Es gibt gute
Wissenschafter, die hereinschleichen und der Tafel nuschelnd
erklären
Jürgen
Maass: Soziale Kompetenz auch an der Uni bitter nötig
Neues Zentrum für Lehrende, Studis &
Wirtschaft
von Peter
Affenzeller
KEPLER UNI. Der
Name ist sperrig, der Begriff schwammig, die Absicht edel:
Das "Interdisziplinäre Zentrum für soziale
Kompetenz" will Lehrenden und Studenten an der Uni und
Kursteilnehmern von außen die Fähigkeit
vermitteln, besser miteinander umzugehen.
"Es weiß
zwar keiner so genau, was soziale Kompetenz eigentlich ist,
aber alle brauchen sie unbedingt", spöttelt Jürgen
Maaß, Dozent für Didaktik der Mathematik und
Weiterbildung am Institut für Analysis und Numerik der
Kepler Uni.
Tauziehen
um Ansiedelung
Maaß sorgt
für die Öffentlichkeitsarbeit des Zentrums, das
derzeit als loser Verband zwischen und über den drei
Fakultäten angesiedelt ist. Denn noch tobt die
Diskussion, ob es zu einem eigenen Institut etwa unter dem
Dach der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen
Fakultät werden oder als Verein seinen
interdisziplinären Charakter behalten soll.
Zur sozialen
Kompetenz nennt Maaß Beispiele, die gut zum
Uni-Betrieb passen: Es gebe brillante Wissenschafter, die
bei Lehrveranstaltungen "hereinschleichen, der Tafel
nuschelnd erklären, wie alles geht und am Ende der
Vorlesung wieder rausschleichen". Sie hätten einfach
ein Problem damit, vor 100 oder mehr Studenten locker
aufzutreten und mit Fragen und Unklarheiten
umzugehen.
Oder das Beispiel
des cleveren jungen Juristen, der eine Lücke in den
Geschäftsbedingungen entdeckt, die die Firma ruinieren
könnte: "Wenn der in Jeans und Schmuddel-Shirt beim
Vorstand auftaucht und sagt "Wir müssen alles
ändern´, hört ihm keiner zu", so
Maaß.
Kepler
Uni Vorreiter
Soziale Kompetenz
lässt sich teils mit Präsentationstechnik, aber
auch mit Gesprächsführung und
Einfühlungsvermögen umschreiben. Was es genau ist,
ist Teil eines Forschungsprojekts: "Das ist ein Unterschied
zwischen uns und den Fachhochschulen, dass wir nicht
behaupten, alles ist perfekt, sondern dass wir
selbstkritisch fragen und auch an theoretischen Grundlagen
neuer Wissensgebiete arbeiten", sagt Maaß.
Geleitet wird das
Zentrum derzeit von einem Direktorium rund um
Pädagogik-Professor Herbert Altrichter, dem
Kaliber wie Organisations-Professor Gerhard Reber,
Entwicklungsforscher und Soziologe Heinz Holley,
Psychologie-Dozent Gerhard Kette und etwa Volkswirtschafter
Walter Ötsch angehören.
Die Tätigkeit
im Zentrum gliedert sich grob in vier Bereiche:
Fortbildung in
der Uni soll in Kursen Präsentationstechnik vermitteln
und die Qualität der Lehre verbessern. Bis zu 60
Teilnehmer wurden bei einzelnen Veranstaltungen
gezählt.
Theorie und
Weiterentwicklung der sozialen Kompetenz liegen als
Forschungsschwerpunkt bei Kette, der dazu eine Reihe
empirischer Forschungsarbeiten vorzuweisen hat.
Die Lehre
für Studierende gewinnt an Bedeutung, weil "soziale
Kompetenz" bereits in einigen Studienplänen enthalten
ist, etwa auch in der neuen Studienordnung für
künftige AHS-Lehrer.
Ein Projekt mit
Förderung durch das Wissenschaftsministerium soll das
Linzer Zentrum als Pilotprojekt anderen Unis bekannt machen,
"damit dort das Rad nicht ein zweites Mal erfunden werden
muss".
Dazu kommt quasi
als "Geschäftsfeld" des Zentrums die Abhaltung von
Seminaren und Kursen für die Wirtschaft. "Berater, aber
auch Werbeagenturen und Produktionsbetriebe legen Wert auf
Schulung ihrer Führungskräfte in sozialer
Kompetenz", sagt Maaß. "Letztlich geht es auch darum,
sich selbst oder eine Leistung richtig zu verkaufen. Da kann
man Leute abschrecken und irreparable Fehler machen oder
erfolgreich sein."
Großen
Bedarf an "sozialer Kompetenz" ortet Maaß, selbst
einziges Mitglied der Technisch-Naturwissenschaftlichen
Fakultät im Zentrum, gerade bei seinen Kollegen:
"Techniker neigen zu extrem pragmatischem Denken und
können oft ihre Fachkompetenz schlecht vermitteln, weil
ihre Umgebung sie nicht versteht". Es gebe zwar
Naturtalente, aber die seien selten.
25. Mai
Tag der Offenen Tür
Wie auf einem
Marktplatz will sich das Zentrum für soziale Kompetenz
bei einem Tag der offenen Tür am 25. Mai an der Uni
vorstellen: Infostände, Workshops und eine prominent
besetzte Podiumsdiskussion sollen das abstrakte Thema
konkret erlebbar machen.
In Verhandlungs-
und Spielsituationen wird soziale Kompetenz getestet und
demonstriert. Vorgestellt wird auch etwa eine Untersuchung
zur Hochschuldidaktik an der Linzer Uni.
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