Bernhard Jacobs,
Medienzentrum der Philosophischen Fakultät der Universität
des Saarlandes
URL: http://www.phil.uni-sb.de/~jakobs/vortrag/vortrag1.html
created 11.9.1996, last update 18.10.1996
[Dies ist keine wissenschaftliche Veröffentlichung,
sondern die Zusammenfassung aus dem gleichnamigen Vortrag, der am
20.5.1996 im Rahmen der von der
Romanistik
organisierten, interdisziplinären Informationsreihe: 'Lernen mit
Multimedia', an der Universität des Saarlandes stattfand.
Die Zusammenfassung hat die Funktion, die wesentlichen Punkte noch
einmal zu verdeutlichen und festzuhalten, wobei Unterschiede zum
Vortrag bestehen, die in der Natur der jeweils genutzten medialen
Darstellungsformen begründet sind.]
Vorbemerkungen
Lernen mit dem Computer
- Typen von Computerlernprogrammen
- Ist computerunterstützter Unterricht lernwirksam?
- Voraussetzungen und Bedingungen für wirksame Programme
- Erstellen von Lernsoftware
Bedeutung des Computers für die Forschung
- Erkenntnisse gewinnen mit Hilfe des Computers
- Computer als umfassendes wissenschaftliches Kommunikationswerkzeug
Veröffentlichung via Internet: neue Möglichkeiten der Präsentation von Wissenschaft
Warum erzähle ich das alles ?
Weil ich vermutlich gar nichts hier erzählen würde, wenn nicht damals an meinem Arbeitsplatz ein Computer gestanden hätte und dies macht doch auf eine wichtige, aber offensichtlich häufig vergessene Einsicht der Instruktionstheorie-/technologie (=Lehre vom effizienten Unterricht) aufmerksam: Eine der wirksamsten Möglichkeiten, Lernen zu verbessern, liegt in organisatorischen Maßnahmen und dies bedeutet auf unser Thema bezogen, in Verfügbarkeit einer vernünftigen Computerausstattung für alle Lerner. Dieser noch längst nicht erreichte Zustand würde automatisch Lernen provozieren.
Ich könnte aus eigener leidvoller Erfahrung von vielen organisatorischen und bürokratischen Hemmnissen berichten, die eine Weiterbildung am Computer hier an der Universität ungemein verzögerten und behinderten ("Ignoranz eines großen Teils der Professorenschaft im Hinblick auf alles, was mit Computer zu tun hat, Betteln um jede Software, unzumutbare Wartezeiten für wichtige Neuausstattungen"), will aber statt dessen lieber mal etwas ausgesprochen Positives herausheben:
Ich möchte mich an diese Stelle bei allen Verantwortlichen
bedanken, die das einfach durchgesetzt haben. Es ist die beste
bildungsorganisatorische Leistung, die ich hier jemals an der
Universität bemerkt habe und ein entsprechender Zugang jedes
Bürgers zum weltweiten Netz zu bezahlbaren Bedingungen
wäre ohne Frage eine der sinnvollsten Investitionen in und
für die Zukunft.
Ich werde hier über einige Aspekte der Nützlichkeit des Computers referieren und dabei vornehmlich Beispiele aus dem eigenen Bereich einbringen, aber auch auf einige Quellen verweisen, die ich in der Zwischenzeit gefunden habe. Dabei werde ich Lehre nicht auf universitäre Lehre beschränken, sondern in einem weiteren Sinne als Unterricht verstehen.
Computer Based Teaching (CBT)
Computer Assisted Instruction (CAI)
Computer Aided Learning (CAL)
Computerunterstützter Unterricht (CUU)
Zu den wichtigsten Lehrsystemen gehören:
Drill- und Übungsprogramme
Einfache Beispiele für Drillprogramme (die der Lehrer selbst erstellen kann) aus dem Medienzentrum:
Tutorielle Programme:
Beispiel für ein Tutorielles Programm:
Dreiecksberechnung (Semesterabschlußarbeit von Ralf Ladwein)
Simulationsprogramme:
WWW-Beitrag zu Planspiele: Dr. Geisenberger unter anderem mit dem Text "Didaktik und Methodik der Planspiele"
Beispiele für Simulationsprogramme:
|
Lichtbrechung (Semesterabschlußarbeit von Doris Simon) |
|
Entstehung und Ausbreitung von Schwingungen (Semesterabschlußarbeit von Thorsten Frey und Dominik Zimmer) |
Explorative Lernumgebungen neuerer Prägung:
Hypertext-/media:
siehe z.B.: H. Gerdes: Lernen mit Hypertext
Die einzelnen Typen schließen sich nicht zwingend gegenseitig aus. So enthält ein tutorielles Programm in der Regel auch ein Drillprogramm. Zur näheren Einarbeitung in bestimmte Problembereiche könnte ein tutorielles Programm auch eine Simulation verwenden. Hypermedia im WWW kann als gewaltig unstrukturierte explorative Lernumgebung gedeutet werden. In neueren Entwicklungen werden sicher mehrere der hier genannten Formen integriert sein.
WWW-Verweis zu Lernen mit dem Computer:
Mandl, H., Gruber, H. & Renkl, A. (1991). Lernen mit dem Computer. Empirisch-pädagogische Forschung in der BRD zwischen 1970 und 1990
a) formale Kriterien:
b) pädagogische Kriterien:
c) empirische Kriterien:
Lerneffektivität |
(Lernerfolg) |
höhere Lernzielerreichung in vergleichbarer Zeit |
Lerneffizienz |
(Lernzeit) |
gleiche Lernzielerreichung in kürzerer Zeit |
Akzeptanz |
(subjektive Einschätzungen) |
mehr motiviert, mehr Spaß, mehr Interesse |
Dabei sind meiner Meinung nach die empirischen Kriterien, vornehmlich Lerneffektivität und Lerneffizienz, aber natürlich auch die Akzeptanz, sofern sie über Neuigkeitseffekte hinausgeht, die aussagekräftigsten.
WWW-Verweise zur Lernsoftwarebewertung, z.B.:
·
Pädagogische
Kriterien beim Einsatz von Lernsoftware
·
Diepold,
Seminar "Lernsoftware", WS 1995: Kriterien für
Lernsoftware
·
Observing,
Measuring, or Evaluating Courseware
·
M.
H. Weller, 1995, ein Seminar über 'Computer Based
Instruction'
,darunter auch
'Evaluating
Instructional Software'
Metaanalysen sind zusammenfassende Bewertungen aus einer Vielzahl unterschiedlicher empirischer Studien. In diese Bewertung gehen die unterschiedlichsten Studien (Variationen hinsichtlich Lerner, Programmtypen, Lernzielen, Programmgüte usw.) ein. Danach ergibt sich grob betrachtet folgendes Bild:
Hinsichtlich Lerneffektivität (Lernerfolg) und Akzeptanz (Interesse) sind die Computerlernprogramme im Mittel herkömmlichem Unterricht mit einer Effektstärke von ca. .30 überlegen. Der Zeitvorteil der Computerlernprogramme gegenüber herkömmlichem Unterricht beträgt etwa 30% weniger Zeitaufwand. |
Effektstärke ist ein statistisches Maß. Damit der
Laie einen Eindruck davon bekommt, hier eine
ganz grobe Analogie für Effektstärke:
Eine Notenstufe entspricht ungefähr einer
Effektstärke von etwa 1.
Danach könnte eine angenäherte Gegenüberstellung
der Unterrichtsvarianten in Noten beispielsweise so
aussehen:
Unterrichtsform Note Herkömmlicher Unterricht 3 Computerlernprogramm 2.7
Ich wollte dann neuere Ergebnisse zur CBT-Effizienz sehen, habe
deshalb im Netz via Suchmaschinen nach den Schlagworten CBT AND
Effectiveness gesucht und bin fündig geworden unter
'The
Costs and Effectiveness of Educational Technology',
insbesondere im Kapitel
'Effectiveness'.
Dort wird unter anderem auf neuere Ergebnisse von Kulik (1994) aufmerksam gemacht, der mehrere Metaanalysen von insgesamt 8 unabhängigen Instituten analysierte: Zusammenfassend sind folgendem Ergebnisse wichtig:
Das sind nun ingesamt betrachtet sicher keine Ergebnisse, die zur Euphorie veranlassen, obgleich immerhin der recht konsistente Zeitvorteil von 30% bemerkenswert ist. Allerdings erscheinen mir die Möglichkeiten des Computers noch lange nicht ausgeschöpft; übrigens die des herkömmlichen Unterrichts auch nicht.
Bei der Frage nach potentiellen Unterschieden zwischen den CBT-Typen ergaben sich besonders wirksame Vorteile für tutorielle Programme mit Drill sowie für Programme mit hoher Interaktivität, weniger erfreuliche Ergebnisse hingegen für Simulationen. Gute Programme sind deutlich besser als Instruktionsmethoden in Form von Printmedien und entsprechen in etwa den Effekten von Nachhilfe.
Lernwirksame CBT-Programme müssen vor allem 2 Kriterien Rechnung tragen:
Adaptivität bedeutet vereinfachend betrachtet, daß jeder Schüler individuell entsprechend seinen Fähigkeiten und seinem Wissensstand mit den für ihn geeigneten Methoden auf ein für ihn vernünftiges, anspruchsvolles Lernzielniveau optimal instruiert wird.
Bekanntlich sind gerade diese Anforderungen sehr schwer zu erfüllen und zwar nicht nur wegen der zwingend erforderlichen hohen Programmflexibilität - programmiertechnisch ist das alles meist nur eine Frage des Aufwands -, sondern auch infolge erheblicher Probleme hinsichtlich
Man kann es sich auch sehr einfach machen und das Individuum als aktiven Lehrer seiner selbst begreifen, das sich dank Multimedia die richtigen lernrelevanten Informationen selbst besorgen muß und am besten weiß, wie es richtig lernt. Diese sicher zu radikale Ansicht führt zu einem keineswegs gelösten Grundsatzproblem des Computerlernens.
Wieviel Selbstkontrolle, wieviel Kontrolle durch den Computer (Systemkontrolle)?
Die empirischen Ergebnisse sind keineswegs konsistent. Es gibt jedenfalls auch Belege dafür, daß die Lerner keineswegs immer wissen, was für sie gut ist und nachweislich falsche Entscheidungen treffen. Ernsthaft betrachtet muß die Frage auch eher lauten: Wann ist Selbstkontrolle sinnvoll, unter welchen Bedingungen muß das System den Lerner kontrollieren? Selbstkontrolle ist nicht per se die beste Lernstrategie (siehe z.B. empirische Untersuchung zu MEM ).
Antizipierte Auswirkung optimaler Computerlernprogramme:
Optimale Individualisierung des Lernens führt höchstwahrscheinlich zu einer dramatischen Verschärfung der Leistungsunterschiede zwischen den Personen. Insbesondere die Lernzeiten und Lernzielniveaus werden noch deutlichere Streuungen aufweisen, als sie heute schon bestehen. So ist es durchaus denkbar, daß etwa manche Schüler nach 5 Jahren Gymnasium das Abitur bestehen, während andere dafür 15 Jahre benötigen werden. Insofern rechne ich mit einem klaren Schereneffekt, zum Teil auch mit einem Matthäus Effekt "Wer hat, dem wird gegeben."
Programmart |
Beispiele |
Anforderungen |
Programmiersprache |
C++, Basic, Pascal |
gute Programmierkenntnisse |
Autorensprache |
Openscript |
gute Programmierkenntnisse |
Autorensystem |
Toolbook CBT-Edition |
gute EDV Grundkenntnisse |
Anspruchsvolle Lernsoftware ist Teamarbeit von
· Fachpädagogen, Fachdidaktiker
· Softwareergonomen, Medienfachleute, Psychologen,
Pädagogen
· Programmierer, Informatiker
Anspruchsvolle, gute Lernsoftware ist in der Herstellung
entsprechend teuer.
(Die großen Softwarefirmen haben sicher nicht mit der
Power in die Entwicklung von Lernsystemen investiert, wie sie dies
für marktgängigere Produkte getan haben.)
WWW-Verweise zu Autorensystemen:
Mehr als 50 Autorensysteme, zusammengestellt von Allan Levine vom Maricopa Center for Learning and Instruction (MCLI).
Beantworten Sie die Checkliste: Welche Autorensprache ? und Sie bekommen eine Rückmeldung, welche Art von Autorensystem geeignet erscheint (leider ohne klare Angaben zur Gültigkeit dieser Checkliste).
Multimedia Authoring Systems FAQ Version 1.4.3 von Jami Siglar
Informationen über Autorensysteme im WWW von P. Preiss
Multimediale Autorensysteme zur Gestaltung computerunterstützter, konstruktivistischer Lernumwelten, von Bernd Gerling
Aufgaben für Übungszwecke erstellen
Prof. Helmut Walter stellt kostenlos die Vollversion des Autorensystems Multilück 3.0 sowie ein dazugehöriges 80 seitiges Handbuch [23 MB] zur Verfügung. Damit kann man selbst multimediale und interaktive Lernsoftware und Präsentationen erstellen. Die didaktische Mächtigkeit des Programms erfordert notgedrungen entsprechende Zeit für die Einübung.
Lernorganisation im World Wide Web
Die neuesten, allerdings programmierintensiven Entwicklungen ermöglichen sogar eigene Programmgestaltung, sind für den Lehrer allerdings zu aufwendig.
Insbesondere zur Organisation von Lerneinheiten wird das WWW
erhebliche Bedeutung gewinnen, da
man überall Informationen aus der ganzen Welt einbeziehen,
sowie auf unterschiedlichste Medien (Bilder, Videos, Software,
Datenbanken, Suchsysteme usw.) verweisen kann. Schon jetzt
werden Lehrveranstaltungen durch das WWW zum Teil ganz
ordentlich unterstützt, z.B.:
Es sind mancherorts Bestrebungen im Gange, ganze
Studiengänge über das WWW abzuwickeln und in
Projekten wird das Lernen im virtuellen Campus angegangen.
WWW-Verweis:
Lernen
und Lehren im Netz von N. Döring, insbesondere
Internet
in der Universität
Während der Computer in Naturwissenschaft und Technik als selbstverständliches Arbeitsmittel gilt, sowie als diagnostisches Hilfsmittel bzw. als Steuerungsinstanz innerhalb der wissenschaftlichen Erkenntnisproduktion unverzichtbar erscheint, wird er innerhalb der Philosophischen Fakultät überwiegend als Verwaltungs- oder Editionsgerät genutzt bzw. darüberhinaus in den Sozialwissenschaften meist auch für statistische Berechnungen eingesetzt.
Die wissenschaftliche Bedeutung des Computers für die Erkenntnisgewinnung wird aber auch in der Philosophischen Fakultät zunehmen und ist dort bereits auch schon erkannt worden. So gibt es etwa eigene Software zur Erstellung psychologischer Experimente und auch in anderen Wissensgebieten der Philosophischen Fakultät wird Analysesoftware im weitesten Sinne zunehmend eingesetzt.
Ich selbst habe mehrere Experimente zur graphischen Präsentation von Daten durchgeführt, die hier im einzelnen nicht erklärt werden können, wozu ich aber eindeutig sagen kann, daß sie ohne Computer praktisch nicht durchführbar gewesen und folglich auch nicht durchgeführt worden wären. Dadurch, daß die experimentellen Bedingungen besser kontrolliert und gezielt gesteuert werden können, bieten sich Möglichkeiten, auch komplexere wissenschaftliche Fragestellungen anzugehen.
Computer als umfassendes wissenschaftliches Kommunikationswerkzeug
Die neuen Entwicklungen im weltweiten Netz machen den Computer zu einem unverzichtbaren Arbeitsmittel innerhalb der Wissenschaften. Insofern gilt meine schon lange aufgestellte Forderung nun noch dringlicher:
Jedem wissenschaftlichen Mitarbeiter sein wissenschaftlicher Computerarbeitsplatz !
(Auch den Theologen! Dazu eine kleine Story
aus dem Universitätsleben: Bei der entscheidenden
universitären Sitzung zur Bewilligung der Anträge
für wissenschaftliche Computerarbeitsplätze, bei dem im
übrigen unser Antrag (der des Phil.-Fak.-Zusammenschlusses
mehrerer Fachbereiche) sang- und klanglos unterging, kam aus der
mathematisch-technischen Ecke doch tatsächlich der Einwand:
Die Theologen? Warum brauchen denn Theologen einen
Computer? Die sollen die Bibel lesen. Das können sie
jetzt - auf dem Computer; sogar das Heraussuchen von Textpassage
ist möglich. Z.B.:
Die
Bibel (Luther trans.) -- Simple Searches.
Damit man sich umfassend informieren kann, müssen natürlich auch wissenschaftliche Arbeiten zur Verfügung gestellt werden.
Veröffentlichung via Internet: neue Möglichkeiten der Präsentation von Wissenschaft
Mehr Kommunikation unter Wissenschaftlern
Übernahme von Aufgaben im WWW ?
Deshalb kann ich eigentlich nur alle dazu aufrufen,
WWW-Verweis zu den Grundlagen des WWW : H. Pratl: HTML-Einführung: Grundlagen