Überfordert, unterversorgt: Österreichs Schulen und das Internet

Bestandsaufnahme über den Einsatz des Internet im Unterricht an Österreichs Schulen

Von Werner Stangl

LINZ. In dieser Untersuchung wurden mittels eines elektronischen Fragebogens alle 260 österreichischen Schulen mit eigener Homepage befragt, in welchem Ausmaß das Internet im alltäglichen Unterricht genützt wird. 26 Prozent dieser Schulen wirkten bei der Befragung mit.

Die Ergebnisse zeigen, daß Jubelmeldungen wie "1000 der 6000 Schulen im Netz" die Tatsache verschleiern, daß bis auf wenige Ausnahmen das Internet an Österreichs Schulen kaum oder gar nicht genützt wird. Für die "normalen" SchülerInnen und LehrerInnen gibt es das Internet an den Schulen de facto nicht. Wenn daher nach Aussage von Bundesministerin Gehrer der Umgang mit neuen Informationstechnologien jene vierte Kulturtechnik ist, die jeder Mensch in Zukunft beherrschen muß, dann sind unsere Schulen derzeit wenig bis gar nicht dazu in der Lage, diese zu vermitteln.

Zwar gibt es seit wenigen Monaten einige von behördlicher Seite und geschäftstüchtigen Providern unterstützte Aktionen, allerdings treffen diese auf Schulen, die weder technologisch noch personell dem Medium gewachsen sind. Eher sind diese Aktionen geeignet, die zahlreichen bisherigen Privatinitiativen zur Internet-Anbindung der Schulen zu ersticken als zu fördern. Es gibt nach Erfahrungen in anderen Ländern einige Rahmenbedingungen, bei deren Vorliegen eine Einführung des Internet in Bildungseinrichtungen wahrscheinlich zum Scheitern verurteilt sind:

- Die LehrerInnen besitzen zuwenig Kenntnisse über das Medium und sind sowohl von technischer (Umgang mit der Hard- und Software) als auch inhaltlicher Seite (Informations- und Unterrichtsmanagement) her überfordert.

- Die LehrerInnen haben wenig Interesse am Internet und lehnen es aus den verschiedensten Gründen (Pornographie, Nazi-Propaganda, Fixierung auf den technischen Aspekt) ab.

-  Die Internet-Zugänge sind stark reglementiert, weil es zu wenige Arbeitsplätze gibt und diese auf einige wenige Fächer beschränkt bleiben. Außerdem werden aus Angst vor den "gefährlichen Inhalten" geschlossene Systeme bevorzugt.

-  Es gibt nur wenig technische und soziale Unterstützung bei der Nutzung des Mediums, die LehrerInnen und SchülerInnen sind alleingelassen mit der Technologie.

- Die Erwartungen sind zu hoch, es wird nicht berücksichtigt, daß damit unterrichtliches Neuland betreten wird und alle Beteiligten viel Zeit zum Experimentieren brauchen.

Was müßte geschehen?

- An unseren Schulen sind nicht so sehr Hard- und Software gefragt, sondern "Socialware" in Form von ständig verfügbarer technischer und medientechnologischer Unterstützung, etwa kollegialer Support und Austausch.

- Weniger flächendeckende Oktroyierung der Vernetzung als Förderung der bereits bestehenden Initiativen vor Ort.

- Weniger kurzfristige Einzelprojekte, sondern kontinuierliche Unterstützung in finanzieller und personeller Hinsicht - zahlreiche Lockangebote von kommerziellen Anbietern sind vermutlich Danaergeschenke, da die Folgekosten die Errichtungskosten um ein Vielfaches übersteigen.

- Keine halbherzigen Lösungen (ein Zugang mit Modem in der Direktion, der weder für LehrerInnen noch SchülerInnen offen ist bzw. aufgrund von zu geringem Know-how verstaubt), sondern großzügige Ausstattung von einigen Klassen.

- Vorbild der Behörden und Institutionen in Bezug auf die Nutzung des Internet.

- Bevorzugung offener Lösungen statt geschlossener.

- Flächendeckende Einbindung des Internet in die Ausbildung an Universitäten und anderen Lehrerbildungseinrichtungen.

- Einsatz des Mediums in der Lehrerfort- und -weiterbildung, insbesondere Förderung der Sozial- und Managementkompetenzen beim Umgang damit.

- Förderung und Unterstützung vor allem von Initiativen in nicht-technischen Fächern, in denen bisher die größte Skepsis gegenüber dem Internet besteht.

- Schaffung von geeigneten Rahmenbedingungen für die Erprobung und Entwicklung neuer Unterrichtsformen im Zusammenhang mit dem Internet.


Der Autor, Ass. Prof. Dr. Werner Stangl, ist am Institut für Pädagogik und Psychologie der Johannes Kepler Universität Linz tätig.
Die gesamte Studie ist im e-zine P@psych zu finden: http://paedpsych.jk.uni-linz.ac.at/PAEDPSYCH/NETSCHULE/NetSchule.html

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