Die Schule im Informationszeitalter

Neue Federn auf einen alten Hut?


Literatur

Einleitung

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Man kann es drehen und wenden, wie man will: Wir stehen nicht vor der Frage, ob die Schule die neuen Informationssysteme einführen soll, sie sind da. Wir stehen vielmehr vor der Situation, auf geänderte Voraussetzungen der Informationsbeschaffung, der Informationsweitergabe und der Wissensvermittlung zu reagieren. Schule kann sich totstellen und die geänderten Bedingungen ignorieren, oder sie kann sich endlich der Tatsache stellen, daß die Vermittlung von Faktenwissen durch andere Medien besser erfüllt werden kann als durch LehrerInnen. Mir schwebt ständig das Bild eines Geographielehrers vor, der vor der Tafel steht und mit dem Zeigestab auf die Landkarte zeigt, um (mehr oder minder) veraltete Informationen über irgendeinen Kontinent aufzusagen, während die Schüler schon längst mittels Internet die neuesten Daten, in Bild und Ton ansprechend aufbereitet, abgerufen haben.

Die alte Forderung an die Schule, Schlüsselkompetenzen statt Faktenwissen zu vermitteln, muß im Informationszeitalter endlich durchgesetzt werden. Unterricht als interaktiver Prozeß zwischen Lehrenden und Lernenden wird sich vollkommen verändern müssen, wenn die Schule nicht zu einer Selektions- und Repressionsmaschinerie verkommen will.

Der Weg ins Informationszeitalter

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Ich will das Schlagwort vom "Informationszeitalter" nicht überstrapazieren, aber doch kurz den Unterschied zwischen einem Computer, der für sich steht, und einem vernetzten PC skizzieren.

Wenn ich davon ausgehe, daß Kommunikation, ein Begriff, der letztlich nicht ausdefiniert ist, etwas ist, was mich als Person anspricht, was einen emotionalen Wert für mich in sich birgt, kann ein für sich allein stehender Computer kein Kommunikationspartner sein. Ein Kind, das den Kontakt zu FreundInnen und SpielkameradInnen durch das Spiel am Computer ersetzt, muß emotional verarmen und wesentliche soziale Fähigkeiten nicht oder nur schlecht entwickeln.

Obwohl oder weil Maschinen keine Intention aus sich heraus haben, haben sie dennoch eine "virtuelle Intention", also beispielsweise die Intention des Herstellers, benutzerfreundlich zu sein. Dennoch tauschen wir zweifellos mit dem Rechner auf verschiedenen Ebenen Informationen über Informationen aus, treten also in eine Meta-Kommunikation ein. Meta-Kommunikation mit dem Computer beugt sich stets formalen, syntaktischen und semantischen Kriterien, während Meta-Kommunikation zwischen menschlichen Partnern aber die Beziehung zwischen den Partnern, die die Bedeutung der Kommunikation bestimmt, betrifft.

Ganz anders verläuft die Kommunikation im virtuellen Raum, im Cyberspace. Der Rahmen der informellen Gemeinschaft von Wissensvermittlern hat sich erweitert und berufliche und persönliche Beziehungen miteingeschlossen. Man wirft eine Frage auf, und irgend jemand im Netz weiß darauf die Antwort. Man kann einfach mit anderen quatschen - zu jedem Thema. Virtuelle Gemeinschaften haben selbstverständlich Nachteile gegenüber direkter Kommunikation, es fehlen Körpersprache und Gesprächston, Ironie, Sarkasmus, Mitleid, usw. gehen verloren. Entscheidend aber für die Schule ist die Möglichkeit der Informationsbeschaffung auf einfachste Art, die ein stures Pauken von (mehr oder minder wichtigen) Fakten erübrigt.

Da in den Netzen jedoch Information im Überfluß und jede Menge überflüssige Information vorhanden ist, wird es notwendig sein, den SchülerInnen und auch den LehrerInnen Techniken zur Verfügung zu stellen, mit denen die Bedeutung und der Wahrheitsgehalt von Information kritisch analysiert werden können.

Die Notwendigkeit anderer Methoden der Wissensvermittlung - Fragestellung versus Faktenwissen

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Ich habe schon darauf hingewiesen, daß die Vermittlung von Faktenwissen nicht Aufgabe der Schule bleiben kann, das gesellschaftliche Wissen vermehrt sich wesentlich schneller als die Aufnahmefähigkeit der Menschen, es ist vielmehr erforderlich, Methoden zur Informationsbeschaffung und -analyse zu lehren. Unterricht hat sich entlang von Fragestellungen zu bewegen, und zwar entlang von echten Fragen und Problemstellungen. Es muß Schluß gemacht werden mit dem Unsinn, daß Lehrer Jahr für Jahr Scheinfragen stellen, mit denen sie überprüfen, ob SchülerInnen brav nachbeten, was ihnen vorgesagt wurde. Natürlich ist gewisses Grundlagenwissen nach wie vor erforderlich, und traditionelle Methoden müssen nicht über Bord geworfen werden, aber die Schwerpunkte müssen sich zugunsten projektorientierter Lernsituationen verlagern.

SchülerInnen müssen erlernen, selbständig Informationen zu beschaffen und vor allem zu überprüfen, ob Information richtig oder falsch ist, ob sie logisch falsch oder empirisch falsch ist - Dinge, die die Schule heute überhaupt nicht beachtet, Dinge, für die LehrerInnen nicht oder nur mangelhaft gerüstet sind.

Das hier Dargestellte impliziert die Forderung nach einer ganz anderen Lehrerausbildung und nach einer engen Zusammenarbeit mit Institutionen wie beispielsweise der Universität, die den Prozeß des Wissenserwerbs mittels der Datennetze wissenschaftlich begleiten und untersuchen und die erforderliche Evaluation durchführen. Durch die Vernetzung werden auch die Schulen bzw. LehrerInnen untereinander Informationen tauschen und weitergeben.

Die Gefahr der geteilten Gesellschaft

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Es steht außer Frage, daß in Zukunft nicht das erworbene Wissen, sondern die Fähigkeit, Wissen zu erwerben und Informationen zu überprüfen, ausschlaggebend für eine erfolgreiches Bewältigen wesentlicher Lebenszusammenhänge, vor allem beruflich, aber auch privat, ausschlaggebend sein wird.

Meines Erachtens besteht die große Gefahr, daß die ohnehin geteilte Gesellschaft noch weiter diversifiziert wird: in solche, die den Zugang zu Information auch für sich nützen können und in solche, denen dafür die Qualifikation fehlt.

Der Schule fällt in diesem Zusammenhang entscheidende Bedeutung zu, sie hat Aufgaben zu erfüllen, die schnell und energisch in Angriff genommen werden müssen, sollen nicht die gesellschaftlichen Möglichkeiten von Menschen, die "nur" eine Lehre oder nur die Pflichtschule absolviert haben, noch weiter verschlechtert und der drohende gesellschaftliche Konflikt zwischen jenen, die an den gesellschaftlichen Prozessen teilhaben können und denen, die davon ausgeschlossen sind, verhindert werden. Wir müssen den motivierenden Effekt, den Computer(netze) auf unsere SchülerInnen haben, nutzen und in richtige Bahnen lenken. Meines Erachtens steht heute - außer in technische orientierten Schulen - das bloße Erlernen des Umgangs mit Computern im Vordergrund, dabei wird übersehen, daß dieses Verständnis von EDV- und Informatikunterricht absolut kontraproduktiv ist und nicht mehr leistet als Hilfskräfte heranzubilden.

First Class oder Internet?

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Es steht außer Diskussion, daß der Zugang "zum Netz" für alle Schulen kommen wird, die Frage ist nur, wann und wie. Ich will im folgenden kurz das KEM und die beiden zur Diskussion stehenden Netze beschreiben, Magnet und The Well sind meines Wissens nicht im Gespräch, und anschließend ein "Ja, aber" formulieren.

KEM

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Das BMUK hat die Versuchsanstalt für Datenübertragung beauftragt, das KEM (Kommunikationszentrum für elektronische Medien) aufzubauen, das folgende Aufgaben erfüllen soll:

Hauptaufgabe des KEM ist jedoch, die Internationalisierung des österreichischen Schulwesens voranzutreiben.

Zu den KEM-Projekten zählen auch die Internet-Anbindung verschiedener Schulen und der Aufbau der Mailbox-Systeme ACT und Black-Box, auf die ich im folgenden näher eingehe.

First Class

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First Class ist im wesentlichen ein Mailboxsystem, das auf Initiative des Vereins Black-Box-System entstanden ist, für LehrerInnen, SchülerInnen und Eltern. Das Österreichische Kulturservice und die Abteilung für Politische Bildung im BMUK nutzen dieses System dazu, ihre Informationen und Serviceleistungen über eine Mailbox mit der Bezeichnung Black-Board anzubieten. Die Benutzung ist kostenlos, der Zugang erfolgt über Telefonleitung.

Black-Board will die technische Seite des Mediums in den Hintergrund treten lassen und durch ein attraktives inhaltliches Angebot zur Nutzung der Telekommunikation anregen. LehrerInnen, SchülerInnen und Eltern können Informationen für den Unterricht, für Projekte und wissenschaftliche Arbeiten, für Freizeit- und Kulturinformationen nützen.

Ein weiteres Ziel ist die inhaltliche Vernetzung diverser lokaler Initiativen und regionaler Mailboxprojekte. Heuer wird das "fliegende Klassenzimmer" eingerichtet, ein virtueller Raum, der für LehrerInnen und SchülerInnen frei begehbar ist. Wesentlich ist, daß SchülerInnen ihre Projekte und Arbeiten dort einbringen können.

In der Schulpartnerbörse suchen Schulen Partnerschulen in Europa und Übersee, der Erfahrungsaustausch findet über E-Mail statt.

Internet

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Das Internet, derzeit in aller Munde, ist mit derzeit ca. 1,5 Millionen angeschlossenen Rechnern das größte Datennetz der Welt, etwa 30 Millionen Personen haben Zugang zum Internet.

Grundsätzlich ist im Internet alles möglich. Wer immer Platz auf einem Server findet, kann Information zur Verfügung stellen und ins Netz einspeisen, niemand verfügt über oder besitzt das Internet. Das Innet ist aus einem Projekt der NASA entstanden, die Universitäten haben die Datenleitungen übernommen und das WWW (WorldWideWeb) aufgebaut, ein weltweites Spinnennetz von Informationsservern. Genau genommen, ist es also kein einzelnes Netzwerk, sondern eines, das aus vielen Netzen besteht, zwischen denen ungehindert Informationen fließen. Bemerkenswert ist auch, daß die meisten der Dienste gratis sind und kein Computer Privilegien genießt. Wenn eine Schule Lust hat, einen Internet-Server aufzubauen und Informationen anzubieten, ist sie dadurch gleichberechtigt mit Firmen wir Digital Equipment oder der amerikanischen Telefongesellschaft AT&T.

Es ist nur eine Frage der (kurzen) Zeit, bis die Übertragungsleistung, die derzeit bei 150 bis 622 Megabit pro Sekunde und auf Versuchsstrecken schon weit darüber liegt, auch bei uns in Österreich die gleichzeitige Übertragung von mehr als 32000 Telefonaten und damit auch das Abrufen von Videosequenzen (video on demand) möglich machen wird. Damit entstehen auch für Unterrichtsbereiche neue Perspektiven, LehrerInnen und SchülerInnen können Videomaterial ebenso wie Computerprogramme interaktiv abrufen.

Ent- oder weder?

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Im Sinne einer chancengleichen Ausbildung müssen alle Schulen darauf drängen, von der doch schon recht fortgeschrittenen Entwicklung nicht ausgeschlossen zu werden.

Von den technischen Voraussetzungen her sind sowohl für First Class wie auch für Internet Zugänge zum Ortstarif erforderlich. Ein Internet-Zugang über Modem mittels einer geeigneten Software wie Slip ist jedoch recht langsam, und die Ausstattung der Schulen mit Glasfaserleitungen wird wohl noch auf sich warten lassen. ISDN wäre ein möglicher Kompromiß. Es scheint als ersterSchritt sinnvoll, Schulserver zu errichten, die von jeder Schule zum Ortstarif erreicht werden können.

Dennoch plädiere ich jedenfalls für den Internet-Zugang über Standleitung, wenn es gelingt, einen kostengünstigen Provider zu finden oder einzurichten.

Festzuhalten ist, daß Black-Board gefilterte Informationen liefert, was auf die Dauer nicht im Sinne einer zukunftsweisenden Arbeit der Schulen sein kann, langfristig ist auf jeden Fall ein uneingeschränkter Internet-Zugang anzustreben.

Ausbaustufen:

  1. Die Minimalvariante:
    Die Schule besorgt sich einen Internetzugang über Modem und Telefonwählleitung. Dazu sind lediglich ein Rechner, eine Telefonleitung und ein Modem erforderlich. Der pädagogische Nutzen hält sich in Grenzen, einzelne Schüler und Kleingruppen können das Internet verwende.
  2. Die Normalvariante:
    Man bindet die vorhandenen schulischen Netzwerke an das Internet an. Damit wäre der Betrieb zumindest in den vorhandenen EDV-Sälen möglich. Neben einer ISDN-Standleitung und einem kostengünstigen Provider ist dafür noch ein Router erforderlich.
  3. Die Optimalvariante:
    Jeder Schüler verfügt über einen PC mit Netzzugang.


Literatur:
BMUK, Ministerbüro: Informationsblätter zur Telekommunikation, 1995
Beuscher, Bernd (Hg): Schnittstelle Mensch. Menschen und Computer-Erfahrungen zwischen Technologie und Anthropologie. Heidelberg, 1994
Weizenbaum, Josef: Kurs auf den Eisberg. Die Verantwortung des Einzelnen und die Diktatur der Technik. München 1991 (1 1987)
Weizenbaum, Josef: Wer erfindet die Computermythen? Der Fortschritt in den großen Irrtum. Freiburg, 1993
Faßler, Manfred / Halbach, Wulf R. (Hg):Cyberspace. Gemeinschaften, Virtuelle Kolonien, Öffentlichkeiten. München 1994
Rötzer, Florian / Weibel, Peter (Hg): Cyberspace. Zum medialen Gesamtkunstwerk. München 1993 zum Beginn


Anregungen und Kommentare bitte an: Mag. Karin Covi