Bildungsforschung für die Schulentwicklung:
BEITRÄGE


Standardisierte Schulleistungstests -
ein sinnvolles Instrument zur Schulevaluation?

Ewald Feyerer
PädagogischeAkademie des Bundes in OÖ
Kaplanhoftsr. 40
4020 Linz
0732 /770401
FeyererE@pa-linz.ac.at


Studie "Behindern Behinderte? - Auswirkungen integrativen Unterrichts auf nichtbehinderte Kinder in der Sekundarstufe I" (veröffentlicht in: Feyerer Ewald (1998). Behindern Behinderte? Integrativer Unterricht auf der Sekundarstufe I. Innnsbruck; Wien: Studienverlag)


Überblick

  • Folgestudie von Projekt INTSEK (BMUkA)
  • 7 Hauptschulen, 2 Gymnasien (Bgld. - T.)
  • 9 Integrations- und alle 23 Parallelklassen auf der 8. Schulstufe
  • 651 SchülerInnen insgesamt (139 /512)
  • Ziel: Sowohl Effekte (Leistung, Selbst-konzept, Wohlbefinden) als auch Merkmale integrativen Unterrichts (Individualisierung, Klassenklima, soziale Integration, Bewältig-ung der Schule) empirisch prüfen
  • Ergebnisse:
  • Gleiche Schulleistung (auch die hochbegabten SchülerInnen)
  • Positiveres Selbstkonzept
  • Besseres Wohlbefinden
  • Günstigere Lernumgebung

Fragestellung:

Hat die Anwesenheit behinderter Kinder Auswirkungen auf die Schulleistung der nichtbehinderten SchülerInnen - oder: Stimmt die Befürchtung, dass die soziale Integration auf Kosten einer schlechteren Schulleistung geht?

Þ Quasi experimentielle Vergleichsuntersuchung mit Versuchs- und Kontrollgruppe

Schwierigkeiten:

Wie messe ich "Schulleistung"?

  • Für die 8. Schulstufe gibt es in Österreich keine standardisierten Tests Þ Test in Anlehnung an Test des Zentrums für Schulentwicklung selbst entwickelt
  • Schulleistung wird reduziert auf leicht messbare Fertigkeiten und Kenntnisse
  • Schlüsselfertigkeiten, Aspekte einer "emotionalen Intelligenz" bzw. eines umfassenden pädagagogischen Leistungsbegriffes wie Mündigkeit, Kritik- und Urteilsfähigkeit, Kommunikations-fähigkeit, Kooperationsbereitschaft, ... bleiben unberücksichtigt
  • der Wert der Menschen an sich, Rücksichtnahme, Toleranz, Glück und Zufriedenheit, .... bleiben unberücksichtigt
zumindest das Befinden und das soziale Verhalten sind als Qualitätsaspekte in Evaluationsvorhaben miteinzubeziehen

Kann ich die gemessenen Testwerte einfach vergleichen, um zu einer gültigen Aussage zu kommen?

"Bei der Beurteilung von Schulqualität, in welcher Form auch immer, sind Umfeldbedingungen zu berücksichtigen, weil Erfolg oder Mißerfolg eines Schulsystems, einer Schule oder gar einer Klasse durch externe Faktoren bedingt sein können, die nicht direkt der Schule anzulasten sind. Verschiedene Schulen rekrutieren etwa unterschiedliche Schülerschaften aus differenten sozialen Umfeldern (Fend 1995). Ohne Beachtung von Intelligenzstruktur und sozialer Herkunft, gegebenenfalls auch der schulischen Herkunft der Schülerschaft, besteht bei Analysen und Messungen von Schulqualität die Gefahr, nicht valide Ergebnisse zu erhalten und falsche Schlüsse zu ziehen" (MOSER & RHYN 1996, 16).

Nein!


Lösung:

Methode der Regressionsanalyse ermöglicht die Berücksichtigung jener Determinanten, die nicht (oder zumindest nicht kurzfristig ) von der Schule beeinflußbar sind und eventuell Effekte bewirken oder kompensieren können

In Anlehnung an Krapp wurden daher folgende Bedingungsfaktoren der Effektvariablen berücksichtigt:

Abbildung: Bedingungsfaktoren der Effekt-Variablen, basierend auf dem Klassifikations- und Funktionsmodell von Krapp

Tabelle: Überblick über die Untersuchungsvariablen

vom Treatment nicht beeinflußt

vom Treatment beeinflußt

KONTROLL-Variable

MODERIERENDE-Variable

EFFEKT-Variable

Merkmale der Familie

Strukturelle Merkmale

(Familienform, Nationalität der Eltern, Bildungsstatus der Eltern, Beruf des Vaters/der Mutter, Dauer des Aufenthaltes in Österreich, Geschwisterzahl, räumliche Lernbedingungen)

Schulbezogene Interaktionsprozesse

(Schulcommitment, Erziehungsstil, Zufriedenheit der Eltern mit der schulischen Leistung)

Schulmerkmale

Merkmale der Schulorganiation

(Schultyp, größe, -ort)

SchülerInnenmerkmale

habituelle Merkmale

(Intelligenz, Geschlecht, Alter, Eingangsvoraussetzungen = Noten in der 4. Klasse VS, Schullaufbahn = Klassenwiederholungen, Dauer des Besuchs der Integrationsklasse, soziale und kulturelle Herkunft)

situative Merkmale

(Individuelle Zufriedenheit und soziale Integration in den zentralen Lebensbereichen Familie, Schule und Peergruppe)

Peergruppe

Integration in die Peergruppe

(Häufigkeit der Kontakte, Akzeptanz innerhalb der Gruppe, Kontaktfähigkeit)

Bevorzugte Tätigkeit in der Freizeit

(Passiv- oder Aktivtätigkeiten, alleine oder mit Freunden, Mithilfe zu Hause)

Werte innerhalb der Peergruppe

(Einstellungen zu Schule und Schulleistung, jugendlicher Hedonismus, Berufsorientierung, Alkohol- und Nikotinkonsum)

 

 

 

 

 

 

Schulmerkmale

Merkmale der

Klassenorganisation

(Treatment, Klassengröße,

Klassenzusammensetzung, Stundenausmaß laut Stundenplan, investierte LehrerInnenzeit, Teamgröße)

Merkmale der

Unterrichtsorganisation

(Individualisierung, Form und Ausmaß der äußeren Differenzierung bzw. des gemeinsamen Unterrichts, Form der Leistungsbeurteilung , Lehrerkooperation und Teamteaching)

Klassenklima

(sozialer Druck, Vertrauen, Kohäsion, Disziplin, Schülerzentriertheit, Leistungsdruck)

SchülerInnenmerkmale

Die soziale Lage der einzelnen SchülerIn

(Verhältnis zu den Lehrkräften, Verhältnis zu den MitschülerInnen)

Bewältigung der Schule

(Noten, Zufriedenheit mit der eigenen Leistung, Bewältigung der Anforderungen, Orientierung im Unterricht, Bedeutsamkeit der schulischen Inhalte, zeitliche Belastung)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Schulleistung

Testleistung in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch

Selbstkonzept

Leistungsselbst-konzept, soziales Selbstkonzept und Allgemeines Selbstwertgefühl

Befinden

Schulfreude, Schulzufriedenheit, Schul- und

Prüfungsangst,

psychische

Belastungen


Statistisch signifikante Determinanten:

  • Intelligenz
  • Geschlecht
  • Eingangsvoraussetzungen (Noten in der 4. Klasse Volksschule) - Vorwissen
  • Schulorganisation - eventuell familiale Bedingungen verdeckt mitbereinigt


Schlussfolgerung:

Standardisierte Schulleistungstests sind nur bedingt für die Schulevaluation einsetzbar!

Einschränkungen:

  • Kognitive Aspekte (automatisierte Fertigkeiten) stehen zu sehr im Vordergrund und verdrängen andere Qualitätsaspekte (Selbstständigkeit, Selbstverantortung, Teamfähigkeit, Toleranz und Rücksichtnahme, ...)
  • Testwerte ohne Berücksichtigung jener Determinanten, die nicht durch Schule beeinflußbar sind (Geschlecht, Vorwissen, Intelligenz, familiale Bedingungen) lassen keine gültige Aussage über die Qualität der einzelnen Schulen zu Þ Rankings sind unlauter!

 


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