Heinz Gralki

Wie gestaltet man einen Vortrag?

Sie wollen oder müssen einen Vortrag halten? Die meisten Menschen werden durch ein solches Vorhaben in Unruhe gesetzt. Sie verschieben den Beginn der Arbeit von Tag zu Tag, kommen dann irgendwann in Zeitnot, schreiben schließlich unter Druck etwas zusammen, mit dem sie dann mehr oder weniger unzufrieden sind, leiden unter Lampenfieber &endash; und nehmen sich anschließend vor: beim nächsten Vortrag wird alles anders!

Ist das bei Ihnen auch so? Oder haben Sie ein systematisches Modell, nachdem Sie vorgehen und mit dem Sie ruhig und gelassen und ohne Zeitnot Ihren Vortrag vorbereiten können?

Ich möchte Ihnen hier ein solches Modell vorstellen. Ich möchte Ihnen Hinweise geben, was in einen solchen Vortrag alles hinein gehört. Das kann sich natürlich nur auf den formalen Aspekt beziehen, für den Inhalt bleiben allein Sie verantwortlich.

Bitte interpretieren Sie die folgenden Hinweise nicht so, als ob all das, was ich Ihnen vorschlage, auch unbedingt in Ihrem Vortrag berücksichtigt werden müßte. Nehmen Sie die Hinweise nur als Anregungen und prüfen Sie, ob diese für Ihr konkretes Vortragsvorhaben passen.

Vorab aber sollten Sie eine Frage klären. Was wollen Sie mit Ihrem Vortrag eigentlich erreichen?

Diese Frage ist keineswegs trivial und je nachdem, wie Sie die Frage beantworten, ändert sich auch Ihr Vortrag. Ich formuliere einfach einmal einige mögliche Antworten:

Ich will

Ich könnte noch eine Reihe anderer Antworten finden, und Sie werden ihre eigenen formulieren können. Natürlich geht es nicht immer nur um das eine oder das andere. Meist können Sie mehr als eine Antwort formulieren, doch meist steht eine im Mittelpunkt. Alles, was ich Ihnen nun vorstellen möchte, wird von Ihrer Antwort auf diese zentrale Frage beeinflußt.

Unsere zentrale Frage soll nun aber lauten, was gehört alles in einen Vortrag?

Sie werden fragen, kann man das denn überhaupt beantworten? Jeder Vortrag ist doch verschieden. Das ist richtig, aber dennoch gibt es Antworten auf die Frage.

Es ist wie beim Hausbau. Jeder Häuslebauer weiß, daß sein Haus eine Heizung braucht und Elektrizität, eine Wasserleitung und einen Dachstuhl. Jedes Element hat in seinem Haus später eine individuelle Ausprägung, aber als Element ist es in jedem Haus vorhanden.

Uns soll es also um die Architektur von Vorträgen gehen.

Jeder Vortrag besteht aus drei Teilen

Vorab aber einige Anmerkungen zur Funktion der Einleitung.
 

1. Funktionen der Einleitung

Die erste Frage, die hier zu klären ist, ist die, welche Aufgaben die Einleitung überhaupt hat. Seit altersher &endash; also seit der Zeit der griechischen Rhetoriker &endash; werden drei Funktionen unterschieden.

Die Einleitung soll

schaffen.

Wohlwollen

Und schon fangen die praktischen Fragen an. Wie erreichen Sie schon zu Beginn Ihres Vortrags Wohlwollen? Drehen Sie die Frage um, so fällt die Antwort vielleicht leichter: was würde die Zuhörer an Ihrer Person stören, was sollten Sie deshalb vermeiden?

Ganz sicher eine unangemessene Kleidung. Haben Sie Banker vor sich, würde ein Schmuddellook mit ausgefransten Jeans und zotteligem Bart sicher unangenehm auffallen. Reden Sie vor Handwerkern wäre der edle Zweireiher oder das kleine Schwarze fehl am Platz. Eine Selbstverständlichkeit? Vielleicht. Aber verwenden Sie doch bitte trotzdem eine Sekunde Aufmerksamkeit auf diese Frage. Dabei geht es keineswegs um die Einhaltung einer Kleidernorm, sondern nur um die Frage, was Sie vermeiden müssen, um Ihre Zuhörer nicht vor den Kopf zu stoßen. Als allgemeingültige Antwort gilt hier: die Kleidung soll angemessen sein.

Aber es ist nicht nur die Kleidung, es ist auch Ihr Verhalten. Wenn Sie sich gebückten Ganges und mißmutig nach vorne ans Rednerpult begeben, bekommen Sie gleich zu Beginn von Ihren Zuhören Strafpunkte. Man wird es Ihnen noch nicht sagen, aber jeder Teilnehmer hat eine Beurteilungsbuchführung für Sie in seinem Kopf, und da wird dann fleißig auf der Passivseite gebucht. Also versuchen Sie, aktiv zu erscheinen und zu signalisieren, daß Sie sich freuen etwas interessantes mitteilen zu können.

Aufmerksamkeit

Das Publikum soll nichts an Ihnen auszusetzen haben und es ist wohlwollend eingestellt. Nun muß es Ihnen gelingen, die Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken. Gehen Sie bitte nicht davon aus, daß die Aufmerksamkeit doch automatisch gegeben sei, da das Publikum ja das Thema Ihres Vortrages kennt. Sie sollten sich etwas überlegen, mit dem Sie die Aufmerksamkeit erzeugen können. Das kann eine gut gemachte Folie sein, ein Poster, ein Gegenstand vielleicht aber auch eine humorvolle Einleitung. Es ist Ihrer Phantasie überlassen, wofür Sie sich entscheiden.

Aufnahmebereitschaft

Vielleicht haben Sie Ihren Vorschlag mit einem Paukenschlag eingeleitet, vielleicht auch etwas subtiler. Es bleibt aber dennoch die Frage, warum sollen Ihre Zuhörer Ihnen zuhören? Man kann die Frage zuspitzen: warum sollen erwachsene Menschen ihre Zeit opfern, um Ihnen zuzuhören. Sie haben es meist mit Menschen zu tun, deren Arbeit sich nicht von selbst erledigt. Die meisten Ihrer Zuhörer werden einen vollen Schreibtisch vorfinden, wenn Sie von Ihrem Vortrag zurück in ihr Büro kommen. Niemand hat ihre Arbeit für sie erledigt. Insofern haben Sie natürlich eine große Verantwortung sorgsam mit der Zeit Ihrer Zuhörer umzugehen. Ihre Zuhörer haben &endash; sofern Sie nicht von irgend jemandem geschickt worden sind &endash; i.d.R. nur einen einzigen Grund Ihnen zuzuhören: sie erwarten einen Nutzen von Ihren Ausführungen, die investierte Zeit muß sich lohnen. Fehlt der Nutzen, wird man sich enttäuscht von Ihnen abwenden.

Soweit also zu den Funktionen der Einleitung.
 

2. Was gehört in die Einleitung?

Ich möchte zwei Bereiche der Einleitung unterscheiden:

2.1. Der formale Bereich

Anrede und Begrüßung

Ohne Zweifel eine Selbstverständlichkeit. Aber einen Moment lang sollten Sie doch darüber nachdenken. Am sichersten ist es, wenn Sie Ihre Zuhörer mit ÑSehr geehrte Damen und Herren" anreden. Häufig reicht auch ein ÑMeine Damen und Herren!" Alle anderen Formeln haben ihre Tücken. Etwas komplizierter wird es, wenn höher oder sogar hochgestellte Persönlichkeiten unter Ihren Zuhörern sind: ÑHerr Präsident, Exzellenz, Frau Staatsrätin, meine Damen und Herren!" müßte dann vielleicht die Anrede heißen. Wie gesagt, kein zentrales Thema aber doch eines, daß man nicht ganz unberücksichtigt lassen sollte.

Das Thema

Lassen Sie es sich nicht nehmen, Ihr Thema noch einmal selbst nennen und zwar auch, wenn es schon allen Zuhörern bekannt ist oder es sogar in einem Programm ausgedruckt ist. Anders als in einem geschriebenen Text ist es bei einem Vortrag auch angemessen, das Thema bewußt interessant zu formulieren. Häufig wird es schon allein dadurch interessant, daß man es als Frage formuliert.

Die Übersicht

Ihre Zuhörer wollen wissen, was Sie erwartet. Geben Sie eine kurze und prägnante Übersicht über das, was Sie vorhaben. Kurz und prägnant heißt, daß Sie einfache Worte wählen sollten, so daß die Chance besteht, daß Ihre Zuhörer diese Übersicht auch behalten. Dann geht der rote Faden weniger leicht verloren.

Der Dank

Müssen Sie sich für die Einladung bedanken? Oder für technische Hilfe? Dann tun Sie es jetzt, gleich am Anfang. Manchmal ist es auch sinnvoll, sich gleich am Anfang bei den Kolleginnen und Kollegen des eigenen Teams zu bedanken, ohne die Sie Ergebnisse, die Sie heute vortragen gar nicht hätten gewinnen können. Manchmal geschieht dies zwar erst am Schluß des Vortrags &endash; aber das sollten Sie selbst entscheiden.

Die Publikumsschmeichelei

Eine dezente Publikumsschmeichelei ist ein sehr wirksames Mittel, um Wohlwollen zu gewinnen &endash; allerdings ist mit einer solchen Form der Schmeichelei auch immer die Gefahr der Übertreibung verbunden. Wenn Sie allerdings einen Vortrag in Wien halten, dann sollten Sie Ihr Publikum ruhig wissen lassen, wie sehr Sie sich freuen, wieder einmal in dieser schönen Stadt zu sein. Die Wiener werden dies wohlwollend zu Kenntnis nehmen.

Organisatorisches

Es lohnt sich in der Eileitung auf die organisatorischen Dinge einzugehen, die für den Ablauf des Vortrages wichtig sind. Das kann z.B. die Frage nach der Pause sein oder die Frage, wie Sie es mit den handouts handhaben. Wollen Sie sie vorab verteilen oder erst hinterher? Sind Ihnen Zwischenfragen während des Vortrages angenehm oder möchten Sie während Ihres Vortrages nicht unterbrochen werden?

2.2. Der Aufhänger

Mit dem Aufhänger soll das Interesse der Zuhörer zum Thema geweckt werden. Ihrer Phantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Es gibt aber einige Fundorte für Aufhänger, die sich bewährt haben und wo die Chance, daß Sie fündig werden, besonders groß ist.

Aktueller Bezug

Gibt es aktuelle Nachrichten aus Presse und Fernsehen, die einen Bezug zu Ihrem Thema haben? Nutzen Sie sie! Erläutern Sie Ihren Zuhörern den Bezug. Besonders wirksam ist es natürlich, wenn Sie davon ausgehen können, daß auch Ihre Zuhörer die Nachricht zur Kenntnis genommen haben.

Historischer Bezug

Man sollte zwar nicht immer bei Adam und Eva anfangen aber ein interessanter Rückgriff in die Geschichte ist für die meisten Zuhörer attraktiv. Erläutern Sie z.B. wie die Entstehung des Internets mit der Kuba Krise zusammenhängt, in der die Sowjetunion Mittelstreckenraketen in Castros Kuba aufstellen wollte und die Amerikaner deshalb nach sicheren Kommandowegen suchten. Oder erläutern Sie, welchen Beitrag Bell und Reis zur Entwicklung des Telefons erbracht haben oder daß 1883 die erste Telefonleitung von Berlin nach Hamburg gelegt wurde.

Demonstration

Wohl dem Redner, der etwas zeigen kann. Wenn das neue Produkt der Firma nicht gerade ein millimetergroßer Chip ist, lohnt es sich das neue Produkt zu zeigen. Es empfiehlt sich allerdings weniger, diesen Gegenstand herumgehen zu lassen &endash; sie würden so die Aufmerksamkeit von Ihrer Person ablenken und es wäre mühsam, die Zuhörer von der eingehenden Inspektion des Gegenstandes abzuhalten. Als Regel gilt: "Zeigen ja; Herumgeben nein!"

Witz, Anekdote

Besonders in den angelsächsischen Ländern ist es üblich, einen Vortrag mit einem Witz zu beginnen. Deutsche tun sich damit etwas schwerer. Die Angst vor einer Peinlichkeit ist zu groß. Und tatsächlich kann man das Wohlwollen des Publikums aufs Spiel setzen, wenn man z.B. seinen Vortrag in Wien mit einem Österreicherwitz beginnt. Dennoch: wenn Sie einen Witz kennen, der zum Thema paßt, zeigen Sie Mut. Vor einem schmunzelnden Publikum läßt sich auch ein trockener Stoff besser vortragen. Wie finden Sie z.B. den?

"Der Lektor eines Verlages schickt an den Autor eines unverlangt zugesandten Textes die folgende Mitteilung: 'Einleitung und Schluß sind viel zu lang, der Hauptteil könnte entfallen!'"

Und wenn Ihnen keine guten Witze einfallen, dann sollten Sie einmal ins Internet schauen. Die Suchmaschine ÑAlta Vista" liefert Ihnen beim Suchwort "Witze" z.B. über 1000 deutschsprachige Seiten, wo sie fündig werden können, wenn es Ihnen gelingt, die Vielzahl der dummen und schlechten Witze zu ignorieren.

Problemschilderung

Vom Nutzen war oben schon die Rede. Zeigen Sie Ihrem Publikum, wie Ihr Produkt geholfen hat ein Problem zu lösen. Schildern Sie das Problem detailreich und farbig und auch wie es dann gelöst wurde. Es muß sich natürlich nicht um Produkte handeln, es können auch Verfahren, Programme, Techniken und Theorien sein. Wichtig ist nur, daß der Praxisbezug deutlich wird.

Rätsel, Denksport

Ich erinnere mich an eine Vorlesung über Familiensoziologie. Der Dozent begann seinen Vortrag mit der Frage: "Meine Damen und Herren, was gibt es eigentlich mehr in einer Gesellschaft: Neffen oder Cousins?" Eine solche Frage ist verblüffend und es gibt wohl niemanden, der sofort eine Antwort geben kann &endash; aber alle Zuhörer beschäftigen sich eine Zeitlang mit dem Thema und werden so auf das Thema eingestimmt. Nebenbei: wenn es um Unterricht geht, könnte es an dieser Stelle sinnvoll sein, die Zuhörer zu bitten, diese Frage einige Minuten lang mit dem Nachbarn zu diskutieren.

Vielleicht haben Sie Lust auf eine weitere Aufgabe: Es geht um koreanische Familienplanung:

In Korea werden Söhne immer noch höher geachtet als Töchter. Wird einer Familie ein Sohn geboren, verzichten die Ehepaare auf weitere Kinder. Wird hingegen eine Tochter geboren, bemüht man sich solange um weitere Kinder, bis endlich der ersehnte Sohn kommt. Es stellt sich nun folgende Frage: verändert ein solches Familienplanungsverhalten das quantitative Verhältnis der Geschlechter in einer Gesellschaft?

Definition

Lieben die Angelsachsen den Witz als Aufhänger, so lieben Deutsche die Definition. Unsterblich z.B. Heinz Rühmann in der Feuerzangenbowle mit "De DampfmaschinÖ" Prüfen Sie selbst, ob eine Definition bei Ihrem Vortrag geeignet ist, das Publikum zu interessieren.

Der Start eines Spannungsbogens

Wenn Sie zu Beginn eines Vortrages versprechen, daß der Vortrag eine wichtige Frage beantwortet, können Sie damit rechnen, daß die Aufmerksamkeit erhalten bleibt. Das ist wie bei einem Kriminalroman. Man muß viele Seiten lesen, um zu erfahren, wer der Täter ist. Erst am Schluß Ihres Vortages kommt es dann zu einer Lösung.

Dies alles sind aber nur Fundorte in denen Sie suchen können. Ihrer Phantasie sind tatsächlich keine Grenzen gesetzt. Lassen Sie sie spielen. Machen Sie sich nur Gedanken, wie Sie Ihr Publikum so an das Thema heranführen können, daß Interesse geweckt wird und daß man Ihnen zuhört.
 

3. Was gehört in den Hauptteil?

Im Hauptteil sind vier Elemente zu unterscheiden, die den Zuhörern das Zuhören erleichtern. Sie helfen ihnen, die Struktur Ihres Vortrages zu erkennen, für die Sache Interesse zu entwickeln und das Gehörte besser zu behalten.

3.1. Strukturierende Elemente

Wegweiser

Wegweiser werden aufgestellt, damit der Zuhörer weiß, wohin es geht. Zum Beispiel so:

"Ich möchte Ihnen heute drei Fragen beantworten:

Am häufigsten werden folgende rhetorische Fehler gemacht:

Die Elemente des Wegweisers

Zäune

Wegweiser dienen der Orientierung. Wie erkennt der Zuhörer aber, wann Sie einen Abschnitt beendet haben und einen neuen beginnen? In einem geschriebenen Text ist das ganz einfach. Entweder hat der Text eine neue Kapitelüberschrift oder es beginnt ein neuer Absatz.

Der Redner muß dieses Übergang von einem Kapitel zum anderen extra benennen. Z.B. durch die Worte:

"Soweit meine Überlegungen zur ersten Frage, wenden wir uns nun der zweiten Frage zu. Sie erinnern sich, dabei geht es um die Frage, wo wir uns heute befinden."

Nur durch die Zäune erhalten die Wegweiser Ihren Sinn und bekommen ihre strukturierende Funktion

Am häufigsten werden folgende rhetorische Fehler gemacht:
Die Zäune

Brücken

Mit Brücken werden Verbindungen zum Vorwissen geschlagen. Das klingt so selbstverständlich, aber mit der Realisierung dieses Prinzips nutzen Sie ein mächtiges Werkzeug für eine effektive Vortragsgestaltung und für einen erfolgreichen Lernprozeß. Zuhörer schätzten es, wenn sie in Ihrem Vortrag etwas zu finden, was sie bereits kennen. Das kann etwas sein, was Sie ihnen schon vorher berichtet haben, das kann ein Verweis auf Schulwissen oder den letzten Kurs sein, das kann aber auch ein Rückgriff auf ihre Berufspraxis sein.

Für die Gestaltung eines Vortrages bedeutet dies, daß Sie systematische Überlegungen anstellen sollten, was Zuhörer über die Sache bereits wissen, notfalls &endash; wenn Sie keine objektiven Quellen anzapfen können - sollten Sie mit plausiblen Vermutungen arbeiten.

Unter lernpsychologischen Gesichtspunkten stellt sich der Lernprozeß beim Zuhörer dann so dar, daß Sie Ihre neuen Informationen mit dem Netz der vorhandenen Erfahrungen und des Wissens der Zuhörer systematisch verknüpfen. Daß dieser Weg sehr erfolgreich ist, wußte bereits Aristoteles. Die pädagogische Psychologie hat uns um die Erkenntnis bereichert, daß das Wichtigste beim Lernen das ist, was die Lernenden über eine Sache bereits wissen. Wenn Ihnen das einsichtig ist und Sie diese Erkenntnis nutzen wollen, sollten Sie Brücken bauen.

ACHTUNG: Setzen Sie kein Wissen voraus, das die Zuhörer nicht haben. Ihre Zuhörer sind verärgert &endash; und geben Ihnen Strafpunkte &endash; wenn Sie sich z.B. einen Satz wie den folgenden erlauben:

ÑWie Sie alle wissen, wurde 1956 das erste Transatlantikabel zwischen Europa und den USA verlegt."

Am häufigsten werden folgende rhetorische Fehler gemacht:

Die Brücken

Marken

In einer eintönigen, tischebenen Landschaft steht eine einsame mächtige Eiche. In einer Straße mit nur eingeschossigen modernen Häusern steht ein gepflegter Altbau mit fünf Stockwerken. In einem dichten Kiefernforst steht eine große Birke: das alles sind Marken. Sie heben sich vom Einerlei ihrer Umgebung ab.

In der Vortragstechnik gilt es Marken zu schaffen. Elemente, die sich herausheben aus dem Fluß Ihrer Rede. Dinge die auffällig sind. Marken können Sie durch den Einsatz Ihrer Stimme schaffen: sie können leiser oder lauter werden. Marken können Sie aber auch inhaltlich schaffen, z.B. durch ein markantes Beispiel, eine ungewöhnliche Folie oder die Demonstration eines ungewöhnlichen Gegenstandes. Es sind die Highlights Ihres Vortrages.

Dies Highlights ergeben sich nicht automatisch. Sie müssen geplant werden. Sie sind es, die vom Zuhörer am besten behalten werden und sie wirken als Erinnerungsanker. Das heißt, wenn der Zuhörer sich an sie erinnert, erinnert er sich auch an die Informationen drum herum.

Am häufigsten werden folgende rhetorische Fehler gemacht:

Die Marken

3.2. Motivierende Elemente

Fragen

Fragen sind ein interaktives Element. Sie stellen eine Beziehung zu den Zuhörern her. Stellt man Zuhörern eine Frage, fordert man sie zur Mitarbeit auf und läßt sie teilhaben an der Entwicklung des Stoffes.

Fragen kann man auf verschiedene Arten klassifizieren. An dieser Stelle soll eine einfache Zweiteilung genügen: enge und weite Fragen. Enge Fragen kann man im Extrem mit einem Wort beantworten: Wer war der erste Kanzler der Bundesrepublik Deutschland? Weite Fragen bieten hingegen einen unermeßlichen Beantwortungsraum: Was hält die Welt im Innersten zusammen?

Ihre Fragen an das Publikum sollten zwischen diesen beiden Extremen liegen. Vielleicht so:

ÑÜberlegen Sie doch bitte einmal einen Moment: Welche Nachteile hat das E-mail gegenüber dem Telefon?"

Stellen Sie eine Frage, dann sollte die Frage klar kurz und eindeutig sein, und Sie sollten Ihrem Publikum eine kurze Pause zum Nachdenken geben. Zählen Sie leise: einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig und schauen Sie dabei in die Runde. Es ist keineswegs immer nötig, konkrete Antworten zu sammeln. Das können Sie natürlich tun, Sie können aber auch nach der kurzen Pause fortfahren &endash; dann haben Sie eine rhetorische Frage gestellt.

Am häufigsten werden folgende rhetorische Fehler gemacht:

Die Fragen

Beispiele

Beispiele stellen den Bezug zur Praxis her. Nur wenn dies gelingt, haben sie einen Sinn. Praxis ist aber immer anschaulich und die von Ihnen gewählten Beispiele sollte es daher auch sein. Sie sollten farbig und detailliert sein, damit sie einen hohen Erinnerungswert haben. Das folgende Beispiel ist ein schlechtes Beispiel:

"Nehmen wir einmal ein Beispiel: da ist zum Beispiel ein Mann in der Entwicklungsabteilung einer großen Firma, der arbeitet an einem interessanten ProjektÖ"

Besser wäre es folgendermaßen:

"Ich erzähl Ihnen einmal ein Beispiel: mein Freund Peter Schneider &endash; er ist Informatiker - arbeitet seit drei Jahren als Projektleiter bei Alcasiem. In seinem Projekt geht es um die Bildübertragung bei Handys."

Natürlich hat der Konkretisierungsgrad Grenzen &endash; doch die meisten Redner bleiben sehr weit von diesen Grenzen entfernt. Ihre Beispiele bleiben zu oft abstrakt und farblos.

Am häufigsten werden folgende rhetorische Fehler gemacht:

Die Beispiele

Vergleiche

Vergleiche wirken für den Zuhörer erhellend, weil sie einen Perspektivwechsel bewirken. Dazu muß natürlich sichergestellt werden, daß die Zuhörer die Vergleichsebene kennen. Vor Seglern mag es ja angemessen sein, den Richtungswechsel in unserer Organisation mit einer "Halse" zu vergleichen. Für Nichtsegler ist dieser Vergleich nichtssagend. Und wenn Sie das Betriebsklima der Firma Alcasiem mit der von Baimler-Denz vergleichen, muß das letztere bekannt sein.

Auch für Vergleiche gibt es Fundorte. Besonders bewährt sind Vergleiche zwischen Lebendem und Unbelebtem und umgekehrt. So kann man das Herz eines Menschen durchaus mit einem Automotor vergleichen und die Kläranlage einer Stadt mit der Niere eines Menschen.

Am häufigsten werden folgende rhetorische Fehler gemacht:

Die Vergleiche

Personen

Man kann über die Organisationsstruktur der Firma Microsoft reden. Da gibt es sicher Interessantes zu berichten. Spannend wird es für die Zuhörer aber erst, wenn man berichtet, wie Bill Gates es geschafft hat, seine Firma so erfolgreich zu machen. Was Menschen tun und lassen, wie sie handeln und schaffen, wie sie leiden und glücklich sind ist fast immer interessanter, als der trockene Stoff.

Es ist nicht immer leicht, Personen im Vortrag auftreten zu lassen. Fast immer gelingt es aber, die eigene Person ins Spiel zu bringen. Unter einem vortragstechnischen Gesichtspunkt ist es eine falsche Bescheidenheit, seine eigenen Erfahrungen und Erlebnisse mit dem Stoff den Zuhörern zu verschweigen.

Am häufigsten werden folgende rhetorische Fehler gemacht:

Die Personen

3.3. Attention getter

Attention getter sind rhetorische Elemente, mit denen es fast immer gelingt, die Aufmerksamkeit der Zuhörer zu gewinnen oder - falls sie sich bereits langweilen - wiederzugewinnen. Attention getter können überall verwendet werden, bereits in der Einleitung aber auch im Hauptteil. Nur einmal aber auch häufiger. Attention getter sollten aber sparsam gebraucht werden, sie sind wie Gewürze beim Kochen. Ein Zuviel kann ein ganzes Gericht verderben &endash; ein Zuwenig aber auch.

Eigene Lebensgeschichte

Fordern Sie Ihre Zuhörer auf, sich an wichtige Stationen der eigenen Lebensgeschichte zu erinnern. Mit etwas Geschick lassen sich fast immer und zu fast jedem Thema Anlässe finden:

Ungewöhnliches

Alles was aus dem Rahmen fällt erregt Aufmerksamkeit. Haydens Symphonie mit dem Paukenschlag ist ein Beispiel, wie der Konzertbesucher vom Träumen abgehalten werden. Nun arbeiten Sie bei einem Vortrag mit Worten und nicht mit Musik. Sie sollten also nach ungewöhnlichen und unerwarteten Aspekten Ihres Stoffes suchen.

Ich habe lange Zeit z.B. Statistik unterrichtet. Dabei war es für mich immer wieder beeindruckend, wie stark den Teilnehmern meiner Kurse die Tatsache in Erinnerung blieb, daß der englische Ausdruck für Mittelwert "average" in einem engen Zusammenhang mit dem Wort "Havarie" steht. Ging in Zeiten der Segelschiffahrt bei einem Sturm ein Teil der Ladung verloren, so war es in der Regel die Decksladung. Die Ladung unter Deck war sicherer. Der Gerechtigkeit halber wurde nun der entstandene Schaden von allen Besitzern der Ladung &endash; also auch denen, deren Ladung den Hafen sicher erreichte - getragen, der Schaden wurde also gemittelt.

Geld, Schatz, Vermögen

Alles was mit viel Geld und Vermögen zu tun hat beflügelt unsere Phantasie. Nutzen Sie diese Tatsache. Wenn Sie darauf hinweisen können, daß ein Softwarefehler der eigenen Firma einen Schaden von 3,6 Millionen DM beschert hat (was man dafür alles kaufen könnte!), so können Sie sich der Aufmerksamkeit Ihrer Zuhörer gewiß sein. Dieser Attention getter wirkt aber auch umgekehrt: Sie können sich der Aufmerksamkeit Ihrer Zuhörer sicher sein, wenn Sie Ihnen Wege zum Sparen aufzeigen.

Tod, Chaos, Unheil

Dem Schrecken durch Tod, Chaos und Unheil kann sich niemand entziehen. Hört man davon, so kann man kaum einschlafen. Ich erinnere mich gut an einen Vortrag eines Zahnmediziners, der über die Belastung des Amalgams durch Quecksilber sprach. Zum Beleg seiner Ausführungen zitierte er Messungen, die man an den Schornsteinen von Krematorien gemacht hatte. Das ist sicher makaber &endash; gleichzeitig aber auch ein mächtiger Erinnerungsanker.

Beziehungen zwischen den Geschlechtern

Alles was mit der Beziehungen der beiden Geschlechter zu tun hat oder auch nur entsprechende Assoziationen zuläßt, läßt uns aufhorchen. Einem Soziologen, der einen Vortrag über die moderne Verwaltung hält, würde ich empfehlen, als Beispiel lieber das Standesamt als das Katasteramt oder das Finanzamt zu wählen.

Sex, Money and Crime als rhetorische Mittel? Ja sicher &endash; wenn man sich im Klaren darüber ist, daß man sparsam mit diesen Gewürzen umgehen sollte. Die Frage der Angemessenheit können nur Sie von Fall zu Fall beantworten.
 

4. Was gehört in den Schluß?

  1. Natürlich gehört die Zusammenfassung in den Schluß. Lassen Sie das Gesagte noch einmal Revue passieren, und bemühen Sie sich um eine kurze und prägnante Darstellung. Das fällt Ihnen leichter, wenn Sie Ihre in der Einleitung genannte Gliederung präzise eingehalten haben. Neue Informationen sollten an dieser Stelle vermieden werden. Eine kleine Gefahr droht hier noch: erwecken Sie nicht den Eindruck, alles noch einmal erzählen zu müssen, weil Sie die Aufnahmebereitschaft Ihres Publikums für gering halten.
  2. Wenn es Ihnen gelingt, eine Take-home-Message zu formulieren, steigern Sie den Behaltenseffekt. Eine Take-home-message bringt die Kernaussage Ihres Vortrages in einen prägnanten Satz.
  3. Der Schluß ist in der Regel auch der Ort, wo die Diskussion vorbereitet wird. Viele Redner haben vor der Diskussion mehr Angst als vor dem eigentlichen Vortrag. Den Vortrag kann man vorbereiten, aber die Diskussion? Auch die! Die meisten Fragen sind vorhersehbar, wenn man sich selbst die Frage zu stellt: was würde ich an dieser Stelle fragen? Im Schluß des Vortrages kann aber auch mit etwas Fingerspitzengefühl auf die erhofften Fragen hingearbeitet werden &endash; etwa durch (mäßig) provozierende Bemerkungen oder auch durch einen Hinweis: "An dieser Stelle werde ich häufig gefragt. obÖ Wie ist das bei Ihnen?" Oder Sie drehen den Spieß einfach um und stellen selbst eine Frage an das Publikum!
  4. Hatten Sie in der Einleitung auf handouts hingewiesen, die Sie am Schluß verteilen wollten, oder auf eine Kaffeepause oder Ähnliches? Hier ist der Ort das Organisatorische noch einmal aufzugreifen.
  5. Auch die noch offenen Fragen sollten an dieser Stelle genannt werden. Ihre Zuhörer schätzen es, wenn Sie nicht den Eindruck der Endgültigkeit erwecken, sondern daß es noch viel zu klären gibt. Diese offenen Fragen strukturieren darüber hinaus sehr häufig die sich anschließende Diskussion.
  6. Wenn Sie Ihren Vortrag in einer Vortragsreihe halten, so ist der Schluß der Platz, wo Sie die "Wie-geht-es-weiter-Frage" klären.
  7. Wenn Sie es nicht schon in der Einleitung getan haben, so sollten Sie an dieser Stelle Ihren Dank an Ihr Arbeitsteam formulieren.
  8. Sehr viele Redner formulieren am Schluß Ihres Vortages den Dank für die Aufmerksamkeit der Zuhörer. Meist dient diese Floskel allerdings als Signal, daß man am Ende angekommen ist. Es macht einen besseren und souveräneren Eindruck, wenn Sie auf diesen Dank verzichten und sich erst für den &endash; hoffentlich kommenden - Beifall bedanken. Da sich die Dankfloskel für die Aufmerksamkeit aber in unserer Redekultur eingebürgert hat, machen Sie sicher keinen gravierenden rhetorischen Fehler, wenn Sie sie am Schluß seines Beitrages benutzten.

Checkliste zur Vortragsgestaltung

  1. Haben Sie geklärt, was Sie mit Ihrem Vortrag erreichen wollen?
  2. Wie wollen Sie Wohlwollen, Aufmerksamkeit und Lernbereitschaft bereits in der Eileitung fördern?
  3. Welchen Nutzen soll Ihr Vortrag für Ihre Zuhörer haben?
  4. Müssen Sie sich für die Einladung bedanken?
  5. Wie wollen Sie Ihre Zuhörer ansprechen?
  6. Haben Sie Ihr Thema attraktiv formuliert?
  7. Haben Sie eine kurze und prägnante Übersicht vorbereitet?
  8. Können und wollen Sie Ihrem Publikum schmeicheln?
  9. Müssen Sie auf Organisatorisches hinweisen?
  10. Haben Sie sich Gedanken um einen effektiven Aufhänger gemacht?
  11. Haben Sie strukturschaffenden Elemente - Wegweiser, Zäune, Brücken und Marken - berücksichtigt?
  12. Haben Sie motivationsschaffenden Elemente &endash; Fragen, Beispiele, Vergleiche und Personen &endash; berücksichtigt?
  13. Haben Sie attention-getter &endash; Lebensgeschichte, Ungewöhnliches, Tod/Chaos, Geld und Geschlechter &endash; berücksichtigt?
  14. Haben Sie eine Zusammenfassung geplant?
  15. Haben Sie eine Take-home-message formuliert?
  16. Haben Sie diskussionsvorbereitende Fragen formuliert?
  17. Haben Sie an die offenen Fragen gedacht?
  18. Haben Sie einen Dank an Ihr Arbeitsteam formuliert?


Quelle: http://userpage.fu-berlin.de/~pplfu/vortrag.htm (99-11-17)