5 Kommunikationstheoretische Überlegungen als Grundlagen für eine neue Kommunikationspolitik in Österreich

5.1 Einleitung
5.2 Das Wesen der Neuen Informations- und Kommunikationstechnologien
5.2.1 Universalität
5.2.2 Konvergenz
5.2.3 Zusammenfassung
5.2.3.1 Dienste
5.2.3.2 Infrastruktur
5.2.3.3 User/Benutzer
5.3 Kommunikationstechnologie und Politik
5.3.1 Die wirtschaftlichen Hintergründe
5.3.2 Der Status-quo der Medienpolitik
5.4 Informationskulturen
5.4.1 Protestantisch-aufgeklärte Informationskultur
5.4.2 Sozialdemokratisch-liberale Informationskultur
5.4.3 Katholisch-feudalistische Informationskultur
5.5 Information und Demokratie
5.5.1 Basiswerte einer demokratischen Medienpolitik
5.5.2 Kommunikationsmodi
5.5.2.1 Zuteilungsmodus oder allokativer Modus
5.5.2.2 Konsultationsmodus
5.5.2.3 Registrationsmodus
5.5.2.4 Konversationsmodus
5.6 Konsequenzen für eine integrative Kommunikationspolitik
5.6.1 Integrative Kommunikationspolitik
5.6.2 Schaffung einer neuen Informationskultur
5.6.3 Low-Policy bzw. Low-Technology
5.6.4 Neue Wege in der Bildungspolitik

5.1 Einleitung

Die Regulierung und Normierung der gesellschaftlichen Informations- und Kommunikationsmittel wurde und wird als eines der zentralen Steuerungselemente nationaler Politiken gesehen. Nicht zuletzt sind es die Kommunikationsmittel gewesenen, die über die zeitliche und räumliche Ausdehnung ganzer Weltreiche entschieden haben , die Aufklärung und Protestantismus entstehen lassen haben (z.B. der Buchdruck), die von totalitären Regimes zur Erreichung ihrer Ziele bewußt eingesetzt worden sind (z.B. Film und Rundfunk im Nationalsozialismus) und die für die Entstehung von demokratischen Entscheidungsprozessen letztendlich ausschlaggebend sind (z.B. für die politischen Umwälzungen in den ehemaligen Ostblockstaaten).

Technische Kommunikationsrevolutionen haben immer politische und wirtschaftliche Revolutionen begleitet (und umgekehrt). Heute stehen die nationalen Regulierungsinstitutionen im Informations- und Kommunikationsbereich aufgrund der technologischen Entwicklungen im Informations- und Kommunikationssektor zum Teil vor existenzbedrohenden Problemen. Die Universalität und Internationalität der sich abzeichnenden Entwicklung stellen sämtliche bisher üblichen Instrumente und Konzepte in Frage.

Die neuen Technologien sind vor allem durch die Stichworte Universalität und Konvergenz charakterisierbar. Universalität, weil sie sämtliche Lebensbereiche gleichermaßen betreffen, ob das nun Arbeit, Bildung oder Freizeit ist und Konvergenz, weil die traditionelle Trennung zwischen Individual- und Massenkommunikation dadurch aufgehoben wird.

Während sich bisher die nationale Regulierungspolitik im Bereich der technisch vermittelten Individualkommunikation auf Infrastrukturpolitik beschränkte und Medienpolitik vorwiegend auf die Wahrung gesellschaftspolitisch-kultureller Werte mittels Massenkommunikation abzielt, so vermischen sich nun technisch-infrastrukturelle Komponenten mit politisch-kulturellen.

Vor diesem Hintergrund, sowohl jenem der Universalität der digitalen Kommunikation, als auch der Konvergenz von Individual- mit Massenkommunikation, versucht eine kommunikationswissenschaftliche Perspektive zu einer analytischen Dimensionierung des Gesamtkomplexes zu gelangen. Diese Struktur soll dazu beitragen, die neuen Dimensionen einer integrativen Kommunikationspolitik aufzuzeigen.

Neben der notwendigen theoretischen Bestimmung der Dimensionen gesellschaftlicher Kommunikation im Kontext der neuen Informations- und Kommunikationstechnologie soll im Rahmen dieses Kapitels auch versucht werden, eine möglichst nachvollziehbare Annäherungen an eine wünschenswerte Entwicklung aufzuzeigen. Wobei als wünschenswert einerseits das Recht des Individuums auf Information und auf Selbstbestimmung über Information angenommen wird, sowie anderseits die Wahrung nationaler bzw. regionaler politischer, wirtschaftlicher und kultureller Interessen und Selbstbestimmung innerhalb größerer politischer und wirtschaftlicher Einheiten.

Die Universalität der digitalen Informations- und Kommunikationstechnologie läßt keine unterschiedlichen Strategien hinsichtlich der Regulierung von Information und Kommunikation mehr zu. Wenn vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit der freie und ungehinderte Informations- und Kommunikationsaustausch als Notwendigkeit für den internationalen Wettbewerb seitens der jeweiligen nationalen Regulierungspolitik akzeptiert wird, dann muß der freie und ungehinderte Informations- und Kommunikationsaustausch auch im privaten Informations- und Unterhaltungsbereich, im gesamten Bildungssektor, in der Kunst- und Kulturszene und selbstverständlich auch für die öffentliche politische Kommunikation auf dieselbe Akzeptanz stoßen.

Der wettbewerbfördernde Zugang zu internationalen Kommunikationsnetzen kann - schon aufgrund der technischen Konvergenzen - nicht auf bestimmte Segmente der Gesellschaft (z.B. Wirtschaftsunternehmen) beschränkt werden. Behörden und anderen gesellschaftlichen Institutionen, wie Schulen, Bibliotheken, Universitäten oder Museen, Freizeiteinrichtungen und den privaten Haushalte müssen dieselben Zugangsrechte und -möglichkeiten eingeräumt werden.

Folgendes Kapitel ist in fünf Abschnitte gegliedert:

5.2 Das Wesen der Neuen Informations- und Kommunikationstechnologien

Die digitale Informationsrevolution stellt sämtliche bislang gültigen Konzepte der Kommunikationswissenschaft auf den Kopf. Die Begriffe Medien, Kanal, Sender, Empfänger bzw. Rezipient, Inhalt etc. müssen hinsichtlich ihrer Neudefinition durch die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien auf ihre Brauchbarkeit für die einschlägige Wissenschaft aber auch für eine wirksame Kommunikationspolitik hinterfragt werden.

Kernpunkt der Veränderungen durch die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien ist die Tatsache, daß der Baustein für Kommunikation bzw. zur Erzeugung von Kommunikationsinhalten, nämlich die Information, in den universellen digitalen Code von Null und Eins transformiert werden kann bzw. grundsätzlich nur mehr in diesem binärem Code existiert. Die Universalität dieses Codes kommt dadurch zum Ausdruck, daß jegliche Form von Information, ob es sich nun um Wörter, Bilder, Texte, Töne, Bewegtbilder etc. handelt in diesem Code ausgedrückt werden kann und somit auch Transformationen jeglicher Art - von Tönen in Texte, von Bildern in Worte etc. - durchgeführt werden können. Die Universalität dieses Codes steht aber auch für den universellen Einsatz dieser Neuen Technologien. Im Gegensatz zu früheren revolutionären technologischen Erfindungen, ist die digitale Revolution nicht nur auf einen bestimmten gesellschaftlichen Bereich reduziert. Während die Dampfmaschine vorwiegend eine Produktions- und Transporttechnologie dargestellt hat oder Gutenbergs Erfindung eindeutig als Kommunikationstechnologie zu bezeichnen ist, sind die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien einerseits sowohl Produktions-, Distributions- und Konsumtionstechnologien im Sinne der klassischen industriellen Sichtweise, und andererseits aber auch Informations-, Kommunikations- und Unterhaltungstechnologien im Sinne eines gesellschaftlichen bzw. kulturellen Kontextes.

Anders ausgedrückt bedeutet das, daß die Zuordnung von bestimmten Informationen zu bestimmten Produzenten, zu bestimmten Absichten und Zwecken und zu bestimmten Konsummustern analytisch nicht mehr möglich ist. Die eindeutige Zuordnung bzw. Einteilung der Informationsströme innerhalb von elektronischen Netzen in Wirtschaftsinformationen, wissenschaftliche Informationen, private Informationen oder Unterhaltungsinformationen ist daher unmöglich. Barlow verweist auf die Tatsache, daß Informationen in elektronischen Netzwerken nicht mehr physikalisch manifest sind. Ein Druckwerk, ein Ton- bzw. Videoband existieren physikalisch, elektronische Informationen existieren nur zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer bestimmten Form. Je nach Art der Benutzung verändern sie allerdings ihre Form, werden in einen anderen Kontext gestellt und verändern sich damit auch selbst. Für die Fragestellung in gegenständlichem Projekt ist diese Universalität und die „Virtualität“ von Information von grundlegender Bedeutung. Sie macht deutlich. daß ein inhaltlich regulierender Politikansatz zwangsläufig scheitern muß.

Information ist zu dem Produktionsmittel der sogenannten Informationsgesellschaft geworden. Die Verarbeitung und die Aufbereitung von Informationen ist nicht mehr nur der Kommunikationsbranche vorbehalten, sondern ist die Schlüsseltätigkeit der sogenannten flexiblen Produktion in der Informationsökonomie. Das Sammeln und Verarbeiten von Informationen dient zur Erzeugung von neuen Märkten und Produkten, zur „maßgeschneiderten“ Produktion entsprechend exakt definierbarer Konsumentenwünsche und -verhalten. Das Problematische daran ist die Tatsache, daß sich die produktions-, distributions- und konsumtionsorientierten Tätigkeiten der nationalen und internationalen Industrien exakt derselben „Medien“ (Kanäle, Netzwerke, Datenhighways) bedient, mittels derer auch sämtliche anderen Kommunikationsaktivitäten der Gesellschaft - von elektronischen Brief bis hin zu Video-on-Demand, übertragen und realisiert werden. Alles wird mittels des exakt gleichen Informationscode von 0 oder 1 komprimiert und auf die Reise in den Datennetzwerken geschickt.

Die Konvergenz ist neben der Universalität das zweite dominierende Charakteristikum der digitalen Revolution. Die einzelnen Massenmedien lassen sich aufgrund der technologischen Konvergenz nicht mehr definitorisch trennen. Analytisch besteht keine Möglichkeit zu bestimmen, daß das, was als Zeitung in das digitale Netzwerk eingespeist wurde, auch als Zeitung von den Konsumenten rezipiert wird. Etwas, das als „Radio“ in das Netzwerk gestellt wird, könnte als „Text“ wieder herauskommen. Die Kontrolle der Produzenten oder Sender von Kommunikationsinhalten über die Form und die Art und Weise der Rezeption dieser Inhalte ist weitgehend aufgelöst. Das stellt grundlegende Postulate der Kommunikationswissenschaft aber auch der traditionellen Medienpolitik in Frage. Man kann in diesem Zusammenhang durchaus von einem Paradigmenwechsel in der Kommunikationswissenschaft sprechen. Das Sender-Empfänger - Modell hat ausgedient.

5.2.1 Universalität

Die Universalität der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien bezieht sich, wie bereits erwähnt, unter anderem auf die gleichförmige Anwendungen dieser Technologien innerhalb der industriellen Produktion und innerhalb der traditionellen Kommunikationsbranche, wie z.B. die Massenmedien. Unter rein ökonomischer Perspektive könnte man - überspitzt formuliert - keinen Unterschied bezüglich der Produktion von Schuhen und der Produktion von Fernsehsendungen ausmachen. Beide entwickeln ihr Produkt auf der Basis von Informationen über potentielle Kunden bzw. Konsumentenvorstellungen über das jeweilige Produkt. Beide präsentieren das Produkt in elektronischer Form und beide brauchen Informationen über den Absatz bzw. über die Konsumtion ihres Produkts. Wenn es also in Zukunft für den Konsumenten in der elektronischen Wert nicht mehr möglich sein wird, zwischen einer audiovisuellen Aufbereitung der Produkte eine Schufirma (mit Maus-Klick auf den ensprechenden Schuh ist er bereits gekauft) und der Sitcom einer Fernsehstation zu unterscheiden, wie kann dann eine Informationsregulierung einen Unterschied machen? Das bedeutet, daß zum Beispiel inhaltliche Regulierungen, wie sie bis jetzt für bestimmte klar zu definierende Massenmedien gelten, auch für Wirtschaftskommunikation oder Organisationskommunikation zu gelten haben.

Wenn zum Beispiel die Grundlagen des Pressegesetzes für die elektronische Version der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“ im Internet gelten, dann müssen sie eigentlich auch für jeden anderen allgemein zugänglichen Informationsserver in diesem elektronischen Netzwerk gelten. Bei einer 1:1 Umlegung geltender inhaltlicher Medienrechtssprechungen auf die elektronischen Versionen traditioneller Massenmedien würde das Medienrecht in Konflikt mit dem Recht zur freien Meinungsäußerung für Institutionen, Organisationen und Individuen stehen.

Die Unmöglichkeit zur Trennung zwischen einzelnen Branchen in der zukünftigen digitalen Welt wird noch deutlicher, wenn man davon ausgeht, daß es die boomende Diensteistungsindustrie ist, die sich den Überschneidungsbereich, nämlich das Bedürfnis nach maßgeschneiderter Information für den eigentlichen Produktionsbereich, als eigenen Markt definiert hat. Das ist der Markt der Informationsdienste oder Services. Informationsanbieter jedweder Art können unter diesem Gesichtspunkt der Dienstleistungsindustrie zugeordnet werden. Der traditionelle Medienbegriff löst sich in diesem Zusammenhang auf und bislang gültige Bezeichnungen geraten unter Druck.

5.2.2 Konvergenz

Unter Konvergenz im Zusammenhang mit den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien versteht man die, aufgrund des Zusammenwachsens der anfänglich getrennten Technologiekomplexe Computertechnologie und Telekommunikation, eingetretene Verschmelzung von Rundfunktechnologien (Broadcasting) mit Individualkommunikationstechnologien (vorwiegend Telephonie). .

Diese Konvergenz bezieht sich jedoch nicht nur auf den Bereich der Technologien, sondern auf sämtliche institutionellen, politischen, regulatorischen, kulturellen und wirtschaftlichen Dimensionen der Massenkommunikation versus Individual-, Organisations- und Institutionenkommunikation.

Das bedeutet. daß zum Beispiel die institutionellen Hintergründe für Informationsanbieter an Bedeutung verlieren werden. Während heutige Massenmedien als quasi-Institutionen, vor allem im öffentlich-rechtlichen Bereich, operieren, jedenfalls aber als große Organisationen mit immenser Kapitalausstattung für Produktion und Distribution gesehen werden können, reduziert die technologische Konvergenz die Bedeutung der institutionell-organisatorische Konstitution der Informationsanbieter. Die Informationsanbieter in elektronischen Netzwerken unterscheiden sich nicht mehr bezüglich des „Mediums“ für die Präsentation und Distribution ihrer Angebote.

Deshalb kann man davon ausgehen, daß die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien die Transformation von „Medien“ zu „Diensten“ mit sich bringen werden. Angesichts der Tatsache, daß sich sämtliche Formen technisch vermittlerter Kommunikation nicht mehr durch die Art und Weise der technischen Vermittlung unterscheiden werden, erscheint auch der Begriff „Medium“ nicht mehr adäquat. Tageszeitungsinhalte, Fernsehprogramme, Radiosendungen, Bücher, Filme, Musik-CD’s werden neben Informationsdatenbanken, Bibliotheks- und Kaufhauskatalogen, Pinnwänden, Flugblättern, Briefen, Videos-on-Demand, Agenturen, Konferenzen etc. als Informations- und Kommunikationsangebote um die Gunst des potentiellen Konsumenten konkurrieren. Für den Konsumenten wird es in Zukunft nicht mehr so einfach möglich sein - und vielleicht auch gar nicht so wichtig sein - welchen organisatorischen und strukturellen Hintergrund der jeweilige Informationsanbieter hat. Die virtuelle Informationswolke besteht aus unzähligen Informationsservern innerhalb des digitalen Informationshighways, in der alle obigen Informationsangebote zu finden sind und individuell zusammenstellbar und abrufbar sind.

Das hat auch Folgen für die bislang am Medienbegriff orientierte einschlägige Politik. Wie bereits am Beispiel „Der Standard“ erwähnt, wird sich eine klassische Presse-, Runfunk- oder Filmpolitik im Zusammenhang mit dem Enstehen von Informationsdiensten in elektronischen Netzwerken nicht mehr aufrecht erhalten lassen.

Auch die traditionelle Unterscheidung zwischen Sender und Empfänger löst sich auf. In elektronischen Netzwerken kann potentiell jeder Sender und Empfänger sein. Bereits die Benutzung und die individuelle Selektion und Zusammenstellung bzw. Festlegung der Abfolge macht den Konsumenten auch zum Produzenten. Aus diesem Grunde ist auch die Kontrolle der Informationsanbieter bzw. -produzenten über den Konsumenten nicht mehr möglich. Der Konsument kann bestimmte Teile einer Zeitung mit bestimmten Ausschnitten aus dem Angebot eines Fernsehsenders mischen, kann sich seine eigene Musik-CD’s dazu anhören und vielleicht noch Detailinformation aus einer Datenbank dazu abfragen. Der Konsument wird zum eigenen Programmdirektor über den einzigen Kanal der Zukunft. Der jeweilige Anschluß an das digitale Kommunikationsnetz wird zum einzigen Kommunikationskanal. Wie kann unter diesen Gesichtspunkten der „Kanalbegriff“ zur Regulierung von Fernsehstationen aufrecht erhalten werden? Inhaltliche Auflagen, wie zum Beispiel bestimmte Quoten für Werbezeiten oder für das Verhältnis zwischen den problematisch zu definierenden Bereichen Information und Unterhalten, oder hinsichtlich des Anteils heimischer Filmprodukte etc. werden ad absurdum geführt, wenn der Produzent bzw. der Informationsanbieter keine Kontrolle über den Distributionskanal und somit auch nicht mehr über das Konsumtionsverhalten mehr hat.

Diese Entwicklung führt eine neue Dimension in die Konzeption einer intergrativen und umfassenden Kommunikationspolitik ein. Der Komplex der Telekommunikationsinfrastruktur gewinnt zentrale Bedeutung für den Zugang und die potentielle Teilhabe an der gesamten technisch vermittelten Kommunikation. Infrastrukturpolitik bekommt eine Schlüsselfunktion bei die Entwicklung der modernen Kommunikationsgesellschaft. Das Design von Telekommunikationsnetzwerken hat einen entscheidenden Anteil an der Realisierung einer gesellschaftlich erwünschten Ausformung der elektronischen Kommunikationsnetzwerke. Der hier verwendete Begriff „Design“ bezieht sich nicht nur auf die Art der realisierten Netzwerkarchitektur, auf Standardisierungen bezüglich Übertragungsprotokolle, Bandbreiten etc., sondern umfaßt auch die Diffusionsstrategien, das Layout der Anschlußpunkte und die Politik, die am Endgerätesektor vertreten wird. Das Design der Telekommunikationsinfrastruktur wird mitverantwortlich sein, welche Dienste erfolgreich sein werden und welche nicht, wer Zugang haben wird und wer nicht, welche Kosten wem erwachsen werden und wie die finanziellen und bildungsmäßigen Hintergründe der potentiellen Benutzer beschaffen sein müssen.

Das Ausmaß in dem die Kontrolle der Informationsproduzenten über die Informationskonsumenten ausgeübt werden kann, ebenso wie die Möglichkeit des Rollenwechsels zwischen diesen beiden Positionen, hängt vom Design der elektronischen Infrastruktur ab.

Im Zusammenhang mit der Telekommunikationsinfrastruktur läßt sich auch die politisch-regulatorische Konvergenz nachvollziehen. Während bislang Telekommunikations-Infrastrukturpolitik vorwiegend Wirtschaftspolitik gewesen ist und sich in Österreich fast auschließlich auf die Regulierung des Fernmeldewesens im Zusammenhang mit der Österreichischen Post- und Telegraphenverwaltung bezieht, gewinnt die moderne Telekommunikationsinfrastruktur eine bedeutende soziale und kulturelle Dimension. Dieser Entwicklung muß auch in der Politik Rechnung getragen werden.

Je nachdem, ob eher integrative, horizontale Netzwerkdiffusion angestrebt bzw. -realisiert wird oder ob segmentierte spezifische Netzwerkinfrastruktur für spezielle Anwender gebaut werden, gibt es unterschiedliche Zugänge und Nutzungsmöglichkeiten. Mansell kritisiert, daß die sozialen, kulturellen und politischen Dimensionen des Netzwerkdesigns im Gegensatz zu den technisch-wirtschaftlichen Dimensionen sowohl von der einschlägigen Kommunikationswissenschaft aber auch der Politik geradzu sträflich vernachlässigt worden ist. Das zukünftige Telekommunikationsnetzwerk wird ein intelligentes Netzwerk (IN) sein. Das bedeutet, daß Infrastruktur nicht nur ein „dummes“ Rohrleitungssystem ist, sonder selbst „denken“ und „handeln“ kann. Das IN besteht nicht nur aus physikalischen Materialien, wie Glasfasern und Satelliten, sondern auch aus Software, aus Intelligenz, die entweder zentral bei den Netzwerkanbietern oder dezentral in den Endgeräten angesiedelt sein kann. IN können eigenständig Information erzeugen und der Zugang oder der Besitz dieser Informationen steuert die Konkurrenzchancen der mächtigen Informationswirtschaft. Stellt man den bekannten Vergleich eines Telekommunikatuionsnetzwerkes mit jenem der Autostraßen an, dann würden intelligente Autostraßen zum Beispiel breiter werden können, wenn mehr Verkehr aufkommt. Sie würden Schlechtwetterzonen weiträumig ausweichen und sie würden verkehrsuntaugliche Fahrzeuge nicht fahren lassen, ebenso wie betrunkene Autolenker nicht zugelassen würden. Sie würden aber auch wissen, wer mit welchem Auto wann wohin fährt, wer mitfährt und was transportiert wird.

TGI (Transaction Generated Information) ist ein Output des IN. TGI ist sowohl das Kapital als auch das Produktionsmittel der Informationswirtschaft. Netzwerke haben grundsätzlich die Eigenschaft, die Menschen in sogenannte Sets von „Serienbeziehungen“ zu organisieren. Jeder wird mit jemanden anderen über ein bestimmtes Zentrum, welches identifiziert und charakterisiert, in Beziehung gesetzt. Die Zentren erzeugen ein künstliches Bild von den Netzwerkbenutzern, welches den Vorstellungen der Marketingindustrie entspricht. Das IN kann aus dem elektronischen Verhalten der Netzwerkbenutzer bestimmte Muster ableiten, die in bestimmten Zielgruppen und isolierten sozialen Gruppen festgehalten werden. Diese Informationen sind das Produktionsmittel der flexiblen Produktion. Nicht mehr die Massenproduktion der traditionellen Industriegesellschaft, sondern die schnelle und auf spezifische Konsumentenmuster ausgerichtete Produktion bestimmt den ökonomischen Erfolg in der Informationsgesellschaft. Im Idealfall ist das Produkt zum Zeitpunkt der Produktion bereits verkauft. Es sind keine aufwendigen Lagerhaltungen und Distributions- bzw. Vertriebsformen mehr notwendig. Während die Massenmedien im ökonomischen System der Massenproduktion das notwendige Pendent für die Erzeugung von potentiellen Märkten und für den entsprechenden Absatz der Massenprodukte darstellen, sind es im System der flexiblen Produktion der Informationswirtschaft die intelligenten digitalen Kommunikationsnetzwerke. Die wirtschaftliche Bedeutung der Massenmedien wird also auch im Zusammenhang mit dem Bedeutungsverlust der Massenproduktion abnehmen.

Die Universalität der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien und die technologischen Konvergenz zwischen Massen- und Individualkommunikation machen die Herausbildung einer integrativen und umfassenden Informations- und Kommunikationspolitik unumgänglich. Diese muß auf die Ablösung des traditionellen Medienbegriffs mit dem Dienstebegriff reagieren, die Infrastrukturpolitik als zentralen Bestandteil integrieren und als weitere Dimension den Komplex „Benutzer/User“ von einer eher passiv-gestalteten Größe in eine aktive-kreative Größe uminterpretieren.

Die Benutzer der neuer Informations- und Kommunikationsdienste sind nicht mehr mit den Kategorien der Massenmediengesellschaft zu beschreiben. Benutzer sind sowohl Produzenten als auch Konsumenten, manchmal beides zur selben Zeit und manchmal ohne daß ihnen diese Tatsache auch bewußt ist (z.B. im Falle von TGI). Die konkrete Ausstattung mit Endgeräten, die Bandbreite des Netzwerkanschlusses und das vorhandene Wissen im Umgang mit den neuen Technologien entscheiden sowohl über die Möglichkeiten für Produzenten als auch für Konsumenten und über den Grad des Ausmaßes, zwischen diesen beiden Rollen zu wechseln. Sowohl die optimistischen als auch die pessimistischen Visionen über die zukünftige Kommunikationsgesellschaft beziehen ihre Prognosen auf die Chancen und Möglichkeiten potentieller Benutzer/User bzw. auf deren Kontrolle und Manipulation. Die Universalität der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, bislang als der gleichzeitige Einsatz als Produktions-, Distributions- und Konsumtionstechnologien und als Informations- und Unterhaltungstechnologien beschrieben, drückt sich auf der Seite der Benutzer/User als zeitlich und räumliche Verschmelzung von Arbeiten, Lernen und Spielen aus. Der Einsatz dieser Technologien läßt sich nicht mehr in arbeits- und berufsbezogenen Einsatz, in die Verwendung zur Aus- oder Weiterbildung sowie in den Einsatz zuhause für Tätigkeiten der Versorgung (Einkaufen) und in der Organisation des Haushalts (Telebanking etc.) sowie von unterhaltungs- und informationsorientierten Freizeitaktivitäten (bisher den traditionellen Massenmedien vorbehalten) trennen. Der Zusammenhang zwischen räumlich-situativen Umfeld und bestimmten Kommunikations- und Informationsaktivitäten ist also nicht mehr gegeben bzw. verliert an charakterisierender Bedeutung. Mit den traditionellen Instrumenten der Medienpolitik sowie der Fernmelde-Infrastrukturpolitik kann diesem neuen Benutzerbild nicht mehr begegnet werden. Vor allem im Hinblick auf die Fragestellung in gegenständlichem Projekt erscheint eine protektionistische Politik, die an inhaltlichen Dimensionen der elektronischen Kommunikation orientiert ist, nicht mehr zielführend. Wie später noch ausführlicher dargestellt, muß eine zukunftsweisende Kommunikationspolitik an der Schaffung der Voraussetzungen für eine gesellschaftspolitisch verträgliche Basis für die Benutzer der elektronischen Kommunikationsinsfrastruktur orientiert sein. Und das bedeutet Maßnahmen im Aus- und Weiterbildungsbereich sowie in der Schaffung von chancengleichem Zugang zu den elektronischen Informationsdiensten.

5.2.3. Zusammenfassung: Die drei Dimensionen des Gegenstandsbereiches der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien:

a) Dienste

Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien die Transformation von „Medien“ zu „Diensten“ mit sich bringen werden. Die virtuelle Informations- und Kommunikationswolke besteht aus unzähligen, geographisch dislozierten, Informationsservern innerhalb des digitalen Informationsnetzwerks, in der alle obigen Informationsangebote zu finden sind und individuell zusammenstellbar und abrufbar sind.

b) Netzwerkinfrastruktur

Die zweite wichtige Dimension ist der Komplex der Telekommunikationsinfrastruktur. Sie hat zentrale Bedeutung für den Zugang und die potentielle Teilhabe an der gesamten technisch vermittelten Kommunikation. Infrastrukturpolitik wird somit zu einem wichtigen Teilbereich moderner Kommunikationspolitik. Das Design von Netzwerken wird darüber entscheiden, wer welche Dienste zu welchen Kosten nutzen kann und wie die politischen Postulate von universellem Zugang und offenen Anbieterstrukturen auch umgesetzt werden können.

Die Telekommunikationsinfrastruktur umfaßt neben den eigentlichen Datenleitungen auch die Endgeräte. Die jeweilige Ausstattung mit unterschiedlich universellen Endgeräte sind Schlüsselvariablen sowohl für wirtschaftliche als auch für politische Strategien. Wenn man bedenkt, daß ein einfacher PC als technische Grundausstattung ausreicht, um als Informationsanbieter mit großen traditionellen Organisationen konkurrieren zu können (z.B. können die Soundfiles für mehrere Wochen digitales Radio leicht auf einem PC abgelegt werden), dann wird die Bedeutung privater Informationstechnologie für die Kommunikationsinfrastruktur deutlich. Das Ausmaß in dem die Kontrolle der Informationsproduzenten über die Informationskonsumenten ausgeübt werden kann und ebenso die Möglichkeiten des Rollenwechsels zwischen diesen beiden Positionen, hängen neben der Bandbreite der Netzwerkinfrastruktur auch von der Ausstattung mit entsprechenden Endgräten ab.

Die Möglichkeiten der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien stehen in engem Zusammenhang mit dem Design moderner Telekommunikationsnetzwerke. Das zukünftige Telekommunikationsnetzwerk wird ein intelligentes Netzwerk (IN) sein. Das bedeutet, daß Infrastruktur nicht nur ein „dummes“ Rohrleitungssystem ist, sonder selbst „denken“ und „handeln“ kann.

c) User / Benutzer

Als dritte Komponente der gesellschaftlichen Struktur der Neuen Technologien gelten die Benutzer. Die klassische Unterscheidung zwischen Sender und Empfänger der traditionellen Massenmedienwissenschaft löst sich auf. Jeder kann potentiell Sender und Empfänger sein. Bereits die Benutzung und die individuelle Selektion und Zusammenstellung bzw. Festlegung der Abfolge macht den Konsumenten auch zum Produzenten. Der Konsument wird zum eigenen Programmdirektor über den einzigen Kanal der Zukunft.

Die Universalität der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien bedeutet aber auch, daß eine Medienpolitik zugleich auch Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik, Bildungspolitik, Sozialpolitik, Verkehrspolitik und vieles mehr sein muß.

Ebenso wie sich der Medienbegriff als nicht mehr zielführend herausgestellt hat und die Universalität dieser Technologien keine trennscharfen Gegenstandsbereich mehr zuläßt, muß sich auch die einschlägige Politik mit der Tatsache auseinandersetzen, daß ressortspezifische Konzepte der stattfindenden Entwicklung nicht mehr zu entsprechen vermögen.

5.3. Kommunikationstechnologie und Politik

Die gegenwärtige Entwicklung der Kommunikationstechnologien werfen eine Reihe von Politikprobleme von wachsender Bedeutung und Schwierigkeit auf. Die Konvergenz von Computertechnologie und Telekommunikation hat dazu geführt, daß die bislang existierenden technischen Grenzen zwischen Computermedien und (Tele-) Kommunikationsmedien überwunden oder durchdrungen wurden und somit auch die Grenzen zwischen medienspezifischer Politik aufgelöst hat. Ganz allgemein kann man sagen, daß Politiker und Beamte, die bislang vorwiegend mit den inhaltlich-kulturellen Dimensionen der (Massen-)Medienpolitik zunehmend mit infrastrukturell-technischen Aspekten konfrontiert sehen und umgekehrt. Ebenso entsprechen die ressorspezifischen Ansiedelungen der betroffenen (Teil-)Bereiche noch historisch gewachsenen Strukturen und machen es schwierig, den Gesamtkomplex einer staatlichen Kommunikationspolitik zumindest umrißhaft erkennen zu können.

Diese Komplexität führt entweder zu unkoordinierten Einzelaktivitäten oder überhaupt zu einer Entpolitisierung und Überlassung wichtiger Bereiche an die Kräfte des freien Marktes.Die Tatsache, daß es heute noch immer keine ausgeprägte Kommunikationspolitik gibt und auch wirtschaftlichen Entscheidungen der Kommunikations- und Medienbranche auf keinem speziellem Konzept basieren, begründet Nicholas Garnham mit der Kapitulation von Politikern und Handlungsträgern in diesem Bereich vor der ungeheuren Komplexität des Informations- und Kommunikationssektors.

Kommunikationspolitik im Zusammenhang mit den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien geschieht heute fast ausschließlich im wirtschaftlichen Kontext einer nationalen Informationsinfrastruktur. Darunter werden vorrangig die begleitenden Maßnahmen zum Ausbau der Telekommunikationsinfrastruktur zur Aufrechterhaltung der Konkurrenzfähigkeit der nationalen Wirtschaft auf dem globalen Informationsmarkt verstanden. Ausgelöst wurden diese politischen Aktivitäten durch das Positionspapier der Clinton-Gore-Regierung „The National Information Infrastructure (NII): Agenda for Action“, welches im September 1993 von Weißen Haus herausgegeben wurde. Die Europäische Union hat darauf relativ schnell reagiert und ihrerseits im Mai 1994 das als „Bangemann Papier“ bekannt gewordene Konzept „Europa und die globale Informationsgesellschaft“ publiziert. Und in Österreich wurde der Startschuß für die Kommunikationsinfrastrukturdebatte im Rahmen der „Alpbacher Technologiegespräche“ im August 1994 gegeben, als sowohl Bundeskanzler Vranitzky, Vize-Kanzler Busek, Verkehrsminister Klima und der neue ORF-Generalintendant Zeiler ihre Positionen und Visionen einer österreichischen Kommunikationsinfrastruktur vorgestellt haben.

Das plötzliche Interesse an der Informationsinfrastruktur hat also ganz massive wirtschaftliche Hintergründe und ist nicht Ausdruck einer kulturpolitischen Bildungs- und Kommunikationsoffensive für die breite Bevölkerung. Diese muß allerdings eine Konsequenz der gegenwärtig stattfindenden technologischen Entwicklungen sein, um gesellschaftlich unerwünschte und nur in von wirtschaftlichen Interessen geformten Bahnen dieser Entwicklung zu verhindern.

Im folgenden sollen nun die dominierenden Interessen und die treibende Kräfte, die hinter den informationspolitischen Aktivitäten liegen, aufgezeigt werden. Es wird dabei deutlich, daß die sogenannte Kommunikationspolitik im Zusammenhang mit den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien mehr oder weniger reine Wirtschaftspolitik darstellt. Welche Absichten seitens der Informations- und Kommunikationsindustrie die gegenwärtig stattfindende Entwicklung prägen ist notwendiges Hintergrundwissen um den Spielraum für eine integrative und gesellschafts- bzw. kulturpolitisch orientierte Kommunikationspolitik deutlich zu machen.

5.3.1 Die wirtschaftlichen Hintergründe

Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien sind nicht per se entwickelt worden. Vielmehr ist eine „Krise der Kontrolle“ der industriellen Industrie der Motor für die sukzessive Weiterentwicklung von Steuerungs- und Kontrollinstrumenten für die industrielle Produktion gewesen. James Beniger beschreibt die stattfindende technologische Revolution als „Revolution der Kontrolle“. Shields und Samarajiva bringen Benigers Ansatz folgendermaßen auf den Punkt: „For Beniger, the central problem für complex societies is ‘integration’ - ‘the growing need for coodrdination of functions that accompanies differentation and specialization in any system’ [p.11]. He conceptualizes national economies as material-processing systems engaged in extraction, reorganization, and distribution of environmentatl inputs for final consumption. Information processing is crucial to such systems. As in a living system, communication and procession information constitute society’s central mechanism for self-maintenance.“ Für Beniger hat die industrielle Revolution zu einer Beschleunigung der Güterproduktion durch den Einsatz von Dampf- und später elektrischen Maschinen geführt. Die damaligen informationsverarbeitenden Systeme bzw. die Kommunikationstechnologien galten als „Bremse“ für die Beschleunigung in Produktion und im Transportwesen. Als Beispiel führt Beniger die Sicherheitskrise der Eisenbahn an. Schnelle Züge mussten überwacht und kontrolliert werden. Eine Verteilungs- oder Lieferkrise war die Folge der Ausbreitung von hochleistungsfähigen Getreideaufzügen in den Lagerhäusern. Es konnte wesentlich mehr gelagert und somit verkauft werden, was jedoch mit der Produktion und dem Transport auf der Basis von leistungsfähigen und schnellen Informations- und Kommunikationssystemen abgestimmt gehörte. Und letztlich führte diese Entwicklung zu einer Krise in der Konsumtion. Die vermehrte Produktion mußte auch verkauft werden. Der Konsum mußte stimuliert werden, differenziertere Produkte mußten auf den Markt gebracht werden, Markenloyalität mußte etabliert werden.

Verschiedene technologische Erfindungen trugen zur Bewältigung dieser Kontrollkrisen bei. Telegraph und Telephon, sowie die Einführung der standardisierten Zeitzonen lösten das Kontrollproblem im Transportbereich. Die arbeitsteilige Massenproduktion löste die Produktionskrise. Telegraph, Telephon und ein verfeinertes Postwesen lösten Distributionsprobleme und die Herausbildung von Werbestrategien und Marktforschung, jedoch vor allem die enorme Ausbreitung der Massenmedien lösten das Nachfrageproblem und ermöglichten somit die Kontrolle des Konsums.

Die wirtschaftliche Dimension der gegenwärtig ablaufenden Revolution durch die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien charakterisiert Nicholas Garnham folgendermaßen. Die Entkoppelung der Übertragungskosten von der Distanz kann als genereller Auslöser der wirtschaftlichen Euphorie über die Chancen und Möglichkeiten nationaler und globaler Informationsnetzwerke gesehen werden. Möglich wurde das vorwiegend durch Entwicklungen in der Satellitentechnologie. Verstärkt durch die Glasfasertechnologie sind die Übertragungskosten im Verhältnis zu den Produktionskosten gesunken, was in der Folge dazu geführt hat, daß die Übertragungskapazität die Produktionskapazität bereits längst überstiegen hat .

Wieder einmal führt die Beschleunigung eines Telbereiches des ökonomischen Systems zu einer Krise in anderen Teilbereichen. Jetzt geht es darum, die Kapazität der Informations- und Kommunikationstechnologien zur Steuerung von Produktion, Distribution und Konsumption flächendeckend einzusetzen. Alle OECD-Regierungen haben mitllerweile den elektronischen Sektor als ausschlaggebend für wirtschaftliches Wachstum und internationale Konkurrenzfähigkeit erkannt, was dazu geführt hat, daß sich Kommunikationspolitik und Wirtschaftspolitik zunehmend überlappen, was zu Lasten ersterer auszugehen droht. Die Universalität dieser Technologien führt dazu, daß ihr Einsatz als Produktions. Distributions- und Konsumtionstechnologien das infrastrukturelle Design bestimmen und ihr Einsatz als Kommunikationstechnologien für gesellschaftliche Information und Unterhaltung sich diesen Vorgaben anpassen muß. Und die technologische Konvergenz macht es für eine gestaltende Kommunikationspolitik unmöglich, zwischen gesellschaftlichem Einsatz (die Funktion der traditionellen Massenmedien), wirtschaftlichem Einsatz und privatem Einsatz zu trennen. Das bedeutet enorme Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen privater und öffentlicher Sphäre. Regulierungsmaßnahmen für öffentliche bzw. gesellschaftliche Kommunikation beeinflussen Wirtschafts- und Individualkommunikation, was zu gänzlich neuen Sicht- und Herangehensweisen für eine zukunftsweisende Kommunikationspolitik führen muß.

5.3.2 Der Status-quo der Medienpolitik

Vielfältige Technologien für die Reproduktion und die Distribution von Information und Unterhaltung prägen noch die gegenwärtige Medien- und Kommunikationslandschaft: Print, Film, Rundfunk und Telekommunikation. Diese technologische Unterscheidung bestimmt nicht nur unsere alltagsverständliche Sicht der Medien, sie hat auch große Teile der wissenschaftlichen Beschäftigung auf diesem Gebiet bestimmt und macht es heute für die Wissenschaft sehr schwer, das Mediensystem und die dazugehörige Politik als Ganzes zu sehen. Von dieser Unterscheidung ausgehend haben sich auch die verschiedenen institutionellen, wirtschaftlichen, Regulierungs- und rechtlichen Strukturen entwickelt. Die Presse funktioniert fast überall auf der Welt am freien Markt und die Pressepolitik ist durchwegs von dem Modell der „freien Presse“ bestimmt, welches staatliche Eingriffe erschwert, wenn nicht überhaupt verbietet. Österreich ist eines der wenigen Länder, in dem sich dieses Prinzip noch immer nicht voll durchgesetzt hat. Vor allem das System der österreichischen Presseförderung widerspricht einem marktwirtschaftlichem Modell . Der Film stellt einen hochgradig US-amerikanisch dominierten und international konzentrierten Bereich dar, was außerhalb der USA zu protektiven Strukturen staatlicher Interventionen und Förderungen für die nationalen Filmproduktionen geführt hat. Der Rundfunk ist fast überall nach dem dualen System von der Gleichzeitigkeit von öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkanbietern geprägt. Generell unterliegt der Rundfunk fast überall starker staatlicher Regulierung und Kontrolle, sowohl was die Eigentümerstrukturen als auch den Programminhalt betrifft. Und die Telekommunikation wird nach dem Common-Carrier-Prinzip (allgemeines Übertragungsmedium) entweder als staatliches Monopol oder stark reglementiert betrieben.

Wir können nun zunehmend diese getrennten Formen gesellschaftlicher Kommunikation unter einer gemeinsamen digitalen elektronischen Form zusammenfassen, die durch die Computertechnologie gesteuert und als einzelner Bit-Strom auf einem gemeinsamen digitalen Highway übermittelt wird. Das führt dazu, daß die konventionellen Grenzen zwischen den Medien aufgelöst werden und die traditionelle Basis für Kommunikationspolitik nicht mehr vorhanden ist. Ist Videotext ein Printmedium oder Rundfunk? Soll Kabel ein allgemeines Übertragungsmedium sein, wie das Telefonnetzwerk oder soll es wie der Rundfunk reguliert sein? Soll den Telefongesellschaften erlaubt werden, als Anbieter für Text- und Fernsehdienste sowie für Sprach- und Datenübertragung via breitbandiger Netzwerke aufzutreten? Werden die derzeitigen technologischen Entwicklungen zur Pluralität von konkurrierenden Übermittlungssystemen und zur Pluralität von Informationsanbietern führen? Oder geht der Trend zu einem einheitlichen digitalen Highways für alle Kommunikationsdienste, zum sogenannten ‘integrated services digital network’ (ISDN)? Gibt es gesellschaftliche Vorteile durch eine solche Integration? Andererseits, wenn die Richtung der technischen Pluralität eingeschlagen würde, würde das bereits von sich aus die Pluralität der Informationsanbieter und des Zuganges zu Information sichern oder müßte eine solche Pluralität erst durch zusätzliche Maßnahmen, wie die Regulierung von Eigentumsstrukturen (cross-ownership; Kartellgesetz etc.) und/oder die Verankerung des common-carrier-Status für alle physikalischen Übertragungsnetzwerke, gefördert werden? Wenn die ISDN-Richtung eingeschlagen wird, wie kann ein solches massives und gesellschaftlich strategisches Monopol kontrolliert werden?

Indem - sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene - sämtliche Formen möglicher Regulierung in Frage gestellt werden (Kommunikationspolitik), und andererseits bei der Entwicklung der Informationsinfrastruktur und der Herausbildung technologischer Standards den mächtigen und neuen Kräfte der Konkurrenzfähigkeit freier Lauf gelassen wird (Wirtschaftspolitik), werden die geerbten Regulierungstraditionen innerhalb des Kommunikationsbereiches herausgefordert und auch die Kommunikationspolitik wird durch diese Entwicklungen gezwungen, ihre Grundzüge neu zu überdenken.

Nach Garnham haben wir es in der kultur- und gesellschaftspolitischen Debatte um die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien und die aprobate politische Antwort darauf mit zwei grundlegend gegensätzlichen Positionen zu tun:

Zu diesen eher ökonomisch orientierten pessimistischen Positionen, wie sie vorwiegend in Nordamerika vorgebracht werden bzw. dort ihren Ursprung hatten , dominieren in Europa eher
Beide Sichtweisen - sowohl die optimistischen, als auch die pessimistischen - haben teilweise Recht: Garnham macht jedoch die richtige Beobachtung, daß all diese Positionen einen gemeinsamen Fehler haben: sie differenzieren nicht. Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien werden als amorph-diffuser Komplex - als Einheit - aufgefaßt.

Es gelingt ihnen zunächst nicht, zwischen dem Potential technologischen Fortschritts ganz allgemein und den tatsächlich realisierten Anwendungstechnologien zu unterscheiden. Und aus diesem Grund gelingt ihnen auch keine nuancierte Sichtweise der neuen Technologien. Garnham vermißt die Unterscheidung zwischen Produktionstechnologien (wie z.B. computergestütztes Video-Editing), Konsumententechnologien (Heimelektronik) für den häuslichen Konsum von Kommunikationsgütern und -diensten (z.B. Videorecorder) und jenen Technologien, die für die Übermittlung verantwortlich sind .

Entsprechend der im vorigen Abschnitt versuchten Strukturierung des Wesens der neuen Technologien entspricht die Forderung Garnhams, der Forderung nach nuancierter Sichtweise zwischen Service- bzw. Dienstetechnologien, Infrastruktur und Benutzertechnologien.

Obige Sichtweisen sehen den Einfluß dieser universellen Technologie grundsätzlich entweder als schlecht oder gut an. Dadurch werden auch die politischen Einflußmöglichkeiten simplifiziert, weil die Ambiguität dieser Technologien nicht gesehen wird. Und damit sind wir bei einem politisch entscheidenden Charakteristikum der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien. Unter Ambiguität ist zu verstehen, daß sie auf unterschiedliche Gruppen der Gesellschaft unterschiedlich wirken werden.

Textverarbeitung und Heimarbeit (Telecommuting) mag für Selbständige und selbständig agierende Angestellte ein Vorteil sein, für Angehörige der unteren Berufsgruppenschicht wird es zu höheren Repressionen kommen. Das interaktive Kabel wird sowohl die Freiheit des Konsumenten erhöhen als auch die Kontrollmöglichkeiten von Organisationen und Staat über das Individuum erhöhen (Stichwort TGI). Die Einführung einer fortschrittlichen digitalen Telekommunikationsinfrastruktur kann die wirtschaftliche Produktivität erhöhen, was der Bevölkerung allgemein zum Vorteil gereicht um gleichzeitig derselben durch die Verschlechterung der Dienste durch die lokale Telefongesellschaft einen Nachteil zu bringen.

Die politische Antwort darauf kann zweifach sein: entweder überläßt man die ganze Sache dem freien Markt, um sich somit von jeder Verantwortung freizusprechen, oder es führt zu starkem Dirigismus bzw. staatlicher Einflußnahme.

Der nachhaltigste Fehler dieser politischen Schwarz-Weiß-Malerei ist jedoch die ausschließlich technologische Sichtweise. Diese verschleiert den tatsächlichen ökonomischen Kontext mit dem es die Kommunikationspolitik eigentlich zu tun hat. Die derzeitige politische Phase müßte eigentlich von der Diskussion geleitet sein, inwieweit Kommunikationspolitik und die damit zusammenhängende Kulturpolitik von den Prioritäten der Wirtschafts- und Industriepolitik bestimmt wird. Alle OECD-Regierungen (Organizsation for Economic Cooperation and Development) haben ihre Elektronik- und Informatiksektoren als Schlüssel für internationale Konkurrenzfähigkeit und zukünftiges wirtschaftliches Wachstum identifiziert. Sämtliche ‘National Information Infrastructure’ - Konzepte - von dem amerikanischen „Agenda for Action - Papier“ bis zum „Bangemann-Bericht“ fußen auf dieser Grundannahme. Und die Stellungnahme der G7-Konferenz Ende Februar 1995 befindet sich im selben Fahrwasser. Der weltweite Konkurrenzdruck ist Teil eines generellen Trends, welcher die gesamte Entwicklung der Kommunikations- und Kulturpolitik der einzelnen Staaten bestimmen wird.

Innerhalb der Kommunikationsbranche selbst, lassen sich drei unterschiedliche wirtschaftliche Trends ablesen. Diese wirtschaftlichen Entwicklungen und somit die technologischen Entwicklungen, die davon hervorgerufen wurden bzw. die diese wirtschaftliche Entwicklung überhaupt erst ermöglichten, setzen nun ökonomische Kräfte innerhalb der Kommunikationsbranche frei, die nach Deregulierung bzw. Privatisierung dieses Sektors rufen. Diese Stimmen nützen die offensichtliche Konfusion, die Widersprüche und die Unlogik die die technologischen Entwicklungen innerhalb der existierenden regulierten Strukturen hervorgerufen haben. Ein Ergebnis davon ist, daß sich die Politiker aufgrund des entstehenden Drucks und der tatsächlichen Komplexität dieser Materie mehr denn je zum Modell des freien Marktes hingezogen fühlen. Die Befürworter von Deregulierung und Privatisierung wollen das sogenannte „freie Presse“-Modell auf sämtliche Bereiche einer zukünftigen Informationsinfrastruktur angewendet sehen. Sie argumentieren, daß im Bereich des Rundfunks, die Gründe für Regulierung, nämlich die Knappheit an Frequenzen, durch die neuen Technologien aufgehoben werden, ebenso wie die Gefahr lokaler Netzwerkmonopole und die daraus resultierende Notwendigkeit zur Regulierung der common-carrier nicht mehr besteht .

Die Problematik der gesamten politischen Diskussion in diesem Zusammenhang besteht darin, daß sich diese Forderungen an der medienspezifischen Gesetzgebung und Regulierung der traditionellen Medien orientiert und es keine Konzepte gibt, die die Besonderheit der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien berücksichtigen. Es müssen Regulierungsstrukturen für die zukünftigen Dienste in elektronischen Netzwerke gefunden werden, es muß ein Konzept für ein gesellschaftlich verträgliches Design der Telekommunikationsinfrastruktur entwickelt werden und es muß eine politische Willensbildung bezüglich der potentiellen Benutzer/User der digitalen Highways stattfinden.

Neben diesen analytischen Problemen ist die europäische Kommunikationspolitik noch zusätzlich mit der Tatsache konfrontiert, daß die politische Debatte über zum Beispiel Deregulierung von Erfahrungen in den USA geprägt ist. Das bringt auch mit sich, daß sich die Sprache dieser Debatte an U.S. amerikanischen Rechts-, Regulierungs- und politischen Traditionen anlehnt. Sowohl die entsprechenden technologischen als auch kommunikationswissenschaftlichen Analysen beruhen auf der U.S. amerikanischen Tradition des „First Amendments“, dessen Kontext nicht so einfach auf andere Länder übertragen werden kann.

Neben den politisch grundlegend anderen Traditionen ist auch die Größe des amerikanischen Marktes und die Macht der Geräte- und Programmhersteller nicht vergleichbar. Das würde an sich noch nicht so problematisch sein. Die Tatsache jedoch, daß sich diese Vormachtstellung der USA jedoch auch in den internationalen Kommissionen und Organisationen, wie ITU, UNESCO, GATT etc. fortsetzt und somit auch den internationalen Dialog dominiert, führt zu Problemen von anderen Staaten, ihre jeweils nationalen Hintergründe in die Diskussion einzubringen, v.a. wenn es um Handelsabkommen oder Quotenregelungen geht. Die Möglichkeiten nationaler Kommunikations- und Kulturpolitik verschwinden zunehmend.

Im Sinne der im ersten Teil dieses Kapitels entwickelten Analysestruktur muß sich der Wechsel des traditionellen Medienbegriffs zum Dienste- bzw. Servicebegriff auch in einer Umorientierung des Gegenstandsbereiches der gegenwärtigin Medienpolitik ausdrücken. Rundfunk, Presse, Film etc. müssen als Dienste - neben vielen anderen - verstanden werden, die sich nicht mehr durch die Art und Weise ihrer Übermittlung unterscheiden, sondern gleichermaßen innerhalb eines universellen elektronischen Netzwerkes verbreitet und abgerufen werden können. Aus diesem Grund kommt der Netzwerkinfrastruktur eine zentrale Bedeutung zu.

5.4 . Informationskulturen

In einer international vergleichenden Studien über den jeweiligen Stand der nationalen Pressestatistik als Indikator für eine transparente Medienpolitik haben wir herausgefunden, daß sich die einzelnen Länder diesbezüglich in Abhängigkeit von ihrer jeweilig vorherrschenden Informationskultur zum Teil erheblich unterscheiden.

Zur Erklärung unterschiedlicher politischer Argumentationen und Strategien im Zusammenhang mit der Einführung der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien sind immer wieder erstaunliche Parallelen erkennbar.

Die politischen Argumente, mit denen zum Beispiel der amerikanische Vizepräsident Al Gore das Konzept der „National Information Infrastructure“ der amerikanischen Bevölkerung vorstellt, haben in Europa ganz andere Bedeutungen.

Generell ist davon auszugehen, daß sich das Informationsverhalten der einzelnen Benutzer in elektronischen Netzwerken ganz erheblich durch ihre jeweiligen informationskulturellen Hintergründe voneinander unterscheiden. Ebenso sind die nationalen Informationspolitiken von der grundlegenden Einstellung zu Information und Informationsfreiheit in den einzelnen Ländern beeinflußt.

Im Zusammenhang mit den neuen Informations- und Kommunikatiationstechnologien und insbesondere mit dem Konzept des digitalen Informationshighway ist allerdings davon auszugehen, daß dieses Konzept ganz wesentlich von einer anglo-amerikanischen Informationskultur geprägt ist und alleine deshalb zum Beispiel in Mitteleuropa anders gesehen, geplant und genutzt wird.

In der Folge sollen nur die drei wichtigsten Informationskulturen für den Zusammenhang mit der Diskussion der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien kurz dargestellt werden. Sie sind vor allem für die daran anschließenden Ausführungen ein wichtiger Hintergrund, ebenso wie für die Einschätzung bestimmter politischer Maßnahmen. :

Da ist die, vor allem in den USA vorherrschende, protestantisch-aufgeklärte Informationskultur. "Transparenz durch Information" ist die Voraussetzung für die instrumentelle Rationalisierung des wirtschaftlichen Lebensbereiches und folglich für jede wirtschaftliche Entwicklung ist. Die protestantisch-aufgeklärte Informationskultur in kapitalistischen Wirtschaftssystemen zeichnet sich dadurch aus, daß wirtschaftlicher Erfolg grundsätzlich nicht nur positiv ist, sondern auch nach außen transportiert wird. Reger Informationsaustausch zwischen Unternehmen und Öffentlichkeit bzw. Konsumenten beleben den Wettbewerb und zählen zum Grundinstrumentarium wirtschaftlichen Handelns. Dementsprechend werden auch politische Argumente für die „National Information Infrastructure“ als Grundvoraussetzung für wirtschaftlichen Wettbewerb und Konkurrenzfähigkeit von einer breiten Basis in der Bevölkerung mitgetragen.

Im Unterschied zu der an einem wirtschaftlichen Liberalismus orientierten protestantisch-aufgeklärten Informationskultur hat sich vor allem in den skandinavischen Ländern ein an den Rechten des Individuums orientierter Liberalismus herausgebildet. Dort leitet sich der Stellenwert von Information aus dem Streben nach politischer Emanzipation des Individuums ab. Ein solches "Grundrecht auf Information für Alle" bedeutet hier die Voraussetzung für politische Kontrolle. Aufgrund der sozialdemokratischen Tradition Skandinaviens ist diese verfassungsgemäße Verankerung dort am weitesten fortgeschritten. Innerhalb einer solchen sozialdemokratisch-liberalen Informationskultur steht jedem Bürger das Recht zu, sich bei seiner kommunalen Behörde bzw. beim Staat selbst über sämtliche, ihn potentiell betreffende Entwicklungen zu informieren. Diese Informationspolitik legitimiert sich für den Staat und seine Bürger nicht aufgrund der tatsächlichen Inanspruchnahme dieser Möglichkeiten, sondern alleine durch das Wissen darum.

Dieser an den Rechten des Individuums orientierte protestantische Liberalismus hatte allerdings auch maßgeblichen Einfluß auf die Formulierung der amerikanischen Verfassung, was sich besonders im sogenannten „First Amendment“ niederschlägt. Vor allem das politische Konzept von Al Gore im Zusammenhang mit der „National Information Infrastructure“ entspringt einer Mischform der protestantisch-aufgeklärten und der sozialdemokratisch-liberalen Informationskultur. Im Gegenzug für Deregulierungsmaßnahmen und Steuervergünstigungen für die Wirtschaft, die für den Aufbau dieser Infrastruktur herangezogen werden soll, muß sich diese zu den liberalen Idealen von „Universal Service“ und „Open Access“ für alle Amerikaner verpflichten.

In engem Zusammenhang mit protestantisch orientierten Informationskulturen hat sich auch ein aktives Informationssuchverhalten der Menschen in diesen Kulturen entwickelt. Ein Indikator dafür ist, daß zum Beispiel das gesamte Bildungswesen weniger auf die Vermittlung von Faktenwissen angelegt ist, als auf die Erziehung zur Informationssuche und die Förderung der Fähigkeit, gute Fragen zu formulieren.

"Wissen ist Macht" bzw. „Informationen sind Macht“ könnte hingegen der Leitspruch für einer katholisch-feudalistische Informationskultur sein. Informationen unterliegen hier einer strengen Hierarchie von oben nach unten. Welche Information wie nach unten weitergegeben wird, entscheiden die Informationsreichen an der Spitze der jeweiligen Informationspyramide. Es gibt kein Recht auf Information. Die Behörde entscheidet, welche Informationen an den Bürger weitergegeben werden und welche nicht. Wirtschaftlicher Erfolg ist grundsätzlich unanständig und wird aus Angst von Neidern sowohl auf der Seite des Staates als auch auf Seiten des Bürgers nicht nach außen transportiert. Informationen werden nur auf informellen Wege weitergegeben und der Zugang dazu bestimmt die Position im Hierarchiesystem.

Die Bürger sind es nicht gewohnt, aktiv nach Informationen zu suchen. Sowohl in der Schule wurde vorgegeben, welche Information wichtig ist und welche nicht, als auch bei staatlichen Einrichtungen und Unternehmen wird „oben“ entschieden, welche Informationen „nach außen“ gehen und welche nicht.

Selbstverständlich kommen diese Informationskulturtypen kaum mehr in ihrer Reinkultur vor. Dennoch lassen sich die einzelnen Staaten bzw. Regionen aufgrund der Dominanz des einen oder anderen Systems eindeutig voneinander unterscheiden.

Für Österreich läßt sich allerdings noch eine starke Dominanz einer katholisch-feudalistischen Informationskultur ausmachen. Im Zusammenhang mit der Diskussion um eine österreichische Kommunikationsoffensive, wie sie Bundeskanzler Vranitzky bei den „Alpbacher Technologiegesprächen“ angekündigt hat, muß auch an eine langfristig angelegte Veränderung dieser Informationskultur gedacht werden, wenn nicht nur die internationale Wirtschaft und multinationale Konzerne die Nutznießer einer globalen Informationsinfrastruktur sein sollen.

Im Zusammenhang mit der politischen Argumentation bzw. Formulierung einer politischen Position im Zusammenhang mit den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien kommen diese kulturellen Hintergründe sehr wohl zum Tragen. Je nachdem ob die Wirtschaft oder der einzelne Bürger im Mittelpunkt des Interesses steht, für wen bzw. von wem die neuen Dienste entwickelt werden sollen bzw. wie es um das Informationsbedürfniss und um das Wissen zur Informationsbeschaffung bei den Bürgern in diesen unterschiedlichen Regionen generell bestellt ist, hängen mehr oder weniger deutlich damit zusammen.

5.5 Information und Demokratie

Es ist vor allem die Konvergenz der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, die es unmöglich macht, bisherige Strategien der Informationsregulierung weiterhin anzuwenden. Das Zusammenwachsen von Massenmediensystemen mit jenen für individuelle Kommunikation betrifft auch die inhaltliche Dimension.

Sämtliche theoretischen und politischen Konzepte der Informationsregulierung basieren auf dem technologischen Konzept der Massenmedien bzw. auf dem dahinter liegenden linearen Sender - Empfänger - Kommunikationsmodell. Nur wenn der Ausgang eines Kommunikationsprozesses, also die Senderseite, eindeutig identifizierbar ist, können Verantwortung für den Inhalt der vermittelten Informationen festgelegt werden.

Die meisten Mediengesetzgebungen haben das Herausgeberprinzip bzw. die Nachweispflicht des für den Inhalt Verantwortlichen inkludiert. Außerdem ist die Kommunikationsabsicht der Massenmedien eindeutig erkennbar. Eine gedruckte Zeitung, eine ausgestrahlte Radio- oder Fernsehsendung, eine Filmvorführung im Kino sowie eine Buchausgabe im Verkaufsregal verfolgen das Ziel, von einer mehr oder weniger großen Anzahl von Lesern, Hörern oder Sehern rezipiert zu werden. Es handelt sich um medienspezifisch „gestaltete“ Information, auf deren Form und Ablauf der Rezipient keinen Einfluß nehmen kann.

Wie bereits im ersten Abschnitt dieses Kapitels ausführlich dargestellt wurde, lösen die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien die Sender-Empfänger - Dichtotomie auf und die Kontrolle der Informationsproduzenten über die Art und Weise der Rezeption ihrer Produkte ist nicht mehr gegeben. Weiters führt die Tatsache, daß sich einzelne Medien (Presse, Radio, Fernsehen, Film, Video, Zeitschrift etc.) nicht mehr aufgrund ihrer physikalisch-materialistischen Form bzw. bezüglich ihres Übertragungsmediums unterscheiden lassen, sondern als einziger Bit-Strom im digitalen Informationsnetzwerk zu einer gänzlich anderen Betrachtungsweise von Kommunikations- bzw. Medieninhalten. Sie können von anderen Informationseinheiten (messages, files etc.) aus Bulletin Boards (BBS), Newsgroups oder Mailing Lists nicht mehr analytisch unterschieden werden. Als ein Beispiel dafür kann das Prinzip der sich mehr und mehr verbreitenden (aufgrund immer höherer Bandbreiten und Komprimierungsmöglichkeiten) sound-unterstützten Kommunikation im Internet gelten. Das „Internet-Talk-Radio“ ist Radio im Internet und kann als low-tech-Prototyp für netzwerkgestütztes elektronisches Radio dienen. Es besteht grundsätzlich aus nichts anderem als aus einer Ansammlung von einzelnen sound-files, die in jeder beliebigen Reihenfolge zu jedem beliebigem Zeitpunkt abgespielt und angehört werden können. Dasselbe Prinzip gilt für sämtliche anderen Formen, von Text über Bild bis hin zu Video. Mike Godwin macht die Problematik für die „Festmachung“ solcher Inhalte an bestimmte Produzenten und Konsumenten deutlich, wenn er feststellt, daß „ the store-and-forward nature of message distribution on these systems means that such traffic may exist on a system at some point in time even though it did not originate there, and even though it won’t ultimately end up there.“

Die Problematik, vor der die Kommunikationswissenschaft ebenso steht, wie die damit befaßte Politik, ist die fehlende analytische Kategorisierung einzelner Elemente von elektronischen Netzwerken. Neben der bereits im ersten Abschnitt dieses Kapitels geleisteten Kategorisierung in Dienste, Netzwerkinfrastruktur und Benutzer/User als neue Dimensionierungen des Gesamtkomplexes, soll im folgenden auf die Art und Weise der in elektronischen Netzwerken stattfindende Kommunikation näher eingegangen werden. Dabei soll anhand der grundlegenden Veränderung von Kommunikation bzw. der Verschiebung des Schwergewichts von den bisherigen dominierenden Formen zu neuen Kommunikationsformen, nachvollziehbar gemacht werden. Dadurch soll der Spielraum für inhaltliche kommunikationsregulierende Maßnahmen aufgezeigt werden.

5.5.1 Basiswerte einer demokratischen Medienpolitik

Kulturpolitisch geprägte Medienpolitik (im Gegensatz zu einer wirtschaftspolitischen Orientierung) hat und hatte immer einen starken normativen Charakter. Die grundlegenden gesellschaftlichen Werte der Freiheit, Gleichheit und Gemeinschaft prägten kulturpolitische Konzepte und Maßnahmen im Zusammenhang mit der Regulierung von Massenmedien.

Das Postulat der Freiheit bedeutet die Schaffung von Möglichkeiten für die Entwicklung sämtlicher medialer Ausdrucksformen, des Zuganges zu den Medien, den Widerstand gegen Monopole und Zensur sowie die Sicherstellung maximaler Meinungsfreiheit.

Gleichheit bezieht sich auf die ausgewogene und faire Distribution von kulturellen und Informationsgütern und den chancengleichen Zugang zu den Medien, sowohl als Sender, als auch Empfänger.

Und Gemeinsamkeit bedeutet schließlich die Bevorzugung von Gemeinschaft, Solidarität, Kooperation und Integration gegenüber Isolation, Fragmentierung, Individualisierung oder Privatisierung.

Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien mit ihrer dominierenden Tendenz zur Auflösung der traditionellen Massenmedien aufgrund der technologischen Konvergenz mit den Individualmedien, stellen diese grundlegenden Werte zwar nicht in Frage, machen deren Anwendung auf die Regulierung von medial vermittelten Kommunikationsinhalte allerdings unmöglich.

Für McQuail sind vor allem folgende Trends dafür ausschlaggebend: Gepaart mit den universellen und konvergierenden Kräften der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien führt diese Entwicklung zu enormen Auswirkungen auf das zukünftige Informations- und Kommunikationsverhalten von Individuen. Die Universalität des Einsatzes der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien wird eine Unterscheidung des Einsatzes in arbeitsbezogene, bildungsbezogene oder unterhaltungsbezogene Anwendungen nicht mehr möglich machen. Ob der PC am Arbeitsplatz, in der Schule oder zuhause, dasselbe Endgerät übernimmt sämtliche medialen Kommunikationsaktivitäten. Unabhängig von Zeit und Ort können diese Aktivitäten durchgeführt werden.

Welchen kommunikativen Charakter haben nun diese unterschiedlichen Kommunikationsaktivitäten bzw. läßt sich die Art und Weise von Kommunikation in interaktiven elektronischen Netzweken in eine Struktur bringen?

5.5.2 Kommunikationsmodi

Folgendes Kommunikationsmodell wird von McQuail zur Diffenenzierung zwischen den „alten“ und den „neuen“ Medien vorgeschlagen. Er unterscheidet dabei zwischen den beiden grundlegenden Möglichkeiten der Speicherung der Information (Sender-/Produzentenseite) und den Möglichkeiten für den individuellen Abruf dieser Informationen. Der Informationsfluß kann demnach dahingehend unterschieden bzw. eingeteilt werden, ob die Information von einer zentralen Stelle oder von dezentral-individuellen Quellen bezogen wird und andererseits hinsichtlich den Kontrollmöglichkeiten über den Zugang zu diesen Informationen. Anders gesagt, ob die Inhalte und die Zeit vorgegeben sind (zentral) oder ob sie vom Benutzer individuell bestimmt werden können.

Informationsangebot Zentral Individuell Kontrolle über Zeit und Inhalt: Zentral Zuteilung, Verteilung Rationierungallocution) Registrierung Kontrolle über Zeit und Inhalt: Individuell Konsultation Konversation (Quelle: Bordewijk und van Kaam in McQuail, 1986, p.9)

5.5.2.1 Zuteilungsmodus oder allokativer Modus

Der Zuteilungsmodus des Informationsflusses innerhalb des Kommunikationsprozesses charakterisiert die sogenannten „alten“ Medien, vorwiegend den traditionellen Rundfunk. Es ist vor allem die technologische Möglichkeit zur Speicherung von sämtlichen Informationen in elektronischen Netzwerken, die diesen Modus dort generell ausschließt. Sämtliche Informationen können gespeichert und zu jedem beliebigen Zeitpunkt abgerufen werden. Die Interaktivität und die Transformation von Inhalten aufgrund des universellen digitalen Codes schränken zusätzlich die Kontrolle über den Inhalt für den Sender ein.

Dieser Kommunikationsmodus bildet die Basis der derzeit noch vorherrschenden inhaltlich orientierten medienpolitischen Konzepte. Auflagen, wie „ausgewogene“ Berichterstattung, Quotenregelungen für bestimmte inhaltliche Anteile, Zwang zur Richtigstellung werden obsolet angesichts der Tatsache, daß zukünftige Informationskonsumenten die angebotenen Informationen nicht mehr „im gesamten Zusammenhang“ von ein und derselben Quelle beziehen müssen. Es ist daher nicht davon auszugehen, daß sich die Konsumenten einen Gesamtüberblick verschaffen können, der zum Beispiel für Quotenregelungen und Forderungen nach Ausgewogenheit vorausgesetzt werden muß.

Nachdem dieser Kommunikationsmodus für die elektronischen Netzwerke nicht mehr zutreffen wird, müssen demnach die Grundsätze für eine inhaltlich orientierte Medienpolitik völlig neu überdacht und konzipiert werden. Und zwar im Hinblick auf die inhaltliche Regulierbarkeit der anderen drei Kommunikationsmodi ebenso, wie auch hinsichtlich deren Überprüfbarkeit.
5.5.2.1.1 Demokratiepolitische Dimension des allokativen Kommunikationsmodus
Dennoch muß hier ein demokratiepolitisch wichtiger Aspekt angesprochen werden. Der allokative Kommunikationsmodus stellt einen Grundpfeiler der westlichen Demokratien dar. Die traditionellen Massenmedien, die als Hauptvertreter dieses Kommunikationsmodus gelten, können in Zukunft nicht mehr als die alleinigen Institumente zur politischen Meinungsbildung und als Gradmesser für die politische Grundstimmung in einem Land gesehen werden. Die Grundfrage wird in Zukunft nicht mehr jene nach der Meinungsvielfalt sein müssen, sondern jene nach den Möglichkeiten zur Meinungsbildung. Die Individualisierung des Informations- und Unterhaltungskonsums durch die neuen Informations- und kommunikationstechnologien kann die gleichmäßige und flächendeckende Versorgung der Mitglieder ein Gesellschaft mit demokratiepolitisch notwendigen Informationen nicht mehr garantieren. Der gesellschaftspolitische Diskurs mittels der Massenmedien findet in der traditionellen Form nicht mehr statt.

Hier ist ein Umdenken auf allen gesellschaftspolitisch relevanten Ebenen erforderlich. Gerade im Zusammenhang mit den neuen Technologien wird deren demokratisierendes Potential durch den unmittelbaren und universellen Zugang zu Information als positiver Aspekt hervorgehoben. John Naisbitt , ein in diesem Zusammenhang vielzitierter Prognostiker genereller gesellschaftlicher Trends, ortet die Wende von repräsentativen Formen der Demokratie zur sogenannten direkten Demokratie. Gerade in diesem Zusammenhang ist der Hinweis auf die unterschiedlichen informationskulturellen Hintergründe von weittragender Bedeutung. Die auch in der jüngsten politischen Debatte in Österreich von Vertretern eines populären Politikstils heraufbeschworene direkte Demokratie muß vor diesem Hintergrund gesehen werden. Die direkte Demokratie ist eine Form, die sich vor allem innerhalb protestantisch-liberaler Informationskulturen entwickelt hat. Sie funktioniert auf einer offenen und liberalen Informationstradition, die nicht nur die Verfügungstellung von Information von seiten des Staates und der Wirtschaft umfaßt, sondern auch die Erziehung der Bevölkerung zur aktiven Informationssuche.

Die sogenannte „Abstimmung per Knopfdruck“ ist nur auf der Basis einer garantierten Information der Abstimmenden ein demokratiepolitisch sinnvolles Instrument. Wie an der jüngsten Informationskampagne über die Vor- und Nachteile eines möglichen Beitritts Österreichs zur Europäischen Union nachvollziehbar ist, genügt es allerdings nicht, die Informationen lediglich anzubieten. Es müssen Wege gefunden werden, die Bevölkerung auch zur Rezeption dieser Informationen zu animieren. Hier zeigt sich, wie fest verwurzelt die katholisch-feudalistische Informationskultur nach wie vor in Österreich ist. Hier ist das Bildungssysstem aufgefordert, die zukünftigen Generationen auf die neuen Informationsgewohnheiten in interaktiven elektronischen Netzwerken vorzubreiten. Es wird keine Instanzen mehr geben, die die Themen vorgeben. Jeder Einzelne wird selbst nachfragen müssen, wird neugierig sein müssen, wird sich die Informationen aktiv beschaffen müssen.

Nur auf dieser Basis können die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien tatsächlich zu einer Verbesserung des demokratischen Prozesses beitragen. Die Abstimmung per Knopfdruck zu fordern ohne eine völlig neue Informationskultur einzuführen, ist nicht mehr als eine gefährliche und populistische Aktion.

Hier ist auch die Kommunikationswissenschaft in ihrer unmittelbaren Zuständigkeit für die Rolle der gesellschaftlichen Kommunikation aufgefordert, neue theoretische Konzepte und Analysemodelle zu entwickeln. Unter dem Stichwort der „elektonischen Agora“ wird bereits eine erste Debatte über die Möglichkeiten zur Herstellung eines politischen Forums mittels der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien geführt. Hier müssen Fragen beantwortet werden, wie ein elektronisches Forum zur Herstellung eines demokratischen politischen Diskurses mit Zugangs- und Partizipationsmöglichkeiten für alle Gruppen der Bevölkerung hergestellt werden kann. Wer soll dieses Forum schaffen und wer soll dafür zuständig sein? Diese Debatte wird auch unter dem Schlagwort „electronic democracy“ geführt und verleitet durch die einfache Übersetzung und unter Nichtberücksichtigung des jeweiligen informationskulturellen Hintergrunds zu euphorischen Visionen über das demokratiepolitische Potential dieser neuen Technologien.

5.5.2.2 Konsultationsmodus

Der Konsultationsmodus bezieht sich auf jenen kommunikativen Vorgang, bei dem eine bestimmte Informationsquelle mit einer bestimmten Informationsabsicht von Individuen zu einem beliebigen Zeitpunkt kontaktiert bzw. abgerufen wird. Printmedien nehmen z.B. eine Zwitterstellung zwischen allokativen und konstultaivem Kommunikationsmodus ein. In elektronischen Netzwerken bezieht sich der Konsultationsmodus auf sämtliche Formen der Benutzung zentral (d.h. an einer bestimmten Stelle auffindbarern) angebotenen Informationen. Die Informationsserver im World Wide Web können konsultativ benutzt werden, ebenso wie Datenbanken, oder Bibliotheken. Aber auch das Browsen (durchstöbern) von Archive-Files aus BBS, Newsgroups oder Mailing Lists haben konsultativen Charakter, wenngleich die Verantwortlichkeit oder die Urheberrechtschaft für die zentral verfügbaren Informationen bei unzähligen individuellen Informationslieferanten liegt.

Legistisch-regulierende Maßnahmen sind bei dieser Form der Informationsverteilung grundsätzlich denkbar. Die Heterogenität der potentiellen Informationsanbieter, die vor allem durch die Befreiung der Informationsanbieter von organisatorischen, institutionellen und technologischen Zwängen hervorgerufen worden ist, macht eine einheitliche Regelung allerdings schwierig, wenn nicht sogar fragwürdig. Traditionelle Informationsanbieter, wie Tageszeitungen oder große Datenbanken werden sich nicht freiwillig Restriktionen unterstellen, die zum Beispiel für eine große Gruppe von Individuen, die als Urheber eines Archive-Files gelten, nicht administrierbar sind. Zusätzlich stellt die bereits erwähnte Flüchtigkeit von Informationen ein weiteres Hindernis für Regulierungsmaßnahmen dar.

5.5.2.3 Registrationsmodus

Der Registrationsmodus des elektronischen Kommunikationsprozesses stellt einen der sensibelsten Bereiche in der gesamten Diskussion um die Inhalte in elektronischen Netzwerken dar. Dieser Modus war bislang noch nicht im Zusammenhang mit gesellschaftlicher Kommunikation mitgedacht worden. Grundsätzlich bezieht sich diese Kategorie auf die Möglichkeit der neuen Technologien, die individuellen Benutzer zu registrieren und deren Informationsverhalten zentral zu speichern. Die Quelle der Information ist also der einzelne Benutzer, abgerufen wird diese Information jedoch von einem zentralen Registrierungssystem. Sämtliche Debatten um Datenschutz und Privacy fallen in diese Kategorie.

Das Potential zur Registrierung von individuellem Kommunikationsverhalten umfaßt grundsätzlich zwei diametral entgegengesetzen Dimensionen. Jene der bewußten und freiwilligen Registrierung von Individuen und jene der unbewußten und somit auch nicht freiwilligen Formen.

Die erste Form bezieht sich grundsätzlich auf sämtliche interaktive Kommunikationstätigkeiten in elektronischen Netzwerken. Teleshopping, Telebanking etc. beruhen auf der Identifizierung des Individuums gegenüber dem Kommunikationspartner. Das Internet kann auch hier wieder als low-tech-Prototyp des digitalen Superhighways herangezogen werden. Neuere Browsersoftware für das World Wide Web macht den Benutzer darauf aufmerksam, wenn Verbindungen aufgebaut werden, bei denen zumindest die Internetadresse des Benutzers transferiert wird.

Der Registrierungsmodus wird allerdings in einem anderen Zusammenhang eine ganz zentrale Bedeutung erhalten. Das größte Problem im Zusammenhang mit einer effektiven Benutzung elektronischer Netzwerke, liegt in der Entwicklung von Strategien zur Selektion, zur Filterung und zur Anpassung der Suchwege an den jeweiligen Benutzer. Die größte Dynamik in der gegenwärtigen Softwareentwicklung für elektronische Netze liegt demnach in der Entwicklung von Browsersoftware und Filtersystemen. Diese können nur auf der Basis der Registrierung des jeweils individuellen Informationssuchverhaltens funktionieren. Jene Wege, die am meisten eingeschlagen werden, jene Services, die am öftesten benutzt werden etc. werden für den Benutzer gespeichert und erleichtern die zukünftigen Konsultationen.

Die Grenze zur Problematik TGI (Transaction Generated Information) ist hierbei fließend und eigentlich nicht mehr auszumachen. TGI wurde an anderer Stelle als das neue Kapital der Informationsökonomie definiert. Das Wissen um das Informationsverhalten und die Informationsinteressen der Benutzer ist wertvolles Kapital für die gesamte Dienstleistungsindustrie. Garnham hat es ein „Set von Serienbeziehungen“ genannt, in die die Menschen eingeordnet und zu „gläsernen Konsumenten“ gemacht werden. Die Benutzer generieren durch die Tatsache der Benutzung der elektronischen Netzwerke wertvolle Informationen für die Dienstleistungsbranche, die von den registrierenden Stellen (z.B. die Netzwerkbetreiber) mit enormen Gewinnen weiterverkauft werden können.

Neben der wirtschaftlichen Dimension von TGI werden vor allem von Datenschützern auch die eminent wichtigen politischen Dimensionen in die Debatte eingebracht. Nicht nur konsumorientiertes Verhalten wird durch den Registrierungsmodus nachvollziehbar gemacht, auch andere inhaltliche Orientierungen der Netzwerkbenutzer könnten dadurch transparent gemacht werden. Die Grenze zum Schutz der Privatsphäre ist extrem durchlässig geworden und eine zukünftige Kommunikationspolitik wird hier um die Entwicklung einer klaren Position nicht umhin kommen. Wobei die Ambiguität dieser Problematik das größte Hindernis darstellen wird. Um der Informationsfülle und der Überforderung der Individuen durch die Vielfalt der Kommunikationsangebote etwas entgegensetzen zu können, wird es individuelle Filter- und Selektionssysteme geben müssen, die auf der Identifikation der Benutzer beruhen werden. Würde man diese Systeme verhindern, dann wäre den „seichten“ Pauschalanbietern, die den Benutzern fix und fertige Informationspakete anbieten, Tür und Tor geöffnet und der Abstand zwischen den Informationsreichen und den Informationsarmen würde sich weiter vergrößern.

Die Informationsreichen wären demnch jene, die durch entsprechende Ausbildung in der Lage sind, die Informationsfülle der elektronischen Netzwerke für ihre Zwecke zu nützen und die Informationsarmen wären entweder gänzlich ausgesperrt bzw. würden durch fertige „Boulevard-Informationsangebote“ und mit speziell zusammengestellten „Soap-Produktionen“, „Gewalt- oder Sex-Servern“ abgespeist werden.

Der Wunsch nach einer gesellschaftlich verträglichen Einführung dieser Technologien darf also nicht durch restriktive Handhabung problematischer Teilbereiche gefährdet werden. Nur über den Weg der Hernbildung von mündigen und kompetenten Benutzern von elektronischen Netzwerke kann dieses Ziel erreicht werden.

5.5.2.4 Konversationsmodus

Als vierter und letzter Kommunikationsmodus gilt jener der Konversation. Dieser ist - glaubt man den ensprechenden Statistiken der großen Netzwerkanbietern, Compuserv, Prodigy und America Online - der dominierende unter den Netzwerkbenutzern. E-mail, das elektronische Pendent zu Brief und Gespräch macht den zeitlich größten Anteil der Netzanwendungen aus. Und auch das Internet ist in erster Linie ein Medium für die Konversation zwischen einzelnen Individuen oder zwischen Gruppen von Individuen.

Im Zusammenhang mit diesem Kommunikationsmodus kann es keine inhaltlichen Regulierungen geben. Die Kommunikationspolitik ist in diesem Zusammenhang jedoch zur Schaffung der Möglichkeiten und der Voraussetzungen für den chancengleichen Zugang verantwortlich. Rohan Samarajiva macht hier interessante Vorschläge, wie eine kulturpolitisch orientierte Kommunikationspolitik durch Einbeziehung von Netzwerkinfrastrukturpolitik agieren könnte. Für Samarajiva ist der elektronische Raum analog des physikalischen Raumes zu sehen. Das Design der Telekommunikationsinfrastruktur hat einen entscheidenden Anteil, wie diese Räume gestaltet sind. Wer Zugang zu diesen Räumen hat, ob es Nischen und Ecken gibt, wo die „gathering points“ eingerichtet sind, wie mit dem Briefgeheimnis und den Rückzugsmöglichkeiten in private Ecken umgegangen wird.

Seine Befürchtungen gehen dahin, daß, wenn man die Telekommunikationsinfrastrukturdebatte nur der Wirtschaft und der einschlägigen Infrastrukturpolitik überläßt, dann werden wirtschaftliche Kommunikationsformen und -strategien das Layout und die Möglichkeiten für Kommunikation in den elektronischen Netzen bestimmen. Privacy und die Probleme des Datenschutzes werden sicher nicht sehr weit oben auf der Prioritätenlisten stehen.

Die Wirtschaft hat vielleicht nicht das primäre Interesse, daß sich kaufunlustige und ökonomisch nicht sehr potente Benutzer zu „flat-rates“-Tarifen in den elektronischen Kommunikationsnetzwerken tummeln. Eine demokratische Gesellschaft allerdings schon.

5.6. Konsequenzen für eine integrative Kommunikationspolitik



Bleibt nur noch abschließend mit einem Zitat von Thomas Jefferson auf den Wert der Informationsfreiheit und des ungehinderten Asustausches von Informationen hinzuweisen:

If nature has made any one thing less susceptible than all others of exclusive property, it is the action of the thinking power called an idea, which an individual may exclusively possess as long as he keeps it to himself; but the moment it is divulged, it forces itself into the possession of everyone, and the receiver cannot dispossess himself of it. Its peculiar character, too, is that no one possesses the less, because every other possesses the whole of it. He who receives an idea from me, receives instruction himself without lessening mine; as he who lights his taper at mine, receives light without darkening me. That ideas should freely spread from one to another over the globe, for the moral and mutual instruction of man, and improvement of his condition, seems to have been peculiarly and benevolently designed by nature, when she made them, like fire, expansible over all space, without lessening their density at any point, and like the air in which we breathe, move, and have our physical being, incapable of confinement or exclusive appropriation. Inventions then cannot, in nature, be a subject of property.

(Tomas Jefferson)
mairab@edvz.sbg.ac.at Ursula Maier-Rabler