4. Ein Blick in die Zukunft und abschließende Betrachtungen
"Wir alle werden die E-Mail nutzen." Nicholas Negroponte S. 233
Die eindeutige Expansion des Internet mit anfänglich tausend, heute fast zehn Millionen Benutzern, zeigt den Weg in eine Gesellschaft mit neuen Kommunikationsformen auf.
"Die Anwendergemeinschaft des Internet wird sich immer mehr aus allen Teilen der Bevölkerung zusammensetzen." Nicholas Negroponte S.223
Die Kampagnen zur Einführung der Internet- und E-Mail-Nutzung in allen Bevölkerungsschichten, durch Popularisierung und Medien-Präsenz wie beispielsweise durch den Axel-Springer-Verlag, werden nach und nach die Akzeptanz und Nutzung von Computern als Arbeits- und Kommunikationsmittel aus der bisherigen Verbreitungsebene der Universität und Wirtschaft in die anderen Teile der Gesellschaft tragen.
"Wahrscheinlich ist es unvermeidlich, daß in ein paar Jahren in jeder Wohnung ein PC steht. Aber die Frage ist doch, was haben wir davon? (...). Was wird dann aus unserem Gemeinschaftssinn werden? Verlieren wir dann nicht das Gefühl für ein Leben von Angesicht zu Angesicht?" Neil PostmanX
Es geht nicht darum, die Kommunikation der Wirklichkeit durch virtuelle Kommunikation am Computer zu ersetzen, sondern ihre Möglichkeiten zu sehen und zu nutzen; z.B. für Nachrichten, die als wichtigen Faktor die Aktualität beinhalten, für inhaltlichen Austausch, für die einfache Überbrückung weiter Entfernungen.
Nicholas Negroponte sieht in der Vernetzung einen weitaus größeren Einschnitt in die Gesellschaft, "sie schafft ein vollkommen neues, weltweites Sozialgefüge." S.223/224
Es wird sich zeigen, ob die großen, realen Gemeinschaften im Sinne der Weltpolitik weiterhin eine so große Rolle spielen werden, oder ob kleinere Interessengemeinschaften im Sinne der Kommunitarier das Sozialgefüge der Zukunft darstellen werden (vgl. "The Communitarian Network") - eine Verbindung der Querschnittsebene Computernutzer über die Sprach- und Nationalgrenzen hinaus könnte ohne weiteres ein bestimmendes Element in der kommenden Realität werden.
"Die Wahrscheinlichkeit ist groß, daß im nächsten Jahrtausend die E-Mail (keinesfalls auf ASCII beschränkt) das vorherrschende Medium der Telekommunikation sein wird und sich bereits in den nächsten zwanzig Jahren der Stimme nähern oder ihr sogar den Rang ablaufen wird." Nicholas Negroponte S. 233
Kulturell ist sicherlich der Weg in eine rein elektronische Kommunikation eine leere Vision - durch die immer präsenten Utopien bzw. Dystopien über diese Thematik einerseits und das weltweite Gefälle zwischen den Entwicklungs- und Industrienationen andererseits. Eine Aufnahme der neuen Kommunikationsformen ins Alltägliche wird allerdings mit Sicherheit erfolgen, genau wie der Weg von persönlicher, handgemachter Kreativität immer aus Reaktion gegangen werden wird.
"Ich glaube auch nicht, daß verschlüsselte Unterhaltungen, wie zum Beispiel im Internet, ein Ersatz für echte, uncodierte Gespräche sind. Ich glaube nicht, daß im Internet ein "Gemeinschaftsleben" möglich ist." Neil Postman
In vielen Fällen, über Entfernungen hinweg, kann auch eine reine Text-Kommunikation zumindest ein Ersatz für Briefe, aber auch für Telefongespräche sein. Der klassische Satz der Informationswissenschaft, "alte Medien werden durch neue in andere Funktionsbereiche oder Spezialisierungen abgedrängt, aber nie völlig verdrängt"(zitiert nach Stefano Monachesi), wird sich auch im Falle der E-Mail als richtig erweisen. Im Internet sind zu viele soziale Komponenten ausgeklammert, als daß es ein wirklich eigenes Bezugssystem ohne Außenkontakt überhaupt ergeben könnte.
"Eine Gemeinschaft, mit der ich nur über den Bildschirm in Verbindung treten konnte, schien mir zunächst eine kalte Angelegenheit zu sein, aber ich machte schnell die Erfahrung, daß Menschen bei E-Mails und Computerkonferenzen Gefühle entwickeln können." Howard Rheingold
Jeder, der sich im Netz an jeglichen Diskussionsformen beteiligt hat, kann nachvollziehen, daß schon durch die Ausdrucksweise und Themenwahl der virtuelle Gegenüber eingeschätzt werden kann. Sicherlich ist die Sprache auch durch die Ungenauigkeit gewissen Mißverständnissen nicht verschlossen, da Einfärbungen wie Ironie oft nur unzureichend gekennzeichnet bzw. verstanden werden können. Trotzdem baut man sofort auch eine gewisse persönliche Assoziation mit dem Gesprächspartner auf.
In Zukunft wird es möglich werden, durch optische oder akustische Extras der elektronischen Post wenn gewünscht die Persönlichkeit eines Briefes und einer persönlichen "Handschrift" zu geben. Die Befürchtung der Anonymität und Uniformierung durch die Verlagerung der Kommunikation auf den Computer bleibt daher ein populistisches Schreckgespenst - wenn ökonomisch der Rückgang vom realen Briefverkehr auch vorauszusehen ist.
"Als Gutenberg den Buchdruck erfunden hatte, dachte niemand daran, daß das zu Pressefreiheit und repräsentativer Demokratie führen würde. Neue Kommunikationstechnologien verändern immer die politische und soziale Kommunikation." Bill GatesXI
Das Kommunikationsbedürfnis wird in Zukunft nicht geringer werden - in unserer Zeit der zunehmenden sozialen Unsicherheit und der sich immer schneller erneuernden Moden und Lebensweisen wird die Möglichkeit einer möglichst schnellen Kommunikationsform immer weitergetrieben und benutzt werden.
E-Mail räumt allen Benutzern auf der Welt die gleichen Möglichkeiten ein - die Welt rückt auf virtueller Ebene zusammen, da eine Nachricht nach Afrika genauso einfach und schnell vonstatten geht wie an den Computer im Nebenraum.
Der Zugang zum Medium ist natürlich verknüpft mit dem technologischen Entwicklungsstadium und dem Wohlstand eines Mitglieds einer Gesellschaft. Insofern ist im elektronischen Postverkehr ein gewisser elitärer Faktor enthalten, und durch das Internet wird somit größtenteils die Kultur der westlichen Demokratien transportiert, insbesondere der Amerikanischen. Gleichzeitig entwickelt sich nicht zuletzt durch E-Mail Englisch zur wissenschaftlichen und industriellen Weltsprache. Elektronische Post erweist sich somit auch als Kulturveränderer.