Meinungsfreiheit und Zensur im Internet

Über die Versuche das Internet zu regulieren

Hausarbeit im Proseminar 28 730

"Einführung in die Kommunikationspolitik II: Mulitmedia, Virtual reality, e-mail und interaktives Fernsehen - Kommunikationspolitik im Zeitalter neuer Kommunikationssysteme"
Dozent: Dr. Ulrich Lange
Sommersemester 1996

von:

Christian Obad

Weserstraße 43

12045 Berlin

obad@zedat.fu-berlin.de


Gegen Stau auf der Datenautobahn: Diese Seite kommt völlig ohne Grafiken aus!


Inhalt

1. Einleitung

Zur Methode der Arbeit

Die Vorgehensweise

2. Motive für Regulierungen

2.1. Mißbrauch - gesetzeswidrige Inhalte oder Einschränkung der Meinungsfreiheit?

2.2. Schutz Minderjähriger

2.3. "Organisierte Kriminalität"

3. Maßnahmen

3.1. Staatliche Maßnahmen

3.1.1. Legislative Maßnahmen

3.1.2. Politik

3.1.3. Justiz

3.1.4. Exekutive

3.2. Maßnahmen der Provider: Der ECO und die ITCF

3.3. Methoden der Selbstregulierung als Alternative

3.3.1 Selbstkontrolle

3.3.2 gemeinschaftlicher Konsens und Maßnahmen

3.3.3. Die Nettiquette

4. Probleme im Zusammenhang mit Regulierungsmaßnahmen

4.1. Technische Probleme

4.2. Rechtliche Probleme

4.3. Politische Probleme

5. Resumee

6. Quellen- u. Literaturverzeichnis



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1. Einleitung

Solange das Internet noch die Spielwiese der Universitäten war - lange bevor Vizepräsident Al Gore den Information Superhigway als Ziel der amerikanischen Regierung ausgerufen hatte -, war es der "Ort”, an dem alles möglich war. Von staatlichen Stellen unbehelligt und auch unbemerkt entwickelte sich das "Netz der Netze” zum Kommunikationsmedium - nicht nur für Computerfreaks, sondern auch für Gesellschaftskreise, die ansonsten von Massenkommunikationsmitteln eher ausgeschlossen waren, wie politische Extremisten oder Menschen mit paraphilen sexuellen Neigungen.

Doch inzwischen ist das Internet den Universitäten entwachsen, hat seine militärischen Wurzeln abgelegt und entwickelt sich zu einem weltumspannenden Massenkommunikationsmittel. Längst ist es von der die Grenzen des Wachstums verleugnenden Wirtschaft als zukunftsträchtiger Wachstumsmarkt erkannt und als solcher hochstilisiert worden. Ein solcher Hoffnungsmarkt muß erst entwickelt werden und so ist es kein Wunder, daß Wirtschaft und Medien das Internet seit ca. zwei Jahren forcieren. Kaum eine Anzeige in den Printmedien, die nicht eine Internetadresse aufweist und kaum ein Medium, das nicht über das Internet berichtet oder gar eine eigene Rubrik/Sendung eingerichtet hätte.

Kein Wunder also, wenn das Internet weiterhin exponentiell wächst. 60 Millionen Nutzer soll es geben - genaue Schätzungen oder gar Zählungen sind aufgrund der dezentralen Struktur des Netzes nicht möglich. Damit bekommt das Netz aber plötzlich auch gesellschaftliche und somit politische Bedeutung. Politische Bedeutung meint in diesem Sinne vor allem auch Bedeutung für die Politik. Die beginnende Berichterstattung beschränkte sich mangels tieferen Verständnisses des Internet auf Sensationelles, wie Pläne zum Bombenbauen oder pornographische Inhalte. Nicht zuletzt durch solche Berichte wachgerüttelt, wurde weltweit begonnen, an Regulierungen für dieses unkontrollierte, dynamisch wachsende Phänomen "Internet” zu arbeiten. Und so war die Internetberichterstattung im Jahre 1996 weltweit geprägt von den ersten Zensur- und Regulierungsversuchen, die auch im Netz selbst sehr eifrig diskutiert wurden. Wie kann es gelingen, ein Gebilde wie das Internet - als Zusammenschluß tausender selbständiger Netze - unter Kontrolle zu bringen? Diese Arbeit möchte Regulierungsansätze aufzeigen und darstellen, welche Probleme damit verbunden sind.

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Zur Methode der Arbeit:

Zu Beginn der Arbeit stand die Frage, ob man den "Information Superhighway" überhaupt für wissenschaftliches Recherchieren nutzen könne. Das Thema eignete sich für einen solchen Versuch sehr gut, da das Internet in meiner Wahrnehmung einen sehr hohen Grad an Selbstreferenzialität aufweist. (So ergab eine Suche nach dem Begriff ”Internet” bei Alta-Vista über 20 Millionen Treffer.[1]) Die Ergebnisse der Recherche waren überraschenderweise so gut, daß ich hier versuche, mich ausschließlich auf im Internet verfügbare Quelle zu beziehen. Wenn auch einige nicht den Anspruch wissenschaftlicher Rigorosität erfüllen, gibt es doch auch eine überraschende Zahl wissenschaftlicher oder qualitativ hochwertiger journalistischer Arbeiten zum Thema.

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Die Vorgehensweise:

Bei den großen Suchmaschinen (altavista [2], yahoo [3], webcrawler [4], lycos[5]) wurde nach Kombinationen der Begriffe internet, zensur, censorship, regulierung gesucht. Die gefunden Webseiten wurden mit Hilfe von ”Freeloader” [6] geladen und nach den Schlüsselbegriffen durchsucht. Weiters wurden die Hompages der politischen Parteien und des Bundestages mit den an diesen Stellen befindlichen Suchmechanismen untersucht. Außerdem wurden die Usenet-Newgsroups ”alt.freedom.of.information.act” (ca. 200 Artikel), de.soc.zensur (1327 Artikel) und news.admin.censorship (3497 Artikel) ausgewertet. Diese Recherche-Methode erwies sich aufgrund der großen Datenmenge als sehr aufwendig und brachte ein weiteres Problem mit sich, das für die dynamische Entwicklung des Internet typisch ist: Jede Nachrecherche brachte veränderte Sachverhalte. Die Arbeit mußte mehre Male umgeschrieben werden. War zu Beginn der Arbeit der Fall "CompuServe” das Paradebeispiel für Regulierungsversuche in Deutschland, ereignete sich später der 'Fall radikal', der die Probleme viel besser aufzuzeigen in der Lage ist. Zudem sind die für das Thema relevanten Informationen ungemein komplex. So spielen neben technischen, politischen und rechtswissenschaftlichen Fragen auch soziolgische und ethisch/philosophische Probleme mit, die das Thema meiner Ansicht nach für eine weiterführende Arbeit (etwa im Rahmen einer Magisterarbeit) interessant erscheinen läßt. Für eine Grundstudiumshausarbeit können Probleme nur aufgezeigt werden, die es wert wären ausführlicher behandelt zu werden.


Wenn auch Entwicklungen im Ausland angesprochen werden, so liegt der Schwerpunkt dieser Arbeit auf Deutschland.

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2. Motive für Regulierungen

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2.1. Mißbrauch - gesetzeswidrige Inhalte oder Einschränkung der Meinungsfreiheit?

Auf der ganzen Welt wird von Regierungen an Maßnahmen gearbeitet, die eine Regulierung und Kontrolle der Inhalte des Internet zum Ziel haben. Und überall auf der Welt wird der Mißbrauch des Internet als Hauptmotiv angegeben:

”[...]Der Bund wird den Mißbrauch der globalen Datenbahnen durch die Verbreitung gesetzwidriger Inhalte wie Kinderpornographie und Extremismus nicht hinnehmen. [...]” [7]

Bei der Verbreitung von Kinderpornos herrscht weltweiter Konsens, was die Rechtswidrigkeit angeht. Aber schon bei der Darstellung anderer sexueller Praktiken unterscheiden sich sogar die demokratischen Staaten wesentlich. Was in den Niederlanden erlaubt ist, ist in Deutschland oder den Vereinigten Staaten verboten. Während sogar hier gewisse pornographische Darstellungen erlaubt sind, solange sie Kindern und Jugendlichen nicht zugänglich gemacht werden,[8] ist in Ländern, die anderen Kulturkreisen angehören, Pornographie gänzlich verboten (neben vielen anderen in China, Singapur, Kuwait.[9]

Doch nicht nur die Verbreitung von Pornographie wird als Mißbrauch eingestuft. Auch die Verbreitung bestimmter politischer Meinungen ist in unterschiedlichen Ländern unerwünscht, rechtswidrig und in diesem Sinne Mißbrauch des Internets. Besonders den totalitär regierten Ländern in Asien und im mittleren Osten sind die beispiellosen Möglichkeiten der Kommunikation und Information [10] ein Dorn im Auge. So sagte der chinesische Minister für Telekommunikation im Juni 1995: ”By linking with the Internet, we do not mean the absolute freedom of information”.[11] Daher sind auf chinesischen Newsservern auch die Diskussionsgruppen der alt-, rec- und soc-Hierachien verboten, während Gruppen, die sich mit Technik oder Forschung befassen (sci- und comp-Hierachien) zugänglich sind.[12] Auch aus dem kuwaitischen Minsterium für Kommunikation verlautet: Internet Service Provider ”must ensure that no pornography or politically subversive commentary is availiable in Kuwait”.[13] Ähnliches gilt für Singapur, Indonesien, Vietnam, Saudi Arabien und den Iran. [14]

Doch auch in den demokratischen Ländern gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen von Meinungsfreiheit und von der Rechtswidrigkeit bestimmter politischer Äußerungen und damit vom Mißbrauch des Internet. So ist in Deutschland rechtsradikale Propaganda verboten, während sie in den Vereinigten Staaten durch die Meinungsfreiheit gedeckt ist. [15] Dahingegen ist in Frankreich z.B. die Leugnung des Holocaust strafbar. Im März 1996 gab eine Klage gegen einen Service Provider, der solche Propaganda zugänglich machte. [16]

Auch in den demokratischen Ländern wird also versucht, die Verbreitung von unerwünschten Inhalten zu verhindern. Bei den totalitären Regimen ist die Beschneidung der Meinungsfreiheit dabei deutlicher wahrnehmbar als bei den demokratischen Staaten. In meinen Augen handelt es sich dabei allerdings nur um graduelle Unterschiede; und daß, obwohl die Meinungs- und Informationsfreiheit nicht nur Bestandteil aller demokratischen Verfassungen ist, sondern sich auch in der der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wiederfindet:

Everyone has the right to freedom of opinion an expression: this right includes freedom to hold opinions without interfernce and to seek, recieve an impart information an ideas through any media regardless of frontiers” [17]

Auch in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten findet sich in Artikel 10:

"(1) Jedermann hat Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ein. [...]" [18]

Mit dem Internet steht erstmalig in der Geschichte ein Medium zur Verfügung, das die Ausübung dieser Rechte dem Einzelnen ermöglicht. Traditionelle Massenmedien werden von einer kleinen Gruppe von Produzenten für eine große Anzahl von Konsumenten gemacht, wohingegen im Internet die Unterscheidung zwischen Produzent und Konsument verschwindet. Während es dem Einzelnen nur schwer möglich ist, seine Meinung über den Weg der traditionellen Massenmedien einem großen Publikum zugänglich zu machen, bietet das Internet dem Einzelnen sehr viel einfacher die Möglichkeit der Verbreitung seiner Meinung. Es geht sogar soweit, daß dem Individuum die gleichen Möglichkeiten offenstehen wie etwa einem großen Verlag. Mit dem zunehmenden Wachstum des Internet wird die Teilnahme daran auch immer einfacher und billiger, [19] sodaß das Internet sich zum einzigen 'wirklichen' Massenmedium entwickeln könnte, bei dem tatsächlich Massen mit Massen kommunizieren. [20]

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2.2. Schutz Minderjähriger

Als zweitwichtigster Grund für Regulierungen wird der Schutz der Jugend angeführt und auf bestehende Gesetze zum Schutz der Jugend verwiesen. So ließ Familienminsterin Claudia Nolte ließ mit dieser Begründung die World Wide Web Seiten des in Kanada lebenden Neo-Nazis Ernst Zündel auf den Index jugendgefährdenter Schriften setzen. [21]

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2.3. "Organisierte Kriminalität"

In der medialen Diskussion wird auch die Tatsache, daß sich das "organisierte Verbrechen" der Kommunikationsmöglichkeiten des Internet bedient, als Grund für die Notwendigkeit von Regulierungen angesehen. Dieser Punkt ist besonders in der Diskussion um die Verwendung von Verschlüsselungsverfahren (encryption, PGP) ein wichtiges Argument der Regulierungsbefürworter. Auf diese Diskussion kann ich an dieser Stelle leider aus Platzgründen nicht eingehen.

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3. Maßnahmen

Die Maßnahmen der Regulierung von (Internet-)Inhalten findet auf drei Ebenen statt: Zuoberst sind das staatliche Maßnahmen der Gesetzgebung, Regierung und Justiz. Diese haben zumeist keine direkte Eingriffsmöglichkeiten in den "Netzverkehr”. Darunter befindet sich die Ebene der Internet Service Provider (ISP), jener privaten oder staatlichen Institutionen, die Zugang zum Internet anbieten und damit auch über gewisse technische Eingriffsmöglichkeiten verfügen. Schließlich gibt es noch die Ebene der Nutzer, die gerade im Internet zu einem großen Teil selbst verantwortlich sind für die Inhalte, die sie konsumieren.

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3.1. Staatliche Maßnahmen

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3.1.1. Legislative Maßnahmen

Während der US-amerikanische Senat bereits am 14. Juni 1995 den Communications Decency Act (CDA) mit großer Mehrheit verabschiedete, [22] war in Deutschland auch am 11.08.1995 "die Meinungsbildung der Bundesregierung zu Schutzmaßnahmen gegen die Verbreitung von Darstellungen mit rechtswidrigem Inhalt [...] noch nicht abgeschlossen” und "ein innerstaatlicher Handlungsbedarf in Deutschland [...] nicht gegeben”. [23] Man verwies vielmehr auf das Bestehen "zahlreicher gesetzlicher Vorschriften des Bundes und der Länder” für den Schutz der Jugend.

Neun Monate später erklärte Bundesminister Jürgen Rüttgers in einer Pressemitteilung, der Staat müsse seiner Verpflichtung zur Sicherung des Jugendschutzes gerade im Multimediazeitalter nachkommen. Er hielt ein nationales Vorgehen für notwendig, wenn auch nicht ausreichend. Man suche "beim Jugendschutz und beim Schutz vor anderen unzulässigen, z.B. rassistischen Angeboten, [...] nach neuen Wegen”. [24]

Der in den Vereinigten Staaten von Kreisen der christlichen Rechten forcierte CDA [25] wiederholt Tatbestände, die in den Vereinigten Staaten bereits verboten sind, online wie offline, etwa der Besitz und die Verbreitung von Kinderpornographie. Aber der CDA geht einen bedeutenden Schritt weiter:

"Whoever [...] initiates the transmission of, any comment, request, suggestion, proposal, image, or other communication which is obscene, lewd, lascivious, filthy, or indecent [...] shall be fined not more than $100,000 or imprisoned not more than two years, or both." [26]

Am 11.6.1996 hat das Bundesgericht für den District Ost-Pennsylvania in Philadelphia, den CDA für unvereinbar mit der amerikanischen Verfassung und ihrem ersten Zusatz, der das Recht der Redefreiheit garantiert, erklärt. [27]

In Deutschland wurde in der Zwischenzeit vom Bundestag eine Enquette-Kommission zur Zukunft der Medien eingesetzt.In ihrem Zwischenbericht apelliert die Kommission auf eine Rückbesinnung auf die verfassungsrechtlich formulierte Informationsfreiheit und kommt zur Überzeugung, ”daß für die neuen Kommunikations-formen im Grundsatz keine besondere Regulierung erforderlich und gerechtfertigt ist”. [28]Auch erkennt die Kommission die "Grenzen der nationalen Regulierbarkeit".Rechtswidrige Inhalte könnten jederzeit im Ausland angeboten werden, selbst wenn sie dort unzulässig wären. ”Abhilfe ist notwendig, aber schwierig.”[29]

Die Abhilfe sollte das "Multimediagesetz" schaffen, in dessen ursprünglichen Entwurf noch die"Betreiber von Telediensten"für Inhalte, die über ihr System verbreitet werden, verantwortlich gemacht werden sollten.[30]

Im aktuellen Entwurf ist davon allerdings keine Rede mehr:

”Diensteanbieter sind für fremde Inhalte, zu denen sie lediglich den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich. Eine automatische und kurzzeitige Vorhaltung fremder Inhalte aufgrund Nutzerabfrage gilt als Zugangsvermittlung”.[31]

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3.1.2. Politik

Obwohl alle Parteien im Internet mit Homepages vertreten sind, [32] fehlen klare Stellungnahmen der Parteien zu Regulierungsvorhaben. Lediglich einzelne Angeordnete oder Landesverbände bieten "Positionspapiere" an.

In der Koalitionsvereinbarung der SPD in Nordrhein-Westphalen sind einige Grundsätze der SPD zum Thema "Virtuelle Realitäten” festgehalten: ”Information ist bis heute ein öffentliches und freies Gut geblieben. [...] Eine demokratische Gesellschaft kann jedoch nur dann funktionieren, wenn ihre Mitglieder und Organisationen sich frei austauschen können”. [34]

Von Seiten der CDU ließ sich im Internet kein Hinweis auf deren Einstellung zu Regulierungsmaßnahmen finden. Allerdings befindet sich der Zwischenbericht der Enquette-Kommission "Zukunft der Medien" auf einem Server der CDU/CSU. [35] Ansonsten muß man mit diversen Äußerungen und Handlungen von CDU-Ministern begnügen, die in dieser Arbeit an anderer Stelle zitiert werden und die die Notwendigkeit von Regulierungsmaßnahmen unterstreichen.

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3.1.3. Justiz

In der Gesetzesvorlage des Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz (IuKDG) wird festgehalten:

”Diensteanbieter sind für fremde Inhalte, zu denen sie lediglich den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich. Eine automatische und kurzzeitige Vorhaltung fremder Inhalte aufgrund Nutzerabfrage gilt als Zugangsvermittlung”. [36]

Trotzdem kam die deutsche Justiz 1996 mehrfach mit Ermittlunngsverfahren gegen Diensteanbieter (Internet Service Provider (ISP)) in die internationalen Medien.

So im "Fall CompuServe":

Eine kurze Chronologie des Falles:

"22.11.95: Staatsanwaltschaft durchsucht CompuServe wegen Verdachts auf Verbreitung von Kinderpornographie.

08.12.95: Sachbearbeiter des Polizeipräsidiums München übergibt CompuServe eine Liste mit Newsgroups "zur Überprüfung".

27.12.95: CompuServe sperrt über 200 Newsgroups, deren Name "sex" oder ”gay" enthält, für alle Kunden in 140 Ländern.

31.12.95: Anleitung zum Zugriff auf gesperrte Newsgroups via CompuServe.

08.01.96: CompuServe will Sperrung in Deutschland mindestens bis zum Abschluß des Ermittlungsverfahrens aufrechterhalten, in anderen Ländern so schnell wie möglich aufheben.

09.01.96: Sprecher des OLG München: "Ich gehe schon davon aus, daß es, wie beim Fernsehen, die Möglichkeit gibt, bestimmte Programme zu sperren."

16.02.96: CompuServe stellt nahezu alle Newsgroups wieder zur Verfügung, auch in Deutschland."[37]

Während der Recherche zu dieser Arbeit ereignete sich ein weiterer Fall, an dem sich viele Teilaspekte der Problematik einer Internetregulierung besser aufzeigen lassen:

Der 'Fall radikal'

Eine kurze Chronologie des Falles:

"30.08.96: Fax der Bundesanwaltschaft an ECO: "Anfangsverdacht".

02.09.96: ECO empfiehlt Sperrung von www.xs4all.nl. Zugang über WWW-Anonymisierer weiter möglich.

03.09.96: Erster radikal-Mirror.

06.09.96: XS4ALL rotiert IP-Nummern: Server wieder erreichbar.

09.09.96: Bundesanwaltschaft hat andere Provider und Online-Dienste "ebenfalls abgemahnt".

11.09.96: radikal wird in de.soc.zensur gepostet.

11.09.96: CompuServe löscht die WWW-Seiten der PDS-Politikerin Angela Marquardt vom eigenen Server. Keine Beschränkung des Internet-Zugangs.

13.09.96: Felix Somm, CompuServe: "Nach wie vor [kann] auf alle Inhalte im Internet zugegriffen werden."

15.09.96: XS4ALL veröffentlicht Modem-Einwahlnummern.

16.09.96: ECO sperrt das gesamte XS4ALL-Netz.

24.09.96: XS4ALL-Kunde ersetzt radikal vorläufig durch einen Verweis auf die Mirror-Sites.

24.09.96: ECO hebt Empfehlung zur Sperrung von www.xs4all.nl auf.

25.09.96: radikal wieder bei XS4ALL verfügbar.

01.11.96: 58 Mirror-Sites."[38]

Nach Ansicht der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe verstößt die Ausgabe 154 der Zeitschrift radikal gegen die Paragraphen 129a und 130a StGB (Werbung für eine terorristische bzw. Kriminelle Vereinigung).[39] In diesem Zusammenhang wurden die Deutschen Internet Service Provider am 30.08.1996 zur Sperre des entsprechenden Servers in den Niederlanden aufgefordert. Zwei Wochen später drohte die Bundesanwaltschaft Ermittlungen gegen diejenigen Provider an, die der ersten Mahnung nicht gefolgt waren. [40]

Es wurden aber nicht nur gegen die Provider Ermittlungen angedroht bzw. durchgeführt. Die Staatsanwaltschaft Berlin I hat Anklage gegen Angela Marquardt, stellvertretende Vorsitze der PDS, erhoben. Ihr wird vorgeworfen, sich strafbar gemacht zu haben, indem sie auf ihrer Homepage einen Hyperlink auf die von der Bundesstaatsanwaltschaft beanstandete Ausgabe der Zeitschrift radikal gesetzt hat. [41]

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3.1.4. Exekutive

Auch die deutsche Polizei ist tätig geworden. Anfang 1996 wurde in München eine fünfköpfige Spezialeinheit gebildet, die im Internet nach jugendgefährdendem oder verbotenem Material fahndet. [42]

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3.2. Maßnahmen der Provider: Der ECO und die ITCF

Aber nicht nur von staatlicher Seite wird versucht, das Internet in den 'Griff' zu bekommen. Auch auf der Ebene der Internet Service Provider (ISP) gibt es Ansätze zur Regulierung des Datenverkehrs im Netz.

So hat das Electronic Commerce Forum (ECO) - ein Zusammenschluß der meisten kommerziellen ISP in Deutschland - im Juni 1996 die Internet Content Task Force (ITCF) beschlossen:

”Mit der ICTF werden technische und organisatorische Maßnahmen eingeleitet, die der Verbreitung von jugendgefährdenden Inhalten und nationalsozialistem [sic!] Propagandamaterial eine wirksame Kontrolleinrichtung entgegenstellen”. [43]

Eine der Maßnahmen ist die Einrichtung eines Newsservers, der die ”Herkunftsnachweise kritischer Inhalte” [44] in einer Datenbank archiviert. Außerdem sollen die Diskussionsforen stichprobenartig einer juristischen Überprüfung unterzogen werden. Schon beim Verdacht, ”daß rechtswidrige Inhalte transportiert werden” sollen ganze Newsgroups gesperrt oder einzelne Artikel gelöscht werden. [45]

Im 'Fall radikal' wurde der ITCF erstmals tätig und empfahl seinen Mitgliedern, den Zugang zum Webserver zu sperren, auf dem sich radikal 154 befindet. [46]

Zur Sphäre der Internet Service Provider gehören auch die großen Online-Dienste wie America Online (AOL) oder CompuServe, die über ihre Zugangsverträge rigorose Anstandsregeln vorschreiben.

AOL unterhält gar einen eigenen Überwachungsdienst und behält sich das Recht vor, Email zu überprüfen. [47]

CompuServe hat noch im Dezember 1995 auf Hinweise der Staatsanwaltschaft in Zusammenhang mit strafbaren Inhalten in Newsgroups reagiert (siehe oben), sich im 'Fall radikal' allerdings zurückgehalten. Einzig die Homepage der stellvertretenden PDS-Vorsitzenden Angela Marquardt, die einen Hyperlink auf die beanstandete Internetseite in den Niederlanden beeinhaltete, wurde gesperrt. Allerdings mit dem Hinweis, der Hyperlink widerspreche den Geschäftsbedingungnen. [48]

Letztlich gehören auch die Universitäten in diese Sphäre, da sie einer großen Zahl von Lehrenden und Studierenden einen Zugang zum Internet ermöglichen. Berichterstattung über deren Regulierungsmaßnahmen sind allerdings die Ausnahme und auch Untersuchungen in diese Richtung würden den Rahmen dieser Arbeit sprengen.

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3.3. Methoden der Selbstregulierung als Alternative

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3.3.1 Selbstkontrolle

Im Gegensatz zu Rundfunk und Fernsehen wird im Internet im allgemeinen nichts 'ausgestrahlt'. Nutzer müssen die Inhalte aktiv abrufen. Man könnte das mit dem 0190-Service im Telfonnetz der Telekom vergleichen, bei dem durch Dritte (kostenpflichtige) Informations- oder Unterhaltungsangebote angeboten werden. Rechtswidrige Inhalte gelangen nicht von alleine vom Anbieter zum Konsumenten. Nationalsozialistische Propaganda oder Kinderpornographie finden nur diejenigen, die auch gezielt danach suchen. Eine Parallele zur materiellen Wirklichkeit - auch da finden wirklich Interessierte Illegales, seien es nun Kinderpornos oder verbotene Drogen.

Es sind also Nutzer, die entscheiden, was sie zu Gesicht bekommen. Sie sind es die die einfachsten Regulierungsmaßnahmen setzen können, indem sie z.B. Kinderpornos nicht abrufen. Wo es keine Nachfrage gibt, entsteht auch kein Markt!

Problematischer ist es allerdings beim Schutz der Jugend. Es gibt mittlerweite Software, die unerwünschte jugendgefährdende Inhalte 'herausfiltert'. Diese Software läuft am Computer des End-Nutzers und ist unterschiedlich konfigurierbar. Diese Software wird von der Kommission der Europäischen Union empfohlen. [49]

Ob sich solche Systeme aber im Bereich des Jugendschutzes bewähren, halte ich für sehr zweifelhaft. Gerade im Bereich der Personal Computer haben Kinder und Jugendliche bei weitem mehr KnowHow als ihre Eltern, die solche Programme einsetzen sollten. Eine wirksame Kontrolle scheint mir unrealistisch. [50]

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3.3.2 gemeinschaftlicher Konsens und Maßnahmen

Noch bevor das Internet ins Schußfeld staatlicher und organisatorischer Regulierungsinteressen geraten war, haben sich Mechanismen der Selbstregulierung entwickelt, die von ganz alleine zur Anwendung kommen, wenn Inhalte gegen einen gewissen Grundkonsens verstoßen (und das passiert bei der nun oft zitierten Verbreitung von Kinderpornographie: Noch Anfang 1996 war es sehr einfach möglich, Kinderpronographie im Netz zu finden. Am Ende des Jahres, nachdem sich die Nutzer des Netzes sehr intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt haben, sind die entsprechenden Newsgroups von den öffentlich zugänglichen Servern verschwunden und im WWW sind vermeintlich einschlägige Angebote inzwischen sehr versteckt. Auch wenn diese Entwicklung durch die Diskussion staatlicher Maþnahmen angefacht wurde, ist deren Erfolg auf die Aktivitäten und Maßnahmen der 'Netizens', der 'Bewohner' des Internet zur¸ckzuf¸hren.)

Besonders in den Newsgroups des Usenets haben sich dabei Maßnahmen entwickelt:

Die einfachste Möglichkeit ist der Protest beim Urheber per Email oder öffentliche Nachricht in der Newsgroup.

Eine verschärfte Form der Sanktionierung ist das Mailbombing, also das Versenden großer Mengen nutzloser Daten per Email.

Daneben gibt es noch andere Sanktionsmöglichkeiten, [51] auf die hier aber nicht näher eingegangen werden soll.

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[ << 3.3.2]

3.3.3. Die Netiquette

Netiquette

[52]

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4. Probleme im Zusammenhang mit Regulierungsmaßnahmen

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4.1. Technische Probleme

Die 'Fälle CompuServe und radikal' haben gezeigt, daß es neben den politischen Problemen, die Fragen der Regulierung aufwerfen, auch noch zu technischen Problemen (für die Regulierer) kommt.

Es hat sich gezeigt, daß eine Sperrung von unerwünschten Inhalten nicht nur unmöglich ist, sondern sich auch noch als kontraproduktiv erweist:

Obwohl Compuserve die beanstandeten Newsgroups von ihrem Server gelöscht hatte, waren diese (auch für CompuServe-Nutzer) weiterhin zugänglich. Es mußte lediglich ein anderer Newsserver angewählt werden. [53]

Die Bundesstaatsanwaltschaft forderte die Sperrung http://www.xs4all.nl/~tank/radikal//154/. [54] Technisch ist eine Sperre auf Seitenebene allerdings nicht möglich. Stattdessen kann nur die numerische Netzadresse (ip-Adresse) des entsprechenden Servers gesperrt werden. Damit werden aber alle Angebote des Servers unzugänglich gemacht. Im vorliegenden Fall handelt es sich dabei um 3500 Internetseiten verschiedener Anbieter (Content Provider). [55]

Der niederländische Service Provider umging die Sperrung dieser Adresse durch eine automatische, zufällige Rotation der Netzadressen des Servers. Damit bleiben Sperrungsversuche erfolglos. [56]

Außerdem kann die entsprechende Seite immer noch über den Umweg eines Anonymizers abgefragt werden. Der Anonymizer arbeitet im Prinzip wie ein Proxy-server. Alle Internetanfragen gehen an diesen Server [57] und erst von dort aus wird auf die gesperrten Server zugegriffen. Ein Program am Server des Internetproviders, der die Seiten sperren will, bekommt nunmehr Ip-Pakete mit der Ip-Adresse des Anonymizers anstelle der Ip-Adresse des zu sperrenden Servers. [58]

Als die Sperrung des Servers von XS4ALL bekannt wurde, wurden die beanstandeten Seiten von mehreren Benutzern in aller Welt gespiegelt, also auf andere Server kopiert. Innerhalb von zwei Wochen gab es mehr als 40 Mirrorsites. [59]

Letztlich erwies sich der Versuch, die "Verbreitung" zu verhindern, als äußerst kontraproduktiv. Durch die Diskussion und die Spiegelung der Inhalte hatte die Ausgabe 154 von radikal mehr Leser alle vorangegangenen. [60]

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4.2. Rechtliche Probleme

Da zu Beginn der oben erwähnten Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft das IuKDG noch nicht rechtswirksam war, erhebt sich die Frage nach der Grundlage der Ermittlungen und damit die Frage nach der Anwendbarkeit bestehender Rechtsnormen auf das Internet.

Sieber sieht sie für den Urheber von pornographischen, gewaltverherrlichenden, rassistischen, nationalsozialistischen und beleidigenden Äußerungen auch dann anwendbar, wenn die Äußerungen durch Computernetze verbreitet werden. (§§ 80a, 111, 130, 130a, 131, 184, 185 StGB) [61]

Dagegen seien spezielle Verwaltungsrechtliche Vorschriften aus dem Bereich des Jugendschutz- und Medienrechts nicht auf das Internet anwendbar. Eine entsprechende Auslegung von GjS oder JÖSchG wird durch den Bestimmtheitsgrundsatz aus Art 103 Ab2. GG und Art. 5 GG verboten. [62]

Es kann mitunter problematisch sein, den Urheber einer Äußerung ausfindig zu machen, insbesondere wenn dieser versucht, seine Identität zu verheimlichen oder zu verschleiern. Während es im WWW noch verhältnismäßig einfach erscheint, den Urheber einer Seite ausfindig zu machen (auch das kann allerdings umgangen werden), ist es in den Usenet-News sehr einfach möglich, seine Identität zu verheimlichen. Zum einen gibt es eine ganze Menge News-server, die auch unbekannten Nutzern das Posten von Nachrichten erlaubt, zum anderen gibt es spezielle Dienste, die Nachrichten anonymisieren. Eine strafrechtliche Mitverantwortung der Service-Provider für die Äußerungen Dritter ist gemäß Sieber in der Regel nicht gegeben. [63]

Eine weitere Problematik ist die der unterschiedlichen Rechtsordnungen. Dadurch entstehen Konflikte in einem Außmaß, das die bisherigen Kollisionsfälle des internationalen Straf- und Privatrechts weit übertrifft. Das Internet findet nicht innerhalb staatlicher Grenzen und damit nicht innerhalb der Grenzen einer Rechtsordnung statt. Es ist in dieser Hinsicht nicht teilbar, wie der Fall CompuServe dargelegt hat. CompuServe konnte die von bayerischen Behörden beanstandeten Newsgroups nur weltweit sperren.

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[ << 4.2.]

4.3. Politische Probleme

Das größte politische Problem ist die oben schon erwähnte Frage, wo die Grenze zu ziehen ist zwischen durch Grundrechte gesicherte freier Meinungsäußerung und dem Interesse eines Staates sich vor "Gefährdung" zu schützen. Problematisch ist es auch wenn ein Staat versucht, seine Rechtsordnung in anderen Staaten durchzusetzen.

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5. Resumee

Ich wollte in dieser Arbeit darstellen, welche Bestrebungen es gibt, den freien Austausch von Meinungen und Inhalten im Internet einzuschränken, in welchen Sphären solche Regulierungen stattfinden und welche Probleme sie aufwerfen. Die dynamische Veränderung des Phänomens "Internet" macht Aussagen darüber schwierig, weil jedes Ergebnis sehr schnell von neuen Entwicklungen überholt wird und wenn es zu Papier gebracht wurde schon nicht mehr 'up-to-date' ist.

Trotzdem konnte anhand der Entwicklung im Jahre 1996 gezeigt werden, daß es weltweit Versuche gibt, das Internet zu regulieren. Regierungen sind bestrebt, den bislang unbehelligten Austausch 'in den Griff' zu kriegen, zu kontrollieren und zu sanktionieren. Die Motivation der einzelnen Staaten mag sich unterschiedlich darstellen, läßt sich aber auf eine Grundmotivation zurückführen: Die Angst, der Staat könne an Hoheit verlieren und sei durch das Internet 'gefährdet'. Je nach Staatsform und Kulturkreis sieht Staatsgefährdung unterschiedlich aus: freie Meinungsäußerung ganz allgemein, linke oder rechte Propaganda oder Pornographie. Dabei werden Grundrechte nicht nur von totalitären Staaten verletzt, auch demokratische Regierungen erlassen Regulierungsgesetze, die dann der Prüfung von Verfassungsrichtern nicht standhalten, wie das Beispiel CDA in den Vereinigten Staaten zeigte.

Anders die Entwicklung in Deutschland: Während frühe &AUML;ußerungen von Regierungspolitikern wenig Kenntnis von Struktur und Funktionsweise des Internet erkennen ließen, hat hier ein Lernprozeß eingesetzt, der sich schließlich auch in der Gesetztgebung niederschlägt. Das IDuKG ist um vieles milder ausgefallen und näher an der Realität als erste Enwürfe erwarten ließen.

Eine undurchsichtige Rolle spielt hingegen die deutsche Justiz. Obwohl die Absicht des Gesetzgebers in Form von Gesetzesvorlagen erkennbar war, wurden bestehende Gesetze in einer zweifelhaften Auslegung auf das Internet angewandt, die den Verdacht der Willkür nahelegen. Die Vorgangsweise der unterschiedlichen deutschen Staatsanwaltschaften zeigt, daß auch hier noch Lernprozeße in Punkto Funktionsweise und Struktur des Internet notwendig sind. Internationale Kritik hat der Versuch eingebracht, deutsche Rechtsnormen über die deutschen Grenzen hinaus auf Anbierter im Ausland anzuwenden.

Wenn als Reaktion auf die Bedrohung der Strafverfolgung, die Internet Service Provider, private Unternehmen also, darangehen und auf bloßen Verdacht hin Zensur ausüben wollen, dann ist das eine sehr bedenkliche Entwicklung.

Es hat sich aber auch gezeigt, daß alle Regulieurngs- und Zensurversuche bislang gescheitert sind. Die militärische Herkunft des Internet macht es gegen Eingriffe relativ immun. Es handelt sich um ein globales Phänomen, bei dem der Begriff der nationalen Grenze keine Rolle mehr spielt. Insoferne greift auch nationale Gesetzgebung ins Leere. Wie gezeigt wurde, waren die Zensurversuche vielmehr kontraproduktiv, da sie den Inhalten, deren Verbreitung verhindert werden sollte, ungeahnte Publizität verschafften.

Das Internet erfordert eine neue Denkweise. Der Nationalstaat hat im 'Cyberspace' ausgedient. Ein internationales Phänomen läßt sich national nicht begreifen oder gar beeinflussen. Die unterschiedlichen Staatsformen und Kulturen machen es sehr unwahrscheinlich, daß es zu einem konzertierten Vorgehen aller Staaten kommen wird, was politische Äußerungen im Internet angeht. Fraglich ist auch, ob demokratische Staaten gut daran tun, unerwünschte Meinungen zu verbieten, anstatt sie breit zu diskutieren und Aufklärung zu betreiben.

Dagegen gibt es einen gewissen Grundkonsens etwa beim Thema Kinderpornographie, die aus den offen zugänglichen Teilen des Netzes großteils verdrängt wurde. Dabei spielten die Benutzer des Internet eine nicht unwichtige Rolle, die in Form von Zivilcourage gegen menschenverachtende Inhalte vorgehen.

Viele Probleme, die sich während der Arbeit darstellten, konnten nur angerissen werden, ohne in ihrer Tiefe und Tragweite untersucht werden zu können, bieten aber Grundlage für eine weitergehende intensive Beschäftigung. Auch die Versuche der Regulierung haben erst begonnen und es bleibt abzuwarten, welchen Einfluß sie auf das Internet haben werden.

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