Urheberrecht und Internet

Was wird aus "Copy and Paste" ?

Andreas Böse



Geistiges Eigentum vor dem unbegrenzten Zugriff durch andere Personen zu schützen gilt als Vorraussetzung für Fortschritt. Nur wenn die Urheber einen Vorteil aus ihrem monopolistischen Verfügen über ihre Schöpfung haben, besteht überhaupt ein Anreiz zur kreativen Tätigkeit. Andererseit kann ein zu eng ausgelegter Urheberrechtsschutz auch negative Auswirkungen haben, da Weiterentwicklungen nur aus der Kenntnis des ursprünglichen Produkts entstehen können. Dies gilt für die Kunst vermutlich genauso wie für Wissenschaft und Technik.

 

Urheberrechts-
gesetz (UrheberG)

Ein klein bisschen Rechtsgeschichte:

Am Anfang stand das Welt-Urheberrechts-Abkommen von 59 Mitgliedsstaaten der UNESCO am 6.9.1952, darunter auch die BRD. Darin verpflichtete man sich unter anderem eine Mindestschutzdauer von 25 Jahren nach Tod des Urhebers zu gewährleisten.
1971 trat Deutschland dann auch der Berner übereinkunft (1889 gegründet und mehrfach revisioniert) zum internationalen Schutz von Werken der Literatur und Kunst bei. Das Welt-Urheberrechts-Abkommen ist jedoch weiterhin von Bedeutung, da ihm auch Staaten angehören, die weder der Berner Vereinbarung zugestimmt, noch bilaterale Verträge mit der BRD getroffen haben.
In Deutschland wurden die Vorgaben dieser beiden Verträge insbesondere durch das Urheberrechtsgesetz vom 9.9.1965 verwirklicht. (Angaben aus Gablers Wirtschaftslexikon, 12. Auflage, Berlin 1988)
Mir ist nicht bekannt, wie sich die neu entstandenen osteuropäischen Nationen zu diesen Vereinbarungen stellen. Ich vermute aber, daß diese Staaten ihre nationalen Gesetze angleichen oder bereits angeglichen haben, soweit sie am reibungslosen Wirtschaftsverkehr mit dem "Westen" interessiert sind.

 

WIPO Treaty

Rechtliche
Rahmenbedin-
gungen für neue
Informations- und
Kommunikations-
dienste

Computer und Internet stellen neue Anforderungen an die Gesetzgebung:

Mit der zunehmenden Verbreitung von Computern und ihrer Vernetzung, wurde eine neue Situation geschaffen. Die Möglichkeit zum schnellen und fast kostenlosen Vervielfältigen und Verbreiten von Daten, sowie die besonderen Verhältnisse im Internet, stellt die Gesetzgebung vor besondere Herausforderungen. Dem wurde im Copyright-Vertrag der World Intellectual Property Organization Rechnung getragen. Auch die Bundesregierung hat reagiert. Inwieweit diese Regelungen den neuen Anforderungen gerecht werden oder vielleicht über das Ziel hinausschiessen und die Webkultur, wie wir sie kennen zerstören, muß diskutiert werden.


Werner Stangl leitete die Diskussion mit folgendem Beitrag ein:

"Ich vertrete als Wissenschaftler die nicht von allen Kollegen geteilte Meinung: "giving science away!"
Und das heisst:
moeglichst allen alles Wissen zugaenglich zu machen, das man hat - das net ist eine neue Moeglichkeit! Wenn man da zu eng aufs Copyright schaut, dann arbeitet man denen in die Haende, die mit knowhow (oft mit fremdem) ihr Geld machen wollen.
Daher: Solange ordentlich zitiert wird (mit link zu Autor oder zur Quelle), dann freut es mich; wenn ich von mir gestohlene Seiten finde, dann habe ich immer noch die Befriedigung, dass mein Wissen einen Wert haben muss - "das Wissen ist wichter als der Wissende!"
Meine These: mit Wissen im net wird sich nie wirklich Geld verdienen lassen, denn es findet sich immer einer, der das, was einer verkaufen will, eben gratis ins net stellt! Und das wird immer mehr und auch besser! "

Digicash

Letztere These rief bei Giesbert Damaschke Widerspruch hervor. Er verwies darauf, daß viele Informationen zur Zeit nur deshalb kostenlos zu erhalten sind, weil ...

"(...) man im Netz noch nicht gescheid bezahlen kann, aber das kommt. Stichwort Micropayment: Wenn ich dann fur jeden Artikel, den ich in Cnet lese zB. 1 Pfennig zahle -- dann zahle ich den Betrag gern und dann wird sich auch kaum jemand finden, der das umsonst ins Netz kippt, der kaeme naemlich gar nicht nach mit dem Kopieren (selbst erstellen geht nicht, das kostet: zeit, geld, ressourcen).
(...)
Das Wissen, in dessen Erwerb der Wissende einen grossen Teil seiner Lebenszeit, Energie und auch Geld gesteckt hat, und von dessen Weitergabe der Wissende sein Leben fristet, wird er nur in Ausnahmefaellen verschenken. "

Auch Stefan R. Mueller geht es um die finanzielle Versorgung der Publizisten im Netz. Seine Sorge gilt besonders den Verfassern von Prosa und Poesie:

"(...) Anders als bei den klassischen Medien, koennen im internet diese Finanzierungen nicht ueber den Erhalt der Information verguetet werden, wie beispielsweise beim Kauf eines Buches oder einer CD.
Im Internet ist es daher schon ein Luxusverhalten, selbstlos Kunst, Literatur oder Wissen Web-gerecht aufzubereiten und allen zur Verfuegung zu stellen, und den Luxus muss man sich leisten koennen. Diesen Luxus koennen sich aber nicht alle leisten, so dass eben auch etwas verloren geht, wenn man keine Sozialhilfe, Job, Institut, Firma oder was auch immer im Hintergrund hat. Daher kann ich eben auch den Gedanken akzeptieren, die Hand der Sponsoren-Freunde zu ergreifen und notfalls deren Bilderchen miteinzubauen.
In anderen Kulturbereichen gibt es staatliche Subventionen, z.B. Theater. Die Bundesregierung stellt auch Mittel fuer den Aufbau des Internets zur Verfuegung (wenn es der natuerlich in kram passt). (...)

Maximized
Software

IBM Cryptolopes

Auch Maler, Graphiker und Photographen, so möchte man hinzufügen, sind von dem erwähnten Problem betroffen. Allerdings ist es keineswegs so, daß es zu deren Schutz keine technischen Mittel gäbe. Claudia Klinger hat auf die Möglichkeit verwiesen Graphiken im Netz so zu schützen, daß sie aus einer Browser-Oberfläche nicht einfach herauskopiert werden können. Und IBM hat die sogenannten "Cryptolopes" entwickelt. Dies sind bildlich gesprochen Umschläge, die Dateien mit beliebigem Inhalt umschließen. Sie garantieren (so IBM) die Sicherheit bei der übermittlung, sorgen für eine Quittierung des Empfangs und lassen sich nur öffnen, wenn der Empfänger die entsprechende Gebühr bezahlt. Weiterhin können sie regeln, ob eine Datei kopiert, ausgedruckt oder verändert werden kann. Den Handel im Internet soll dies einen ganzen Schritt voran bringen, vorausgesetzt ein geeignetes elektronisches Zahlungssystem wird etabliert.
Bei soviel kommerzieller Energie, könnte das Netz der Amateure und Hobbyisten leicht unter die Räder kommen. Claudia Klinger meint:

"(...) Ich glaube, Werner Stangl hat Recht: mit Wissen / Infos / Kunst etc. wird sich letztlich nicht viel Geld verdienen lassen, weil es immer einen gibt, der das auch umsonst ins Netz stellt.
WEIL das aber so ist, befuerchte ich Gegenmassnahmen von denen, die das Internet zur reinen Geldmaschine machen wollen, z.B. die Zwangsprofessionalisierung, bei der viele Hompepager aussteigen, Verteuerung, Verlangsamung, ein Copyright, das nonkommerziellen "fair use" nicht mehr gestattet und was dergleichen Schikanen mehr sind."

In einer weiteren Mail nennt sie Beispiele:

"(...) Neben den genannten Beispielen fuehrt Paramount-Pictures gerade einen Feldzug gegen die Star-Trek-Sites, denen Abmahn-Briefe gesendet werden, sie moechten die Verwendung der Enterprise-Bilder etc- sofort unterlassen (Was bleibt den Fans wenn keine Bilder mehr zur Kultserie?!!!). Die Szene wehrt sich heftig mittels einer RED-ALERT- Kampagne, sie berufen sich auf das Recht zum FAIR-USE (nonkommerzielle Nutzung fuer eigenen Bedarf), das Paramount hier nicht als gegeben ansieht.
Ausserdem hat sich Herr Klostermann vom gleichnamigen Verlag (Herausgeber der Heidegger-Gesamtausgabe) mittels Rechtsanwaltsdrohungen gegen einen Studenten gewendet, der kurze Heidegger-Texte im Web hatte. (...)

Auch Stefan R. Mueller kann hier noch weitere Fälle schildern:

"(...) Ein anderer Fall zeigte sich mit dem Felix Meiner Verlag, der saemtlichen Online-Philosophie-Diensten mit der moeglichen Verletzungsgefahr des CopyRightes drohte.
Der naechste praegnante Fall: Wittgensteins Erben. Die Reaktion auf diesen engstirnigen Haufen muendete darin, dass Texte von Wittgenstein vorwiegend in China Asyl bekamen und ein Link zu diesen Texten nach dem CopyRight-Gesetzten eigentlich auch schon nicht mehr leagl ist. Es gibt in den USA ein Wittgenstein-INFO-Center, dass den neuesten Flucht-Ort der Texte verraet. Dieser Fall ist deshalb interessant, da er bereits im Buchmarkt boese Folgen hatte. Wittgensteins Arbeiten gehoeren aber als Kultur-Gut irgendwie an die Oeffentlichkeit. Der Preis fuer dieses Stueck Kutur ist durch so ein Denken etwas unverschaemt hoch geraten.(...)"

Karl Moeller hat eine ganz andere Einstellung zu geistigem Eigentum, als die Akteure der erwähnten Beispiele:

"(...) Bei meinen eignen Arbeiten ist massenhaftes Raubkopieren ausdruecklich erwuenscht. Jeder sogenannte "creative" Prozess ist doch nichts anderes als der mehr oder weniger intelligente Zusammenschneiden dessen, was man gehoert oder gesehen hat. Cracks sind heute diejenigen, die schneller sehen und schneller schneiden, wobei man sich immer vor Augen halten sollte, dass Sehen sowieso schon mit Lichtgeschwindigkeit funktioniert.
Es gibt uebrigens sogar Verleger, die keinerlei Copyrights beanspruchen. So habe ich zumindest Werner Pieper (Gruene Kraft) verstanden."

Daß aber zu freizügiger Umgang mit Urheberrechten auch ärgerlich sein kann, schildert Olivia Adler:

"(...) Ich betreibe eine Website über einen Schauspieler, mit einigen künstlerisch stark bearbeiteten Bildern, und letztens fand ich durch Zufall auf einer Seite nicht nur diese Bilder ohne Quellenangabe wieder, sondern auch eine Zitatsammlung, die die andere Person komplett, inklusive HTML-Code und unverändertem Mail-Link, auf ihre Seite übernommen hatte, wieder ohne Quellenangabe. In diesem Fall war ich vergrätzt und schrieb ihr, daß es nur fair wäre, wenigstens eine Quellenangabe zu machen. Daraufhin erhielt ich die Antwort, daß es so etwas wie Copyright in Rumänien (wo sie ihre Seite hatte) nicht üblich sei, und daß sie außerdem nicht gedacht hatte, daß so etwas zu einem politischen Thema werden könnte (ich hatte nicht von Politik, sondern von Fairneß geredet). Das Ende vom Lied war, daß sie eine Quellenangabe unterbrachte und ein Bild, für das ich ihr keine Veröffentlichungserlaubnis geben konnte, da das Copyright bei einem Dritten liegt, der mir nur erlaubt hatte, es auf meiner Seite zu veröffentlichen, völlig wegließ. Obwohl wir uns soweit einigen konnten, bleibt doch ein unangenehmer Nachgeschmack zurück, und ich weiß jetzt aus eigener Erfahrung, wie wenig amüsant es ist, wenn die eigene Arbeit ohne Quellenangabe woanders wieder auftaucht. Das war um so peinlicher, als ich anfangs auch recht großzügig war, vor allem in Bezug auf Fotos, wenn ich nicht mehr wußte, wo ich sie herhatte."

Telepolis

Die Zeit

Die Diskussion von Befürwortern und Gegnern eines verschärften Urheberrechtsschutzes für das Internet wird zur Zeit in vielen Medien fortgeführt. Sie ist mit Sicherheit noch lange nicht am Ende. An dieser Stelle hat Ralph Segert das (vorerst) letzte Wort:

"(...) Auch wenn man die Entwicklung aufmerksam verfolgen muss, die Gefahr, dass ein neuer Copyright-Schutz private und nonprofit-Initiativen im WWW unmoeglich macht, sehe ich fuer naechste Zukunft nicht. Es gibt zwar Einzelfaelle von Verboten - siehe unten - aber letztlich laesst sich das WWW auch nicht mit neuen Techniken kontrollieren. Kontrolle ist aber eine Voraussetzung fuer ein funktionierendes "Copyright" in Sinne der Hardliner. (...)"


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März 1997 Andreas Böse
Quelle: http://www.uni-hohenheim.de/~boese/webkultur/copy.html (97-03-22)