Das Projekt "Meinhardinum goes Internet"

Projekt am Gymnasium Meinhardinum / Stams - Tirol im Schuljahr 1994/95

Die ursprüngliche Fassung eines Referats, das aus Zeitgründen am Multimedia-Tag des BMUkA im Rahmen der Interpädagogica nicht in seiner vollen Länge gehalten werden konnte. Hier also die ungekürzte Originalfassung !!

Meine Meinung !


In Stams, einem kleinen Dorf im Tiroler Oberinntal, gibt es neben dem allseits bekannten Schigymnasium eine ehemals kleine katholische Privatschule, das Gymnasium Meinhardinum. Inzwischen befinden sich dort 21 Klassen mit insgesamt 558 Schülern und 58 Lehrern. Daneben gibt es in Stams neben einer Volks- und Hauptschule inzwischen die pädagogische Akademie der Diözese Innsbruck, ein Kolleg für Sozialarbeit sowie die religionspädagogische Akademie des Landes Tirol. Die Zeit, in der das Stift Stams und die Gräber der Tiroler Landesfürsten dem Ort seinen ausschließlichen Charakter verliehen, scheint vorbei zu sein. Bildung, Ausbildung, Schule, Erziehung, Pädagogik und Sport werden seit geraumer Zeit mit dem Namen Stams assoziiert.

Und trotzdem scheint der leicht modrige Duft der Fürstengräber, die immer noch als abgelegen erscheinende geographische Lage des Ortes im Tiroler Oberinntal, die monatelange sonnenlose Kälte im Winter nicht unbedingt ein Boden zu sein, auf dem Öffnung nach außen, Orientierung an überregionalen Maßstäben und das sehnende Schauen über den engeren, sichtbaren Horizont hinaus eine maßgebliche und prägende Rolle spielen könnten. Haben die Tiroler Landesausstellung und überregionale Kulturinitiativen in diesem Jahr etwa so etwas wie eine Öffnung nach außen hergestellt ?

Jedenfalls verursachte die Rückbesinnung auf einen der ersten und wenigen Tiroler Weltbürger, auf Meinhard II. so etwas wie einen kleinen, aber punktuellen Technologieschub inmitten der immer noch älplerisch verklärten und gleichzeitig nach Nächtigungszahlen gierenden sowie Devisen herbeisehnenden Gebirgswelt des Tiroler Oberlandes.

Die Eröffnung der Landesausstellung "Eines Fürsten Traum" am 13. Mai 1995 in den Räumlichkeiten von Stift Stams und auf Schloß Tirol bei Meran stand eigentlich am Anfang des Internet-Projekts der Klasse 7G im Schuljahr 1994/95. Eines Fürsten Traum, das war damals im tirolischen Mittelalter der Traum Meinhards II., aus vielen einzelnen Bruchstücken ein Ganzes zu schaffen, entgegen den konservativen Kräften der katholischen Kirche und des provinziell denkenden Tiroler Adels, die eine Änderung des Bestehenden mit allen Kräften zu verhindern suchten. Durch Tätigwerden über die Grenzen der engeren Lebensumwelt hinaus gelang es Meinhard jedoch, so etwas wie ein einheitliches Tiroler Land zu schaffen.

Tätigwerden über die Grenzen hinaus könnte in einer Zeit der multimedialen Vernetzung auch der Traum einer Schule sein. Die Klassentüren und Schultore zumindest in einer virtuellen Wirklichkeit nach außen zu öffnen wird zwar die Öffnung in der tatsächlich erlebbaren Realität wenn nicht garantieren, so zumindest fördern. Dieser Traum des Sich-öffnens nach außen war auch die Grundidee, die am Anfang des Projekts "Meinhardinum goes Internet" stand.

In kürzester Zeit mußte die Idee in die Wirklichkeit umgesetzt werden, der 13. Mai als Eröffnungstag der Tiroler Landesausstellung sollte auch der Eröffnungstag des Projektes sein. In acht Wochen mußte ein kostengünstiger Provider gefunden und mit der Einbindung in das Internet beauftragt werden, der Anschluß an das Internet hard- und softwaremäßig vorbereitet und eine eigene Homepage gestaltet werden. Die entsprechenden Informationen über den neuen Server in Stams mußten sowohl in den traditionellen Regionalmedien als auch im Internet veröffentlicht werden, zahlreiche Links wurden auf allen für den Schulbetrieb relevanten Servern installiert, um ab sofort die virtuelle Existenz der Schule einer möglichst großen Zahl von Net-Surfern vor Augen zu führen. Last but not least wurde auch ein eigenes Projektkonto eingerichtet, um die Finanzierung des Projekts von Anfang an sicherstellen zu können.

Ein intensiver Einsatz von Lehrern und Schülern, ein offenes und interessiertes Ohr seitens der Direktion sowie des Schulerhalters, Interesse bei den Organisatoren der Landesausstellung, dem Landesschulrat für Tirol sowie dem Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten und auch ein reges Medieninteresse trugen maßgeblich zum Gelingen und zu einer entsprechenden Breitenwirkung des Projekts bei.

Das Projektergebnis ist nach wie vor im WorldWide Web präsent, unter der Adresse: http://www.stams.ac.at./meinhardinum/. Themenschwerpunkte waren eine digitalisierte Präsentation von Gymnasium Stams, Stift Stams, Stams und Umgebung sowie der Tiroler Landesausstellung. Dazu gesellten sich aber im Laufe der Zeit neue Ideen, Themenbereiche und Inhalte, die seit dem 17. November unter der erwähnten Adresse im Web zu sehen sind: eine völlig neu überarbeitete Homepage (Vers. 2.0/11.95) mit zusätzlichen Schwerpunkten, wie Zugang zum Internet speziell für Schulen, interessante Webseiten aus Tirol, kulturelle Ereignisse in und um Stams und einiges mehr.

Damit ist aber bereits ein neuer Traum angesprochen, daß nämlich eine Schule mit ihren im Web präsentierten Inhalten und Informationen auch über die Grenzen des eigenen und engen Schulhorizonts hinausgehen kann, um ihre Präsenz im Internet nicht nur auf einen virtuellen Werbeprospekt der eigenen Schule beschränken zu müssen.

Die zentrale These sei gleich vorweggenommen: Einen Schulserver allein auf eine Präsentation der eigenen Schule im Worldwide Web zu beschränken erscheint auf Dauer wenig sinnvoll zu sein. Ein eigener Schulserver könnte für eine innovative und kreative Schule die Möglichkeit bieten, nicht nur "Produkte" des eigenen Betriebes einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen, sondern auch Themen und Beiträge bringen, die über den engeren Horizont der Schule hinausgehen. Es ergäbe sich somit die Möglichkeit, eine gesamte Region in einem Schulserver zu präsentieren. Die Lebendigkeit einer Auseinandersetzung zwischen Schule und Eigenem, aber auch Fremdem könnte eine genauso lebendige Homepage der jeweiligen Schule hervorbringen. Eine derart "fächerübergreifende" Homepage bedarf jedoch der Zusammenarbeit, ohne Teamwork, ohne Interesse und Engagement auf Seiten der Lehrer und Schüler wird ein Schulserver irgendwann eine virtuelle Leiche im Internet sein, Datenmüll, der sinnlos die Erde umkreist. Die Idee eines immer wieder aktuellen Regionalservers bedarf einer intensiven Zusammenarbeit zwischen Direktion, Lehrern, Schülern und Institutionen sowie Bewohnern der umliegenden Region. Webpräsentationen von Schulen stehen und fallen mit dem Grad an Aktualität und Brisanz des präsentierten Materials.

Somit ist das Arbeiten im und mit dem Internet auf der Basis traditioneller Unterrichtsformen nicht mehr möglich, technologische Neuerungen bedingen in zunehmendem Maß neue Formen von Unterricht und Schulorganisation. Vor allem auf diesen Zusammenhang hinzuweisen erscheint mir wichtig, denn darin liegen abseits technologischer Faszination die pädagogisch neuen Möglichkeiten eines vernetzten bzw. netzorientierten Unterrichts. Lehren und Lernen in und mit dem Web verändert vor allem Unterrichtsformen, nicht so sehr Unterrichtsinhalte. Werden Unterricht und Schule in ihrer Struktur nicht radikal verändert, so werden auch technologische und kommunikationsorientierte Neuerungen wie Internet, E-mail und WorldWide Web in einer Schule höchstens einen dekorativen, wenn nicht sogar innovationsfeindlichen Charakter annehmen. Damit besteht aber auch die Gefahr, daß die Institution Schule ihr natürliches Ende finden würde. Historische Beispiele für Organisationsformen, die aufgrund mangelnder Öffnung nach außen ihr Ende gefunden haben, gibt es genügend. Eines der aktuellsten Beispiele der jüngsten Geschichte, die DDR, wurde kürzlich von einem Innsbrucker Erziehungswissenschafter in einem österreichischen Nachrichtenmagazin auf die Situation der Schule umgelegt: "Die Schule wird zusammenbrechen wie die DDR." Somit erhebe ich folgende Forderung: Reißen wir die Berliner Mauern um unsere Schulen nieder und ermöglichen wir somit eine Öffnung nach außen und damit das Überleben dieser im Moment wirklich nicht mehr ganz aktuellen Institution.

Lassen Sie mich am Ende meiner Ausführungen vier Thesen und vier Forderungen formulieren:

These 1:

Der Zugang zum Datenhighway wird in Zukunft maßgeblich die Attraktivität einer Schule auf dem Land garantieren und somit deren Fortbestand sichern. Zugang zum Internet bedeutet vor allem Zugang zu Information. Gerade in Stams war der Zugang zu vielen Informationsquellen bis vor kurzem sehr oft noch mit einer Reise in die Landeshauptstadt Innsbruck verbunden. Um beispielsweise Literatur in den österreichischen Universitätsbibliotheken zu suchen, muß das Schulgebäude inzwischen nicht mehr verlassen werden.

Forderung 1:

Der Zugang zum Internet muß so kostengünstig wie möglich sein. Vor allem die hohen Telefonkosten stellen für Schulen auf dem Land eine immense finanzielle Belastung dar.

ISDN-Zugang - Ortsgesprächsgebühr - geringste Kosten für die Zugangsberechtigung müssen klare mittelfristige und realisierbare Ziele bei der Frage der Vernetzung von Schulen darstellen. Langfristig wage ich die Utopie zu formulieren: kostenneutrale Glasfaserverkabelung für Schulen.

These 2:

Die Attraktivität und Funktionalität eines Schulservers auf dem Land kann maßgeblich erhöht werden, indem der Server eine Art virtuelles Zentrum einer ganzen Region darstellt. Dadurch geht Identität nicht verloren, sondern wird wieder geschaffen. Die Einbeziehung der die Schule umgebende Region nützt sowohl der Schule als auch der Region.

Forderung 2:

Wenn ein Server für eine Region von Nutzen ist, kann sich auch die Region für den Weiterbestand des Servers einsetzen, indem sie die finanziellen Mittel bereitstellt.

These 3:

Eine kreative und lebendige Arbeit mit dem Internet kann nur entstehen, wenn prinzipiell jeder in der Schule jederzeit eine Zugriffsmöglichkeit besitzt.

Forderung 3:

Der Internet-Zugang darf sich nicht auf ein Gerät beschränken, schon gar nicht sollten die Zugriffsmöglichkeiten auf die Lehrer beschränkt bleiben. Das mag in der momentanen Übergangssituation von Vorteil sein, damit sich die Kolleginnen und Kollegen mit dem neuen Medium vertraut machen können. Auf Dauer muß aber von jedem Gerät einer Schule aus der Zugriff möglich sein, d.h. natürlich auch von den Geräten in den EDV-Sälen.

These 4:

Auch für Kolleginnen und Kollegen, die einen großen Teil ihrer Zeit damit verbringen, Schulen mit Internetzugängen auszustatten bzw. Server zu betreiben, muß der Grundsatz gelten: Keine Leistung ohne Bezahlung !

Forderung 4:

Keine Einsparung, sondern eine Erweiterung der EDV- und AV-Kustodiate, d.h. mehr Werteinheiten für Tätigkeiten im Bereich Multimedia und Internet.

Ziele, Ideen, Phantasien, Träume ... und eine Beschwichtigung

Mit der Wahl eines internationalen Computernetzwerks als Medium für ein Schülerprojekt beschritt die Klasse 7g neues Terrain, auf dem vieles dem Zufall überlassen werden mußte. Zu neu war diese Technologie für viele, zu kurz die Zeit, um fundierte Erfahrungen und Erkenntnisse in Sachen Telekommunikation und Computernetzwerke gemacht haben zu können. Gleichzeitig lagen aber hier auch die Chancen und Innovationsmöglichkeiten für projektorientiertes und empirisches Lernen.

Damit ist also das wesentlich Neue eines Projekts dieser Art angesprochen: Der Ausgang dieser Unternehmung blieb offen, das Ende verliert sich bis heute im kreativen Chaos eines nicht kontrollierbaren, dafür aber sehr kreativen und demokratischen Netzwerks von Millionen von Computern.

Es ist prinzipiell möglich, daß dieses Projekt keinen vordergründig sichtbaren Abschluß findet, Projektergebnisse und Verlaufsskizzen, Zwischenergebnisse und Meinungen, neue Ideen und Vorschläge, Anregungen und kritische Stimmen könnten laufend die digitalisierten Daten verändern und damit das Projekt selbst. Projekt und Projektdokumentation werden somit ein und dasselbe, oder, um ein Wort von Marshall McLuhan zu verwenden: "Das Medium ist die Botschaft."

Damit können die üblichen Trennungslinien zwischen Projektarbeit, Ergebnis und Dokumentation nicht mehr klar und eindeutig voneinander getrennt werden, im Zeitalter elektronischer Blitzkommunikation wird Veränderbarkeit real erlebbar und erfahrbar als neuerdings unabhängig vom Faktor Zeit.


Adresse dieser Seite: http://www.stams.ac.at./meinhardinum/projekt.htm
Mag. Thomas Moritz

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