uni extra 09/99
Geprüfte Profs
Evaluierung. Am Semesterende müssen in Zukunft nicht mehr nur Studierende, sondern auch Professoren zittern - und diese Zukunft hat schon begonnen.
Von Mia Eidlhuber
Erklären sie ihre Inhalte verständlich? Wirken sie in ihren Lehrveranstaltungen auch tatsächlich engagiert? Ist die Relevanz ihrer Themen für Studierende auch gut erkennbar? - Fragen, mit denen sich Österreichs Professorenschaft ab jetzt auseinander setzen muss. Die Umsetzung des neuen Uni-Gesetzes beinhaltet auch die so genannte Evaluierung der Lehre: Die Studierenden an den Universitäten erhalten am Ende eines Semesters nicht mehr nur Noten auf Prüfungen, sondern auch Fragebögen in die Hand gedrückt, mit denen sie Professoren, Dozenten, Lehrbeauftragte und deren Veranstaltungen beurteilen sollen.
Eine Neuerung, die schon im Vorfeld für heftige Diskussionen sorgte. Seit Ende des vergangenen Semesters wird die Leistungsüberprüfung des Lehrangebots per Fragebogen an einer Vielzahl von Instituten in die Praxis umgesetzt. Ein Schritt in Richtung moderne Universität? Die Meinungen darüber gehen auseinander. Viele Professoren befürchten, bei dieser Überprüfung schlecht abzuschneiden. Fazit: Sie blocken ab. Öffentlich spricht sich aber kaum jemand gegen die Evaluierung aus - das würde kein gutes Licht auf den Betreffenden werfen. Kritisiert werden höchstens Art, Zeitpunkt und Sinnhaftigkeit der Fragebogenauswertung. Nicht ganz zu Unrecht: Ob diese Tests tatsächlich objektivierbar sind, ist eine berechtigte Frage. Und der bürokratische Aufwand ist für große Universitäten ein nahezu nicht zu bewältigendes Unterfangen.
Ein Politikum? In Österreich hat sich vor allem die ÖH (Österreichische Hochschülerschaft) des Themas Evaluierung angenommen - das Gros der Studierenden scheint an den Fragebögen nur partielles Interesse zu haben. Verkommt die verordnete Leistungsüberprüfung zu einem reinen Universitätspolitikum? Oder missbrauchen die Studierenden das Instrument, um höhere Anforderungen mit schlechten Bewertungen in den Fragebögen zu beantworten? "Das kann alles nicht Sinn der Sache sein", sagt Soziologieprofessor Reinhold Knoll.
Umstritten ist auch der Inhalt der Fragebögen. Das Hauptgewicht liegt auf der pädagogischen Vermittlung der Lehrinhalte. "Umgekehrt wird aber in der Ausbildung der Lehrenden sehr wenig Augenmerk auf pädagogische Qualifikationen gelegt", kritisiert Soziologe Knoll weiter. Explizit eingegangen wird in den Fragebögen auf sexistische und rassistische Äußerungen. "Soll das heißen", fragt sich Knoll, "dass faschistische Äußerungen erlaubt sind?" Auf der Strecke bleibt auch die Überprüfung der Tauglichkeit der wissenschaftlichen Fachgebiete.
Aus Sicht der Studentenvertretung liegt die Problematik ganz woanders: Ihr geht der Reformprozess viel zu zaghaft voran. Der ehemalige ÖH-Vorsitzende Wolfgang Gattringer sprach bereits im Frühjahr von einem "zahnlosen Instrument", das selbst bei negativen Beurteilungen zu keinerlei Konsequenzen für die Lehrenden führt. Die ÖH führt die Widerstände vor allem auf ein "Mentalitätsproblem" zurück, das sich über die Jahre in das System eingeschlichen hat. Motto: Wer sich einen Platz in der Universitätshierarchie ersessen hat, für den gibt es keinen Grund mehr, sich weiterhin anzustrengen.
Mehr Wettbewerb! Einer, der sich als Professor sehr wohl anstrengen muss, ist Christian Köck, Gesundheitsökonom und seit Frühsommer Nationalratskandidat für das Liberale Forum. Der gebürtige Wiener lehrt Gesundheitspolitik nicht nur am Institut für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Universität Wien, sondern seit 1995 auch in Harvard und seit 1998 an der ersten deutschen Privatuniversität Witten-Herdecke. Köck ist Kenner verschiedener Systeme - und der Vergleich macht ihn sicher: "Wettbewerb wird ein immer wichtigeres Segment für die Universitäten." Den österreichischen Status quo kritisiert er vehement: "Das System der Pragmatisierung ist unsozial und leistungshemmend."
Köcks Verträge im Ausland sind zeitlich limitiert - auf höchstens fünf Jahre -, zehn Prozent seines Gehalts sind erfolgsabhängig, und die Benotung durch seine Studenten am Ende des Semesters ist für ihn eine Selbstverständlichkeit. Auf einer Skala von sechs (die beste Bewertung) bis eins wurde seine Lehrveranstaltung im deutschen Witten im vergangenen Semester mit der Note 5,6 bewertet. All jene, die zweimal hintereinander schlechter als mit vier beurteilt werden, müssen ihre Sachen packen und gehen.
Kein Nutzen? Mit ihrem Jahresbudget von mehr als 16 Milliarden Schilling haben die zwölf österreichischen Unis aber Grund genug, die Evaluierung nicht allein den Studierenden zu überlassen: In- und Output von 750 Universitätsinstituten wurden heuer erstmals einer kritischen Begutachtung unterzogen. Im "Data-Warehouse", einer Projektkooperation zwischen Universitätskuratorium und Wissenschaftsressort, wurden die Leistungen der Institute elektronisch aufbereitet und damit vergleichbar gemacht. Erfragt wurde unter anderem die Raumsituation, die Anzahl der Forschungspublikationen, der Personalstand pro Hörer und die Drittmittelaufbringung. Im Data-Warehouse sind diese Informationen nun gespeichert. Genutzt werden - etwa von Studierenden zu Vergleichszwecken - können sie allerdings nicht, denn die Datensammlung ist derzeit nicht öffentlich zugänglich. Die einzelnen Universitätsinstitute selbst haben lediglich Zugriff auf ihre eigenen Daten. Wie mit den Erkenntnissen aus dem universitätsinternen Evaluierungs-Projekt nun weiter umgegangen wird, werden die Rektoren entscheiden.