Viel Unfug

Die einzige Kompetenz, die es zunächst zu beklagen gilt, ist jene der Bildungsexperten. Sie haben schon die erste Studie nicht verstanden und bei der zweiten beweisen sie das nachhaltig. Denn es gehört zur Lesekompetenz, den Text einer Studie nicht schon zu interpretieren, bevor man sie genau kennt - aus oberflächlich durchgesickerten Informationen schon zu wissen, was die Daten in einem Gesamtkontext bedeuten, ist schlichtweg Unfug und bloß ein Beweis der monierten Inkompetenz.

Auch wird das Ergebnis nur jene überraschen, die die erste Studie vor zwei Jahren bejubelt haben, denn dieser Jubel war nur ein Beweis des Nichtverstehens der Ergebnisse - das Jammern in Deutschland war übrigens die Folge ähnlicher falscher Interpretationen, die zu kuriosen Debatten führten, die in Österreich nun wohl wiederholt werden dürften.

Ein weiterer Unfug ist die abermals aufgestellte Forderung nach mehr Bücherlesen, denn damit hat die geprüfte Lesekompetenz der PISA-Studien wenig zu tun. Vielmehr müssten dafür die Schüler nicht Rowlings oder Brezinas Bücher lesen, sondern mehr Gebrauchsanweisungen studieren, um die verlangten Testkompetenzen zu erwerben.

Leid können einem bloß die Schüler tun, die vermutlich zu keiner Zeit soviel gelesen und geschrieben haben wie heute, denn sie werden die Leseinkompetenz von wissenschaftlichen Studien durch Bildungsexperten wieder ausbaden müssen.

Werner Stangl
Institut für Pädagogik u. Psychologie d. Johannes Kepler Universität Linz

Leserbrief aus den OÖNachrichten vom 1.12.2004


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Quelle: http://www.nachrichten.at/nachrichten/317830 (04-12-01)