SEMINAR ALLGEMEINE DIDAKTIK
Projekt SULU
Aspekte von Lernsoftware und anderen multimedialen Systemen
(Kleines Lexikon ausgewählter Begriffe)
A
Agent / Actor / Guide
Weiterhelfende Hinweise, Anmerkungen und Feedback (s.u.) werden in
einigen Lernprogrammen einem sogenannten "Agenten", d.h. einer durch
das Programm führenden Figur in den Mund gelegt. Dies kann eine
reale Person (als Standbild oder Video präsentiert) oder eine
gezeichnete Figur sein. Die Hinweise können textuell oder
über Sprachausgabe erfolgen. Agenten sollen dem Lernenden
helfen, sich im Programm zurechtzufinden und dienen auch der
Motivation und Verbesserung der Lernstimmung.
B
Benutzeroberfläche (BOF), grafische
auch (graphical) interface genannt. Benutzeroberfläche
bezeichnet den für den Anwender unmittelbar sichtbaren Teil des
Computersystems, also das, was auf dem Bildschirm erscheint.
Grafische Benutzeroberflächen (also Oberflächen mit
Bildelementen, Fenstern, Menü, Ikonen, Direktmanipulation
(s.u.), Metaphern (s.u.)) haben sich seit mehreren Jahren als
Standard etabliert. Früher waren kommando- und maskenorientierte
Oberflächen weit verbreitet. Die Gestaltung der BOF sollte sich
an softwareergonomischen Erkenntnissen orientieren (s.u.). Besonders
wichtig sind Fragen der Oberflächengestaltung im Bereich von
Software für den gelegentlichen Benutzer, also besonders auch
für Lernprogramme.
C
CBT, CUL, CUU, ...
Verschiedene Begriffe - Computer-based Training,
Computerunterstütztes Lernen, Computerunterstützter
Unterricht - für das Lernen mit dem Computer, die mehr oder
weniger bedeutungsgleich (mit Schwerpunktverschiebungen) verwendet
werden.
D
Direkte Manipulation (DM)
ist eine Dialogtechnik, in der der Benutzer Objekte manipuliert,
indem er auf sie zeigt, sie bewegt oder ihre Werte verändert.
Direktmanipulation erlaubt dem Benutzer, mit den Objekten analog zu
Vorgängen in der physischen Welt zu interagieren (auch: zu
spielen). Diese Bedientechnik hat z.B. gegenüber der Eingabe von
Kommandos die Vorteile, leicht erlernbar und erinnerbar zu sein.
Ungewollte Aktionen können problemlos rückgängig
gemacht werden, der Benutzer erhält unmittelbar
Rückmeldung. Direktmanipulation setzt in der Regel eine
grafische Benutzeroberfläche (s.o.) voraus.
Drill & Practice
Drill & Practice-Programme verdanken ihre Herkunft dem
behavioristischen Modell, das mit kleinen Lernschritten und
häufigem Feedback (Lob & Tadel) (s.u.) arbeitet
(Reiz-Reaktions-Lernen). Diese Form des Lernens ist v.a. in
Trainings- und Übungsprogrammen wie z.B. Vokabellernprogrammen
oder Rechentrainern anzutreffen.
E
Edutainment
Der Begriff Edutainment ist eine Kreuzung aus "Education" und
"Entertainment" und bezeichnet multimediale Programme, die zugleich
Informationen vermitteln und unterhalten sollen. Ihre Zahl hat in den
letzten Jahren stark zugenommen. Der Motivationseffekt von
Computerspielen wird hier für Lernumgebungen genutzt. Inwieweit
diese Programme pädagogischen Nutzen haben, ist allerdings zu
fragen, da die Inhalte in vielen Fällen willkürlich
ausgewählt und wenig repräsentativ für die jeweilige
Domäne (Lernbereich) sind.
Entdeckendes Lernen
Bei der Lernform des "Entdeckenden Lernens" stehen im Gegensatz zu
reinen Frage-Antwort-Aufgaben bzw. Drill & Practice-Systemen
(s.o.) das Suchen, Probieren und Explorieren im Vordergrund. Wichtig
ist die Freiheit des Lernenden, Wege und Strategien im Umgang mit
Programmen selbst wählen zu können. Dieses aus der
kognitiven Psychologie heraus entwickelte Modell hat den Anspruch,
den Lernenden zu motivieren und darin zu unterstützen,
vorhandene kognitive Konzepte zu aktivieren und neue zu entwickeln.
Eine Form der Umsetzung dieses Modells in Lernsystemen sind z.B.
Simulationen (von physikalischen oder anderen Prozessen).
F
Feedback
Feedback bezeichnet die Rückmeldung, die das System im
Mensch-Computer-Dialog dem Benutzer gibt. Je nach korrekter oder vom
System als falsch eingestuften Aktion des Benutzers kann dies
Treffer-Feedback (Lob: "Sehr gut!", "Weiter so!") oder
Fehler-Feedback sein ("Probier's noch einmal", Aufbau eines
Galgenmännchens). Treffer-Feedback soll in vielen Programmen
(und im behavioristischen Feedback-Konzept) v.a. der Motivierung
(Lernverstärkung) dienen. Untersuchungen haben gezeigt,
daß diese Methode nicht immer erfolgreich ist. In neueren
lernpsychologischen Ansätzen (Kognitive Psychologie) wird
bevorzugt informatives Feedback eingesetzt. (Allerdings wird auch
darauf hingewiesen, daß jede noch so sachliche Rückmeldung
immer zugleich als belohnend/bestrafend, also affektiv gedeutet
wird.) Unakzeptabel ist unbestritten jede Form von Beschimpfung (Du
Idiot!) oder Herabsetzung des Benutzers durch das System.
"Die Sanktionsfreiheit der Interaktion mit einem
Computer oder Programm ist für das lernende Subjekt vielleicht
der wichtigste Aspekt. Die Vermutung liegt nahe, daß der
Computer deshalb eine so große Attraktivität bei
Jugendlichen besitzt, weil er permanentes Feedback gibt, aber ohne
die Bewertung, die personalem Feedback durch den Lehrer eigen ist."
(Schulmeister, 1996)
Fehlerrobustheit/ Fehlertoleranz
Nach der DIN-Norm 66234 (8) ist ein Dialog fehlerrobust, wenn trotz
fehlerhafter Eingaben das beabsichtigte Arbeitsergebnis ohne oder mit
minimalem Korrekturaufwand erreicht wird.
Ein Aspekt der F. besteht darin, erforschbare Systeme zu bauen, in
denen Fehler (z.B. in Eingaben) korrigierbar und rückgängig
zu machen sind. Fehlermeldungen sollten für die jeweilige
Zielgruppe verständlich, sachlich und konstruktiv sein.
Irreversible oder destruktive Handlungen sollten unmöglich
sein.
Flexibilität
einer Lernsoftware kann viele Aspekte haben. Ein sehr unflexibles
Lernsystem legt den Lernenden genau auf eine zu einem bestimmten
Zeitpunkt allein mögliche Handlung fest. In diesen Zusammenhang
paßt die Kritik von Schulmeister (1996): "Lernende haben
deshalb häufig das Gefühl, in einer Zwangsjacke zu stecken,
weil durch die strikt sequentielle Anordnung subjektive Assoziationen
behindert, vorauseilende Gedanken zwecklos, Gedanken zum Ziel des
Ganzen indirekt untersagt und Schlußfolgerungen, die auf das
Ende einer Problemstellung hinzielen, schlicht abgebogen werden."
H
Hilfe, kontextsensitive
Eine Systemhilfe ist dann kontextsensitiv, wenn die gegebene
Hilfestellung auf die jeweilige Anwendungssituation zugeschnitten
ist.
Die Entwicklung einer kontextsensitiven H. stellt den Entwickler
eines Lernsystems vor die schwierige Aufgabe, alle möglichen
Aktionen des Benutzers vorhersehen zu müssen (was immer nur
begrenzt möglich ist). Diese Schwierigkeiten weisen vielleicht
darauf hin, daß die individuelle Anpassung der gegebenen
Hilfestellung an die jeweilige Situation und die Bedürfnisse und
Kenntnisse des Lernenden ein Vorzug menschlicher Tutoren ist.
Eine wirklich kontextsensitive Hilfe variiert z.B. auch nach
wiederholter (falscher) Eingabe/ Aktion seitens des Benutzers, statt
immer wieder denselben Satz "Das war falsch. Probieren Sie es noch
einmal." monoton zu wiederholen.
Hotwords
Innerhalb eines Hypertextes sind einige Wörter als Hotwords
definiert und (zum Beispiel farblich) gekennzeichnet. Mit einem
Mausklick auf ein Hotword gelangt der Anwender in ein neues
Informationselement bzw. auf eine neue Hypertextseite, die zu dem
Ausgangspunkt verwandte Inhalte enthält bzw. eine Information
vertieft. Jede Hypertextseite kann beliebig viele Hotwords
enthalten.
Hypertext
Im Kern ist Hypertext nicht-linearer Text. Ein Hypertext-System
besteht aus Blöcken von Text-Objekten; diese Textblöcke
stellen Knoten in einem Netz dar; durch rechnergesteuerte,
programmierte Verknüpfungen, den sogenannten Links, wird die
Navigation (s.u.) von Knoten zu Knoten gemanagt, das sogenannte
"Browsing". Hypertext gilt als potentiell lernförderndes Medium
wegen seiner Flexibilität im Zugriff auf Wissen und seiner
Eignung für ein aktives Lernen. Bekannt ist das Schlagwort "lost
in hyperspace", welches die Gefahr meint, daß der Benutzer
angesichts der Vielfalt der Informationen und Verknüpfungen die
Orientierung verlieren könne. Andererseits birgt Hypertext die
Möglichkeit, zufällig interessante Informationen zu
entdecken ("serendipity").
Standardwerk zu diesem Thema: Kuhlen, R.(1991): Hypertext. Ein
nicht-lineares Medium zwischen Buch und Wissenschaft.
Berlin/Heidelberg: Springer.
(siehe auch Hotwords)
Hypermedia
Die Begriffe Multimedia (s.u.), Hypertext (s.o.) und Hypermedia
hängen eng zusammen. Hypermedia kann sowohl als ein Subset von
Hypertext (Hypertext mit multimedialen Zusätzen) als auch als
ein Subset von Multimedia (Multimedia in einer nicht-linear
verketteten Informationsstruktur) verstanden werden. Man kann
Hypermedia auch als die Schnittmenge von Hypertext und Multimedia
bezeichnen.
I
Interaktivität
Ein oft im Zusammenhang mit Multimedia genannter Begriff. Gemeint ist
die Interaktion zwischen Mensch und Computersystem, insbesondere die
Möglichkeit des Anwenders, den Ablauf des Programmes zu
beeinflussen.
Die Interaktivität von Computersystemen ist unterschiedlich
hoch: Fraglich ist z.B., ob ein Programm, das nur die
Möglichkeit der Auswahl aus einer vorgegebenen Menge an
Menüpunkten erlaubt, bereits als interaktiv zu bezeichnen ist.
Ein Beispiel für hochinteraktive Systeme sind manche
Computerspiele, in denen der Anwender direktmanipulativ (s.o.) den
Spielablauf beeinflußt. In bezug auf Lernsoftware kann
Interaktivität des weiteren bedeuten: Mensch-Computer-Dialog
mittels Datenein-/ausgabe, Auswahl der Präsentationsformen der
Inhalte, Lösung von Aufgaben durch direktmanipulative Eingaben
(Zuordnen, Zeichnen, etc.), Manipulation der Datenbasis (z.B. die
Eingabe neuer Begriffe in ein Vokabellernprogramm).
Im allgemeinen herrscht Übereinstimmung in der Annahme,
daß Interaktivität - Eigenaktivität des Lernenden -
die Attraktivität von Programmen beeinflußt und das Lernen
fördert.
K
Konsistenz
Eines der wichtigsten Prinzipien der Software-Ergonomie. K. bedeutet
in etwa Einheitlichkeit oder strukturelle Übereinstimmung. Eine
einheitliche Bildschirmgestaltung/ -aufteilung - z.B. ein immer
gleich aussehender Weiter-Button an derselben Stelle über
mehrere Bildschirmseiten hinweg - ist K. auf syntaktischer Ebene. Die
Zuordnung einer Funktion zu einem Begriff sollte eineindeutig sein.
K. erlaubt das Lernen durch Analogie und erlaubt den Transfer von
Wissen auf neue Kontexte (einmal so, immer so). Je weniger und
einfachere Regeln zur Beschreibung des Systemverhaltens genügen,
desto leichter kann diese Menge von Regeln erlernt und angewandt
werden. K. verringert daher die Komplexität auch eines
Lernsystems. Eine inkonsistente Benutzeroberfläche (s.o.)
trägt entsprechend zur Desorientierung des Benutzers bei.
L
Lernprotokoll
Manche Lernprogramme verwenden sogenannte Lernprotokolle, d.h.
Aufzeichnungen der aktuellen Leistungen des jeweiligen Benutzers.
Ziel ist die Anpassung von Inhalt und Schwierigkeitsgrad der
vorgeschlagenen bzw. vorgegebenen Aufgaben und Lerninhalte an den
Wissensstand des Lernenden.
Andere Systemdesigner vertreten die Ansicht, daß der Benutzer
sich in eigener Verantwortung kontrollieren soll und die Auswahl der
geeigneten Lerninhalte und Aufgaben am sinnvollsten dem Lernenden
selbst überlassen bleibt.
M
Metaphern
Die Verwendung von Metaphern auf der Benutzeroberfläche (s.o.)
ist den meisten Computerbenutzern wahrscheinlich in Form der
sogenannten "Schreibtischmetapher" bekannt: Der Anwender hantiert am
Bildschirm mit Objekten, die ihm von seiner Schreibtischumgebung her
bekannt sind: Ordner, Müllkorb, u.s.w. Der Phantasie des
Software-Entwicklers sind beim Finden neuer M. keine Grenzen
gesetzt.
M. werden nicht nur aus ästhetischen Gründen oder
persönlichen Vorlieben eingesetzt, sondern stellen auch eine
Maßnahme dar, die Bedienfreundlichkeit eines Programms zu
erhöhen: Neue Elemente lassen sich leichter und schneller lernen
und erinnern, wenn sie sich in schon bestehende Strukturen
(Altwissen) einfügen. Über Vorzüge und Grenzen der
Verwendung von Metaphern wird im Forschungszweig Mensch-
Computer-Interaktion diskutiert.
Multimedia
Das Wort des Jahres 1995. Es existieren verschiedene Definitionen,
die z.B. auf daten-/ hardwaretechnischen, informationstheoretischen
oder benutzerseitigen Kriterien beruhen. Im allgemeinen wird darunter
jede Kombination verschiedener Medien durch den Computer verstanden,
als da wären: Text, Standbild, Animation, Film, Musik/Ton,
Sprache. Einige Autoren schränken die Bedeutung des Wortes so
ein, daß diskrete (zeitunabhängige) und kontinuierliche
(zeitabhängige) Daten kombiniert werden müssen. Für
den Benutzer ist Multimedia ein multisensorischer Eindruck. Andere
Autoren meinen, daß Multimedia stets auch den Aspekt der
Interaktion (s.o.) mit einschließt.
N
Navigation
bezeichnet die Art und Weise, wie der Benutzer sich durch das
Programm "bewegt".
Die Navigation (auch: Steuerung) geschieht üblicherweise
entweder per Tastatur oder per Maus, über Menüs oder durch
Anklicken von Buttons (Schaltflächen). Typische Buttons belegen
folgende Funktionen: eine Seite weiter/ zurück, zur
Inhaltsübersicht, Aufruf einer bestimmten Lektion, Programm
beenden. Die Vielfalt der möglichen Navigationsbefehle ist auch
ein Hinweis auf die Flexibilität des Programms.
S
Software-Ergonomie
Hier eine Definition von Wandmacher (1993): "Gegenstand der
Software-Ergonomie ist die Anpassung der Arbeitsbedingungen bei der
Mensch-Computer-Interaktion an die sensumotorischen und kognitiven
Fähigkeiten und Prozesse des Menschen. Die Software-Ergonomie
untersucht die Auswirkungen der Benutzungsschnittstelle auf den
Menschen und die Wirkungen von Merkmalen der Benutzungsschnittstelle
auf die Benutzbarkeit. Ziel der Software-Ergonomie ist die
Entwicklung und Gestaltung gut benutzbarer Computersysteme als
intellektuelle Werkzeuge und die Verbesserung von
Benutzungsschnittstelle oder Benutzeroberfläche."
Guidelines und Normen (DIN, ISO) definieren ein gut benutzbares
System nach den Kriterien Aufgabenangemessenheit,
Selbstbeschreibungsfähigkeit, Steuerbarkeit,
Erwartungskonformität, Fehlerrobustheit (s.o.), Konsistenz
(s.o.), Lesbarkeit u.a.
Z
Zustandsanzeige
In einem softwareergonomisch gestalteten Lernprogramm sollte die Z.
aus Gründen der Orientierung nicht fehlen. Jede Bildschirmseite
sollte einen Hinweis darauf enthalten, an welcher Stelle des
Programms (auch in welchem Modus) sich der Anwender befindet.
Dies beinhaltet z.B. die Angabe, in welcher Lektion und auf welcher
Seite man sich befindet, wie viele Seiten noch folgen und ob man sich
im Lesemodus oder im Übungsmodus befindet.
Editors: Andreas
Auwärter und Sonja
DraschoffLetzte Änderung: 01.03.97