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Ulrike Kamke, Ulrich Korn, Carola Nispel:

Handlungsorientierung als didaktisch-curriculare Gesamtkonzeption


5. Vor- und Nachteile von Handlungsorientierung

Bei der kritischen Betrachtung des handlungsorientierten Unterrichts wird deutlich, daß die Vorteile eindeutig überwiegen. Es bleibt aber anzumerken, daß die im folgenden dargestellten Aspekte in erster Linie zur Diskussion und aktiven Auseinandersetzung mit diesem Unterrichtsprinzip anregen sollen. Der Anspruch auf Vollständigkeit und Allgemeingültigkeit dieser Gegenüberstellung besteht nicht, genausowenig wie Handlungsorientierung selbst eine starre Konzeption ist.

Bei allen Überlegungen zur Handlungsorientierung sollten vor allem die Rechte der Schüler und der Gesellschaft auf eine effektive und zeitgemäße Ausbildung im Vordergrund stehen. Berücksichtigt man die veränderten Lebens- und Berufsperspektiven, das Aufwachsen in einer "Ellenbogengesellschaft" und die große Konsum- und Medienvielfalt, so kann letztendlich nur eine Gesamtkonzeption wie die Handlungsorientierung den vielfältigen Anforderungen und Erwartungen unserer Gesellschaft gerecht werden.


PRO


CONTRA


  • Stärkung der Schülermotivation durch die Methodenvielfalt und die Unterstützung des Lernens durch Tun
  • kognitive Schlüsselqualifikationen wie Systemdenken und Problemlösefähigkeit können intensiver vermittelt werden
  • durch das selbsttätige, schüleraktive Lernen können sich Schüler besser mit dem Unterricht identifizieren, und sie übernehmen damit auch eher die Verantwortung für ihr eigenes Lernen
  • die Handlungskompetenz der Schüler, die durch handlungsorientierten Unterricht erreicht werden soll, befähigt die Schüler zu einer größeren Selbständigkeit in ihrem Denken und Handeln
  • erfolgt die Leistungsbewertung nicht mehr allein durch den Lehrer, lernen die Schüler Beurteilungskriterien zu entwickeln und sich und andere beim Lernprozeß zu beobachten
  • Verbesserung der Lernfähigkeit durch ein ausgewogenes Verhältnis von Kopf- und Handarbeit
  • Förderung der Persönlichkeitsfindung durch die Unterstützung bei der Meinungsbildung, der Kritikfähigkeit.
  • durch das Erschließen ganzheitlicher Zusammenhänge (auch u. a. durch die praktische Tätigkeit) wird eine rein abstrakte und oft wirklichkeitsfremde Sichtweise verhindert
  • die stärker emotional orientierte Umgangsweise (die "neue Sinnlichkeit") unterbindet eine Entwicklung hin zum ausschließlich Rationalen
  • gute Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt, wo in der Regel selbständig handelnde Mitarbeiter verlangt werden
  • größere Berufszufriedenheit der Lehrer als Folge von entsprechendem Engagement
  • handlungsorientierter Unterricht ist materialintensiver und störungsanfälliger als lehrerzentrierter Unterricht (durch eine schlechte Vorbereitung können die gewünschten Effekte eine gegenteilige Wirkung entfalten und sogar Resignation verursachen)
  • besonders in der Anfangs- und Vorbereitungsphase besteht für Schüler und Lehrer ein großer Zeitaufwand
  • team-teaching wird dann zum Problem, wenn nicht genügend Lehre vorhanden sind oder die Zusammenarbeit nicht funktioniert
  • das Grundkonzept allein beinhaltet wenig Konkretes für die didaktische Umsetzung - weitere Hilfestellungen für die Unterrichtspraxis erscheinen notwendig
  • handlungsorientierter Unterricht impliziert interessierte und engagierte Lehrer und Schüler (idealisiertes Menschenbild ?)
  • Problem der Umgestaltung von Kammerprüfungen am Ende der Ausbildung (programmierte Prüfungen sind nicht in der Lage, komplexe berufliche Handlungsfähigkeit abzuprüfen)