Mit der Methode Zukunftswerkstatt werden wünschenswerte,
utopische Zukünfte entworfen, wobei es irrelevant ist, ob
diese Zukunftsvorstellungen realistisch sind. Man setzt sich
vielmehr mit der Frage auseinander, wie eine ideale Zukunft
aussehen sollte, und wie man in dieser leben will. Das Besondere
an der Zukunftswerkstatt ist die Umkehrung der Perspektiven, denn
man betrachtet die Gegenwart aus Sicht der idealisierten Zukunft,
um dann alternative Entwicklungen der Gegenwart zu erarbeiten, die
zu einer solchen Zukunft führen.
Die Idee der Zukunftswerkstatt - Entstehung: 1964,
Veröffentlichung: 1969 - ist untrennbar mit dem
Zukunftsforscher, Friedenskämpfer und Humanisten Robert
Jungk verbunden. Er wies auf eine immer konzentriertere
Machtverteilung einiger weniger hin und forderte demokratischere
Verhältnisse. Außerdem beobachtete er ein zunehmendes
Auseinanderklaffen des technisch-ökonomischen Fortschrittes
einerseits und der Entwicklung humaner Lebensbedingungen
andererseits. Die Lösung dieser Probleme sieht Jungk
in der Entwicklung gewaltfreier Methoden, die zur Verbesserung der
sozialen, politischen und ökonomischen Verhältnisse
beitragen sollen.
Wesentliche Merkmale und Ziele sind:
-
- Zukunftswerkstätten sind basisdemokratisch, d.
h.sie verstehen sich als Demokratisierungsinstrument, als
Plattform, von der aus eine maßgebliche
Bürgerbeteiligung an der Ausgestaltung des Kommenden
möglich wird.
- Zukunftswerkstätten sind integrativ, d. h. sie
versuchen eine Aufhebung des Gegensatzes von Experten und
Laien, Herrschenden und Beherrschten, Wissenden und
Unwissenden, Planern und Verplanten sowie Aktiven und Passiven.
- Zukunftswerkstätten sind ganzheitlich, d. h.
sie versuchen eine Integration von Selbst-und
Gesellschaftsveränderung, Rationalität und Intuition,
Intellektualität und Spiritualität sowie Kognition
und Emotion.
- Zukunftswerkstätten sind kreativ, d. h. es
handelt sich um eine Methode des Planens, Entwerfens und
Entwickelns, die die schöpferische Phantasie und den
sozialen Erfindungsgeist der Beteiligten herausfordert.
- Zukunftswerkstätten sind kommunikativ, d. h.
sie sind eine Chance für die sonst Sprachlosen, die vielen
Unterfragten in der Gesellschaft, ihre Bedürfnisse und
Sehnsüchte, ihre Vorstellungen und Ideen, aber auch ihre
Ängste und Befürchtungen frei zu äußern.
- Zukunftswerkstätten sind provokativ, d. h. sie
sind eine Herausforderung an die staatlichen und
wirtschaftlichen Institutionen, aus der Bevölkerung
kommende Lösungsvorschläge und soziale Erfindungen
ernst zu nehmen und aufzugreifen.
Verlaufsstruktur für die Durchführung von
Zukunftswerkstätten
Die folgende Darstellung basiert auf der Methode, wie sie in
der einschlägigen Literatur seit 1981 beschrieben wird.
Hinsichtlich der vorhergehenden Darstellungen (1.Darstellung:
1973,2.Darstellung: 1978) lassen sich nur unwesentliche
Veränderungen erkennen.
Die Verlaufsstruktur der Zukunftswerkstatt läßt sich
in 5 Phasen gliedern, wobei die Phasen der Vor-und Nachbereitung
den Kernphasenbereich (Kritik-,Phantasie-und Verwirklichungsphase)
umschließen.
-
- In der Vorbereitungsphase wird ein Diskussionsthema
festgelegt. Die Gruppe, die dieses als dringend
lösungsbedürftig ansieht, sollte soweit wie
möglich mit in die Bestimmung des Themas einbezogen
werden. Ferner sind Arbeitsmaterialien zu beschaffen und die
Teilnehmer in Methode und Thematik einzuführen. Um eine
Vertrauensgrundlage zu schaffen, sollten Kennenlern-und
Auflockerungsspiele durchgeführt werden.
- Mit der Kritikphase beginnt die eigentliche Arbeit
in der Zukunftswerkstatt. Jeder Teilnehmer äußert
seine Kritipunkte zum Diskussionsthema, und daraufhin werden
die Hauptkritikpunkte von der Gruppe herausgefiltert.
Abschließend wandeln die Teilnehmer die negativen
Sätze in positive Aussagen um, z.B.der Satz "Der
Stadtverkehr belästigt die Fußgänger durch
Lärm und Abgase" in die Aussage "Durch autofreie
Innenstädte werden Fußgänger vor Lärm-und
Abgasbelästigungen geschützt." Hiermit wird ein
Fundament für eine konstruktive Weiterarbeit gelegt.
- Diese erfolgt in der Phantasiephase. Die
Gruppenmitglieder entwerfen mit Hilfe des Brainstormings
möglichst viele Wunschziele für die Zukunft, die sie
dann den jeweiligen Kritikpunkten zuordnen. Dabei wird davon
ausgegangen, daß die Teilnehmer alle Macht und alles Geld
der Welt haben, und es sei außerdem darauf hingewiesen,
daß die Wunschziele nicht umsetzbar zu sein brauchen,
sondern im Gegenteil so unrealistisch und utopisch wie
möglich sein sollen. Hier tritt oft die Schwierigkeit auf,
wirklich neue, eigene Vorstellungen, Phantasien und Utopien zu
entwickeln, und nicht schon Erdachtes nur zu wiederholen. In
der anschließenden Ideenverarbeitung werden die
geäußerten Wünsche für die Weiterarbeit
bewertet und geordnet.
- In der Verwirklichungsphase führt man die
Teilnehmer wieder zurück in die Gegenwart. Die
Durchsetzungschancen der Entwürfe werden kritisch
geprüft, wobei auch Experten zu Rate gezogen werden
können. Im nächsten Schritt werden
Durchsetzungs-strategien für die erfolgversprechendsten
bzw. interessantesten Phantasien entwickelt. Danach können
ein Forderungskatalog für die Realisierung aufgestllt und
in Kleingruppen Durchsetzungsvorschläge entwickelt und zu
einem Aktionsplan verdichtet werden.
- Ideal wäre es, wenn sich die Teilnehmer in der
sogenannten Nachbereitungsphase in
regelmäßigen Abständen träfen, um an der
Umsetzung der Ideen weiterzuarbeiten und sich gegenseitig
über die jeweiligen Erfolge zu informieren.
Im Hinblick auf Zeitplanung einer Zukunftswerkstatt sind
folgende Varianten möglich und bisher erprobt:
-
- Im Rahmen der Tageswerkstatt werden jeweils zwei Stunden
für Kritikphase und Phantasiesammlung verwendet, um sich
anschließend Gedanken über die Verwirklichung zu
machen.
- Im Rahmen der Wochenendwerkstatt werden die Phasen auf drei
Tage, bei der verkürzten Wochenendwerkstatt auf zwei Tage
verteilt.
- Zum Einstieg in eine Diskussion ist eine
Ein-Stunden-Werkstatt möglich, wobei jede Phase ca.
zwanzig Minuten dauern kann.
Zukunftswerkstatt: Vor-und Nachteile im unterrichtlichen
Einsatz
Für die Durchführung einer Zukunftswerkstatt
müssen räumliche Gegebenheiten bereitstehen, die einen
schnellen Wechsel von Kleingruppen und Plenum erlauben.
Elemente der Zukunftswerkstatt lassen sich zwar in einen
45-Minuten-Rhythmus "pressen", aber es ist sinnvoller ein solches
Projekt in einer Einheit durchzuführen, beispielsweise in
Projektwochen. Schüler bilden in bezug auf ihr Wissen und
ihre Erfahrungen weitestgehend homogene Gruppen, daher ist es
für sie oft schwierig, sich gegenseitig bei der Bearbeitung
von Problemstellungen aus unterschiedlichen Perspektiven zu
ergänzen.
Das kreative Potential, welches durch Zukunftswerkstätten
geweckt wird, ist eines der Hauptargumente, das für den
unterrichtlichen Einsatz von Zukunftswerkstätten
spricht.