Jane Kirchner

Ein erziehungswissenschaftliches Verfahren der Evaluation von Lehrveranstaltungen

Erprobung am Beispiel eines kompetenzorientierten Studienganges in einer Bildungseinrichtung in den USA



 

1. Einleitung

2. Erziehungswissenschaftlicher Hintergrund

3. Evaluationsinstrumente

4 Anwendungsbeispiel

Literatur

1. Einleitung

Die Technische Universität Dresden und die Ohio State University verbindet wie ihre beheimatenden Städte Dresden und Columbus eine Partnerschaft. Das im folgenden beschriebene Forschungsprojekt fand im Rahmen dieser Universitätskooperation und gefördert durch ein Stipendium des DAAD von Juni 1995 bis Mai 1996 in Columbus/Ohio statt.

Das Forschungsprojekt beinhaltete die Untersuchung kompetenzorientierter Studiengänge in verschiedenen Bildungseinrichtungen in Columbus.

Im Ergebnis dieses Forschungsprojektes wurde ein erziehungswissenschaftliches Verfahren entwickelt, das der Evaluation von Lehrveranstaltungen dient. Es ist ein einfach handhabbares Verfahren, das Lehrkräften und an Evaluation interessierten Bildungsadministratoren eine Analyse dessen erlaubt, was im Unterrichtsraum geschieht. Das Evaluationsverfahren wurde auf College-Niveau und auf dem Niveau beruflicher Ausbildung erprobt. Hier wird ein Beispiel aus dem letztgenannten Bereich vorgestellt. Die Anwendung auf deutsche Bildungsinstitutionen und auch auf Lehrveranstaltungen an Universitäten erscheint prinzipiell möglich, ist aber zu erproben, um den Bedarf an Modifikationen zu erkennen.

Eine erziehungswissenschaftliche Evaluation von Studiengängen steht in Mittelpunkt der Bemühungen um höhere Bildungseffektivität vieler U.S.- amerikanischer Bildungseinrichtungen. Die in vielen Einrichtungen üblichen Lehrevaluationen durch Studierende per Fragebogen werden zunehmend abgelehnt. Evaluationen von Lehrveranstaltungen sollen informeller, häufiger, mit offenen Fragen satt mit multiple choice Fragen und eher interpretativ denn auf Skalen basierend angelegt werden (vgl. [1], S. 76).

2. Erziehungswissenschaftlicher Hintergrund

Erziehungswissenschaftliche Literatur weist einen Konsens über Funktionen aus, die guter Unterricht erfüllen muß. PERKINS faßt diese wie folgt zusammen:

- klare Information: Guter Unterricht gibt Beschreibungen und Beispiele für die Ziele, das gewünschte Wissen und die erwarteten Leistungen.

- sinnvolle Praxis: Guter Unterricht bietet Lernenden Gelegenheit zu aktivem und reflektivem Engagement bei allen Lerngegenständen.

- informative Rückkoppelungen: Guter Unterricht hilft den Lernenden, durch klare, gründliche Rückkoppelungen über ihre Leistungen effektiver zu lernen.

- starke Motivation: Guter Unterricht befördert Lernen durch intrinsische und extrinsische Motivation. Lernaktivitäten werden angewendet, die in sich selbst interessant und anregend sind oder die in weiterreichende Ergebnisse führen, die die Lernenden angehen. (Vgl. [2], S. 45).

Ausgehend von diesen Prämissen wurde im Rahmen des Forschungsprojektes eine Matrix zur Evaluation von Lehr-Lern-Prozessen entwickelt (s.Tabelle 3.1), die die vier Funktionen guten Unterrichts drei Komponenten von Unterricht gegenüberstellt. Diese drei Komponenten heißen Methoden, Bewertung und Inhalte. Die Einteilung des Lehr-Lern-Prozesses erfolgte in Anlehnung an in erziehungswissenschaftlicher Literatur häufig anzutreffende Untergliederungen. So schlägt z.B. ESCHMANN vor, den Schulklassenunterricht in folgende Bereiche zum Zwecke der Lernerfolge der Studierenden zu unterteilen: Lehrstil, Lernstil, Organisation und Management des Unterrichts, Lehrplan, Evaluation und Bewertung von Lernen (vgl. [3], S. 46ff).

Aus erziehungswissenschaftlicher Literatur wird ebenfalls deutlich, daß Rückkoppelungen zwischen den Lehrenden und Lernenden zu einer höheren Unterrichtseffektivität beitragen können. So stellen HACKER und SKELL fest, daß das Beeinflussen von Rückmeldungen einer der effektivsten Wege der Gestaltung von Lernprozesses ist (vgl. [4], S. 162).

Informative, rechtzeitige, motivierende, ergebnisorientierte und auf Verbesserungen abzielende Rückkoppelungen befördern Lernen und lassen den Lehr-Lern-Prozess effektiver werden.

Forschungsergebnisse weisen darauf hin, daß Studierende aus Erfahrungen lernen, über die sie reflektiert haben. Sie brauchen Rückkoppelungen darüber, wie ihre Lernaktivitäten effektiviert werden können (vgl.[5], S. 47). Informierende und zeitlich günstig plazierte Rückmeldungen ohne Verzerrungen und Verzögerungen fördern den Lernfortschritt in ausschlagendem Maße (vgl. [4], S. 162). Ohne genaue und klare Vorstellungen darüber, was man lernen und tun soll, ist absichtsvolles und effektives Lernen nicht möglich (vgl ebenda, S. 56). Anhand von Untersuchungsergebnissen folgert SORCINELLI, daß die Qualität der Überprüfungsverfahren und der zeitliche Abstand bis zur Bekanntgabe der Leistungseinschätzung wesentlich für das Lernen sind. Häufiges Überprüfen, sofortiges Rückmelden und Fortschreiten der Lernaktivitäten erst nach erfolgreichem Meistern eines Leistungsabschnittes tragen entscheidend zu Lernerfolg und Zufriedenheit der Lernenden bei. (Vgl. [6], S. 16f).

Diese zweite Prämisse im Sinne einer Rückkoppelungstheorie liegt der zweiten Matrix des vorliegenden Evaluationsverfahrens zugrunde. Sie enthält die Gegenüberstellung der genannten fünf Rückkoppelungsfunktionen und der erwähnten drei Unterrichtskomponenten (siehe Tabelle 3.2).

3 Evaluationsinstrumente

Das Evaluationsverfahren besteht im Wesentlichen aus zwei Erhebungsinstrumenten, die eine Kombination quantitativer und qualitativer Daten ermöglichen. Es handelt sich um zwei Matrixen, die oben bereits erwähnt wurden. Die Erhebungen durch die Matrixen werden durch Unterrichtsbeobachtungen und Lehrerinterviews begleitet.

Fragebogen

Matrix I enthält einen Fragebogen für die Lernenden (siehe Tabelle 3.1). Dieser Fragebogen umfaßt zwölf Fragen, die die Lernenden mit "Ja", "Nein" oder "Unentschieden" schriftlich beantworten.

Die Ergebnisse von Matrix I lassen erkennen, wie die Studierenden die Erfüllung der Funktionen guten Unterrichts in den drei Komponenten aus ihrer Sicht beurteilen. Ein Auszählen zustimmender, ablehnender und unentschlossener Antworten läßt unter den zwölf Matrixfeldern Abstufungen hinsichtlich der Zufriedenheit der Lernenden zu. Starke, schwächere oder schwache Felder werden deutlich.

Tabelle 3.1

Matrix I: Fragebogen für Studierende über Erfüllung von vier Funktionen guten Unterrichts

klare  

Information 

sinnvolle 

Praxis 

informative Rückkoppelung 

starke  

Motivation 

Methoden

1. Glaubst Du, daß alle Aktivitäten für die Erreichung der Kursziele wichtig sind? 

2. Steht Dir genug Zeit zum Erlernen und Anwenden des Neuen zur Verfügung? 

3. Wirst Du über Deinen Lern-fortschritt informiert und beraten? 

4. Lernst Du gern in dieser Ver-anstaltung? 

Bewertung

5. Prüfen Tests das, was Du Dir tat-sächlich angeeignet hast? 

6. Geben Dir Bewertungs-situationen Raum zum Lernen? 

7. Informieren Dich Prüfungsergebnisse über Deine Lern-stärken und Lern- schwächen? 

8. Motivieren Prüfungsergebnisse Dein weiteres Lernen? 

 

Inhalt

9. Findest Du die Lehrinhalte für Deine spätere Laufbahn wichtig? 

10. Gibt Dir die Lehrveranstaltung Raum für sinnvolle Praxis? 

11. Stellst Du im bisherigen Verlauf der Lehr-veranstaltung Deinen eigenen Lernzuwachs fest? 

12. Fühlst Du Dich ermuntert, eigene Erfahrungen in die Lehrveranstaltung einzubringen? 

Klare Information im Hinblick auf Unterrichtsmethoden bedeutet, daß die Lernenden wissen, inwiefern die angewendeten Methoden dem Erreichen der Handlungskompetenzen dienen. Den Lernenden muß ebenfalls klar sein, welche Anforderungen Leistungsüberprüfungen an sie oder ihn stellen und ob sie tatsächlich das messen, was angeeignet wurde. Mit Bezug auf die Inhalte bedeutet klare Information, daß die Lernenden die Relevanz der Lehrinhalte für ihre spätere Laufbahn erkennen.

Sinnvolle Praxis bedeutet für die Unterrichtsmethoden, daß sie den Lernenden genügend Zeit und Gelegenheiten für das Aneignen und Anwenden neuen Materials einräumen. Für bewertende Unterrichtsverfahren bedeutet sinnvolle Praxis, daß authentische Leistungsdemonstrationen Anwendung finden, die Raum für Lernen und Verbesserung geben. Der Studiengang selbst muß sinnvolle Praxis einplanen. Den Lernenden wird Gelegenheit zu praktischen Erfahrungen gegeben.

Informative Rückkoppelungen geben den Lernenden Informationen über ihren Lernfortschritt. Bewertungsverfahren helfen den Lernenden zu erkennen, wo ihre Leistungspotentiale liegen. Lehrinhalte tragen zu informativen Rückkoppelungen bei, indem aufbauende Sequenzen und zunehmende Komplexität den Lernfortschritt der Lernenden begleiten.

Starke Motivation können Unterrichtsmethoden auslösen, die die Lernenden anregend empfinden und gern ausüben. Auch Bewertungsverfahren tragen zur Motivation der Lernenden bei, wenn sie -statt zu frustrieren- ermutigen. Die Motivation der Lernenden wird durch Lehrinhalte stimuliert, die das Interesse der Beteiligten treffen und sie aufmuntern, ihre eigenen Erfahrungen einzubringen.

Interview

Während die Fragebogen die quantitative Bestimmung von starken und schwachen Feldern des Lehr-Lern-Prozesses in seiner Erfüllung der Funktionen guten Unterrichts ermöglichen, decken qualitative Interviews die Ursachen für die Zufriendenheit bzw. Unzufriedenheit der Lernenden auf. Matrix II besteht aus einem Leitfrageninterview (s. Tabelle 3.2).

Das Interview zielt auf das Rückkoppelungsverhalten der Lernenden im Hinblick auf die drei oben genannten Komponenten des Lehr-Lern-Prozesses ab. Die Interviews geben Einsicht in die Rückkoppelungssituation der Lehrveranstaltung aus studentischer Sicht.

Die Aussagen der Lernenden lassen Interpretationen zu, warum sich bestimmte Felder des Lehr-Lern-Prozesses laut Matrix I als stark bzw. schwach in der Erfüllung der Funktionen guten Unterrichts herausgestellt haben.

Die Aussagen weisen außerdem darauf hin, wo Rückkoppelungen unterbrochen oder einseitig sind oder gar nicht stattfinden.

Tabelle 3.2

Matrix II: Rückkoppelungsverhalten der Studierenden

informative 

Rückkoppelung 

rechtzeitige 

Rückkoppelung 

motivierende 

Rückkoppelung 

ergebnis-orientierte Rückkoppelung 

auf Verbesserung abzielende Rückkoppelung 

Methoden 

1. Fragst Du die Lehrkraft, was von Dir erwartet wird? 

2. Teilst Du der Lehrkraft mit, daß Du bereit bist, im Stoff weiterzugehen? 

3. Sagst Du der Lehrkraft, wie Du am besten lernst und welche Aktivitäten Dir besonders gefallen? 

4. Beschwerst Du Dich, wenn Du denkst, daß die Aktivitäten nicht wichtig für die Ent-wicklung Deiner Kompetenzen sind? 

5. Schlägst Du der Lehrkraft vor, wie der Unterricht ver-bessert werden könnte? 

Bewertung 

6. Versuchst Du zu erfahren, was Prüfungsergebnisse Dir über Dein Lernen sagen? 

7. Signalisierst Du der Lehrkraft, daß Du bereit bist, Dich einer Leistungsüber-prüfung zu unter-ziehen? 

8. Akzeptierst Du Prüfungsergebnisse und ziehst sie für Dein weiteres Lernen in Betracht? 

9. Fragst Du die Lehrkraft, inwiefern sich Dein Leistungs-vemögen in den Noten wider-spiegelt? 

10. Versuchst Du, Auskünfte über Deine Lern-leistungen über Tests hinaus zu bekommen? 

Inhalt 

11. Fragst Du die Lehrkraft, warum Du bestimmte In-halte aneignen sollst? 

12. Forderst Du von der Lehrkraft, daß sie Dir genug Zeit zum Lernen ein-räumt? 

13. Bringst Du Deine Motivation zum Ausdruck, wenn neue Inhalte behandelt werden? 

14. Fragst Du, inwiefern die Lehrveranstaltung Fortschritte macht? 

15. Schlägst Du der Lehrkraft inhaltliche Veränderungen oder Anpassungen vor? 

Matrix II basiert auf der eingangs erwähnten Rückkoppelungstheorie, die besagt, daß informative, zeitgerechte, motivierende, ergebnisorientierte und auf Verbesserung abzielende Rückkoppelungen zu einer höheren Effektivität der Lehrveranstaltung und zu größerer Zufriedenheit aller Beteiligten führt.

Die Entwicklung der Interviewleitfragen beruht auf der Einsicht, daß Lernen dann eintritt und effektiv ist, wenn die Lernenden selbst aktiv am Lehr-Lern-Prozes teilnehmen. Das schließt ihr aktives Rückkoppelungsverhalten über das, was in der Lehrveranstaltung geschieht, ein.

4 Anwendungsbeispiel

Die für Unterrichtsevaluation entwickelten Matrixen I und II wurden in verschiedenen kompetenzorientierten Studiengängen in Bildungseinrichtungen in Columbus/Ohio eingesetzt. Die Lehr-Lern-Prozeß-Analysen zogen sich jeweils über einen Zeitraum mehrerer Wochen hin. Ihr Einsatz wurde von Unterrichtsbeobachtungen und Lehrerinterviews begleitet.

Zum Konzept kompetenzorientierter Bildung

Kompetenzorientierte Studiengänge basieren auf dem Konzept kompetenzorientierter Bildung. Dieses Konzept beinhaltet ein systematisches Unterrichten, bei dem die Lernenden vorbestimmte Leistungsresultate erbringen und Handlungskompetenzen schrittweise erwerben (vgl. [5], S. 7).

"CBE (competency-based education) is a system that identifies through jobs, duties, and tasks the knowledge, attitudes, and skills - including the prerequisite knowledge, attitudes, and skills - that students must be able to demonstrate successfully in the workplace.î ([6], S. 3).

Die beabsichtigten Handlungskompetenzen und Leistungsresultate bestimmen die Unterrichtsmethoden, die Art und Weise der Leistungsbewertung und die Studienganginhalte.

Insbesondere die Inhalte unterliegen einer detaillierten Vorplanung, denn die Produkte kompetenzorientierter Studiengänge sind in Form von Handlungskompetenzen vorformuliert. Diese Vorplanung zeichnet die Stärke kompetenzorientierter Bildung aus, kann aber auch zu einem starren Korsett für den Lehr-Lern-Prozeß werden. Es besteht die Gefahr der Verengung des Lehr-Lern-Prozesses zu einer monotonen Trainingsveranstaltung. Führt nur ein striktes Festhalten an den vorgeschriebenen Schritten zum Erreichen der angestrebten Kompetenzen? Sichert eine detaillierte Ergebnisplanung ebenfalls einen effektiven Prozeßverlauf ab? Kann aktives Rückkoppelungsverhalten aller Beteiligten die Dynamik des Lehr-Lern-Prozesses befördern?

Auf dem Konzept kompetenzorientierter Bildung basierende Studiengänge bedürfen eines neuen Paradigmas von Lehren und Lernen und führen -bei Anwendung des Konzeptes- zu einer dramatischen Veränderung des traditionellen Lehr-Lern-Prozesses (vgl. [7]).

Die oben beschriebenen Evaluationsinstrumente kamen in kompetenzorientierten Studiengängen U.S. amerikanischer Bildungseinrichtungen zum Einsatz, weil diese Lehrveranstaltungen einen innovativen Lehr-Lern-Prozeßverlauf vermuten ließen. Die Untersuchungen zielten darauf ab, die Erfüllung der Funktionen guten Unterichts unter Berücksichtigung der Rückkoppelungen im Lehr-Lern-Prozeß in kompetenzorientierten Studiengängen zu analysieren.

Der Studiengang "Administrative Technology Management Program" (ATM)

Der ATM Studiengang umfaßt die zweijährige Ausbildung von Sekretärinnen und Sekretären an einem Berufszentrum in Ohio. Er wird als School-To-Work Modell geführt. Die Grundidee dieses in den USA sehr populären Modells ist es, High School Schülern in den letzten zwei Schuljahren eine Bildung zu vermitteln, die schulisches und berufliches Lernen verbindet und Kooperationsbeziehungen mit lokalen Unternehmen, Firmen, und weiterführenden Bildungseinrichtungen herstellt.

Das Ziel des ATM Studienganges ist es, den traditionellen Ausbildungsgang für Sekretärinnen zu verbessern, indem hoch qualifiziertes Büropersonal mit spezifischen Karrierezielen und klaren Vorstellungen über die Wege zu diesen Zielen ausgebildet wird (vgl. [8], S. 1).

Der ATM School-To-Work Studiengang spezialisiert auf drei Büroverwaltungsbereiche: Banken, Versicherungen und medizinische Einrichtungen. Im elften Schuljahr beginnt das Programm mit Berufsorientierungen in Form von Exkursionen, arbeitsbegleitenden Erfahrungen und Gastrednern aus der Geschäftswelt.

Der schulische Lehrplan bleibt über die gesamte Zeit als theoretische und berufsorientierte Ausbildung integriert. (Vgl. [9], S. 23).

Der ATM School-To-Work Studiengang basiert auf dem Konzept kompetenzorientierter Bildung. Die Spezialisierung der Sekretärinnen auf einen der drei genannten Bereiche beruht auf einer Bedarfsermittlung in der Stadt und Region Columbus. Die dem Ausbildungsplan zugrundeliegenden Handlungskompetenzen ergeben sich aus den Ohio Competency Analysis Profiles, den sogenannten OCAPs, die eine tabellarische Aufstellung von Handlungskompetenzen und Kompetenzbausteinen für verschiedene Berufsprofile darstellen. Für den ATM Studiengang legt das Administrative/Secretarial Service OCAP die zu entwickelnden Handlungskompetenzen fest. Dieses Kompetenzenprofil wurde 1995 von Fachexperten revidiert und bestimmt die notwendigen beruflichen Fachkenntnisse auf Berufseinsteigerniveau. (Vgl. ebenda, S. 27).

Jede Teilnehmerin unterzieht sich im Verlauf ihrer zweijährigen ATM Ausbildung diesem OCAP. Eine individuelle OCAP Liste weist aus, wann und in welchem Grad jede Studentin die jeweilige Handlungskompetenz entwickelt hat. Diese Liste beschreibt ihr persönliches Kompetenzprofil und wird vom Praktikumsmentor und den Eltern eingesehen und den Zeugnis- und Bewerbungspapieren der Absolventeninnen (Career Passport Portfolio) beigefügt.

Die Evaluation der Lehrveranstaltung führte ich im Frühjahr 1995 in der ATM senior class (also im zweiten Jahr der Sekretärinnenausbildung) statt. Die Klasse hatte fünfzehn Teilnehmerinnen. Bis auf eine Studentin verbrachten alle mindestens fünfzehn Stunden pro Woche in einer Büroanstellung in verschiedenen Firmen der Stadt Columbus. Eine Studentin erfüllte die Voraussetzungen für eine außerschulische Arbeitsanstellung nicht und erhielt die berufspraktische Ausbildung im Sekratariat des Schulzentrums.

Jeden Morgen besuchten die Studentinnen Unterrichtskurse wie angewandte Mathematik, Geschichte oder angewandte Muttersprache im Schulzentrum. Die erst Doppelstunde des Tages gehörte den zwei Koordinatorinnen des ATM Studienganges. Sie nutzten die Zeit, um organisatorische und individuelle Probleme zu besprechen und die berufsbezogenen theoretischen Inhalte wie Professional Life ("Berufsleben" behandelt Themen wie Selbstdarstellung, Restaurantetikette, Geschäftsreisen...) im Klassenzimmer und das Schreibprogramm Lotus im Schulcomputerlabor zu lehren.

Nachmittags suchten die Studentinnen ihre Praktikumsplätze auf, an denen sie auf vertraglicher Basis bezahlte Arbeit verrichteten, z.B. am Schalter einer Bank. Ihre praktischen Erfahrungen werden begleitete ein Mentor vor Ort. Eine der Koordinatorinnen besuchte jede Studentin in Abständen von etwa neun Wochen auf ihrer Praktikumsstelle.

Meine Evaluation bezog sich auf den akademisch-beruflichenTeil der Sekretärinnenausbildung, der im Schulzentrum in der ersten Doppelstunde entweder im Klassenzimmer oder im Computerlabor stattfand.

Fragebogen

Tabelle 4.1 zeigt die Verteilung der Antworten der Teilnehmerinnen auf die zwölf Fragen des Matrix I Fragebogens (s. S. 2) .Tabelle 4.1: Fragebogenstatistik der ATM Studentinnen (n=11)

Die Fragebogenstatistik zeigt an, wie die Studierenden aus ihrer Sicht die Erfüllung der Funktionen guten Unterrichts für jede der drei Komponenten Methoden, Bewertung und Inhalt beurteilen. Die Matrix I weist stärkere und schwächere Felder im Hinblick auf die zahlenmäßige Zustimmung bzw. Ablehnung der Teilnehmerinnen aus.

a. klare Information

Die Mehrheit der Studentinnen scheint mit der Erfüllung der ersten Funktion guten Unterrichts auf allen drei Ebenen zufrieden zu sein. Mit Ausnahme je einer Studentin sind alle Teilnehmerinnen der Meinung, daß alle Unterrichtsaktivitäten dem Erreichen der Kursziele dienen und daß die Lehrinhalte in ihren Augen wichtig für ihre zukünftige Tätigkeit sind. Alle Studierenden stimmen zu, daß Bewertungssituationen sie auffordern, Fertigkeiten unter Beweis zu stellen, die sie tatsächlich erworben haben.

b. sinnvolle Praxis

Alle Teilnehmerinnen sind der Auffassung, daß der Lehrplan ihnen genügend Gelegenheiten bietet, sinnvolle Praxis zu erleben. Die Mehrheit (neun von elf Studentinnen) sagt, daß auch Leistungsüberprüfungen eine sinnvolle Praxis sind, indem sie den Teilnehmerinnen Raum zum Lernen und Verbessern gewähren. Die angewendeten Unterrichtsmethoden stellen sich als ein Bereich des ATM Lehr-Lern-Prozesses heraus, in denen die Studierenden geteilter Meinung über die Erfüllung der Funktion sinnvoller Praxis sind. Vier Studentinnen stimmen zu, zwei verneinen und fünf sind nicht sicher, ob die Unterrichtsmethoden ihnen genug Zeit und Gelegenheit geben, das neue Material anzueignen und anzuwenden. Das Feld "sinnvolle Praxis, gewährleistet durch entsprechende Unterrichtsverfahren" stellt sich insgesamt als das schwächste Feld der ATM Lehrveranstaltungen dar.

c. informative Rückkoppelung

Alle elf Teilnehmerinnen bestätigen, daß die dritte Funktion guten Unterrichts im ATM Lehrgang im Hinblick auf Lehrplaninhalte erfüllt ist. Mit zunehmendem Fortschreiten der Lehrveranstaltungen nehmen sie auch ihren individuellen Lernfortschritt wahr. Wie auch bei den zwei vorangehenden Funktionen "klare Information" und "sinnvolle Praxis" stellen sich curriculare Verfahren als Stärke des ATM Kurses dar.

Jeweils sieben von elf Studentinnen sagen, daß Bewertungs- und Unterrichtsverfahren ihnen informative Rückkoppelungen geben. Bei beiden Fragen bleiben jedoch jeweils vier Studentinnen unentschlossen bzw. verneinen, wenn sie gefragt sind, ob sie über ihren Lernfortschritt informiert und beraten werden und aus Bewertungen Auskünfte über ihre Lernstärken und -schwächen entnehmen können.

d. starke Motivation

Methoden machen den Bereich aus, durch den sich die Mehrheit der Studierenden motiviert fühlt. Zehn Teilnehmerinnen sagen, daß sie gern im ATM Kurs lernen. Sieben Studentinnen bejahen, daß die Aussagen von Leistungsüberprüfungen ihr weiteres Lernen stimulieren, eine Studentin ist nicht dieser Meinung, drei sind unentschieden.

Während unter den drei vorangehenden Funktionen curriculare Verfahren als Stärken von den Studierenden genannt wurden, sind nur sechs Teilnehmerinnen der Auffassung, daß sie sich von den Lehrinhalten motiviert fühlen. Drei Studierende verneinen und zwei bleiben unentschlossen, wenn sie sagen sollen, ob sie sich ermutigt fühlen, ihre eigenen Praktikumserfahrungen in der schulischen ATM Veranstaltung einzubringen. Das Feld "starke Motivation, befördert durch Lehrinhalte" stellt sich somit als zweitschwächstes Feld des ATM Unterrichts im Schulzentrum heraus.

Interviews

Die Interviews fanden im Anschluß an die Fragebogenuntersuchungen statt und wurden im Einzelgespräch mit jeder Teilnehmerin durchgeführt. Die Interviews lehnen sich an Matrix II an und befragen die Rückkoppelungssituation im ATM Schulunterricht.

Tabelle 4.2 enthält die statistische Widergabe der studentischen Antworten.

Tabelle 4.2: Interviewstatistik der Aussagen der ATM Studentinnen

Rückkoppelungs 

Funktionen 

1. informative 

Rückkoppelung 

2. rechtzeitige 

Rückkoppelung 

3. motivierende 

Rückkoppelung 

4. ergebnis-orientierte  

Rückkoppelung 

5. auf Verbesserung  

abzielende 

Rückkoppelung 

akzeptierend A 

kritisierend K 

aktiv 

passiv 

aktiv 

passiv 

aktiv 

passiv 

aktiv 

passiv 

aktiv 

passiv 

Methoden A 

7

1

3 

2

1

3 

0

7

1 

6

K 

1

0

2 

2

0

5 

1

1

1 

1

Bewertung A 

11 

1

2

5 

8

1

5 

6

11

1 

K 

2

0

3 

4

2

3 

3

0

1 

0

Inhalte A 

0

9

7 

0

5

1 

3

6

4 

2

K 

0

1

0 

3

0

4 

0

1

3 

1

Aus Platzgründen können in diesem Beitrag die Antworten der Studierenden nur in absoluten Zahlen den einzelnen Feldern zugeordnet werden. Die protokollierten Interviews und liegen der Auswertung in Tabelle 4.2 zugrunde. Die Angaben erlauben, auch individuelle Studentenprofile über Rückkoppelungsverhalten im Hinblick auf die drei Unterrichtskomponenten zu beschreiben.

Die Antworten der Teilnehmerinnen des ATM Studienganges werden in zweifacher Hinsicht analysiert (s. Tabelle 4.2).

Zum einen gilt es festzustellen, ob die Befragten mit der Erfüllung der fünf Rückkoppelungs-funktionen zufrieden sind oder nicht. Zwei Kategorien der Einteilung werden dafür aufgestellt:

A für "Die Studentin akzeptiert die vorliegende Rückkoppelungssituation." und

K für "Die Studentin kritisiert die vorliegende Rückkoppelungssituation.".

Andererseits ist für die Interpretation der Ergebnisse der Matrix I-Befragung wichtig zu analysieren, welches Rückkoppelungsverhalten die Studierenden für die drei Komponenten des Lehr-Lern-Prozesses an den Tag legen. Wiederum werden zwei Kategorien aufgestellt:

1. "Die Studentin entscheidet sich für aktives Rückkoppelungsverhalten."

2. "Die Studentin entscheidet sich für passives Rückkoppelungsverhalten."

Die folgende Ana1yse der Matrix II-Befragung zielt darauf ab, zu ermitteln, wie intensiv und interaktiv die Rückkoppelungssituation im ATM Schulunterricht ist und wo Ressourcen für eine Verbesserung des Lehr-Lern-Prozesses aus studentischer Sicht liegen.

Methoden

  1. Im Hinblick auf informative Rückkoppelungen verhalten sich fast alle Studierenden aktiv. Acht von neun Studierenden fragen die Lehrkraft, was von ihnen erwartet wird. Mit Ausnahme einer Studentin sind alle mit der Erfüllung dieser Rückkoppelungsfunktion zufrieden (s. Tabelle 4.2 Spalte 1.unter Methoden). Diese Studentin beklagt, daß die Lehrerin nicht oder erst spät auf ihre Hilfemeldungen reagiert.


    Beide Lehrerinnen sagen, daß die OCAP Kompetenzprofile klare Erwartungen an die zu erbringenden Leistungen der Teilnehmerinnen formulieren. Allen Beteiligten sind diese Listen zugänglich.

  2. Das Rückkoppelungsverhalten der Studierenden ist geteilt in Bezug auf rechtzeitige Rückkoppelungen (s. Tabelle 4.2, Spalte 2 unter Methoden). Fünf der befragten Teilnehmerinnen geben der Lehrkraft Bescheid, wenn sie bereit sind, im Stoff weiterzugehen. So meint eine Teilnehmerin: "Wenn ich nicht fertig bin, sage ich der Lehrerin Bescheid." Vier Studentinnen bleiben passiv. Ebenfalls fünf Studentinnen sind zufrieden mit der vorliegenden Zeiteinteilung, während vier Teilnehmerinnen das hohe Tempo der Instruktion kritisieren. Eine Studentin sagt: "Manchmal beklage ich mich über das Tempo. Aber die Lehrerin macht weiter, obwohl die Probleme für mich zu schwer sind."


    Beide Lehrkräfte sind verantwortlich, daß jede OCAP Kompetenz mindestens ein Mal im schulischen ATM Kurs behandelt wird. In ihrem team-teaching entscheiden sie relativ flexibel und spontan, was wann behandelt wird. Beobachtungen machen auf ein eher hohes Tempo ihres Lehrens aufmerksam. Beide Lehrerinnen legen das Lehrtempo selbst fest und bevorzugen traditionelle Lehrmethoden.

  3. Motivierende Rückkoppelungen: Die Studentinnen verhalten sich überwiegend passiv (acht von neun), wenn es darum geht, der Lehrerin mitzuteilen, welche Aktivitäten ihnen am besten gefallen und beim Lernen helfen (s. Tabelle 4.2, Spalte 3 unter Methoden). Die Aussagen der Teilnehmerinnen zeigen jedoch, daß fünf Befragte über die angewendeten Lehrmethoden reflektieren und ihre Meinung mitteilen würden, falls die Lehrkraft danach fragen würde. Eine Teilnehmerin meint: "Ich würde was sagen, wenn sie mich fragt. Ich denke, daß Arbeit in kleinen Gruppen für mich besser funktioniert."


    Die Lehrerinnen bringen zum Ausdruck, daß ihnen sehr viel daran liegt, die Studentinnen zu motivieren. Ihnen ist bewußt, daß fast alle Teilnehmerinnen sehr engagiert an ihren Praktikumsplätzen arbeiten und lernen. Deshalb streben die beiden Koordinatorinnen an, das schulische Lernen zu stimulieren. Sie informieren die Mentoren in den Praktikumsfirmen über den Schulerfolg der Kursteilnehmerinnen und bitten sie, die Leistungen der jeweiligen Studentin zu loben bzw. zu kritisieren.

  4. Die meisten Teilnehmerinnen (acht von neun) bleiben in ihrem ergebnisorientierten Rückkoppelungsverhalten passiv. Doch die Aussagen der Studierenden zeigen, daß sie wenig Ursache zu Rückkoppelungen in diesem Bereich sehen, denn sie bezweifeln nicht, daß die Unterrichtsaktivitäten dazu beitragen, die Handlungskompetenzen zu entwickeln. Sie vertrauen in die Kompetenz der Lehrkräfte sie so zu unterrichten, daß die Ziele erreicht werden. Eine Studentin sagt: "Nein, ich beklage mich nie über unnötige Beschäftigungen. Sie werden wissen, was für uns relevant ist." Nur zwei Teilnehmerinnen kritisieren manche Aktivitäten. Eine bezweifelt, daß Schreibmaschineschreiben dazu dient, eine gute Bankangestellte zu werden. Die Lehrkräfte sind bemüht, den Lernenden zu verdeutlichen, wo ihr Lernfortschritt in Richtung Kompetenzerwerb liegt. Sie besuchen die Studentinnen während ihrer Praktika und sprechen mit den Mentoren. Anhand der individuellen OCAP Liste wird das Kompetenzprofil einer jeden Studentin aktualisiert. Der Fortschritt wird für alle Beteiligten sichtbar. Da die Teilnehmerinnen für das berufspraktische Lernen mehr Motivation zeigen, versuchen die Lehrerinnen, ihnen den Zusammenhang ihres schulischen und berufspraktischen Lernens anhand des Kompetenzzuwachses zu veranschaulichen.
  5. Die meisten Studentinnen geben keine Rückkoppelungen, die Vorschläge zur Verbesserung der Unterrichtsverfahren enthalten (s. Tabelle 4.2, Spalte 5 unter Methoden). Sie sind zufrieden und haben keine Veränderungsvorschläge. Nur zwei Teilnehmerinnen reflektieren über die Unterrichtsmethoden. Eine Studentin schlägt der Lehrerin vor, nicht in Kreisen zu reden. Eine andere sagt: "Nein, ich mache keine Vorschläge, aber ich habe viele Ideen. Aber vielleicht passen meine Ideen den anderen nicht."


    Die Lehrerinnen betonen, daß es ihnen in ihrer Methodenwahl darum geht, den Schülerinnen verschiedene Wege zur Bearbeitung von Problemen zu zeigen. Sie versuchen, den Schulunterricht in Beziehung zum Arbeitsleben zu bringen und laden Gastredner aus der Industrie ein. Die Beobachtungen zeigen, daß die Lehrerinnen flexibel mit der Zeiteinteilung umgehen. Sie teilen die morgendlichen Doppelstunden je nach Bedarf unter sich auf. Ihr Lehrstil jedoch ist ohne große Abwechslungen und erscheint sehr eingefahren. Frontalunterricht mit Arbeitsanweisungen für die gesamte Gruppe dominiert.

Bewertung

  1. Die Antworten der Teilnehmerinnen weisen auf ein aktives Rückkoppelungsverhalten der meisten Befragten (dreizehn von vierzehn) hin, wenn es darum geht, zu ermitteln, was Testresultate über ihr Lernen aussagen (informative Rückkoppelung). Bis auf zwei Studentinnen sind alle zufrieden mit der Art der Rückkoppelungen, die sie aus Tests erhalten (s. Tabelle 4.2, Spalte 1 unter Bewertung). Eine Studentin meint: "Ja, mich interessiert, wo meine Fehler liegen und wie ich sie beim nächsten Mal verhindern kann. Sonst frage ich nach." Zwei Schülerinnen sind kritisch. Sie trauen den Testergebnissen nicht und prüfen, ob sich die Lehrerinnen auch nicht geirrt haben.


    Die Lehrerinnen wollen möglichst detaillierte Testauswertungen geben. Oft fordern sie die Studentinnen auf, Fehler zu beheben, um dann Extrapunkte zu erhalten. Erst dann halten sie ein Fortschreiten im Stoff für gerechtfertigt.

  2. Das Rückkoppelungsverhalten der meisten (neun von vierzehn) ist passiv im Hinblick auf zeitgerechte Rückkoppelungen mit der Lehrerin (s. Tabelle 4.2, Spalte 2 unter Bewertung). Die Hälfte der Teilnehmerinnen ist zufrieden und meint, daß Leistungsüberprüfungen zu Zeitpunkten stattfinden, die ihnen bekannt sind und auf die sie sich gut vorbereitet fühlen. Doch die andere Hälfte beklagt, daß Tests zu früh kommen. Eine Studentin kritisiert, daß die Lehrerin nicht auf ihren Einwand gehört hat, daß der Test für sie zu früh kommt. Eine andere Teilnehmerin sagt: "Es gibt einen Moment, wo ich alles gut beherrsche. Dann soll der Test kommen, bevor ich es wieder vergesse." Beide Lehrerinnen sagen, daß sie Tests rechtzeitig bekannt geben. Gewöhnlich finden sie nach abgeschlossenem Lehrbuchkapitel statt.
  3. Motivierende Rückkoppelungen: Zehn der befragten vierzehn Schülerinnen akzeptieren Testergebnisse und ziehen sie für ihr weiteres Lernen in Betracht (s. Tabelle 4.2, Spalte 3 unter Bewerbung). Die meisten sind mit den Rückkoppelungen, die sie Testergebnissen entnehmen, zufrieden. Viele sagen, daß sie aus den Fehlern ihrer Tests lernen und alles wiederholen, um beim nächsten Test besser abzuschließen. Fünf Teilnehmerinnen akzeptieren Testergebnisse nicht. Testsituationen empfindet eine als Streßsituationen, die nicht zu Bestleistungen führen. Eine andere Studentin kritisiert: "Ich glaube nicht, daß Testergebnisse Dein Lernen widerspiegeln. Sie wollen nur Noten bekommen." Einige bedauern, daß Tests ein für allemal absolviert werden und nicht wiederholt werden können, bis man besser ist. Die Lehrerinnen benutzen Tests, um die Lernprobleme der Schülerinnen zu erkennen. Sie wollen wissen, ob es sich um technische Probleme handelt oder ob z.B. mangelnde Aufmerksamkeit das Problem ist. Beide Lehrkräfte verdeutlichen den Schülerinnen, wo die Probleme liegen und stimulieren sie, daran zu arbeiten. Mitunter erhalten die Studentinnen Zusatzpunkte für Testkorrekturen.
  4. Ergebnisorientierte Rückkoppelung: Acht von vierzehn Teilnehmerinnen werden aktiv und fragen die Lehrkräfte, wie sich ihre bereits entwickelten Kompetenzen in den erteilten Noten widerspiegeln (s. Tabelle 4.2, Spalte 4 unter Bewertung). Drei Studentinnen kritisieren die Notenerteilung und sehen Rückkoppelungsbedarf. Sie sind der Meinung, daß Tests nicht so viel wert sein sollten und Teilnahme auch angerechnet werden muß. Sechs Teilnehmerinnen bleiben passiv, weil sie keinen Rückkoppelungsbedarf sehen. Sie fühlen sich durch die Noten in ihrem Leistungsvermögen real eingeschätzt. Eine Studentin meint: "Ich sage nichts, denn die Note ist, was ich verdient habe." In den Augen der Lehrerinnen wiederspiegeln Noten sehr objektiv das individuelle Leistungsvermügen einer Studentin, da die OCAP Kompetenzen genau beschrieben sind und als Grundlage für die Notengebung dienen. Die individuelle OCAP Liste einer jeden Studentin weist aus, auf welchem Niveau sie bestimmte Handlungskompetenzen entwickelt hat und welche noch ausstehen.
  5. Auf Verbesserungen abzielende Rückkoppelungen: Fast alle Teilnehmerinnen werden aktiv, wenn es darum geht, über Testergebnisse hinaus Auskunft über ihr Lernen zu erhalten (s. Tabelle 4.2, Spalte 5 unter Bewertung). Sie fragen die Lehrerinnen, was sie tun können, um ihre Leistungen zu verbessern. Sie bitten darum, daß Hausaufgaben mit schriftlichen Kommentaren zurückgegeben werden. Einige versuchen aus Büchern, ihren Hausaufgaben oder Zensurenkarten Tips zu erhalten, wie sie bessere Lernresultate erzielen können. Die Lehrkräfte weisen darauf hin, daß der ATM Schulkurs für jede Handlungskompetenz mindestens eine Gelegenheit bietet, sie unter Beweis zu stellen und entsprechende Rückkoppelungen zu bekommen.

Inhalte

  1. Alle zehn befragten Studentinnen bleiben passiv im Hinblick auf informative Rückkoppelungen im Rahmen der Lehrinhalte (s. Tabelle 4.2, Spalte 1 unter Inhalte). Sie fragen die Lehrkräfte nicht, warum sie bestimme Lehrinhalte aneignen sollen. Ihre Aussagen zeigen, daß ihnen entweder klar ist, welche Relevanz der Stoff für ihre Kompetenzentwicklung hat oder daß sie den Lehrkräften vertrauen, nur wesentliche Inhalte zu behandeln. Eine Studentin sagt: "Ich frage nicht, ich mache nur, was die Lehrerin von mir erwartet." Nur eine Studentin macht sich Gedanken, bleibt jedoch passiv: "Ich frage mich selbst oft, wozu ich etwas lerne." Beide Lehrerinnen legen die OCAP Listen ihrer inhaltlichen Planung zugrunde. Sie profitieren von ihren langjährigen Erfahrungen im Vorlaufprogramm des ATM Studienganges und lehnen sich an Lehrbücher an.
  2. Zeitgerechte Rückkoppelungen: Die Mehrzahl der Teilnehmerinnen (sieben von zehn) werden aktiv, wenn es darum geht, sicherzustellen, daß sie genug Zeit eingeräumt bekommen, um sich mit dem neuen Stoff zu beschäftigen (s. Tabelle 4.2, Spalte 2 unter Inhalte). Sie akzeptieren die vorliegende Situation und sehen keine Gründe zur Kritik. Nur drei Studentinnen bleiben passiv, obwohl sie kritisch über die Zeitplanung der Inhalte reflektieren. Sie beklagen, daß ihnen nicht genug Zeit zum Lernen eingeräumt wird. Eine Studentin meint: "Der Kursplan läßt mir keinen Raum, um wirklich zu lernen. Und ich kann leider nicht zuhause üben, weil ich keinen Computer habe." Die Koordinatorinnen fühlen sich unter Stoff- und Zeitdruck gestellt. Da jede Studentin in ihrer berufspraktischen Ausbildung unterschiedliche Erfahrungen sammelt und andersartige Handlungskompetenzen entwickelt, muß die schulische Ausbildung Ausgleich schaffen. Denn jede Teilnehmerin muß die Chance haben, die einzelnen OCAP Bestandteile erwerben zu können. Die curriculare Planung hat den Zeitumfang für das schulische Lernen jedoch knapp bemessen. Außerdem wollen die Lehrerinnen die Schülerinnen immer beschäftigt halten, damit es aufgrund der mangelnden Motivation für den schulischen ATM Kurs nicht zu Disziplinstörungen kommt.
  3. Motivierende Rückkoppelungen: Das Rückkoppelungsverhalten der Teilnehmerinnen ist geteilt, wenn sie zum Ausdruck bringen, wie motiviert sie sind, bestimmte Inhalte zu behandeln (s. Tabelle 4.2, Spalte 3 unter Inhalte). Die Hälfte der Studierenden sagt der Lehrkraft, wie motiviert sie an bestimmte Inhalte herangehen. Ihre Motivation gründet sich auf Pläne für die Zukunft. Eine Studentin sagt: "Ja, ich sage, was ich gern lerne, denn es geht um meine Zukunft. Doch alles, was wir lernen, ist wichtig." Obwohl die andere Hälfte der Teilnehmerinnen passiv bleibt, reflektieren sie kritisch über den Sinn der Lehrinhalte. Einige stellen sich eigene Ziele, weil sie sich von den Lehrinhalten nicht angesprochen fühlen. Eine Studentin hat ihr Interesse an den Inhalten verloren, weil sie so weit zurückgefallen ist, daß sie inhaltlich nicht mehr folgen kann. Die Lehrerinnen scheinen sich entsprechend ihrer eigene Aussagen und von Beobachtungen her auf extrinsische Motivation der Schülerinnen zu konzentrieren. Sie versuchen die Lernmotivation durch Extrapunkte und Notendruck zu stimulieren. Auch teilen sie Testergebnisse den Eltern und den Arbeitsplatzmentoren mit.
  4. Sieben der zehn befragten Studierenden fragen nicht, in inwiefern ihr Lernen mit inhaltlichem Fortschreiten der Lehrveranstaltung zunimmt (ergebnisorientierte Rückkoppelungen)(s. Tabelle 4.2, Spalte 4 unter Inhalte). Sie sind zufrieden mit dieser Rückkoppelungssituation und vertrauen auf die Kompetenz der Lehrkräfte. Nur eine Teilnehmerin reflektiert kritisch und meint: "Ich sage nichts, aber ich finde, daß der Kurs dahinfliegt, ohne daß ich mein Vorankommen sehen könnte. Ich brauche Hilfe." Drei Teilnehmerinnen richten Fragen an die Lehrerin. Sie wollen erfahren, wie sich ihr Lernen den Kurszielen nähert und wie die behandelten Inhalte ihre zukünftigen Laufbahnen unterstützen. Beide Koordinatorinnen legen Wert auf intensive Rückkoppelungen mit den Praktikumsmentoren. Neben der individuellen OCAP Liste führen die Lehrerinnen Mappen für jede Teilnehmerin. Sie enthalten Auswertungsbogen für die berufspraktische Ausbildung in den Praktikumsfirmen (Work Progress Evaluation Report), die die Mentoren ausfüllen. Acht verschieden Bereiche wie Teilnahme, Pünktlichkeit, Fachwissen, Qualität der Arbeit, Quantität der Arbeit, Arbeitseinstellung, soziale Beziehungen... werden alle neun Wochen benotet und mit Kommentaren versehen. Die Rückkoppelungen der Mentoren und Lehrerinnen sind ausgesprochen ergebnis- bzw. produktorientiert. Doch scheinen sich ihre rückkoppelnden Informationen hauptsächlich auf demonstrierte Leistungen zu konzentrieren und weniger auf den Lernprozeß der Entwicklung der Handlungskompetenzen selbst.
  5. Auf Verbesserungen abzielende Rückkoppelung: Die meisten Teilnehmerinnen (sieben von zehn) sprechen die Lehrkräfte auf Veränderungen der Lehrinhalte an (s. Tabelle 4.2, Spalte 5 unter Inhalte). Die Hälfte von ihnen fordert, daß Inhalte auf ihren zukünftigen Beruf bezogen sein sollen. Zum Beispiel bitten einige die Lehrerin, die Programmierung von Kopierern oder die Vorbereitung auf einen Standardtest in den Schulunterricht zu integrieren. Vier Studierende kritisieren die vorliegende Rückkoppelungssituation. Sie sind frustriert, weil ihre bisherigen Anregungen zu keinen Veränderungen geführt haben. Eine dieser Studentinnen äußert: "Ich sage nichts mehr. Ich bin frustriert; nichts würde passieren. Der Lehrplan ist zu fixiert." Eine andere meint, daß die Lehrerinnen zu eingefahren sind und nicht genug Zeit haben, um auf die Vorschläge der Teilnehmerinnen einzugehen. Die Koordinatorinnen bestätigen, daß die OCAP Listen dem ATM Studiengang zugrundeliegen und keine inhaltlichen Veränderungen zulassen. Doch fühlen sie sich frei genug, die OCAP Listen mit jeweils neuem Material zu aktualisieren und vertrauen dabei auf ihren Erfahrungen. Die Anregungen der Studierenden erwähnen sie nicht.

Interpretierende Aussagen zu den Untersuchungsergebnissen im ATM Schulunterricht

Interpretierende Aussagen werden im folgenden auf zwei Ebenen vorgenommen:

1. Interpretation der Ergebnisse im Blick auf den Lehr - und Lernprozeß und

2. Interpretation in Bezug auf den ATM Studiengang

Zu 1.) Die Ergebnisse der Evaluation können verwendet werden

a) um den Lehrkräften die starken und schwachen Felder in ihrem Unterricht zu verdeutlichen,

b) um den Studierenden detailliert individuell zeigen zu können, wie sie den Unterricht und ihr eigenes Lernen erleben. Diese Einsicht kann ihnen helfen, eigene Schwächen und eigene Hemmungen zu überwinden.

Im folgenden wird nur eine Interpretation im Sinne von a) geleistet. Die Zielsetzung b) setzt die Erstellung individueller Profile voraus, die hier nicht durchgeführt werden kann.

Inhalte: Die Resultate auf beiden Matrizen weisen die Komponente "Inhalte" als diejenige aus, bei der die Studentinnen überwiegend Zufriedenheit äußern. Fast alle Teilnehmerinnen sind der Meinung, daß die behandelten Inhalte klare Informationen vermitteln, sinnvolle Praxis beinhalten und informative Rückkoppelungen anbieten. Die große Mehrheit der Teilnehmerinnen ist zufrieden mit den informierenden und ergebnisorientierten Rückkoppelungen auf der Ebene der Lehrinhalte.

Die Studentinnen nennen einige wenige Probleme in Bezug auf Lehrinhalte, doch in der Mehrheit erkennen sie die Vorteile des innovativen Studienganges an. Wie auch die Lehrerinnen akzeptieren sie die curriculare Planung des Studienprogramms. Sie vertrauen den Koordinatorinnen und bleiben passiv in ihrem informierenden und ergebnisorientierten Rückkoppelungsverhalten, weil sie keinen Bedarf dazu haben.

Doch viele Studentinnen sind der Meinung, daß sie nicht ermutigt werden, ihre eigenen berufspraktischen Erfahrungen in die inhaltliche Arbeit des ATM Kurses einzubringen.

Teils äußern sie ihre Kritik, teils bleiben sie passiv.

Aus curricularer Perspektive steht der ATM Studiengang vor dem Problem, alle Teilnehmerinnen in die OCAP Handlungskompetenzen einzuführen. Da die berufspraktischen Ausbildungsstätten zu sehr unterschiedlichen Erfahrungen führen, muß der schulische Unterricht Ausgleich schaffen. Zeitknappheit und Stoffülle prägen die schulische Ausbildung.

Bewertung: Über Bewertungsverfahren klagen die Studenten laut etwas mehr als über Lehrinhalte, doch sind sie überwiegend zufrieden. Die Mehrheit sagt, daß Leistungsüberprüfungen klare Informationen geben und sinnvolle Praxis darstellen. Nicht ganz so eindeutig positiv stellt sich die Komponente "Bewertung" dar, wenn sie den Funktionen guten Unterrichts "starke Motivation" und "informative Rückkoppelung" gegenübergestellt wird.

Es wird deutlich, daß Motivation und Zeiteinteilung für alle drei Komponenten des Lehr- und Lernprozesses problematisch von den Studierenden gesehen werden.

Die Lehrer nennen aus ihrer Sicht keine Probleme mit Bewertungsverfahren. Verschiedene Testformen (Computeranwendungen, Begriffsdefinitionen, True-False-Quizzes) und Verhaltensbeurteilungen (Anwesenheit, Arbeitsorganisation, Tagesnote für Verhalten, Kleiderordnung) dienen der Findung von Noten.

Methoden: Die Ergebnisse verweisen auf eine überwiegende Zufriedenheit der Teilnehmerinnen mit Motivationen und klaren Informationen, die sie aus der methodischen Arbeit gewinnen.

Die Studentinnen legen ein aktives Rückkoppelungsverhalten an den Tag, um klare Informationen über den Sinn der angewendeten Methoden und die gestellten Erwartungen zu erhalten.

Die OCAP Listen dienen als Grundlage für die methodische Arbeit im Kurs, denn es gilt, bei allen Teilnehmerinnen die vorgeschriebenen Handlungskompetenzen zu entwickeln.

Doch insgesamt fallen die meisten kritischen Bemerkungen der Teilnehmerinnen auf den Bereich der Unterrichtsmethoden. Nur die Hälfte der Studentinnen stimmt zu, daß ihnen genug Zeit und Gelegenheit zur Verfügung stehen, um das neue Material zu erlernen und anzuwenden.

Aber auch die Hälfte der Schülerinnen bleibt passiv, wenn es darum geht, in Übereinstimmung mit dem Lehrtempo zu bleiben. Viele der Schülerinnen reflektieren kritisch über das Lehrtempo und die Zeiteinteilung im ATM Schulunterricht. Beobachtungen führen zu dem Schluß, daß für viele Teilnehmerinnen ein aufmerksames Verfolgen der Unterrichtsarbeit aufgrund des hohen Lehrtempos erschwert wird.

Das trifft insbesondere für den Unterricht im Computerlabor zu, wo die Arbeitsanweisungen mündlich und im Takt für alle angesagt werden. Kommt eine Studentin aus dem Rhythmus, muß sie sich entweder zu einer Kommilitonin setzen oder die Lehrerin unterbrechen.

Die Lehrerinnen bevorzugen frontales Unterrichten, weil sie viel Stoff zu vermittlen haben und Disziplinschwierigkeiten vermeiden wollen. Doch beide Lehrkräfte sind daran interessiert zu erkennen, wie die Teilnehmerinnen dem Unterricht folgen können. Treten größere Probleme auf, kann die Erteilung eines Praktikumsplatzes verschoben werden oder findet auf niederem Niveau statt. Eventuell wird kein berufliches Zeugnis ausgestellt, sondern nur der High School Abschluß anerkannt.

Zu 2.) Interpretierend kann folgendes über den ATM Studiengang festgestellt werden:

Der ATM Studiengang hat gewisse Stärken. Die Anwendung der Matrixen auf den ATM Studiengang hat gezeigt, daß das innovative School-To-Work Model basierend auf dem Konzept kompetenzorientierter Bildung Stärken hat. Diese liegen in einem wahren praxisbezogenen Lernen. Die Teilnehmerinnen des ATM Studienganges sind vertraglich in Firmen angestellt, übernehmen Aufgaben wie andere Angestellt auch. Diese Komponente des School-To-Work Models erhöht die Motivation der Teilnehmerinnen entscheidend.

Klare Ergebnisdefinitionen im Sinne der OCAP Listen geben für alle Beteiligten detailliert an, welche Erwartungen an die Teilnehmerinnen gestellt werden und welches Kompetenzprofil sie als Absolventinnen des ATM Kurses entwickelt haben werden.

Die Evaluation der ATM Schulkomponente zeigt, wie konsequent alle Bereiche des Lehr-Lern-Prozesses auf die Entwicklung der OCAP Handlungskompetenzen ausgerichtet sind. Und doch ist der Studiengang flexibel genug, daß jede Teilnehmerin ihr individuelles Kompetenzenprofil ausprägt. Dazu tragen insbesondere die sehr unterschiedlichen Praktikumsplätze der Studentinnen bei, die im Bereich von Banken, Versicherungen oder medizinischen Einrichtungen liegen können. Eine überwiegend gute Betreuung durch die Arbeitsplatzmentoren und eine Begleitung durch die Koordinatorinnen lassen die berufspraktische Ausbildung zu einer lohnenden persönlichen und qualifizierenden Erfahrung für die Teilnehmerinnen werden.

Der ATM Schulunterricht ist in vielen Bereichen "business as usual" und läßt Raum für Verbesserungen. Die Evaluation zeigt, daß die ATM-Schulkomponente von sehr traditionellem Unterrichtsmanagement gekennzeichnet ist. Viel von dem, was beobachtet und erfragt wurde, deutet auf Lehrerreferate und starres Festhalten an der Vorplanung hin. Die Hypothese, daß kompetenzorientierte Studiengänge der Gefahr unterliegen, über ihre starke Ergebnisorientierung den Prozeßcharakter der Lehrveranstaltung zu vernachlässigen, scheint im ATM-Kurs Bestätigung zu finden.

Viele Teilnehmerinnen erleben die Schulausbildung als zu starr und unflexibel. Sie vermissen einen Bezug zwischen ihren täglichen Schulstudien und ihrem Arbeitsplatz. Die Motivation für den Schulunterricht ist viel geringer im Vergleich zur berufspraktischen Ausbildung. Auch Lehrtempo und Zeiteinteilung stellen sich für den Schulunterricht problematisch dar. Es gibt wenig Raum für die Studierenden, ihre ersten arbeitspraktischen Erfahrungen in den Schulunterricht einzubringen.

Während sich fast alle Teilnehmerinnen in ihren Praktikumsplätzen als Erwachsene akzeptiert fühlen, die echte Arbeitsaufgaben erledigen und ihr eigenens Geld verdienen, erkennen sie, daß ihre Rolle an der Schule eine andere ist.

Auch Bewertungen stellen sich zum Teil als problematisch aus der Sicht der Studentinnen dar. Vor allem ist die schulische Bewertung nicht so authenisch wie die am Arbeitsplatz. Mehrere Teilnehmerinnen bezweifeln, daß die Schulnoten ihre Handlungskompetenzen gerecht widerspiegeln.

Die ATM-Schulkomponente steht dem innovativen Geist der berufspraktischen Komponente nach.

Eigene Bewertung des hier vorgestellten Verfahrens

Beide Matrizen stellen sich als Instrumente dar, mit denen der Lehr-Lern-Prozeß des ATM Schulunterrichts beschrieben und analysiert werden kann. Fragebogen und Interviews sind einfach zu handhaben und führen zu Aussagen, die es Interessierten möglich machen, über den gegebenen Lehr-Lern-Prozeß anhand erziehungswissenschaftlicher Kriterien zu sprechen.

Ursprünglich für die Evaluation von kompetenzorientierten Studiengängen an Colleges entwickelt, zeigen die Matrixen ihre generelle Anwendbarkeit auch für die Analyse von Schulunterricht. Schüler und Studierende scheinen gut auf die Fragen anzusprechen und geben gerne detaillierte Auskunft.

Die Evaluationsinstrumente basieren auf einem angemessenen Konzept, das Literatur und Forschungsergebnisse über gutes Lehren und Lernen im Unterrichtskontext zusammenfaßt.

Die Vorstellung dieser Evaluationskonzeption läßt sich von dem Gedanken leiten, daß die punktuelle, exemplarische Evaluation von Lehrveranstaltungen ertragreicher ist als eine Fragebogenerhebung über alle Lehrveranstaltungen.

Die hier vorgestellte Evaluationskonzeption gibt dem Lehrenden einen wertvollen Einblick in Stärken und Schwächen seines Unterrichtsprozesses. Sie gibt dem Lehrenden Einblick in die Erfolge und in problematische Wirkungen seines Lehrens bei den Studierenden. Der Lehrende kann Rückschlüsse auf sein Lehrverhalten, seine Lehrmethoden, auf die inhaltliche Konzeption seines Kurses und auf die von ihm praktizierte Form der Leistungsbewertung ziehen und Veränderungen vornehmen.

Es ist zu prüfen, inwieweit Lehrende die Instrumente (Matrix I und II) auch selber einsetzen können, ohne Hilfe einer Evaluation von außen.

Evaluation sollte Teil der Lehre sein, also auch Teil der Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden. Nur so wird die Angemessenheit zwischen Evaluation und konkreter Lehrsituation und den inhaltlichen Ansprüchen gewahrt.

Eine hier noch nicht beantwortbare Frage betrifft die Evaluation komplexer Studienprogramme bzw. Studiengänge, an denen eine größere Zahl von Lehrenden beteiligt ist, die überdies viele Wahlmöglichkeiten enthalten. Für diese Ebene ist die Evaluation von Lehrveranstaltungen sicherlich nur ein Teilinstrument. Auch die Addition einer größeren Zahl von Evaluationen dieser Art reicht nicht aus. Um das Zusammenwirken einer Vielzahl von Lehrveranstaltungen zu einem sinnvollen Ausbildungsprozeß und die Wirkungsmöglichkeiten der Optionalität in einem komplexen Ausbildungsprogramm zu überprüfen, bedarf es noch anderer Zugänge.

Literatur

 

[1] Grosz, K.S.: Strategies For Evaluation. In: College Teaching 2(1995)43 

[2] Perkins, D.: Smart Schools. Better Thinking And Learning For Ebery Child. New York, 1992 

[3] Eschmann, K.K.: Structuring Classrooms For Success. In: Vocational Educational Journal 6(1988)63 

[4] Hacker, W./Skell, W.: Lernen in der Arbeit. BIBB, 1993 

[5] Johnson,D. /Johnson, R./Johnson Holubec, E.: The New Circles Of Learning. Cooperation In The Classroom And School. Alexandria/Virginia, 1993 

[6] Chickering, A.W./Gamson, Z.F.: Applying the Seven Principles for Good Practice in Undergraduate Education. San Francisco, 1991 

[7] Resource Guide Of Competencies For Vocational Education. ERIC ED 335 461, June 1991 

[8] Monthey, W.: Compentency-Based Eduaction. In: Open Entries. A Competency-Based Education Information Exchange. 4(1994)13 

[9] Spady, W.: Outcome-Based Education. Its Meaning And Evolution. Video.National Center For Peak Performing Schools, Greely/CO, 1990 

[10]...Career Center and ...Community College: Mentor Handbook. Columbus/Ohio, 1995 

[11]...Vocational School District and ...Community College: School-To-Work Model. Columbus/Ohio, 1994 

Verfasserin:

Dr. Jane Kirchner, Wissenschaftliche Assistentin

Technische Universität Dresden

Fakultät Erziehungswissenschaften

Abschluß des Manuskriptes: August 1996


Quelle: http://www.tu-dresden.de/erzwiae/vew/text/Titel12.htm