Leserbrief aus den OÖNachrichten vom
17.10.2002
Eine andere Form
Betreff: "Die neuen
Analphabeten" von Hans Köppl (OÖN vom 12.
10.2002).
In dem Kommentar zu behaupten, dass durch die PC-Nutzung
das Leseverhalten bei Jugendlichen reduziert wird, greift
ein wenig zu kurz, denn gerade das Internet als Medium ist
eines des Lesens und Schreibens - vermutlich wurde zu keiner
Zeit so viel Text produziert und rezipiert wie seit der
Verbreitung von Mail, Chat, SMS oder auch HTML.
Dass das eine andere Form des Schreibens/Lesens ist, mag
manchen stören, aber das Bild des hinter einem guten
Buch sitzenden Bücherwurms - von dem so manche
Altvorderen träumen - ist so unreflektiert wie kaum
wünschenswert.
Werner Stangl, Linz
Email vom 12.10.2002
Re: jugendliche analphabeten
Lieber Herr Stangl!
Ich kann mich Ihrem Kommentar nur anschließen. Es
scheint, dass sich Herr Köppl Sorgen um die
schrumpfende Leserschar "seiner" Zeitung macht. Ich habe 3
Kinder, die sehr wohl des Lesens und Schreibens mächtig
sind, sogar schon die Tageszeitung am frühen Morgen zur
Hand nehmen und dennoch viel Zeit mit dem doch wohl
mittlerweile als interaktivstem Medium anerkannten PC
verbringen. Da werden Freunde in den Staaten angeschrieben,
Zeitungsartikel kopiert (aus dem Internet) und für
Schularbeiten verwendet ...
Herzlichste Grüße
J. Zeller
Leserbrief vom 19.10.2002
Analphabeten
Betreff: Die neuen
Analphabeten von Hans Köppl (OÖN vom 12.
10.).
Ich bin Deutschlehrerin und Schulbibliothekarin an einer
Hauptschule und kann nur bestätigen, was Sie in Ihrem
Leitartikel schreiben.
Das Interesse an Büchern geht leider immer mehr
zurück, es ist heute anscheinend nicht mehr "cool", zu
lesen. Es freut mich, dass Sie in Ihrem Artikel nicht, wie
so oft in den Medien, den Lehrern die Schuld am sinkenden
Leseinteresse bei Kindern und Jugendlichen geben, sondern
das Elternhaus ansprechen. Viele Lehrer versuchen, durch
verschiedene Lesespiele Lesen und Besprechen von
Büchern oder Aktionen wie z. B. eine Lesenacht die
Schüler zu motivieren, doch leider gelingt es uns auch
nicht, alle Schüler anzusprechen.
Sehr gut finde ich das ZIS-Projekt. An unserer Schule
sind die Schüler mit großem Interesse dabei und
man kann es als kleines Erfolgserlebnis ansehen, wenn die
Schüler nach dem Projekt sagen: "Schade, dass es heute
keine Zeitung mehr gibt!" Antwort: "Kaufen"!
Linda van de Lindt, Bad Leonfelden
Leserbrief vom 21.10.2002
Hat mir gefallen
Betreff: "Die neuen
Analphabeten" von Hans Köppl (OÖN vom 12.
10.)
Möchte mich herzlich für Ihren Kommentar in den
OÖN bedanken. Hat mir gefallen, dass Sie das Umfeld mit
verantwortlich gemacht haben für die erwiesenen
Leseschwächen unserer Schüler und nicht nur (wie
üblich) Lehrer und Schule.
Kurt Mitterndorfer, Linz
Leserbrief vom 22.10.2002
"A klasse Hockn"
Betreff: "Die neuen
Analphabeten" von Hans Köppl (OÖN vom 12.
10.)
Wenn wir die "Älteren" dazuzählen, kommen wir
in Österreich auf geschätzte 300.000 Analphabeten.
Auch bei guter Konjunktur hat ca. jeder zehnte
Pflichtschulabgänger kaum eine Chance auf einen
Lehrplatz, weil ihm/ihr die "Basic Skills"
(Grundkompetenzen) hierzu fehlen.
Keinen Hauptschulabschluss, Sonderschule, Schulabbrecher,
Delinquenz, Sprachprobleme etc. weisen direkt in die
gesellschaftliche Ausgrenzung. Erst wenn heuer nach den
höchsten Sommer-Arbeitslosenwerten seit 1945 der Hut
brennt, wird eine Lehrlingsoffensive mit Einstellbeihilfen
und Schulungen beschlossen, die erst in Monaten greifen
kann.
Die Betriebe werden trotz Förderungen nur Lehrlinge
aufnehmen können, die über gewisse
Grundkompetenzen verfügen, und in den Schulungen landen
benachteiligte Jugendliche gleich wieder in der Eselsbank .
Modelle wie die des Vereines Vehikel, beginnend mit
Arbeitstrainingskursen, die praktische Arbeit mit
individueller Qualifikation und Betreuung kombinieren und
den Jugendlichen im Anschluss daran - je nach ihren
Möglichkeiten - die Ausbildung zum qualifizierten
Helfer oder zum Lehrabschluss anbieten, lassen aus "no
future" "a klasse Hockn" werden. In diese Richtung soll die
Lehrlingsoffensive gehen.
Mag. Heinz Zauner,
Sozialplattform Oberösterreich
Leitartikel von
Hans Köppl (Samstag 12. Oktober 2002)
Die neuen Analphabeten
Viele Jugendliche können kaum noch lesen
Sind junge Deutsche überhaupt noch in der Lage zu
buchstabieren - von der Lektüre neuer Romane ganz
abgesehen? Die Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" nimmt die
Frankfurter Buchmesse zum Anlass für einen
Rückblick auf die Besorgnis erregenden Ergebnisse der
Pisa-Untersuchungen, eines internationalen Vergleichs der
schulischen Leistung. Der hat ergeben, dass ein Viertel
aller 15-Jährigen erhebliche Schwierigkeiten beim Lesen
und Verstehen von Texten hat. Eine Schande für
Deutschland, befindet das Blatt.
Österreichs Schüler haben in der Pisa-Studie
insgesamt zwar besser abgeschnitten als die deutschen, um
die Lesefähigkeit der Jugendlichen ist es aber
ähnlich schändlich bestellt wie im Nachbarland.
Die neueste Vergleichsstudie der OECD attestiert jedem
sechsten 15-Jährigen bloß elementare
Lesefähigkeiten, mit anderen Worten, mehr als zum
Buchstabieren reicht es nicht. Die gedruckten Zeichen werden
zwar erkannt, ihr Bedeutungszusammenhang aber nicht.
Was über die für sich allein schon
beschämenden Fakten in Bezug auf Bildung und
Urteilsfähigkeit hinaus bedenklich ist, sind die
wirtschaftlichen Defizite, die mit einem leseschwachen, sich
an der Grenze zum Analphabetismus bewegenden Nachwuchs
heraufziehen. So liegt es nicht allein daran, dass zu wenige
Lehrstellen vorhanden wären, um alle Schulabgänger
beizeiten unterzubringen. Viele potenzielle Lehrlinge sind
schlicht und einfach infolge ihres ungenügenden Niveaus
in Lesen, Schreiben und Rechnen nicht vermittelbar.
Über die Ursachen der schwindenden
Lesefähigkeit ist viel geschrieben und referiert
worden. Ein wesentlicher Faktor ist mangelnde Anregung im
Elternhaus. In allzu vielen Haushalten wird in der Freizeit
statt in ein Buch auf die Mattscheibe geblickt, der
Fernseher als probates Mittel, lästige Kinder ruhig zu
stellen. Dabei müsste gerade im Elternhaus die
Lesefähigkeit entwickelt werden, beginnend mit Vorlesen
im Vorschulalter und mit bewusster Leseerziehung danach.
Lesen ist kein instinktiver Reflex, Lesen muss gelernt, ja
erarbeitet werden. Nicht nur aus ökonomisch motivierten
Nützlichkeitserwägungen, sondern auch zur
Bereicherung des Daseins an sich. Und nicht zuletzt zum
Erwerb jenes kulturellen Wertes, der mit dem Begriff Bildung
zusammengefasst wird.
Wir Zeitungsmacher verfolgen diese Entwicklung mit
einiger Sorge. Seit Jahren geht die Zahl der jugendlichen
Leser zurück. Marktforscher meinen gar, dass jene
Jugendlichen, die heute keinen Zugang zum Lesen haben und
schon vom Vorschulalter an jede freie Minute vor dem PC
verbringen, überhaupt nie zum Zeitunglesen finden
werden.
Unsere Sorge ist aber nur eine Facette einer weit
umfassenderen Malaise. Wer bis zum dreizehnten Lebensjahr
nicht ordentlich lesen gelernt hat, bringt sich um eine
entscheidende Voraussetzung für späteren
beruflichen Erfolg. Ganz zu schweigen von der immateriellen
Bereicherung, die gute Lektüre bescheren kann. E-Mail:
h.koeppl@oon.at
OÖNachrichten vom 12.10.2002
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vom 1.12.2001 (c) 2000 Medienhaus Wimmer
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