Erforscht & Entdeckt
Belohnen,
aber bitte richtig!
Wenn der Kontrollor in der Straßenbahn den
Fahrausweis verlangt, wird er sich nicht mit einem Kuss
zufrieden geben. Und wenn ein Lieferant die bestellte Ware
bringt, will er dafür Geld sehen und keinen
Liebesbrief. Wie belohnt man angemessen? Damit befasst sich
Werner Stangl vom Institut für Pädagogik und
Psychologie an der Linzer Kepler-Uni.
Bei schulischen Leistungen ist es in der Regel prekär,
wenn Fleiß und Anstrengung mit Geld oder Geschenken
abgegolten werden. Denn oft steckt dahinter der Wunsch nach
Anerkennung und Zuwendung.
"Vor allem kommt es darauf an, welche Bedeutung das Kind
einer bestimmten Ressource zuschreibt", so Stangl. Diese
Ressourcen haben innerhalb einer Familie ihre eigene
Geschichte, so dass im einen Fall zehn Euro für eine
gute Note Ansporn sind, während sie im anderen Fall
wirkungslos bleiben.
Grundsätzlich sollten schulische Leistungen aus
Interesse an dem jeweiligen Fach erbracht werden. Die
Wissenschaft spricht von "intrinsischer Motivation", die aus
der Sache selber kommt. "Sie ist die einzige, die für
nachhaltig erfolgreiches und befriedigendes Lernen sorgt",
sagt Stangl.
Alle anderen Anreize können demnach nur Hilfsfunktion
haben, die letztlich dazu führen sollen, dass man eine
Sache um ihrer selbst willen angeht.
Hier läuft oft schon in frühen Jahren einiges
schief. Denn obwohl Kinder meist aus Interesse am Lernen und
an den erwarteten Inhalten ihre Schullaufbahn beginnen, wird
in unserem Schulsystem die Neugier am Stoff in den
Hintergrund gedrängt -da geht es vorwiegend um
äußere Belohnungen wie gute Noten und Zuwendung
durch Eltern und Lehrer.
Es macht einen Unterschied, ob man zur Belohnung für
das Lernen einer Sprache sich im betreffenden Land besser
zurecht findet, ob man ein "Sehr gut" im Zeugnis sehen will
oder vom Opa dafür hundert Euro erhoffen darf.
Die gute Note oder die hundert Euro sind "sachfremde
Belohnungen". Psychologisch wirken sie sich so aus, dass sie
das Kind "von außen" motivieren. Und äußere
Motivationen führen häufig zu Unzufriedenheit,
deren Ursache dem Kind unklar bleibt, die aber letztlich im
Gefühl der Abhängigkeit und Getriebenheit
wurzelt.
Belohnungen sind Mittel, die gegen etwas anderes getauscht
werden, also z. B. Geld für geleistete Arbeit, Titel
oder Zeugnisse für besondere Leistungen. Es handelt
sich um psychologische Verstärker, deren Wirkung Stangl
im Rahmen der "Ressourcentheorie sozialer Beziehungen"
untersucht. Sechs verschiedene Ressourcen werden
unterschieden: Liebe (Zuwendung, Trost, Beistand),
Dienstleistungen (Aktivitäten, die in der Regel Arbeit
bedeuten), Waren, Geld, Information (Unterweisung, Rat) und
Prestige.
Diese Ressourcen stehen zueinander in Austauschbeziehungen,
und diese Beziehungen sind bei manchen enger als bei
anderen. So kann man etwa Waren mit Geld abgelten,
während Prestige oder Liebe problematisch sind.
"Man kann mit diesem Modell etwa gut erklären, warum
es für Asylanten zu wenig ist, wenn man sie mit Geld
und materiellen Mitteln ausstattet, ihnen aber die
Anerkennung als Menschen verweigert", so Stangl. Oder wenn
man eine Frau mit Geschenken überhäuft,
während sie eigentlich Zuwendung möchte. Oder wenn
man vom Vorgesetzten ständig gelobt wird, sich das aber
nicht irgendwann in einer Gehaltserhöhung
niederschlägt.
Liebe ja, Geld nein
Die Hauptarten der Belohnung veranschaulicht Werner
Stangl (Bild) in einem sechseckigen Modell, in dem sich
"Liebe" und "Geld" diametral gegenüberstehen: Eines
lässt sich nicht durch das andere abgelten. Besser
"tauschen" lässt sich Liebe hingegen mit Prestige und
Dienstleistung.
OÖNachrichten vom 17.01.2004
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