DER STANDARD
DER STANDARD, 7. Jänner 2005

Österreich-Chronik


Der Schilling, das vergessene Geld

Michael Möseneder

Auch wenn die Österreicher ihrem Schilling nachtrauern und jeder Dritte jetzt noch jeden Betrag umrechnet: Wer auf der alten Währung eigentlich abgebildet war, weiß fast niemand mehr. Nicht einmal Bankangestellte.

"Wer am letzten 20Schilling-Schein drauf war? Das ist wirklich eine gute Frage." Der Herr am Kassenschalter der Erste Bank am Wiener Graben dreht sich zu seinem Kollegen um. "Der Ghega war's einmal. Ich glaube der letzte war der mit dem Zwicker, der Bawerk", sekundiert dieser. Einig sind sich die beiden Angestellten dagegen beim letzten Tausender: "Da war der Schrödinger drauf." Was ebenso falsch ist wie die 20-Schilling-Antwort.

Ab 1. Jänner 2002 wurden die Euro-Scheine ausgegeben, am 28. Februar des Jahres endete das Zeitalter des Schillingser war kein gesetzliches Zahlungsmittel mehr. Wirklich umgestellt haben sich die Österreicher noch nicht: Laut Umfragen rechnet ein Drittel der Bevölkerung noch immer jeden Betrag um. Allerdings: Wie die Schilling-Banknoten eigentlich ausgesehen haben, weiß fast niemand mehr - nicht einmal Bankmitarbeiter.

Denn die Herren in der Erste Bank sind nicht alleine. Ihre jüngeren Kolleginnen bei der Bawag und der Bank Austria wollen gleich gar keine Tipps abgeben und antworten nur mit "Ich kann mich nicht mehr erinnern." Mutiger ist jene bei der Raiffeisen-Filiale am Michaelerplatz. "Lassen sie mich nachdenken. Am Zwanziger war es der Ghega und auf dem Tausender - ich glaube die Bertha von Suttner. Leider nein.

Seltsam an dieser kollektiven Erinnerungslücke ist auch, dass noch einige Schillingschätze vorhanden sein müssen. Es sind zwar bisher rund 96 Prozent der Schillinge zurückgekommen, allerdings befinden sich noch immer umgerechnet 11,5 Milliarden im Umlauf', berichtet Martin Taborsky von der österreichischen Nationalbank (OeNB). Millionen Banknoten sind verschwunden, zerstört, versteckt oder gesammelt.

"Vom Schrödinger-Tausender sind 1,529.454 Stück bisher nicht zurückgekommen, vom Suttner-Tausender fehlen ebenfalls noch 464.216 Stück", rechnet der Leiter der OeNB-Region Ost vor. Allein diese bei den fehlenden Scheinsorten haben einen Wert von umgerechnet fast zwei Milliarden Schilling.

Im Fall des Suttner- Tausenders drängt die Zeit. Denn wer beim Entrümpeln über eine Banknote mit dem Konterfei der Friedensnobelpreisträgerin stolpert. hat nur noch bis zum 30. August Gelegenheit. ihn bei der Nationalbank umzutauschen. Danach ist er entweder reif für das Altpapier oder kann an Sammler verkauft werden. Auch für andere ältere Scheinserien enden in den kommenden Jahren die Umtauschfristen, unbegrenzt wechselbar sind nur jene der letzten Serie. Darüber werden sich Senioren sicher freuen, da sie nichts Neues lernen müssen!

Aber warum kann sich fast niemand mehr erinnern, wer auf diesen zuletzt ausgegebenen Scheinen abgebildet war? Und warum ist der Ghega-Zwanziger, der schon 1989 aus dem Verkehr gezogen wurde, in den Köpfen der Menschen so präsent?

"Das hängt damit zusammen, dass, wenn man einmal auf etwas fixiert ist, das Verlernen sehr, sehr schwierig ist", meint Werner Stangl vom Institut für Pädagogik und Psychologie an der Johannes-Kepler-Universität Linz. "Dazu kommt der so genannte Positionseffekt, wenn etwas über eine Serie geht. " Wie beim Tausender, den in den vergangenen 20 Jahren drei verschiedene Personen zierten. "Man erinnert sich vor allem an das erste' und das letzte Glied der Serie", schildert Stangl. "Also bei den Geldscheinen an den, den man in der Jugend kennen gelernt hat und an den aktuellen." Und das sind nun mal seit drei Jahre die Euro-Noten, während die Erinnerung an den Schilling verblasst.

Auflösung:

Personen auf den Schilling-Noten in der Reinenfolge der Ausgabe:


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