programme, die den Lernenden beim Aufgabenlösen
z.B. durch Zusatzinformationen unterstützen oder bei der Auswahl
der nächsten Schwierigkeitsstufe den bisherigen Lernfortschritt
berücksichtigen. Übungsprogramme sind in der Regel in ein
Curriculum eingebettet. Sie setzen voraus, daß der Lernende
bereits ein Verständnis des zur Frage stehenden Inhaltsbereichs
erworben hat und das zu erlangende Wissen oder die Fertigkeiten in
den curricularen Zusammenhang einordnen kann. Übungsprogramme
vermitteln nicht nur einfache Formen des Wissens, z.B.
Grundrechenarten oder Lesefertigkeiten, sondern dienen auch der
Übung komplexer Fertigkeiten, wie z.B. mathematischer
Beweistechniken.
Im Rahmen des Modellversuchs Computerunterstützter Unterricht
in Biologie wurde in den 70er Jahren an der Universität
Freiburg eine Reihe von Übungsprogrammen erprobt (Gottwald,
1975). In dem dabei eingesetzten Programm PFLABE, mit dem Studenten
Wissen für das Bestimmen einheimischer Blütenpflanzen
erwerben sollten, ergab sich jedoch kein besseres Lernergebnis
gegenüber einem Praktikum, in dem das gleiche Wissen in
konventioneller Weise vermittelt wurde. Allerdings lag der zeitliche
Aufwand für die Absolvierung des Übungsprogramms weit unter
dem für das Praktikum. Das Übungsprogramm ZOPRAM
(Zoologisches Praktikum) sollte unterschiedliches Eingangswissen von
Studenten ausgleichen. Die Ergebnisse zeigten, daß dieses Ziel
erreicht wurde, daß sich also Defizite bei Studenten mit
niedrigen Eingangsvoraussetzungen beheben ließen. Diese
Ergebnisse stellten jedoch eher Beobachtungs- und Erfahrungswerte im
Zusammenhang mit dem Einsatz von Übungsprogrammen dar als
methodisch abgesicherte Befunde.
Empirisch gut belegt ist, daß sich Übungsprogramme im
Bereich der Sonderschule vielfach bewährt haben. So führte
Walter (1989) mit lernbehinderten Sonderschülern der sechsten
bis neunten Jahrgangsstufe ein Trainingsexperiment zur Übung von
Lösungsalgorithmen beim schriftlichen Multiplizieren durch. Er
konnte zeigen, daß die mit Computer lernende Experimentalgruppe
der Kontrollgruppe, die die gleichen Übungsaufgaben nur mit
Papier und Bleistift zu lösen hatte, auch über längere
Zeit hinweg überlegen war. Die gewonnenen Ergebnisse
bestätigen die Befunde, nach denen computerunterstützter
Unterricht mit Lernbehinderten prinzipiell durchführbar ist und
darüber hinaus zu substantiellen Leistungsverbesserungen der
Schüler führen kann (Walter, 1985, 1987).
Übungsprogramme erwiesen sich auch in einer Vielzahl
amerikanischer Evaluationsuntersuchungen als effektiv, insbesondere
in Hinblick auf die eingesparte Lernzeit und auf Unterstützung
schwächerer Schüler (Frey, 1989; Fricke, 1991). Bezogen auf
den Hochschulbereich ist dagegen die Befundlage weniger günstig,
weil Übungsprogramme den Lernvoraussetzungen und
Lernanforderungen von Studenten häufig nicht genügen
(für einem Überblick zum didaktischen Computereinsatz im
Hochschulbereich siehe Schulmeister, 1989).
4.2 Tutorielle Programme
Tutorielles Programm ist eine Sammelbezeichnung für komplexe
Systeme, die auf Stoffvermittlung und Überprüfung des
Lernerfolgs zielen und dabei teilweise Lehrerfunktion
übernehmen. Von anderen Programmtypen unterscheiden sie sich vor
allem hinsichtlich ihres Dialogcharakters, insofern sie flexibel auf
verschiedene Eingaben des Lernenden reagieren. In Hinblick auf die
Qualität dieses Dialogs unterscheiden wir herkömmliche
Tutorielle Programme von sogenannten Intelligenten Tutoriellen
Systemen (ITS), die sich verstärkt auf Ansätze der KI
und den Kognitionswissenschaften stützen.
Traditionelle Tutorielle Systeme. Ein Tutorielles Programm
herkömmlicher Art ist im allgemeinen nach folgendem Grundmuster
aufgebaut. Es bietet dem Lernenden zunächst Information
über einen komplexen Sachverhalt dar, stellt anschließend
Fragen zu dessen Verständnis und verzweigt dann in andere
Programmteile. Hier wird Feedback über die Korrektheit der
Antwort gegeben, die Information wird gegebenenfalls wiederholt oder
es wird mit weiterer Information fortgefahren (Mandl & Hron,
1989).
Ältere Tutorielle Programme waren auf eine einfach strukturierte
und vergleichsweise unflexible Stoffdarbietung festgelegt. Sie boten
nur geringe Diagnose- und Rückmeldungsmöglichkeiten.
Demgegenüber versuchen neuere Programme, die Lehrstoffdarbietung
an das jeweilige Kenntnis- und Fertigkeitsniveau des Lernenden
anzupassen; dies geschieht allerdings ohne expliziten Rückgriff
auf kognitionspsychologische Methoden wie bei ITS.
Ein Beispiel für ein anspruchsvolles Tutorielles Programm
herkömmlicher Art ist KAVIS II (Knowledge Acquisition Video
Instruction System; Fischer, Mandl, Frey, Jeuck & Ackermann,
1988). KAVIS II ist ein computerunterstütztes audiovisuelles
Instruktionssystem zur Vermittlung von Lehrinhalten aus dem Bereich
der Biologie. Es wurde am Deutschen Institut für Fernstudien an
der Universität Tübingen auf dem Hintergrund lern- und
kognitionspsychologischer Ansätze zum Wissenserwerb entwickelt
und enthält einen Wissensvermittlungsteil und einen
Vertiefungsteil. In einer Evaluationsstudie (Fischer & Mandl,
1988) konnte gezeigt werden, daß KAVIS II positive Wirkungen
auf den Erwerb von Fachwissen und das Verstehen komplexer
Sachverhalte hatte. In der Untersuchung mit drei Treatmentgruppen
wurden drei unterschiedliche differentielle Rückmeldungsarten
miteinander verglichen: Metaoperationale Steuerungsrückmeldung
(Hinweise auf den logischen Status begangener Fehler), audiovisuelle
Sachrückmeldung (Erklärung des erfragten Stoffes mit
zusätzlichen textlich-bildlichen Hinweisen) sowie eine
Kombination beider. Die Wirkung dieser Rückmeldungsarten wurde
bei Lernenden mit unterschiedlichem Vorwissen analysiert.
Insbesonders Lernende mit geringen Vorkenntnissen wurden durch
audiovisuelle Sachrückmeldungen gefördert. Lernende mit
höherem Vorwissen konnten formale und inhaltliche
Steuerungsinformationen besonders effizient nutzen. Subjektive
Lernerfahrungen und affektiv-motivationale Reaktionen auf
Rückmeldung konnten positiv beeinflußt werden, so
daß anstelle versagensorientierter Meidung Lernkontrolle und
Rückmeldung als sachlich-instrumentelle Hilfe zur Lernregulation
erkannt und benutzt wurde.
Anspruchsvolle Lehrstoffe lassen sich mit dem Computer und
angeschlossenen Präsentationsmedien wie Videorecorder oder
Bildplatte erfolgreich vermitteln (vgl. Fricke, 1991). Lernende
können mit Tutoriellen Programmen in einem begrenzten Lerngebiet
selbständig arbeiten. Die vorliegenden Erfahrungen lassen
erwarten, daß Lernsysteme der genannten Art bei relativ klar
strukturierten Lehrstoffen in Zukunft - insbesondere im
Erwachsenenbereich - erfolgversprechend eingesetzt werden können
(Mandl & Hron, 1989).
Eine besondere Variante computerunterstützter Lernumgebungen
wurde von Papert (1982; 1987) in Zusammenhang mit dem Erlernen der
Programmiersprache LOGO entwickelt. Sein Ansatz zielt darauf ab,
Kindern mathematische und physikalische Sachverhalte auf der
Grundlage des Entdeckenden Lernens verständlich zu machen. Nach
seiner Auffassung ist diese Lernform zentral für den
Wissenserwerb von Kindern. Typisch für den Papertschen Ansatz
sind Problemstellungen, bei denen Kinder durch gezielte Verwendung
von LOGO-Befehlen geometrische Figuren oder Muster konstruieren.
Papert geht dabei von positiven Auswirkungen auf allgemeine Denk- und
Problemlösefähigkeiten aus. Evaluationsstudien über
die von Papert vorgeschlagenen computerbasierten Lernumgebungen
zeigen aber, daß sich Wissenstransfer nicht ohne weiteres
einstellt (Dalbey & Linn, 1985). Die dem Papertschen Ansatz
zugrundeliegende LOGO-Philosophie wurde auch in der BRD einer
kritischen Würdigung unterzogen (z.B. Bender, 1987; Löthe,
1987; Schupper, 1987).
Intelligente Tutorielle Systeme (ITS).
Dieser Programmtyp stellt hinsichtlich der verwendeten Methoden und
zugrundeliegenden Theorien aus kognitiver Psychologie und KI eine
bemerkenswerte Entwicklung im Bereich computerunterstützten
Lernens dar (Mandl & Lesgold, 1988; Sleeman & Brown, 1982;
Wenger, 1987). Obwohl es problematisch ist, für die
Kennzeichnung dieser Programme den Intelligenzbegriff zu verwenden,
hat es sich eingebürgert, von einem intelligenten
computerunterstützten Lehrprogramm zu sprechen, wenn es ein
Modell der kognitiven Prozesse des Lernenden aufbaut, fortlaufend
ausdifferenziert und auf dieser Grundlage die Instruktion steuert.
Systeme dieses Typs sollen eine individualisierte Unterweisung auf
der Grundlage des jeweils erreichten Wissens- und Fertigkeitsstands
des Lernenden realisieren.
Während in den USA schon zu Beginn der 80er Jahre eine Reihe von
ITS entwickelt worden waren (z.B. SOPHIE: Brown, Burton &
DeKleer, 1982; GUIDON: Clancey, 1983), begann die Auseinandersetzung
mit ITS in der BRD erst ab 1985 mit Beginn des
DFG-Schwerpunktprogramms Wissenspsychologie (Mandl &
Spada, 1989). Im Rahmen mehrerer Projekte wurden Lernumgebungen
entwickelt, deren inhaltliche Schwerpunkte in den Bereichen
physikalisches Wissen, Programmierwissen und elementare
Wahrscheinlichkeitstheorie lagen (Lukas & Albert, 1989; Mandl,
Hron, Bollwahn, Oestermeier & Tergan, in Druck; Möbus, 1990;
Plötzner, Spada, Stumpf & Opwis, in Druck; Reimann, 1990;
Weber, 1988; Weber, Waloszek & Wender, 1987).
Als ein Beispiel für ein ITS sei die Mikrowelt REFRACT (Reimann,
1990) genannt. Mikrowelten stehen für eine bestimmte Philosophie
im Bereich von ITS, insofern sie dem Lernenden eine weitgehend
selbstgesteuerte explorative Erfahrungsbildung ermöglichen. In
offen gestalteten Lernumgebungen können die Möglichkeiten
in einem Gegenstandsbereich durch vielfältige Manipulationen
erforscht werden, wobei die Schüler ihre Ziele selbst
wählen können (Entdeckendes Lernen). Das System REFRACT ist
eine Mikrowelt für optische Berechnungen an einer
Oberfläche (Snell's Gesetz). Es wurde von Reimann (1990) mit dem
Ziel entwickelt, Schülern eine explorative Lernumgebung zur
Verfügung zu stellen, in der sie idealisierte Phänomene auf
aktive, selbstgesteuerte Weise explorieren können. Parallel zum
Lernen über den Gegenstandsbereich hat der Benutzer die
Möglichkeit, grundlegende Fertigkeiten zu üben wie etwa das
Entwerfen von Experimenten, das Analysieren von Daten und das
Formulieren und Testen von Hypothesen. Das System wurde bisher
hauptsächlich zu Forschungszwecken eingesetzt.
Die Projekte im DFG-Schwerpunktprogramm Wissenspsychologie erbrachten
eine Reihe grundlegender Erkenntnisse über Wissensdiagnose und
Lernmodellierung. Der Forschungsschwerpunkt lag bei den meisten
ITS-Projekten auf diagnostischen und Modellierungsaspekten. Es wurde
angestrebt, Problemlöse- und Wissensprozesse von Lernenden in
Form computationaler Modelle zu beschreiben und zu simulieren. Den
Projekten war insofern ein methodisches Vorgehen gemeinsam, als sie
ihren Gegenstandsbereich auf der Grundlage von Aufgabenanalysen
strukturierten und empirische Untersuchungen zum jeweiligen
Lernverhalten und zu Fehlkonzepten durchführten. Die Ergebnisse
dieser Arbeiten dienten jeweils als Grundlage für die
Realisierung des Modellierungsverhaltens. Unterschiede zwischen den
Projekten bestanden neben den verschiedenen Wissensdomänen in
den jeweils zugrundeliegenden kognitionspsychologischen Ansätzen
und der damit zusammenhängenden Akzentuierung der jeweils
bearbeiteten wissenspsychologischen Thematik.
Die praktische Realisierung intelligenter tutorieller Unterweisung
ist jedoch weit weniger fortgeschritten, als die optimistischen
Verlautbarungen in diesem Bereich nahelegen. Die meisten der bisher
entwickelten Programme sind nicht in der Lage, hinreichend
differenzierte Modelle über die kognitive Struktur des Lernenden
aufzubauen, die für eine gezielte individuelle Unterweisung in
komplexen Domänen notwendig sind. Die Frage, ob die bestehenden
Begrenzungen grundsätzlicher Art sind oder lediglich das
frühe Stadium der derzeitigen Entwicklungsphase kennzeichnen,
ist umstritten. Zum einen ist das Wissen über menschliche
Lernprozesse noch unzureichend; zum anderen verbleibt die
grundsätzliche Frage, ob die Verstehensprozesse eines
menschlichen Tutors überhaupt maschinell nachgebildet werden
können. Dies würde nämlich die Entwicklung
intelligenter Maschinen voraussetzen, die über die
Symbolmanipulation hinausgehend Wissen über die externe Umwelt
bzw. einen Lernenden erwerben und mit dem Referenzproblem
adäquat umgehen können. Dreyfus und Dreyfus (1986), Searle
(1983) und Winograd und Flores (1986) argumentieren, daß dies
grundsätzlich nicht möglich ist.
4.3 Simulationsprogramme
In bezug auf die Forschung zu Simluationsprogrammen als Lernmedium
muß ebenso wie im Falle der Übungsprogramme und der
Tutoriellen Programme festgestellt werden, daß in der
deutschsprachigen Forschung neben der Programmentwicklung meist keine
Zeit blieb, methodisch befriedigende Evaluationen vorzunehmen
(Lehmann & Lauterbach, 1985; Leutner, 1989). Bevor jedoch auf den
empirischen Forschungsstand eingegangen wird, soll zunächst
erläutert werden, was unter Simulation zu verstehen ist.
Der Begriff Simulation bezieht sich auf unterschiedliche
Programmtypen. Dabei steht nur zum Teil das didaktische Ziel der
Wissensvermittlung im Vordergrund (Wedekind, 1981). Gerade in
Deutschland hat sich sehr stark ein Forschungszweig entwickelt, der
Simulationen als Mittel zur Untersuchung komplexen Problemlösens
heranzieht (Dörner, Kreuzig, Reither & Stäudel, 1983;
Funke, 1985, 1990). Wir konzentrieren uns jedoch auf
Computersimulationen als Lernmedium.
Wedekind (1981) charakterisiert Computersimulationen wie folgt:
"Unter Simulation ist die zielgerichtete Arbeit mit dem Modell
eines Systems zu verstehen, wobei es sich im Falle der
Computersimulation immer um ein mathematisches oder
formal-logisches Modell handelt, dessen Algorithmus als ein vom
Rechner zu verarbeitendes Programm vorliegt" (S. 26).
Unter Modell ist in Anlehnung an Oberquelle (1984) eine
zweckgerichtete Beschreibung eines bestimmten Ausschnittes der
Realität, z.B. eines Systems, zu verstehen, der wiederum aus
einer Anzahl von Elementen sowie aus Relationen zwischen diesen
Elementen besteht. Der Schüler kann in der Simulation eines
Realsystems die Elemente und Relationen eruieren oder auch
kontrollieren. Der fiktive Charakter der Eingriffe erlaubt es dem
Lernenden, frei zu experimentieren und Eingriffe, die in
Realsituationen gefährlich wären, vorzunehmen, ohne mit
ernsthaften Folgen rechnen zu müssen. Dadurch eignen sich
Simulationen besonders für den Aufbau Mentaler Modelle,
die als Grundlage zur Steuerung von Systemen dienen (Kluwe &
Haider, 1990). Mentalen Modellen wird in neueren Ansätzen
für den Umgang mit komplexen Problemstellungen besonderes
Gewicht beigemessen (Seel, 1986). Weitere bedeutsame didaktische
Funktionen von Simulationen sind neben der Vermittlung deklarativen
und prozeduralen Wissens die Veranschaulichung des
Gegenstandsbereiches sowie die Motivierung und Aktivierung der
Schüler (Leutner, 1990).
Es gibt zwei Arten von Computersimulationen, bei denen
unterschiedliche didaktische Ziele im Vordergrund stehen:
Simulationen als Substitute für Experimente und Planspiele.
Simulationen als Substitute für Experimente. Vielfach
kann z.B. im naturwissenschaftlichen Unterricht ein reales Experiment
nicht durchgeführt werden, da es zu aufwendig, zu teuer oder zu
gefährlich wäre. Hier können Simulationsprogramme
Abhilfe schaffen, da dann die Experimente im Computer stattfinden.
Oft ist die Rechnersimulation sogar die einzige Möglichkeit,
einen experimentellen Effekt vorzuführen, etwa wenn die
relevanten Prozesse zu schnell (z.B. Kernreaktion) oder zu langsam
(z.B. Planetenumlaufbahnen) ablaufen. Zudem kann der
Untersuchungsgegenstand auch zu groß (z.B. Planetensystem) oder
zu klein (z.B. Moleküle) sein (Leutner, 1990).
Ein Beispiel für ein Simulationsprogramm aus den 70er Jahren ist
MENTEN (Hille & Wedekind, 1977; Wedekind, 1981). Es entstammt dem
Bereich der Enzymkinetik, die sich mit der Abhängigkeit
chemischer Reaktionsgeschwindigkeiten von der Konzentration
beteiligter Reaktanden und von den Außenbedingungen
beschäftigt. MENTEN simuliert durch Enzyme geförderte
biochemische Reaktionen in Organismen. In der Lernsituation kann der
Schüler zunächst Hypothesen über den Einfluß
bestimmter Enzymkonzentrationen auf die Geschwindigkeit aufstellen,
mit der aus einem Ausgangsstoff ein Endprodukt entsteht. Danach
können verschiedene Konzentrationswerte sowohl für den
Ausgangsstoff als auch für das Enzym eingegeben werden. Als
Ausgabe erhält man sogenannte Konzentrations-Zeit- und
Geschwindigkeits-Konzentrations-Diagramme. Diese Daten müssen
vom Schüler auf die Hypothesen zurückbezogen werden, die
sich daraus ergebenden Konsequenzen sind zu evaluieren. Das Programm
erlaubt somit Lernen im Sinne des WEIV-Paradigmas (Spada, Reimann
& Häusler, 1983).
In der Bundesrepublik wurden bereits in den 70er Jahren etliche
Projekte zum didaktischen Einsatz von Simulationen durchgeführt,
so unter anderem der Tübinger Modellversuch
Computerunterstützte Simulationen im naturwissenschaftlichen
Unterricht (Simon, 1977) oder der Freiburger Modellversuch im
Biologieunterricht (Gottwald, 1975). Studien, die vorwiegend
positive Resultate des Simulationseinsatzes erbrachten (Simon, 1977),
stehen Untersuchungen gegenüber, die keine Überlegenheit
dieser Unterrichtsform nachweisen konnten (Treitz, 1984). Die
Befundlage ist also durchaus kontrovers (Mandl & Hron, 1985).
Planspiele.
Bei Planspielen nimmt der Schüler zumeist eine bestimmte Rolle
ein (z.B. Fabrikleiter, Bürgermeister, Entwicklungshelfer) und
versucht, so zu agieren, daß das System (z.B. eine Jeansfabrik,
eine Gemeinde, ein Entwicklungsland) einen möglichst
zufriedenstellenden Zustand erreicht und daß dieser
aufrechterhalten bleibt. Die Auswirkungen von Schülereingriffen
werden durch das Programm ermittelt und rückgemeldet.
Computerunterstützte Planspiele lassen sich folgendermaßen
charakterisieren (vgl. Leutner, 1990): (1) Es gibt ein Ziel, das es
zu erreichen gilt; (2) Regeln legen fest, welche Aktionen in welcher
Weise ergriffen werden können und welche Auswirkungen sie haben;
(3) es gibt Wettbewerb um das Erreichen des Zieles, sei es mit einem
Gegner oder mit dem System selbst; (4) das Erreichen des Zieles ist
nicht trivial; (5) es gibt keine realen Konsequenzen.
In die Kategorie der Planspiele sind diejenigen Simulationen
einzuordnen, die in der Forschung bislang in erster Linie zum Studium
des komplexen Problemlösens eingesetzt wurden, etwa das bekannte
LOHHAUSEN (Dörner et al., 1983) oder die SCHNEIDERWERKSTATT
(Putz-Osterloh, 1981). Bundesdeutsche Forschungsprojekte zum
didaktischen Einsatz von Planspielen werden in größerem
Umfang erst seit Ende der 80er Jahre durchgeführt. Wir
beschreiben an dieser Stelle exemplarisch ein Planspiel, das unter
didaktischen Gesichtspunkten und unter besonderer
Berücksichtigung der ökologischen Validität des
fachwissenschaftlichen Modells erstellt wurde, die JEANSFABRIK
(Preiß, 1990, 1992).
Aufgabe des Schülers in der JEANSFABRIK ist es, die Leitung
einer Firma zu übernehmen und den Betrieb über mehrere
Planungszyklen (Spielmonate) hinweg zu leiten. Ziel ist dabei, den
Gewinn des Betriebes zu maximieren. Im einfachsten Fall stehen als
Eingriffsmaßnahmen die Veränderung des Angebotspreises und
der Produktionsmenge zur Verfügung; bei komplexeren
Planungssituationen kann z.B. zusätzlich Werbung betrieben oder
die Produktionskapazität erweitert werden. Hat der Schüler
seine Entscheidungen getroffen, wird eine Marktsimulation
vorgenommen, die über die Auswirkungen der Maßnahmen
informiert, so etwa in Hinblick auf die Variablen Marktanteil, Ertrag
und Gewinn. Das Planspiel erlaubt es, sowohl eine Monopolsituation
als auch einen Markt mit mehreren Anbietern zu simulieren. Zudem ist
es möglich, alle Firmen außer der vom Schüler
geleiteten mit standardisierten Marktstrategien agieren zu lassen, so
daß konstante Versuchs- und Lernbedingungen geschaffen werden
können. Das Planspiel JEANSFABRIK wird bereits im Rahmen der
kaufmännischen Erstausbildung in Niedersachsen eingesetzt und
wurde dort im Rahmen des Projekts Lernen, Denken, Handeln in
komplexen ökonomischen Situationen - unter Nutzung neuer
Technologien in der kaufmännischen Erstausbildung in den
Jahren 1985 bis 1991 evaluiert (Achtenhagen, 1991; Achtenhagen &
John, 1992). Allgemeines Ziel des Projekts war es, Vorschläge
zur Reform des ersten Ausbildungsjahres für kaufmännische
Berufe zu erarbeiten (Achtenhagen, 1991). Ein zentraler Baustein in
diesem Ausbildungskonzept ist die JEANSFABRIK. Aus der Vielzahl der
in diesem Rahmen entstandenen empirischen Befunde stellen wir einige
interessante Ergebnisse vor.
In einer ersten Evaluation (Schuljahr 1989/90) wurde der
Planspieleinsatz in vier Experimentalklassen mit Kontrollklassen ohne
Planspielunterricht verglichen. Als Instrumente wurden sowohl
konventionelle Multiple Choice-Tests als auch komplexe
Problemlöseaufgaben eingesetzt. Es zeigte sich keine
Überlegenheit der Experimentalklassen, was insofern
enttäuschend war, als der unterrichtsmethodische Aufwand beim
Planspieleinsatz erheblich höher war als beim konventionellen
Unterricht. Aus zusätzlich durchgeführten
Unterrichtsbeobachtungen wurde jedoch der Schluß gezogen,
daß die Lehrer für den Planspielunterricht mangelnde
Expertise besaßen. So wurden z.B. die
Ergebnisrückmeldungen des Systems auf die
Planspielentscheidungen nicht hinreichend erklärt und
kommentiert; zudem wurden die Lernprozesse in Lernerkleingruppen
nicht ausreichend überwacht und gesteuert. Auf der Basis der
diagnostizierten Defizite entwickelte die Göttinger Gruppe
zusammen mit den beteiligten Lehrern entsprechende
Eingriffsstrategien für das folgende Schuljahr (1990/91). Danach
waren die Experimentalklassen sowohl in bezug auf konventionelle
Multiple Choice-Tests als auch hinsichtlich komplexer
Problemlöseaufgaben den Kontrollklassen überlegen.
Diese Befunde weisen auf die Bedeutung der Lehrerrolle und der
Einbettung von Planspielen in ein didaktisches Gesamtkonzept hin. Es
genügt nicht, Lehrern oder Kursleitern computerunterstützte
Planspiele zur Verfügung zu stellen; vielmehr sind entsprechende
Trainings- oder Weiterbildungsmaßnahmen erforderlich.
Während die Göttinger Gruppe die Evaluation des
Planspieleinsatzes in ökologisch validen Settings zum
Schwerpunkt hatte, führte Leutner (1989, 1991; Leutner &
Schrettenbrunner, 1989) streng kontrollierte experimentelle Studien
zur Bestimmung der Effizienz bestimmter Lernhilfen beim Lernen mit
Planspielen durch. Exemplarisch seien die Ergebnisse der Untersuchung
von Leutner (1989) zusammengefaßt: In einem Handlungstest
erwiesen sich detaillierte informationale Lernhilfen als
förderlich. Zusätzlich ergab sich jedoch ein ATI-Effekt:
Niedrig-ängstliche Schüler profitierten von besonders
detaillierten Hinweisen, während für hoch-ängstliche
Lerner ein mittlerer Informationsgehalt am günstigsten war. In
bezug auf einen Wissentest profitierten die Schüler mit geringen
Vorkenntnissen am meisten bei mittlerem Informationsgehalt. Für
Schüler mit hohen Vorkenntnissen erwies sich niedriger
Informationsgehalt als am förderlichsten.
Prüfungsängstliche zeigten lediglich
Leistungseinbußen, wenn Hinweise als Rückmeldungen, nicht
jedoch, wenn sie als Handlungsanweisungen gegeben wurden.
Leutner (1989) zog aus den Ergebnissen didaktische
Schlußfolgerungen: "(1) Nicht alle Schüler lernen gleich
gut durch die Teilnahme an einem gegebenen Planspiel. (2) Das
Ausmaß an Vorkenntnissen und an Prüfungsangst des
einzelnen Schülers sollte berücksichtigt werden, um seinen
individuellen Lernerfolg zu optimieren. (3) Die Planspielleitung
sollte Schüler mit geringen Vorkenntnissen mit wenig
detaillierten Denkanstößen begleiten, Schüler mit
hohen Vorkenntnissen hingegen relativ frei agieren lassen. (4)
Schüler mit ausgeprägter Prüfungsängstlichkeit
sollten während des Planspiels ebenfalls wenig detaillierte
Denkanstöße erhalten, die als Handlungsanweisungen vor der
Entscheidung, nicht als Leistungsrückmeldung nach der
Entscheidung zu geben sind" (S. 356).
Abschließend seien die internationalen, insbesondere
amerikanischen, Befunde zu Effekten des Einsatzes von Simulationen
zusammengefaßt. Die Lernenden sind in der Regel hoch motiviert
und aktiv. Darüber hinaus können Planspiele Einstellungen
ändern - wenn auch nicht immer in der beabsichtigten Richtung.
Was kognitive Lernziele betrifft, bieten Planspiele die
Möglichkeit, Faktenwissen anzuwenden und Fertigkeiten zu
erwerben (Tennyson, Thurlow & Breuer, 1987). Allerdings gibt es
Hinweise darauf, daß die positiven Effekte von
Computersimulationen zum Teil auf einen motivierenden
Neuigkeitseffekt zurückzuführen sind (Frey, 1989).
Dafür sprechen Befunde, die eine negative Korrelation zwischen
Programmdauer und Effektstärke belegen (Dekkers & Donatti,
1981).
4.4 Cognitive Tools
Die bisherigen Programmtypen besaßen instruktionale Funktionen,
die meist auch ohne Computer, also etwa durch eine andere Person
erfüllt werden könnten: Ein Lehrer kann drill and
practice im Unterricht einsetzen, er kann einzelnen Schülern
tutorielle Hilfe geben (z.B. im Rahmen der Stillarbeit), und er kann
Planspiele auch ohne Rechner durchführen. In diesem Abschnitt
wenden wir uns Programmtypen zu, die als Cognitive Tools (die
deutsche Bezeichnung kognitive Werkzeuge konnte sich nicht
einbürgern) dienen und die menschliche Kapazität
vergrößern, erweitern oder fördern (Kozma, 1987). Als
Beispiel kann das wohl am weitesten verbreitete Computerwerkzeug
genannt werden: Textverarbeitungssyteme. Auch Autorensysteme sind
diesem Programmtypus zuzuordnen.
Obwohl computerunterstützte Cognitive Tools keine expliziten
instruktionalen Elemente beinhalten, können sie dennoch
Lernprozesse in mehrfacher Hinsicht fördern (Kozma, 1987).
Beispielsweise führen sie zu einer Erleichterung der
Aufgabenanforderungen und damit zu einer Entlastung der
Verarbeitungsanforderungen an den Arbeitsspeicher; damit bleibt mehr
Kapazität frei für kognitive Prozesse höherer Ordnung
wie Problemlösen oder aktiv-konstruktives Lernen. Cognitive
Tools strukturieren ferner die Tätigkeit vor; dies kann genutzt
werden, um bestimmte lernförderliche Aktivitäten mit
erhöhter Wahrscheinlichkeit auftreten zu lassen.
Schließlich können sie die Prozesse, die sie
ausführen, explizit darbieten; damit ist die Möglichkeit
der Internalisierung dieser Prozesse durch den Lernenden gegeben.
Durch die wenig vorstrukturierte Art sind Cognitive Tools
insbesondere zum Einsatz im Rahmen konstruktivistischer
Lernkonzeptionen geeignet (Collins, Brown & Newman, 1989; Spiro,
Feltovich, Coulson & Anderson, 1989; The Cognition and Technology
Group at Vanderbilt, 1990), die angesichts der zunehmenden Evidenz
für mangelnde Transferierbarkeit von Wissensinhalten, die
mittels traditioneller Instruktionsformen erworben werden (Resnick,
1987), in den letzten Jahren vermehrt Aufmerksamkeit erfahren (Mandl
et al., 1991).
Im folgenden soll auf zwei Beispiele computerunterstützter
Cognitive Tools eingegangen werden, nämlich auf das
Modellbildungssystem MODUS und auf BUBBLE DIALOGUE, ein Tool zum
Training kommunikativer Kompetenz.
MODUS. Modellbildungssysteme erlauben es dem Lerner, sich eigene
Simulationsprogramme zu erstellen, d.h. das der Simulation
zugrundeliegende Modell ist nicht mehr vorgegeben, sondern wird erst
kreiert. So kann etwa das Verhalten eines Pendels mit den
Größen Ort und Geschwindigkeit durch zwei gekoppelte
Differentialgleichungen beschrieben werden. In vielen
Modellbildungssystemen muß zunächst das korrekte
Gleichungssystem eingegeben werden und darüber hinaus der
Lösungsalgorithmus. Als Beispiel für ein Programm, das
durch einen graphischen Eingabemodus praktikabler ist
(graphikorientiertes System) und weniger hohe mathematische
Anforderungen stellt, sei MODUS genannt (Walser & Wedekind,
1991).
Bei diesem Programm stehen graphische Symbole für verschiedene
Programmelemente zur Verfügung: Zustände, Raten,
Konstanten, Funktionen, Teilmodelle und Parameter. Mithilfe der Maus
wird die Struktur des Modells als Zeichnung eingegeben; durch die
Eingabe von Operatoren werden Elemente miteinander verknüpft.
Das zugrundeliegende mathematische Gleichungssystem wird vom Programm
selbst erstellt. Nachdem der Lerner die Initialisierungswerte bzw.
Systemparameter festgelegt hat, kann die Simulation durchgeführt
werden. Als Ausgaben stehen verschiedene Möglichkeiten zur
Verfügung: Zeitverlaufsdiagramme, dreidimensionale
Phasendiagramme, dynamische Säulen und Wertetabellen.
Der Einsatz von MODUS wird ab der achten Jahrgangsstufe und für
alle Schulformen empfohlen. Als Unterrichtsfächer kommen
Mathematik sowie natur-, wirtschafts- und
gesellschaftswissenschaftliche Fächer in Frage. Bei der
Verwendung in der Schule kann sich der Lehrer demnächst zudem
auf Themenhefte stützen, die vom Landesinstitut für
Schule und Weiterbildung in Soest vorbereitet werden.
BUBBLE DIALOGUE. Das Tool BUBBLE DIALOGUE (Knuth & Cunningham,
1991; McMahon, O'Neill & Cunningham, 1991) dient dem Ziel, beim
Schüler reflexives Denken zu fördern. BUBBLE DIALOGUE ist
ein auf der Hypercard-Technik basierendes Programm, das Rollenspiel
und die Analyse reflexiver Dialoge kombiniert. Der Anwender spielt
die Rollen von auf dem Bildschirm dargebotenen Figuren. Er gestaltet
Dialoge sowohl in bezug auf das innere Sprechen dieser Figuren als
auch hinsichtlich ihres öffentlichen Sprechens. Durch das
Anklicken eines Symbols erscheint für die ausgewählte Figur
eine offene Sprech- oder Gedankenblase wie in einem Comic. Der
Schüler soll einüben, die Perspektive dieser Figur zu
übernehmen, den Unterschied zwischen Denken und
öffentlichem Sprechen zu erkennen und den Dialog, also das
öffentliche Sprechen, zu sequenzieren. BUBBLE DIALOGUE ist somit
gewissermaßen ein Werkzeug, um über das eigene Denken
nachzudenken. Es ist nicht intendiert, direkt Informationen oder
Kenntnisse zu vermitteln. Indem der Schüler veranlaßt
wird, Perspektiven und Rollen von Figuren auf dem Computerbildschirm
zu übernehmen, wird ihm gezeigt, daß verschiedene Personen
unterschiedliche Sichtweisen einer Situation haben können, die
womöglich von seiner eigenen differieren.
In Erweiterung des BUBBLE DIALOGUE wird im Projekt CAIMAN
(Computer-Assisted Interactive-multimedial MANager training) an der
Universität München damit begonnen, Rollenspielsequenzen
als Videosignale in die Lernumgebung am Rechner einzubinden (Mandl,
Henninger & Nistor, 1992). Der Benutzer hat die Aufgabe, an
festgelegten Punkten der Videoeinspielung Anmerkungen,
Alternativäußerungen oder metakommunikative Kommentare in
den Computer einzugeben. Die inhaltliche Gestaltung der Videofilme
ist zum Teil auf konkrete Trainingsinhalte (z.B. Rollenspiel des
Teilnehmers) selbst bezogen, zum Teil aber auch auf vorproduzierte
Gesprächssituationen.
5. Ausblick
Es kann nicht bezweifelt werden, daß das Thema Lernen mit
dem Computer in der heutigen Empirischen Pädagogik eine
zentrale Rolle spielen muß. Trotz durchaus vielfältiger
Anstrengungen kann aber der Forschungsstand keineswegs
zufriedenstellen; vielmehr ist festzuhalten, daß zu wenige
theoriegeleitete empirische Befunde vorliegen. Die meisten
Aktivitäten zum Lernen mit dem Computer innerhalb der
Empirischen Pädagogik befassen sich mit der Entwicklung und dem
Einsatz neuer Lernsysteme, zu wenige jedoch mit deren Evaluation oder
gar mit der kognitiven Modellierung der dabei intendierten und
initiierten Lernprozesse. Kritisch anzumerken ist zudem, daß
sich die Pädagogik stark an der Technikentwicklung orientiert:
Pädagogisch wird das erforscht, was technisch bereits realisiert
ist. Stattdessen sollten umgekehrt solche Systeme entwickelt werden,
die pädagogisch sinnvoll sind. Pädagogische Theoriebildung
sollte der Erstellung der Systeme also vorausgehen und sie
leiten.
Empirische Untersuchungen zum Lernen mit dem Computer sind zumeist
auf die Resultate von Lernprozessen ausgerichtet, also auf die
Produkt- und Wirkungsebene. Gerade auf diesem Gebiet weist die in den
USA durchgeführte Forschung eine umfangreiche Befundlage vor,
die in die deutsche Pädagogik weitgehend übernommen werden
kann (vgl. Fricke, 1991). Ein Manko, zugleich aber ein
vielversprechender Ansatz besteht bezüglich Prozeßanalysen
des Lernens mit dem Computer. Eine geeignete Voraussetzung für
deren Untersuchung bieten Simulationsprogramme und Cognitive Tools,
die detaillierte Analysen kognitiver Prozesse erlauben. Erst dies
gestattet, Befunde aus der kognitiven Psychologie, z.B. zur
Wissensrepräsentation, zum Wissenserwerb oder zur Wissensnutzung
(Mandl & Spada, 1988), für die Theoriebildung in der
Empirischen Pädagogik und für die praktische Anwendung
nutzbar zu machen.
Von grundsätzlicher Bedeutung ist es, Computerprogramme aus
theoretischer Perspektive pädagogisch zu evaluieren, statt sie
lediglich informell zu erproben und dann einzusetzen. Darüber
hinaus stellt sich für künftige Forschung die Aufgabe,
Analysen auf drei Ebenen, die jeweils unterschiedliche Bedeutung
für die Instruktion besitzen, zu leisten, nämlich auf der
Lernerebene, der Programmebene und der
Kontextebene.
Lernerebene. Um Grundlagenwissen für die effiziente
Gestaltung von Lernumgebungen zu erhalten, ist es notwendig, die
Lernprozesse, die zum Wissenserwerb führen, detailliert zu
analysieren (vgl. Fricke, 1991). Einen theoretischen Rahmen
dafür bietet beispielsweise das WEIV-Paradigma (Spada et al.,
1983), das Wissenserwerb als Prozeß der Hypothesengenerierung
und -evaluation konzipiert. Von besonderem Interesse sind dabei die
im Rahmen der Hypothesentestung eingesetzten Strategien (Heuristiken,
domänenspezifische Strategien, exekutive Kontrollstrategien) und
deren Effizienz in Hinblick auf den Aufbau handlungsleitender
Mentaler Modelle über den jeweiligen Gegenstandsbereich (Mandl,
Gruber & Renkl, in Druck).
Neben der Analyse des Erwerbs von Kenntnissen sind darüber
hinaus die Prozesse der (Re-) Strukturierung und der Verfeinerung
(tuning; Anderson, 1982) vorhandenen Wissens zentral, die
qualitative Aspekte der Wissensorganisation bestimmen. Diese sind von
entscheidender Bedeutung, da sie die Anwendbarkeit von Wissen in
verschiedenen Problemsituationen sowie dessen Transferierbarkeit auf
andere Problembereiche bestimmen. Daher sind Analysen der Prozesse
des Aufbaus und der Veränderung von Wissen im Umgang mit
Computerlernprogrammen notwendig. Damit wird Grundlagenwissen
für instruktionale Bedingungen geschaffen, die Lernprozesse
initiieren, an deren Ende anwendbares Wissen steht. Nach Neber (1991)
sind dabei insbesondere die hierarchische Organisation und die
Konditionalisierung von Wissen auf relevante Anwendungsbereiche von
Belang.
Neben den wissensinternen Determinanten der Transferierbarkeit von
Wissen sind auch Faktoren, die außerhalb des
domänenspezifischen Wissens liegen, von Bedeutung, etwa
metakognitive Kompetenzen (Clark, in Druck; DeCorte, 1989; Salomon
& Perkins, 1989). Die Prozesse des Erwerbs metakognitiver
Kompetenzen und deren Förderung durch den Einsatz vom
Computerprogrammen sind somit ebenfalls von zentraler Bedeutung.
Collins und Brown (1988) beispielsweise sehen ein Potential von
Computern darin, die Bewußtheit eigener kognitiver Prozesse zu
fördern, indem sie die Problemlöseprozesse des Lerners,
z.B. die Schritte bei der Lösung einer mathematischen
Problemstellung, in abstrahierter Form wiedergeben.
Neben den genannten, eher kognitiven Themenstellungen sollten auf
Lernerseite in der künftigen Forschung verstärkt soziale
und motivationale Prozesse beim Lernen mit dem Computer beachtet
werden (Lepper & Malone, 1987). Gerade der Computer bietet durch
die Faszination, die er auf viele ausübt, die Möglichkeit,
Lernumgebungen zu schaffen, bei denen der Lernende intrinsisch
motiviert oder bei denen gar Flußerleben
(Csikszentmihalyi, 1985) ermöglicht wird (Rheinberg, 1985).
Programmebene. Auf der Programmebene sind Analysen zu fordern,
die Effekte der Gestaltung und Sequenzierung instruktionaler Elemente
evaluieren. Ein fruchtbarer Weg in diesem Bereich könnte die
Übertragung der Konzepte situierten Lernens (Collins et al.,
1989; Spiro et al., 1989; The Cognition and Technology Group at
Vanderbilt, 1990) auf die Programmgestaltung sein, da das Problem der
Vermittlung anwendbaren und transferierbaren Wissens zur Zeit sowohl
ein wissenschaftlich intensiv diskutiertes als auch ein praktisch
bedeutsames Thema darstellt (Resnick, 1987). An dieser Stelle seien
exemplarisch einige Anregungen für die Programmgestaltung aus
Modellen des situierten Lernens erwähnt.
Der Ansatz der Cognitive Apprenticeship (Collins et al., 1989)
gibt Hinweise auf die Sequenzierung von Lernaufgaben. Diese sollten
aufsteigende Komplexität aufweisen, so daß mehr und mehr
Fertigkeiten und Konzepte erworben und angewandt werden müssen.
Eine große Diversität der Aufgabenstellungen hilft, die
erworbenen Fertigkeiten und Kenntnisse bei verschiedenen
Aufgabentypen anzuwenden und damit in einem weiten Anwendungsbereich
nutzbar zu machen. Schließlich ist darauf zu achten, daß
Beschränkungen zu Beginn eines Lernprozesses nicht zum
Trainieren lokaler Fertigkeiten führt, deren Sinn der Lerner im
Gesamtkontext nicht erfaßt. Globale Aufgaben sind in
frühen Lernphasen günstiger; sie ermöglichen es, den
Zweck der zu erwerbenden Kompetenz einzuordnen. Sind bei den globalen
Aufgaben einzelne Anforderungen zu schwierig, können diese vom
Lernprogramm übernommen werden.
Im Konzept der Random Access Instruction (Spiro et al., 1989)
wird insbesondere die Einnahme multipler Perspektiven betont. Wissen
soll zu verschiedenen Zeiten, bei verschiedenen Aufgabentypen, in
verschiedenen kontextuellen Einbettungen und unter verschiedenen
Zielsetzungen angewandt werden. Damit wird Wissen zum einen multipel
kontextuiert und zum anderen abstrahiert (Adams, 1989). Solcherart
erworbene Kenntnisse und Fertigkeiten können auch in realen
Problemstellungen angewandt werden, die in der Regel komplexer sind
als übliche Lernaufgaben.
Im Licht der Ansätze zum situierten Lernen ist die
Weiterentwicklung und Evaluation offener computerunterstützter
Lernumgebungen besonders interessant, in denen der Lerner eine
aktiv-konstruktive Rolle einnehmen kann. Neben Mikrowelten (Papert,
1982) bieten insbesondere Hypercard-Systeme (Jonassen & Mandl,
1990; Spiro, Feltovich, Jacobson & Coulson, 1991) für diesen
Zweck geeignete Lernumgebungen.
Kontextebene.
Der Kontext, in dem ein Lernprogramm eingesetzt wird, ist in
mehrfacher Weise von Bedeutung. An dieser Stelle seien drei besonders
bedeutsame Aspekte aufgegriffen, nämlich die Kombination von
Lernprogrammen mit anderen Lernmedien, die Rolle des Lehrenden und
die Bedeutung der sozialen Lernform.
Ein Lernprogramm ist in aller Regel nur ein Baustein einer
Lehreinheit. Um das volle Potential von Lernprogrammen zu nutzen,
muß der Einsatz des Rechners vor- und nachbereitet sowie der
richtge Einsatzzeitpunkt ausgewählt werden, d.h. das
Lernprogramm ist in ein didaktisches Gesamtkonzept einzubetten.
Vielfach werden zusätzlich andere Medien, z.B. schriftliche
Unterrichtsmaterialien, Lehrfilme oder Videoeinbindungen in
Rechnerprogramme eingesetzt (Medienverbund).
Die Integration von Lernsoftware in das Unterrichtskonzept ist -
zumindest zum Teil - Aufgabe des Lehrenden. Vielfach
geäußerte Befürchtungen, der Computer könne den
Lehrenden überflüssig machen, erwiesen sich bislang als
nicht begründet (Weidenmann & Krapp, 1989). Im Gegenteil
bleibt dem Lehrer, wenn ihm der Computer bestimmte Aufgabenbereiche
wie etwa die Durchführung von Drillphasen abnimmt, mehr Zeit,
auf Schüler individuell einzugehen oder andere, eher aufwendige
Unterrichtsformen (z.B. problemorientierte Projektphasen)
vorzubereiten. Natürlich stellt der Einsatz neuer
Unterrichtstechnologien den Lehrer oder Seminarleiter auch vor neue
Anforderungen, wenn der Computer effizient genutzt werden soll
(Achtenhagen, 1991). Bislang ist jedoch wenig darüber bekannt,
welche zusätzlichen Qualifikationen Lehrende benötigen.
Sicherlich sollte sich Fortbildung nicht nur auf technische Hardware-
und Software-Aspekte beschränken, sondern Lehrenden die
didaktischen Funktionen vermitteln, die bestimmte Programme
erfüllen bzw. vernachlässigen. Sie müssen wissen, wann
sie Lernhilfen geben sollen, die über diejenigen hinausgehen,
die im Programm implementiert sind, wie diese Hilfen zu gestalten
sind und wie Lehreinheiten mit dem Computer vor- und nachzubereiten
sind. Hier liegt erheblicher Forschungsbedarf vor.
Der dritte Kontextaspekt, den wir erwähnen wollen, ist die
Sozialform des Lernens mit dem Computer (Brockmann, 1977; Huber,
1985; Karl, 1977; Leutner, 1988). Hinter dem Einsatz von Computern
wird häufig ein heimlicher Lehrplan vermutet (Geulen, 1988), der
die Sozialisation eines leistungsorientierten Einzelgängers
intendiert. Andererseits zeigt sich, daß der Computer soziale
Interaktionen nicht nur dadurch fördern kann, daß er als
nicht endender Gesprächsstoff dient (Frey, 1989), sondern auch,
indem er vielfältige Möglichkeiten zum kooperativen Lernen
bietet (Huber, 1985; O'Malley & Scanlon, 1990), etwa bei
Planspielen (Fürstenau, 1992; Leutner, 1988; Mandl, Gruber &
Renkl, 1992) oder bei Hypercard-Systemen (Blaye & Light, 1991).
Die Möglichkeiten kooperativen Lernens mit dem Computer sind vor
allem aus zwei Gründen von Bedeutung. Erstens erfordert der
Berufsalltag in den Industriestaaten vielfach kooperative
Kompetenzen, zweitens kommt in den Ansätzen zum situierten
Lernen der Kooperation ein besonderer Stellenwert zu (Collins et al.,
1989). Lernt er mit anderen, muß der Lernende seine Gedanken
und Standpunkte äußern, um sie den Mitlernern mitzuteilen.
Durch dieses Explizieren bzw. Artikulieren wird eine fachliche
Auseinandersetzung mit den Mitlernern über potentielle
Problemdefinitionen und -lösungen angeregt. Artikulation und
Reflektion fördern jedoch nicht nur die Entwicklung
differenzierter Standpunkte und Sichtweisen, sondern auch die
metakognitive Bewußtheit für eigene kognitive
Prozesse.
Die drei genannten Ebenen - Lerner, Programm, Kontext - sind
natürlich nicht nur isoliert zu betrachten; von besonderem
Interesse ist ihr Zusammenspiel, z.B. die Auswirkungen eines
kooperativen Lernkontextes auf Prozesse des Wissenserwerbs (Mandl et
al., 1992) oder der Einfluß der Aufgaben- und
Rückmeldungsstruktur eines Lernprogrammes auf Möglichkeiten
kooperativen Lernens (Blaye & Light, 1991; Huber, 1985; O'Malley
& Scanlon, 1990). Insbesondere von Studien, die
solchermaßen verschiedene Ebenen einbeziehen und deren
gegenseitige Abhängigkeiten analysieren, sind in Zukunft
Erkenntnisse zu erwarten, die von unmittelbarer praktischer Relevanz
für die Gestaltung computerunterstützter Lernumgebungen
sind.
Für künftige Forschungsvorhaben ist zudem zu fordern,
daß Befunde und Kompetenzen aus verwandten wissenschaftlichen
Teildisziplinen integriert werden, so etwa aus den Bereichen der
kognitiven Psychologie, des Instructional Design und der
Künstlichen Intelligenz. Dabei ist es auch für die deutsche
Forschung besonders vielversprechend, in Zukunft verstärkt auf
europäischer Ebene zu kooperieren, wie dies bereits im Rahmen
des CERI-Projekts (Centre for Educational Research und
Innovation, 1987, 1989) oder des DELTA-Programmes (Commission
of the European Communities, 1991) geschieht.