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BEITRÄGE |
Perspektivgruppe zu Strang 2:
"Schulentwicklung statt Bildungsforschung?"
Moderation: Patry, Seel
Die Frage "Schulentwicklung statt Bildungsforschung?" sollte neu formuliert werden; sollte es aber heißen "Schulentwicklung dank Bildungsforschung?", oder eher "... und ...", oder gar "... trotz .."? Die vorhergehenden Diskussionen, insbesondere im Workshop "Methoden und Erfahrungen zur Evaluation in der Schule", haben gezeigt, dass die Formulierung "... ist komplementär mit ..." angemessen ist. Für die Herstellung der Komplementarität sind dabei drei Gruppen verantwortlich, die diesmal nicht als Institutionen, sondern als Rollen verstanden wurden: Die Rolle der Praktikerin oder des Praktikers, die Rolle der Wissenschaftlerin oder des Wissenschaftlers und die Rolle der Person, die in der Bildungsverwaltung oder in der Bildungspolitik aktiv ist. Wesentlich ist, dass die gleiche Person eine oder mehrere dieser Rollen haben kann, mit den entsprechenden Intra- und vor allem Interrollenkonflikten.
Was sind die Hindernisse auf dem Weg zur Komplementarität? Folgende Faktoren waren schon erwähnt worden:
- Kommunikation zwischen Bildungsforschern und Schulpraktikern (Struktur, Organisation, Sprache);
- Theorie-Praxis-Bezug;
- Subjekt-Objekt-Bezug;
- Wertungen und Vorurteile;
- mangelnde Ressourcen:
Diese Faktoren wurden ergänzt um folgende:
- Strukturelle Hindernisse;
- Unterschiedliche Kompetenzen;
- Motivation/Anreize fehlen oft;
- die Wertschätzung der "Übersetzung" ist oft nur gering.
Im nächsten Schritt sollte nun überlegt werden, welche Hol- und welche Bringschuld für die Schulentwicklung mit den verschiedenen Rollen verknüpft sind. Wer sollte was an wen bringen, und wer sollte was von wem holen? Es zeigte sich, dass es eine Fülle von Hol- und von Bring-Schulden gibt; vorerst wurden die verschiedenen Ansätze nur gesammelt, nicht aber strukturiert. Von einer Untergruppe kam der Hinweis, man sollte eigentlich nicht von "Schuld" sprechen, weil dies zu moralisch sei. Deshalb wird vorgeschlagen, in Zukunft nicht von Hol- und Bring-Schulden, sondern von entsprechender Verantwortung zu sprechen. Ferner wurde moniert, dass es Hol- und Bring-Verantwortung nicht bloß auf der Ebene der individuellen Rollenträger gebe, sondern auch auf der Ebene der Institutionen oder gar der Gesellschaft (z.B. in der Rollengruppe "Praxis": auf der ersten Ebene individuelle Lehrerinnen und Lehrer und ihre Schülerinnen und Schüler, deren Eltern, etc.; auf der zweiten Ebene Schulen und die damit verbundenen Institutionen; auf der dritten Ebene die Gesellschaft, wobei bildungsrelevante Aspekte berücksichtigt werden). Es kann dann auch Hol- und Bring-Verantwortungen innerhalb der Rollengruppe geben, etwa dass individuelle Lehrerinnen und Lehrer (unterste Ebene) die Bring-Verantwortung haben, aktiv in das System "Schule" (mittlere Ebene) einzugreifen etc.
Beispiele für konkrete Bring- und Holschulden:
- Ministerium: Plattform Internet (Zusammentragen von Forschungsergebnissen, abstracts, Börse für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und für Themen); Foren einsetzen, die fachspezifisch einfach zugänglich sind; Forschungsaufträge sollen direkt an Praktikerinnen und Praktiker gehen; Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrer sollen gefördert werden.
- Lehrerinnen und Lehrer sollen Probleme öffentlich thematisieren; Lehrerinnen und Lehrer müssen lernen, die kritischen Fragen auch zu stellen; Lehrerinnen und Lehrer sollen persönliche Kapazitäten und Zeit zur Verfügung stellen; Lehrerinnen und Lehrer sollen schulrelevante Studien kennen.
- Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: Forschung soll Probleme der Praxis ausgreifen; Wissenschaft soll auch die Methoden zeigen, um einen Soll-Zustand zu erreichen; Forschung sollte sich verpflichten, Ergebnisse in allgemein verständlicher Form zugänglich zu machen (u.a. gute praktische Beispiele).
- Kontinuierliche Gesprächskreise/Diskussionszirkel aller Beteiligten unter Einschluß der Bildungspolitik (Freiwilligkeit, Interdisziplinarität).
- Neudefinition von Schulaufsicht.
Anschließend wurde versucht, die Hol- und Bring-Verantwortung im bestehenden praktischen Kontext im Hinblick auf die Komplementarität umzusetzen. Es wurde vorgeschlagen, eine "Drehscheibe Schulpraxis und Bildungsforschung" zu schaffen, in der Angebote und Nachfragen im Zwischenbereich zwischen den Rollen "Praxis" und den Rollen "Forschung" im Internet veröffentlicht werden, so dass jede interessierte Person auf diesen Markt zugreifen kann, sei es in der Form von Angeboten (von Forschungsunterstützung, von Forschungsgelegenheit, etc.), sei es in der Form von Nachfrage ("Ich habe folgende Fragestellung oder folgendes Bedürfnis: ...; wer kann mich dabei unterstützen?). In einem ersten Ansatz wird eine e-mail Adresse geschaffen (dsb@aon.at), wo die entsprechenden Meldungen abgegeben werden können, möglichst bald wird eine diesbezügliche homepage realisiert, und in einem Jahr (an der Tagung in Innsbruck) wird über die Erfahrungen berichtet, und es wird über den weiteren Verlauf entschieden. Vorerst werden e-mail Adresse und homepage von einer Gruppe verwaltet, unter Federführung von Dagmar Hackl (dagmar.hackl@chello.at) und unter Mitarbeit der Kolleginnen und Kollegen Breitenauer (Wien), Janosch (Wien), Neuhauser (Oberösterreich) und Windberger (Graz).