Jane Kirchner
Erprobung am Beispiel eines
kompetenzorientierten Studienganges in einer Bildungseinrichtung in
den USA
2. Erziehungswissenschaftlicher Hintergrund
Die Technische Universität Dresden und die Ohio State University verbindet wie ihre beheimatenden Städte Dresden und Columbus eine Partnerschaft. Das im folgenden beschriebene Forschungsprojekt fand im Rahmen dieser Universitätskooperation und gefördert durch ein Stipendium des DAAD von Juni 1995 bis Mai 1996 in Columbus/Ohio statt.
Das Forschungsprojekt beinhaltete die Untersuchung kompetenzorientierter Studiengänge in verschiedenen Bildungseinrichtungen in Columbus.
Im Ergebnis dieses Forschungsprojektes wurde ein erziehungswissenschaftliches Verfahren entwickelt, das der Evaluation von Lehrveranstaltungen dient. Es ist ein einfach handhabbares Verfahren, das Lehrkräften und an Evaluation interessierten Bildungsadministratoren eine Analyse dessen erlaubt, was im Unterrichtsraum geschieht. Das Evaluationsverfahren wurde auf College-Niveau und auf dem Niveau beruflicher Ausbildung erprobt. Hier wird ein Beispiel aus dem letztgenannten Bereich vorgestellt. Die Anwendung auf deutsche Bildungsinstitutionen und auch auf Lehrveranstaltungen an Universitäten erscheint prinzipiell möglich, ist aber zu erproben, um den Bedarf an Modifikationen zu erkennen.
Eine erziehungswissenschaftliche Evaluation von Studiengängen steht in Mittelpunkt der Bemühungen um höhere Bildungseffektivität vieler U.S.- amerikanischer Bildungseinrichtungen. Die in vielen Einrichtungen üblichen Lehrevaluationen durch Studierende per Fragebogen werden zunehmend abgelehnt. Evaluationen von Lehrveranstaltungen sollen informeller, häufiger, mit offenen Fragen satt mit multiple choice Fragen und eher interpretativ denn auf Skalen basierend angelegt werden (vgl. [1], S. 76).
Erziehungswissenschaftliche Literatur weist einen Konsens über Funktionen aus, die guter Unterricht erfüllen muß. PERKINS faßt diese wie folgt zusammen:
- klare Information: Guter Unterricht gibt Beschreibungen und Beispiele für die Ziele, das gewünschte Wissen und die erwarteten Leistungen.
- sinnvolle Praxis: Guter Unterricht bietet Lernenden Gelegenheit zu aktivem und reflektivem Engagement bei allen Lerngegenständen.
- informative Rückkoppelungen: Guter Unterricht hilft den Lernenden, durch klare, gründliche Rückkoppelungen über ihre Leistungen effektiver zu lernen.
- starke Motivation: Guter Unterricht befördert Lernen durch intrinsische und extrinsische Motivation. Lernaktivitäten werden angewendet, die in sich selbst interessant und anregend sind oder die in weiterreichende Ergebnisse führen, die die Lernenden angehen. (Vgl. [2], S. 45).
Ausgehend von diesen Prämissen wurde im Rahmen des Forschungsprojektes eine Matrix zur Evaluation von Lehr-Lern-Prozessen entwickelt (s.Tabelle 3.1), die die vier Funktionen guten Unterrichts drei Komponenten von Unterricht gegenüberstellt. Diese drei Komponenten heißen Methoden, Bewertung und Inhalte. Die Einteilung des Lehr-Lern-Prozesses erfolgte in Anlehnung an in erziehungswissenschaftlicher Literatur häufig anzutreffende Untergliederungen. So schlägt z.B. ESCHMANN vor, den Schulklassenunterricht in folgende Bereiche zum Zwecke der Lernerfolge der Studierenden zu unterteilen: Lehrstil, Lernstil, Organisation und Management des Unterrichts, Lehrplan, Evaluation und Bewertung von Lernen (vgl. [3], S. 46ff).
Aus erziehungswissenschaftlicher Literatur wird ebenfalls deutlich, daß Rückkoppelungen zwischen den Lehrenden und Lernenden zu einer höheren Unterrichtseffektivität beitragen können. So stellen HACKER und SKELL fest, daß das Beeinflussen von Rückmeldungen einer der effektivsten Wege der Gestaltung von Lernprozesses ist (vgl. [4], S. 162).
Informative, rechtzeitige, motivierende, ergebnisorientierte und auf Verbesserungen abzielende Rückkoppelungen befördern Lernen und lassen den Lehr-Lern-Prozess effektiver werden.
Forschungsergebnisse weisen darauf hin, daß Studierende aus Erfahrungen lernen, über die sie reflektiert haben. Sie brauchen Rückkoppelungen darüber, wie ihre Lernaktivitäten effektiviert werden können (vgl.[5], S. 47). Informierende und zeitlich günstig plazierte Rückmeldungen ohne Verzerrungen und Verzögerungen fördern den Lernfortschritt in ausschlagendem Maße (vgl. [4], S. 162). Ohne genaue und klare Vorstellungen darüber, was man lernen und tun soll, ist absichtsvolles und effektives Lernen nicht möglich (vgl ebenda, S. 56). Anhand von Untersuchungsergebnissen folgert SORCINELLI, daß die Qualität der Überprüfungsverfahren und der zeitliche Abstand bis zur Bekanntgabe der Leistungseinschätzung wesentlich für das Lernen sind. Häufiges Überprüfen, sofortiges Rückmelden und Fortschreiten der Lernaktivitäten erst nach erfolgreichem Meistern eines Leistungsabschnittes tragen entscheidend zu Lernerfolg und Zufriedenheit der Lernenden bei. (Vgl. [6], S. 16f).
Diese zweite Prämisse im Sinne einer Rückkoppelungstheorie liegt der zweiten Matrix des vorliegenden Evaluationsverfahrens zugrunde. Sie enthält die Gegenüberstellung der genannten fünf Rückkoppelungsfunktionen und der erwähnten drei Unterrichtskomponenten (siehe Tabelle 3.2).
Das Evaluationsverfahren besteht im Wesentlichen aus zwei Erhebungsinstrumenten, die eine Kombination quantitativer und qualitativer Daten ermöglichen. Es handelt sich um zwei Matrixen, die oben bereits erwähnt wurden. Die Erhebungen durch die Matrixen werden durch Unterrichtsbeobachtungen und Lehrerinterviews begleitet.
Fragebogen
Matrix I enthält einen Fragebogen für die Lernenden (siehe Tabelle 3.1). Dieser Fragebogen umfaßt zwölf Fragen, die die Lernenden mit "Ja", "Nein" oder "Unentschieden" schriftlich beantworten.
Die Ergebnisse von Matrix I lassen erkennen, wie die Studierenden die Erfüllung der Funktionen guten Unterrichts in den drei Komponenten aus ihrer Sicht beurteilen. Ein Auszählen zustimmender, ablehnender und unentschlossener Antworten läßt unter den zwölf Matrixfeldern Abstufungen hinsichtlich der Zufriedenheit der Lernenden zu. Starke, schwächere oder schwache Felder werden deutlich.
Tabelle 3.1
Matrix I: Fragebogen für Studierende über Erfüllung von vier Funktionen guten Unterrichts
klare Information |
sinnvolle Praxis |
informative Rückkoppelung |
starke Motivation |
|
Methoden |
1. Glaubst Du, daß alle Aktivitäten für die Erreichung der Kursziele wichtig sind? |
2. Steht Dir genug Zeit zum Erlernen und Anwenden des Neuen zur Verfügung? |
3. Wirst Du über Deinen Lern-fortschritt informiert und beraten? |
4. Lernst Du gern in dieser Ver-anstaltung? |
Bewertung |
5. Prüfen Tests das, was Du Dir tat-sächlich angeeignet hast? |
6. Geben Dir Bewertungs-situationen Raum zum Lernen? |
7. Informieren Dich Prüfungsergebnisse über Deine Lern-stärken und Lern- schwächen? |
8. Motivieren Prüfungsergebnisse Dein weiteres Lernen? |
Inhalt |
9. Findest Du die Lehrinhalte für Deine spätere Laufbahn wichtig? |
10. Gibt Dir die Lehrveranstaltung Raum für sinnvolle Praxis? |
11. Stellst Du im bisherigen Verlauf der Lehr-veranstaltung Deinen eigenen Lernzuwachs fest? |
12. Fühlst Du Dich ermuntert, eigene Erfahrungen in die Lehrveranstaltung einzubringen? |
Sinnvolle Praxis bedeutet für die Unterrichtsmethoden, daß sie den Lernenden genügend Zeit und Gelegenheiten für das Aneignen und Anwenden neuen Materials einräumen. Für bewertende Unterrichtsverfahren bedeutet sinnvolle Praxis, daß authentische Leistungsdemonstrationen Anwendung finden, die Raum für Lernen und Verbesserung geben. Der Studiengang selbst muß sinnvolle Praxis einplanen. Den Lernenden wird Gelegenheit zu praktischen Erfahrungen gegeben.
Informative Rückkoppelungen geben den Lernenden Informationen über ihren Lernfortschritt. Bewertungsverfahren helfen den Lernenden zu erkennen, wo ihre Leistungspotentiale liegen. Lehrinhalte tragen zu informativen Rückkoppelungen bei, indem aufbauende Sequenzen und zunehmende Komplexität den Lernfortschritt der Lernenden begleiten.
Starke Motivation können Unterrichtsmethoden auslösen, die die Lernenden anregend empfinden und gern ausüben. Auch Bewertungsverfahren tragen zur Motivation der Lernenden bei, wenn sie -statt zu frustrieren- ermutigen. Die Motivation der Lernenden wird durch Lehrinhalte stimuliert, die das Interesse der Beteiligten treffen und sie aufmuntern, ihre eigenen Erfahrungen einzubringen.
Interview
Während die Fragebogen die quantitative Bestimmung von starken und schwachen Feldern des Lehr-Lern-Prozesses in seiner Erfüllung der Funktionen guten Unterrichts ermöglichen, decken qualitative Interviews die Ursachen für die Zufriendenheit bzw. Unzufriedenheit der Lernenden auf. Matrix II besteht aus einem Leitfrageninterview (s. Tabelle 3.2).
Das Interview zielt auf das Rückkoppelungsverhalten der Lernenden im Hinblick auf die drei oben genannten Komponenten des Lehr-Lern-Prozesses ab. Die Interviews geben Einsicht in die Rückkoppelungssituation der Lehrveranstaltung aus studentischer Sicht.
Die Aussagen der Lernenden lassen Interpretationen zu, warum sich bestimmte Felder des Lehr-Lern-Prozesses laut Matrix I als stark bzw. schwach in der Erfüllung der Funktionen guten Unterrichts herausgestellt haben.
Die Aussagen weisen außerdem darauf hin, wo Rückkoppelungen unterbrochen oder einseitig sind oder gar nicht stattfinden.
Tabelle 3.2
Matrix II: Rückkoppelungsverhalten der Studierenden
informative Rückkoppelung |
rechtzeitige Rückkoppelung |
motivierende Rückkoppelung |
ergebnis-orientierte Rückkoppelung |
auf Verbesserung abzielende Rückkoppelung |
Methoden 1. Fragst Du die Lehrkraft, was von Dir erwartet wird? |
2. Teilst Du der Lehrkraft mit, daß Du bereit bist, im Stoff weiterzugehen? |
3. Sagst Du der Lehrkraft, wie Du am besten lernst und welche Aktivitäten Dir besonders gefallen? |
4. Beschwerst Du Dich, wenn Du denkst, daß die Aktivitäten nicht wichtig für die Ent-wicklung Deiner Kompetenzen sind? |
5. Schlägst Du der Lehrkraft vor, wie der Unterricht ver-bessert werden könnte? |
Bewertung 6. Versuchst Du zu erfahren, was Prüfungsergebnisse Dir über Dein Lernen sagen? |
7. Signalisierst Du der Lehrkraft, daß Du bereit bist, Dich einer Leistungsüber-prüfung zu unter-ziehen? |
8. Akzeptierst Du Prüfungsergebnisse und ziehst sie für Dein weiteres Lernen in Betracht? |
9. Fragst Du die Lehrkraft, inwiefern sich Dein Leistungs-vemögen in den Noten wider-spiegelt? |
10. Versuchst Du, Auskünfte über Deine Lern-leistungen über Tests hinaus zu bekommen? |
Inhalt 11. Fragst Du die Lehrkraft, warum Du bestimmte In-halte aneignen sollst? |
12. Forderst Du von der Lehrkraft, daß sie Dir genug Zeit zum Lernen ein-räumt? |
13. Bringst Du Deine Motivation zum Ausdruck, wenn neue Inhalte behandelt werden? |
14. Fragst Du, inwiefern die Lehrveranstaltung Fortschritte macht? |
15. Schlägst Du der Lehrkraft inhaltliche Veränderungen oder Anpassungen vor? |
Die Entwicklung der Interviewleitfragen beruht auf der Einsicht, daß Lernen dann eintritt und effektiv ist, wenn die Lernenden selbst aktiv am Lehr-Lern-Prozes teilnehmen. Das schließt ihr aktives Rückkoppelungsverhalten über das, was in der Lehrveranstaltung geschieht, ein.
Die für Unterrichtsevaluation entwickelten Matrixen I und II wurden in verschiedenen kompetenzorientierten Studiengängen in Bildungseinrichtungen in Columbus/Ohio eingesetzt. Die Lehr-Lern-Prozeß-Analysen zogen sich jeweils über einen Zeitraum mehrerer Wochen hin. Ihr Einsatz wurde von Unterrichtsbeobachtungen und Lehrerinterviews begleitet.
Zum Konzept kompetenzorientierter Bildung
Kompetenzorientierte Studiengänge basieren auf dem Konzept kompetenzorientierter Bildung. Dieses Konzept beinhaltet ein systematisches Unterrichten, bei dem die Lernenden vorbestimmte Leistungsresultate erbringen und Handlungskompetenzen schrittweise erwerben (vgl. [5], S. 7).
"CBE (competency-based education) is a system that identifies through jobs, duties, and tasks the knowledge, attitudes, and skills - including the prerequisite knowledge, attitudes, and skills - that students must be able to demonstrate successfully in the workplace.î ([6], S. 3).
Die beabsichtigten Handlungskompetenzen und Leistungsresultate bestimmen die Unterrichtsmethoden, die Art und Weise der Leistungsbewertung und die Studienganginhalte.
Insbesondere die Inhalte unterliegen einer detaillierten Vorplanung, denn die Produkte kompetenzorientierter Studiengänge sind in Form von Handlungskompetenzen vorformuliert. Diese Vorplanung zeichnet die Stärke kompetenzorientierter Bildung aus, kann aber auch zu einem starren Korsett für den Lehr-Lern-Prozeß werden. Es besteht die Gefahr der Verengung des Lehr-Lern-Prozesses zu einer monotonen Trainingsveranstaltung. Führt nur ein striktes Festhalten an den vorgeschriebenen Schritten zum Erreichen der angestrebten Kompetenzen? Sichert eine detaillierte Ergebnisplanung ebenfalls einen effektiven Prozeßverlauf ab? Kann aktives Rückkoppelungsverhalten aller Beteiligten die Dynamik des Lehr-Lern-Prozesses befördern?
Auf dem Konzept kompetenzorientierter Bildung basierende Studiengänge bedürfen eines neuen Paradigmas von Lehren und Lernen und führen -bei Anwendung des Konzeptes- zu einer dramatischen Veränderung des traditionellen Lehr-Lern-Prozesses (vgl. [7]).
Die oben beschriebenen Evaluationsinstrumente kamen in kompetenzorientierten Studiengängen U.S. amerikanischer Bildungseinrichtungen zum Einsatz, weil diese Lehrveranstaltungen einen innovativen Lehr-Lern-Prozeßverlauf vermuten ließen. Die Untersuchungen zielten darauf ab, die Erfüllung der Funktionen guten Unterichts unter Berücksichtigung der Rückkoppelungen im Lehr-Lern-Prozeß in kompetenzorientierten Studiengängen zu analysieren.
Der Studiengang "Administrative Technology Management Program" (ATM)
Der ATM Studiengang umfaßt die zweijährige Ausbildung von Sekretärinnen und Sekretären an einem Berufszentrum in Ohio. Er wird als School-To-Work Modell geführt. Die Grundidee dieses in den USA sehr populären Modells ist es, High School Schülern in den letzten zwei Schuljahren eine Bildung zu vermitteln, die schulisches und berufliches Lernen verbindet und Kooperationsbeziehungen mit lokalen Unternehmen, Firmen, und weiterführenden Bildungseinrichtungen herstellt.
Das Ziel des ATM Studienganges ist es, den traditionellen Ausbildungsgang für Sekretärinnen zu verbessern, indem hoch qualifiziertes Büropersonal mit spezifischen Karrierezielen und klaren Vorstellungen über die Wege zu diesen Zielen ausgebildet wird (vgl. [8], S. 1).
Der ATM School-To-Work Studiengang spezialisiert auf drei Büroverwaltungsbereiche: Banken, Versicherungen und medizinische Einrichtungen. Im elften Schuljahr beginnt das Programm mit Berufsorientierungen in Form von Exkursionen, arbeitsbegleitenden Erfahrungen und Gastrednern aus der Geschäftswelt.
Der schulische Lehrplan bleibt über die gesamte Zeit als theoretische und berufsorientierte Ausbildung integriert. (Vgl. [9], S. 23).
Der ATM School-To-Work Studiengang basiert auf dem Konzept kompetenzorientierter Bildung. Die Spezialisierung der Sekretärinnen auf einen der drei genannten Bereiche beruht auf einer Bedarfsermittlung in der Stadt und Region Columbus. Die dem Ausbildungsplan zugrundeliegenden Handlungskompetenzen ergeben sich aus den Ohio Competency Analysis Profiles, den sogenannten OCAPs, die eine tabellarische Aufstellung von Handlungskompetenzen und Kompetenzbausteinen für verschiedene Berufsprofile darstellen. Für den ATM Studiengang legt das Administrative/Secretarial Service OCAP die zu entwickelnden Handlungskompetenzen fest. Dieses Kompetenzenprofil wurde 1995 von Fachexperten revidiert und bestimmt die notwendigen beruflichen Fachkenntnisse auf Berufseinsteigerniveau. (Vgl. ebenda, S. 27).
Jede Teilnehmerin unterzieht sich im Verlauf ihrer zweijährigen ATM Ausbildung diesem OCAP. Eine individuelle OCAP Liste weist aus, wann und in welchem Grad jede Studentin die jeweilige Handlungskompetenz entwickelt hat. Diese Liste beschreibt ihr persönliches Kompetenzprofil und wird vom Praktikumsmentor und den Eltern eingesehen und den Zeugnis- und Bewerbungspapieren der Absolventeninnen (Career Passport Portfolio) beigefügt.
Die Evaluation der Lehrveranstaltung führte ich im Frühjahr 1995 in der ATM senior class (also im zweiten Jahr der Sekretärinnenausbildung) statt. Die Klasse hatte fünfzehn Teilnehmerinnen. Bis auf eine Studentin verbrachten alle mindestens fünfzehn Stunden pro Woche in einer Büroanstellung in verschiedenen Firmen der Stadt Columbus. Eine Studentin erfüllte die Voraussetzungen für eine außerschulische Arbeitsanstellung nicht und erhielt die berufspraktische Ausbildung im Sekratariat des Schulzentrums.
Jeden Morgen besuchten die Studentinnen Unterrichtskurse wie angewandte Mathematik, Geschichte oder angewandte Muttersprache im Schulzentrum. Die erst Doppelstunde des Tages gehörte den zwei Koordinatorinnen des ATM Studienganges. Sie nutzten die Zeit, um organisatorische und individuelle Probleme zu besprechen und die berufsbezogenen theoretischen Inhalte wie Professional Life ("Berufsleben" behandelt Themen wie Selbstdarstellung, Restaurantetikette, Geschäftsreisen...) im Klassenzimmer und das Schreibprogramm Lotus im Schulcomputerlabor zu lehren.
Nachmittags suchten die Studentinnen ihre Praktikumsplätze auf, an denen sie auf vertraglicher Basis bezahlte Arbeit verrichteten, z.B. am Schalter einer Bank. Ihre praktischen Erfahrungen werden begleitete ein Mentor vor Ort. Eine der Koordinatorinnen besuchte jede Studentin in Abständen von etwa neun Wochen auf ihrer Praktikumsstelle.
Meine Evaluation bezog sich auf den akademisch-beruflichenTeil der Sekretärinnenausbildung, der im Schulzentrum in der ersten Doppelstunde entweder im Klassenzimmer oder im Computerlabor stattfand.
Fragebogen
Tabelle 4.1 zeigt die Verteilung der Antworten der Teilnehmerinnen auf die zwölf Fragen des Matrix I Fragebogens (s. S. 2) .Tabelle 4.1: Fragebogenstatistik der ATM Studentinnen (n=11)
Die Fragebogenstatistik zeigt an, wie die Studierenden aus ihrer Sicht die Erfüllung der Funktionen guten Unterrichts für jede der drei Komponenten Methoden, Bewertung und Inhalt beurteilen. Die Matrix I weist stärkere und schwächere Felder im Hinblick auf die zahlenmäßige Zustimmung bzw. Ablehnung der Teilnehmerinnen aus.
a. klare Information
Die Mehrheit der Studentinnen scheint mit der Erfüllung der ersten Funktion guten Unterrichts auf allen drei Ebenen zufrieden zu sein. Mit Ausnahme je einer Studentin sind alle Teilnehmerinnen der Meinung, daß alle Unterrichtsaktivitäten dem Erreichen der Kursziele dienen und daß die Lehrinhalte in ihren Augen wichtig für ihre zukünftige Tätigkeit sind. Alle Studierenden stimmen zu, daß Bewertungssituationen sie auffordern, Fertigkeiten unter Beweis zu stellen, die sie tatsächlich erworben haben.
b. sinnvolle Praxis
Alle Teilnehmerinnen sind der Auffassung, daß der Lehrplan ihnen genügend Gelegenheiten bietet, sinnvolle Praxis zu erleben. Die Mehrheit (neun von elf Studentinnen) sagt, daß auch Leistungsüberprüfungen eine sinnvolle Praxis sind, indem sie den Teilnehmerinnen Raum zum Lernen und Verbessern gewähren. Die angewendeten Unterrichtsmethoden stellen sich als ein Bereich des ATM Lehr-Lern-Prozesses heraus, in denen die Studierenden geteilter Meinung über die Erfüllung der Funktion sinnvoller Praxis sind. Vier Studentinnen stimmen zu, zwei verneinen und fünf sind nicht sicher, ob die Unterrichtsmethoden ihnen genug Zeit und Gelegenheit geben, das neue Material anzueignen und anzuwenden. Das Feld "sinnvolle Praxis, gewährleistet durch entsprechende Unterrichtsverfahren" stellt sich insgesamt als das schwächste Feld der ATM Lehrveranstaltungen dar.
c. informative Rückkoppelung
Alle elf Teilnehmerinnen bestätigen, daß die dritte Funktion guten Unterrichts im ATM Lehrgang im Hinblick auf Lehrplaninhalte erfüllt ist. Mit zunehmendem Fortschreiten der Lehrveranstaltungen nehmen sie auch ihren individuellen Lernfortschritt wahr. Wie auch bei den zwei vorangehenden Funktionen "klare Information" und "sinnvolle Praxis" stellen sich curriculare Verfahren als Stärke des ATM Kurses dar.
Jeweils sieben von elf Studentinnen sagen, daß Bewertungs- und Unterrichtsverfahren ihnen informative Rückkoppelungen geben. Bei beiden Fragen bleiben jedoch jeweils vier Studentinnen unentschlossen bzw. verneinen, wenn sie gefragt sind, ob sie über ihren Lernfortschritt informiert und beraten werden und aus Bewertungen Auskünfte über ihre Lernstärken und -schwächen entnehmen können.
d. starke Motivation
Methoden machen den Bereich aus, durch den sich die Mehrheit der Studierenden motiviert fühlt. Zehn Teilnehmerinnen sagen, daß sie gern im ATM Kurs lernen. Sieben Studentinnen bejahen, daß die Aussagen von Leistungsüberprüfungen ihr weiteres Lernen stimulieren, eine Studentin ist nicht dieser Meinung, drei sind unentschieden.
Während unter den drei vorangehenden Funktionen curriculare Verfahren als Stärken von den Studierenden genannt wurden, sind nur sechs Teilnehmerinnen der Auffassung, daß sie sich von den Lehrinhalten motiviert fühlen. Drei Studierende verneinen und zwei bleiben unentschlossen, wenn sie sagen sollen, ob sie sich ermutigt fühlen, ihre eigenen Praktikumserfahrungen in der schulischen ATM Veranstaltung einzubringen. Das Feld "starke Motivation, befördert durch Lehrinhalte" stellt sich somit als zweitschwächstes Feld des ATM Unterrichts im Schulzentrum heraus.
Interviews
Die Interviews fanden im Anschluß an die Fragebogenuntersuchungen statt und wurden im Einzelgespräch mit jeder Teilnehmerin durchgeführt. Die Interviews lehnen sich an Matrix II an und befragen die Rückkoppelungssituation im ATM Schulunterricht.
Tabelle 4.2 enthält die statistische Widergabe der studentischen Antworten.
Tabelle 4.2: Interviewstatistik der Aussagen der ATM Studentinnen
Rückkoppelungs Funktionen |
1. informative Rückkoppelung |
2. rechtzeitige Rückkoppelung |
3. motivierende Rückkoppelung |
4. ergebnis-orientierte Rückkoppelung |
5. auf Verbesserung abzielende Rückkoppelung |
|||||
akzeptierend A kritisierend K |
aktiv |
passiv |
aktiv |
passiv |
aktiv |
passiv |
aktiv |
passiv |
aktiv |
passiv |
Methoden A |
7 |
1 |
3 |
2 |
1 |
3 |
0 |
7 |
1 |
6 |
K |
1 |
0 |
2 |
2 |
0 |
5 |
1 |
1 |
1 |
1 |
Bewertung A |
11 |
1 |
2 |
5 |
8 |
1 |
5 |
6 |
11 |
1 |
K |
2 |
0 |
3 |
4 |
2 |
3 |
3 |
0 |
1 |
0 |
Inhalte A |
0 |
9 |
7 |
0 |
5 |
1 |
3 |
6 |
4 |
2 |
K |
0 |
1 |
0 |
3 |
0 |
4 |
0 |
1 |
3 |
1 |
Die Antworten der Teilnehmerinnen des ATM Studienganges werden in zweifacher Hinsicht analysiert (s. Tabelle 4.2).
Zum einen gilt es festzustellen, ob die Befragten mit der Erfüllung der fünf Rückkoppelungs-funktionen zufrieden sind oder nicht. Zwei Kategorien der Einteilung werden dafür aufgestellt:
A für "Die Studentin akzeptiert die vorliegende Rückkoppelungssituation." und
K für "Die Studentin kritisiert die vorliegende Rückkoppelungssituation.".
Andererseits ist für die Interpretation der Ergebnisse der Matrix I-Befragung wichtig zu analysieren, welches Rückkoppelungsverhalten die Studierenden für die drei Komponenten des Lehr-Lern-Prozesses an den Tag legen. Wiederum werden zwei Kategorien aufgestellt:
1. "Die Studentin entscheidet sich für aktives Rückkoppelungsverhalten."
2. "Die Studentin entscheidet sich für passives Rückkoppelungsverhalten."
Die folgende Ana1yse der Matrix II-Befragung zielt darauf ab, zu ermitteln, wie intensiv und interaktiv die Rückkoppelungssituation im ATM Schulunterricht ist und wo Ressourcen für eine Verbesserung des Lehr-Lern-Prozesses aus studentischer Sicht liegen.
Methoden
Beide Lehrerinnen sagen, daß
die OCAP Kompetenzprofile klare Erwartungen an die zu
erbringenden Leistungen der Teilnehmerinnen formulieren. Allen
Beteiligten sind diese Listen zugänglich.
Beide Lehrkräfte sind
verantwortlich, daß jede OCAP Kompetenz mindestens
ein Mal im schulischen ATM Kurs behandelt wird. In ihrem
team-teaching entscheiden sie relativ flexibel und spontan,
was wann behandelt wird. Beobachtungen machen auf ein eher hohes
Tempo ihres Lehrens aufmerksam. Beide Lehrerinnen legen das
Lehrtempo selbst fest und bevorzugen traditionelle
Lehrmethoden.
Die Lehrerinnen bringen zum Ausdruck,
daß ihnen sehr viel daran liegt, die Studentinnen zu
motivieren. Ihnen ist bewußt, daß fast alle
Teilnehmerinnen sehr engagiert an ihren Praktikumsplätzen
arbeiten und lernen. Deshalb streben die beiden Koordinatorinnen
an, das schulische Lernen zu stimulieren. Sie informieren die
Mentoren in den Praktikumsfirmen über den Schulerfolg der
Kursteilnehmerinnen und bitten sie, die Leistungen der jeweiligen
Studentin zu loben bzw. zu kritisieren.
Die Lehrerinnen betonen, daß es
ihnen in ihrer Methodenwahl darum geht, den Schülerinnen
verschiedene Wege zur Bearbeitung von Problemen zu zeigen. Sie
versuchen, den Schulunterricht in Beziehung zum Arbeitsleben zu
bringen und laden Gastredner aus der Industrie ein. Die
Beobachtungen zeigen, daß die Lehrerinnen flexibel mit der
Zeiteinteilung umgehen. Sie teilen die morgendlichen Doppelstunden
je nach Bedarf unter sich auf. Ihr Lehrstil jedoch ist ohne
große Abwechslungen und erscheint sehr eingefahren.
Frontalunterricht mit Arbeitsanweisungen für die gesamte
Gruppe dominiert.
Bewertung
Die Lehrerinnen wollen möglichst
detaillierte Testauswertungen geben. Oft fordern sie die
Studentinnen auf, Fehler zu beheben, um dann Extrapunkte zu
erhalten. Erst dann halten sie ein Fortschreiten im Stoff für
gerechtfertigt.
Inhalte
Interpretierende Aussagen zu den Untersuchungsergebnissen im ATM Schulunterricht
Interpretierende Aussagen werden im folgenden auf zwei Ebenen vorgenommen:
1. Interpretation der Ergebnisse im Blick auf den Lehr - und Lernprozeß und
2. Interpretation in Bezug auf den ATM Studiengang
Zu 1.) Die Ergebnisse der Evaluation können verwendet werden
a) um den Lehrkräften die starken und schwachen Felder in ihrem Unterricht zu verdeutlichen,
b) um den Studierenden detailliert individuell zeigen zu können, wie sie den Unterricht und ihr eigenes Lernen erleben. Diese Einsicht kann ihnen helfen, eigene Schwächen und eigene Hemmungen zu überwinden.
Im folgenden wird nur eine Interpretation im Sinne von a) geleistet. Die Zielsetzung b) setzt die Erstellung individueller Profile voraus, die hier nicht durchgeführt werden kann.
Inhalte: Die Resultate auf beiden Matrizen weisen die Komponente "Inhalte" als diejenige aus, bei der die Studentinnen überwiegend Zufriedenheit äußern. Fast alle Teilnehmerinnen sind der Meinung, daß die behandelten Inhalte klare Informationen vermitteln, sinnvolle Praxis beinhalten und informative Rückkoppelungen anbieten. Die große Mehrheit der Teilnehmerinnen ist zufrieden mit den informierenden und ergebnisorientierten Rückkoppelungen auf der Ebene der Lehrinhalte.
Die Studentinnen nennen einige wenige Probleme in Bezug auf Lehrinhalte, doch in der Mehrheit erkennen sie die Vorteile des innovativen Studienganges an. Wie auch die Lehrerinnen akzeptieren sie die curriculare Planung des Studienprogramms. Sie vertrauen den Koordinatorinnen und bleiben passiv in ihrem informierenden und ergebnisorientierten Rückkoppelungsverhalten, weil sie keinen Bedarf dazu haben.
Doch viele Studentinnen sind der Meinung, daß sie nicht ermutigt werden, ihre eigenen berufspraktischen Erfahrungen in die inhaltliche Arbeit des ATM Kurses einzubringen.
Teils äußern sie ihre Kritik, teils bleiben sie passiv.
Aus curricularer Perspektive steht der ATM Studiengang vor dem Problem, alle Teilnehmerinnen in die OCAP Handlungskompetenzen einzuführen. Da die berufspraktischen Ausbildungsstätten zu sehr unterschiedlichen Erfahrungen führen, muß der schulische Unterricht Ausgleich schaffen. Zeitknappheit und Stoffülle prägen die schulische Ausbildung.
Bewertung: Über Bewertungsverfahren klagen die Studenten laut etwas mehr als über Lehrinhalte, doch sind sie überwiegend zufrieden. Die Mehrheit sagt, daß Leistungsüberprüfungen klare Informationen geben und sinnvolle Praxis darstellen. Nicht ganz so eindeutig positiv stellt sich die Komponente "Bewertung" dar, wenn sie den Funktionen guten Unterrichts "starke Motivation" und "informative Rückkoppelung" gegenübergestellt wird.
Es wird deutlich, daß Motivation und Zeiteinteilung für alle drei Komponenten des Lehr- und Lernprozesses problematisch von den Studierenden gesehen werden.
Die Lehrer nennen aus ihrer Sicht keine Probleme mit Bewertungsverfahren. Verschiedene Testformen (Computeranwendungen, Begriffsdefinitionen, True-False-Quizzes) und Verhaltensbeurteilungen (Anwesenheit, Arbeitsorganisation, Tagesnote für Verhalten, Kleiderordnung) dienen der Findung von Noten.
Methoden: Die Ergebnisse verweisen auf eine überwiegende Zufriedenheit der Teilnehmerinnen mit Motivationen und klaren Informationen, die sie aus der methodischen Arbeit gewinnen.
Die Studentinnen legen ein aktives Rückkoppelungsverhalten an den Tag, um klare Informationen über den Sinn der angewendeten Methoden und die gestellten Erwartungen zu erhalten.
Die OCAP Listen dienen als Grundlage für die methodische Arbeit im Kurs, denn es gilt, bei allen Teilnehmerinnen die vorgeschriebenen Handlungskompetenzen zu entwickeln.
Doch insgesamt fallen die meisten kritischen Bemerkungen der Teilnehmerinnen auf den Bereich der Unterrichtsmethoden. Nur die Hälfte der Studentinnen stimmt zu, daß ihnen genug Zeit und Gelegenheit zur Verfügung stehen, um das neue Material zu erlernen und anzuwenden.
Aber auch die Hälfte der Schülerinnen bleibt passiv, wenn es darum geht, in Übereinstimmung mit dem Lehrtempo zu bleiben. Viele der Schülerinnen reflektieren kritisch über das Lehrtempo und die Zeiteinteilung im ATM Schulunterricht. Beobachtungen führen zu dem Schluß, daß für viele Teilnehmerinnen ein aufmerksames Verfolgen der Unterrichtsarbeit aufgrund des hohen Lehrtempos erschwert wird.
Das trifft insbesondere für den Unterricht im Computerlabor zu, wo die Arbeitsanweisungen mündlich und im Takt für alle angesagt werden. Kommt eine Studentin aus dem Rhythmus, muß sie sich entweder zu einer Kommilitonin setzen oder die Lehrerin unterbrechen.
Die Lehrerinnen bevorzugen frontales Unterrichten, weil sie viel Stoff zu vermittlen haben und Disziplinschwierigkeiten vermeiden wollen. Doch beide Lehrkräfte sind daran interessiert zu erkennen, wie die Teilnehmerinnen dem Unterricht folgen können. Treten größere Probleme auf, kann die Erteilung eines Praktikumsplatzes verschoben werden oder findet auf niederem Niveau statt. Eventuell wird kein berufliches Zeugnis ausgestellt, sondern nur der High School Abschluß anerkannt.
Zu 2.) Interpretierend kann folgendes über den ATM Studiengang festgestellt werden:
Der ATM Studiengang hat gewisse Stärken. Die Anwendung der Matrixen auf den ATM Studiengang hat gezeigt, daß das innovative School-To-Work Model basierend auf dem Konzept kompetenzorientierter Bildung Stärken hat. Diese liegen in einem wahren praxisbezogenen Lernen. Die Teilnehmerinnen des ATM Studienganges sind vertraglich in Firmen angestellt, übernehmen Aufgaben wie andere Angestellt auch. Diese Komponente des School-To-Work Models erhöht die Motivation der Teilnehmerinnen entscheidend.
Klare Ergebnisdefinitionen im Sinne der OCAP Listen geben für alle Beteiligten detailliert an, welche Erwartungen an die Teilnehmerinnen gestellt werden und welches Kompetenzprofil sie als Absolventinnen des ATM Kurses entwickelt haben werden.
Die Evaluation der ATM Schulkomponente zeigt, wie konsequent alle Bereiche des Lehr-Lern-Prozesses auf die Entwicklung der OCAP Handlungskompetenzen ausgerichtet sind. Und doch ist der Studiengang flexibel genug, daß jede Teilnehmerin ihr individuelles Kompetenzenprofil ausprägt. Dazu tragen insbesondere die sehr unterschiedlichen Praktikumsplätze der Studentinnen bei, die im Bereich von Banken, Versicherungen oder medizinischen Einrichtungen liegen können. Eine überwiegend gute Betreuung durch die Arbeitsplatzmentoren und eine Begleitung durch die Koordinatorinnen lassen die berufspraktische Ausbildung zu einer lohnenden persönlichen und qualifizierenden Erfahrung für die Teilnehmerinnen werden.
Der ATM Schulunterricht ist in vielen Bereichen "business as usual" und läßt Raum für Verbesserungen. Die Evaluation zeigt, daß die ATM-Schulkomponente von sehr traditionellem Unterrichtsmanagement gekennzeichnet ist. Viel von dem, was beobachtet und erfragt wurde, deutet auf Lehrerreferate und starres Festhalten an der Vorplanung hin. Die Hypothese, daß kompetenzorientierte Studiengänge der Gefahr unterliegen, über ihre starke Ergebnisorientierung den Prozeßcharakter der Lehrveranstaltung zu vernachlässigen, scheint im ATM-Kurs Bestätigung zu finden.
Viele Teilnehmerinnen erleben die Schulausbildung als zu starr und unflexibel. Sie vermissen einen Bezug zwischen ihren täglichen Schulstudien und ihrem Arbeitsplatz. Die Motivation für den Schulunterricht ist viel geringer im Vergleich zur berufspraktischen Ausbildung. Auch Lehrtempo und Zeiteinteilung stellen sich für den Schulunterricht problematisch dar. Es gibt wenig Raum für die Studierenden, ihre ersten arbeitspraktischen Erfahrungen in den Schulunterricht einzubringen.
Während sich fast alle Teilnehmerinnen in ihren Praktikumsplätzen als Erwachsene akzeptiert fühlen, die echte Arbeitsaufgaben erledigen und ihr eigenens Geld verdienen, erkennen sie, daß ihre Rolle an der Schule eine andere ist.
Auch Bewertungen stellen sich zum Teil als problematisch aus der Sicht der Studentinnen dar. Vor allem ist die schulische Bewertung nicht so authenisch wie die am Arbeitsplatz. Mehrere Teilnehmerinnen bezweifeln, daß die Schulnoten ihre Handlungskompetenzen gerecht widerspiegeln.
Die ATM-Schulkomponente steht dem innovativen Geist der berufspraktischen Komponente nach.
Eigene Bewertung des hier vorgestellten Verfahrens
Beide Matrizen stellen sich als Instrumente dar, mit denen der Lehr-Lern-Prozeß des ATM Schulunterrichts beschrieben und analysiert werden kann. Fragebogen und Interviews sind einfach zu handhaben und führen zu Aussagen, die es Interessierten möglich machen, über den gegebenen Lehr-Lern-Prozeß anhand erziehungswissenschaftlicher Kriterien zu sprechen.
Ursprünglich für die Evaluation von kompetenzorientierten Studiengängen an Colleges entwickelt, zeigen die Matrixen ihre generelle Anwendbarkeit auch für die Analyse von Schulunterricht. Schüler und Studierende scheinen gut auf die Fragen anzusprechen und geben gerne detaillierte Auskunft.
Die Evaluationsinstrumente basieren auf einem angemessenen Konzept, das Literatur und Forschungsergebnisse über gutes Lehren und Lernen im Unterrichtskontext zusammenfaßt.
Die Vorstellung dieser Evaluationskonzeption läßt sich von dem Gedanken leiten, daß die punktuelle, exemplarische Evaluation von Lehrveranstaltungen ertragreicher ist als eine Fragebogenerhebung über alle Lehrveranstaltungen.
Die hier vorgestellte Evaluationskonzeption gibt dem Lehrenden einen wertvollen Einblick in Stärken und Schwächen seines Unterrichtsprozesses. Sie gibt dem Lehrenden Einblick in die Erfolge und in problematische Wirkungen seines Lehrens bei den Studierenden. Der Lehrende kann Rückschlüsse auf sein Lehrverhalten, seine Lehrmethoden, auf die inhaltliche Konzeption seines Kurses und auf die von ihm praktizierte Form der Leistungsbewertung ziehen und Veränderungen vornehmen.
Es ist zu prüfen, inwieweit Lehrende die Instrumente (Matrix I und II) auch selber einsetzen können, ohne Hilfe einer Evaluation von außen.
Evaluation sollte Teil der Lehre sein, also auch Teil der Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden. Nur so wird die Angemessenheit zwischen Evaluation und konkreter Lehrsituation und den inhaltlichen Ansprüchen gewahrt.
Eine hier noch nicht beantwortbare Frage betrifft die Evaluation komplexer Studienprogramme bzw. Studiengänge, an denen eine größere Zahl von Lehrenden beteiligt ist, die überdies viele Wahlmöglichkeiten enthalten. Für diese Ebene ist die Evaluation von Lehrveranstaltungen sicherlich nur ein Teilinstrument. Auch die Addition einer größeren Zahl von Evaluationen dieser Art reicht nicht aus. Um das Zusammenwirken einer Vielzahl von Lehrveranstaltungen zu einem sinnvollen Ausbildungsprozeß und die Wirkungsmöglichkeiten der Optionalität in einem komplexen Ausbildungsprogramm zu überprüfen, bedarf es noch anderer Zugänge.
[1] Grosz, K.S.: Strategies For Evaluation. In: College Teaching 2(1995)43 |
[2] Perkins, D.: Smart Schools. Better Thinking And Learning For Ebery Child. New York, 1992 |
[3] Eschmann, K.K.: Structuring Classrooms For Success. In: Vocational Educational Journal 6(1988)63 |
[4] Hacker, W./Skell, W.: Lernen in der Arbeit. BIBB, 1993 |
[5] Johnson,D. /Johnson, R./Johnson Holubec, E.: The New Circles Of Learning. Cooperation In The Classroom And School. Alexandria/Virginia, 1993 |
[6] Chickering, A.W./Gamson, Z.F.: Applying the Seven Principles for Good Practice in Undergraduate Education. San Francisco, 1991 |
[7] Resource Guide Of Competencies For Vocational Education. ERIC ED 335 461, June 1991 |
[8] Monthey, W.: Compentency-Based Eduaction. In: Open Entries. A Competency-Based Education Information Exchange. 4(1994)13 |
[9] Spady, W.: Outcome-Based Education. Its Meaning And Evolution. Video.National Center For Peak Performing Schools, Greely/CO, 1990 |
[10]...Career Center and ...Community College: Mentor Handbook. Columbus/Ohio, 1995 |
[11]...Vocational School District and ...Community College: School-To-Work Model. Columbus/Ohio, 1994 |
Dr. Jane Kirchner, Wissenschaftliche Assistentin
Technische Universität Dresden
Fakultät Erziehungswissenschaften
Abschluß des Manuskriptes: August 1996
Quelle:
http://www.tu-dresden.de/erzwiae/vew/text/Titel12.htm