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Beratungsstelle für Grundlagen wissenschaftlichen Schreibens

Anliegen und Konzeption des Projektes: "Beratung zu Grundlagen wissenschaftlichen Schreibens"

Eberhard Elbing & Christa Schorre 

 

Gliederung:

0. Summary

1. Einzelfallberatung
1.1.   Allgemeines
1.2.   Probleme und Anliegen
1.3.   Einzelfallberatung und Anliegen
1.4.   Grenzen der Einzelfallberatung

2. Perspektiven
2.1     Schreibgruppen
2.2     Schreibkurse

10. Literaturverzeichnis


Summary


This paper presents an overview about the conception of the counseling project Ñcounseling for basic competence in writing", a project at the counseling center at the Ludwigs-Maximilans-University of Munich. Starting from a reflection of the student's situation deficits in the writing competence of the students and the students handling of this problem are outlined. From this discussion there are descriped programmatics underlying the counseling work to change this situation.

1. Einzelfallberatung

1.1 Allgemeines zur gegenwärtigen Situation der Beratungsstelle

Die ÑBeratungsstelle für Grundlagen wissenschaftlichen Schreibens" an der Ludwigs-Maximilians-Universität München ist eine spezifische Arbeitsgruppe an der Pädagogisch-psychologischen Beratungsstelle am Institut Pädagogische Psychologie und Empirische Pädagogik, Arbeitsbereich Psychologische Beratung. Sie versteht sich zum einen als Ansprechstelle für Studierende der Universität, die Fragen und Probleme mit den im Studium geforderten Aufgaben wissenschaftlichen Schreibens haben, zum anderen bietet sie in Form von Workshops Informationen und Übungen zum systematischen Erwerb von Basisfertigkeiten des Schreibens und wissenschaftlichen Arbeitens.
Zur Zeit bieten wir einmal wöchentlich in der Zeit von drei bis fünf Uhr nachmittags Einzelfallberatung für Studierende an, die Probleme mit dem Verfassen schriftlicher Arbeiten haben. Die Beratung wird erstmalig an der LMU in München seit nunmehr sechs Monaten angeboten und ist bereits von vielen Studierende angenommen, die sich insbesondere aus dem Bereich der Geisteswissenschaften rekrutieren.
Die an der Beratungsstelle vorsprechenden Studierende haben ihr bisheriges Studium meist ohne größere Probleme und innerhalb normaler Studienzeiten absolviert., fühlen sich aber angesichts ihrer Abschlußarbeit oder anderer Hausarbeiten dennoch überfordert. Die geschilderten Probleme reichen von Unsicherheiten im Umgang mit Arbeitstechniken wie Zitieren, Exzerpieren oder Aussagen zu formulieren bis hin zu massiven Schreibblockaden, die sich im Laufe der Zeit entwickelt haben. Studierende mit den zuletzt genannten Problemen haben es häufig geschafft, schriftlichen Hausarbeiten Zeit ihres Studiums aus dem Weg zu gehen und sehen in der Abschlußarbeit ein unüberwindliches Hindernis.
Es hat sich gezeigt, da&szl; die Probleme der Studierenden, auf die im nächsten Abschnitt genauer eingegangen wird, sowohl den Bereich der Sprache betreffen als auch psychologischer Natur sein können. Dem wird Rechnung getragen, indem die Beratung zur Zeit von einer Linguistin und einer Psychologin gemeinsam durchgeführt wird.



1.2 Probleme und Anliegen der Studierenden

Einige der Studierenden kommen in die Schreibberatung, weil sie bei sich im Bereich des schriftlichen Arbeitens Defizite feststellen und den Wunsch haben, diese aufzuarbeiten. Sie fühlen sich durch die üblichen Lehrveranstaltungen in diesem Bereich zu wenig gefördert und erhoffen sich von der Beratung eine Verbesserung ihrer Schreibfähigkeiten. Häufig arbeiten sie zum Zeitpunkt ihrer Kontaktaufnahme an einer Hausarbeit und fühlen sich in ihrem Vorgehen verunsichert.
Der größere Teil der Ratsuchenden hat jedoch massive Probleme mit einer bestimmten schriftlichen Arbeit, häufig der Abschlußarbeit, die für viele das erste größere Schreibprojekt darstellt. Einige von ihnen beschäftigen sich schon lange mit der Arbeit und stehen zeitlich bereits sehr unter Druck. Sie haben möglicherweise schon mehrere gescheiterte Versuche hinter sich, da es ihnen an grundlegenden Arbeitstechniken des wissenschaftlichen Arbeitens mangelt.
Die Probleme mit schriftlichen Arbeiten beginnen häufig damit, daß die Themen unklar oder so weit gestellt sind, daß sie eingegrenzt oder präzisiert werden müssen.

Angesichts der Literaturfülle bereitet dies vielen Studierende Schwierigkeiten; sie haben Angst davor, durch eine Eingrenzung wichtige Inhalte der Literatur unberücksichtigt zu lassen. Somit wird die Entscheidung für eine Beschränkung des Themas hinausgezögert, was zur Folge hat, daß die Arbeit an Literatur ziellos verläuft (Ruhmann, 1995, S. 89). Dies und dieAngst, etwas Wichtiges zu überlesen, führen dazu, daß das Lesen zuviel Zeit einnimmt und der Beginn des Schreibens immer weiter hinausgeschoben wird.
Ein weiterer Grund für das Hinauszögern des Schreibbeginns oder des Erstellens einer Gliederung ist das mangelnde Vertrauen in eigene Gedanken und Ideen. Sie erscheinen den Studierende angesichts dessen, was in der Literatur gesagt wird, unwichtig. Manche befürchten sie, daß eigene Ansätze schlicht falsch sein könnten. Der Prozeß der Loslösung von der Literatur (Ruhmann, 1995a, S.89, 1995b, S.7) verschiebt somit sich immer wieder.
Eine mögliche Ursache für das beschriebene mangelhafte Vertrauen in eigene Ideen ist sicher das übermäßig hohe Anspruchsniveau vieler Studierende. Es hat sich gezeigt, daß sie an ihre Arbeit in der Überzeugung herangehen, etwas mit der gelesenen Literatur Vergleichbares produzieren zu müssen. Sie berücksichtigen dabei in keiner Weise, daß die meisten dieser Autoren lange Jahre Erfahrungen im Verfassen wissenschaftlicher Texte haben.
Außerdem haben Studierende häufig den Eindruck, die Texte seien auf Anhieb in der vorliegenden Form zu Papier gebracht worden. Den Schriftstücken ist nicht mehr anzusehen, daß sie das Ergebnis eines häufig langwierigen Schreibprozesses sind, der neben dem eigentlichen Schreiben beispielsweise Prozesse des Strukturierens, des Gliederns, des Analysierens, oder des Interpretierens miteinschließt. Die Ansicht, einen perfekten Text auf Anhieb schreiben können zu müssen, hindert sie meist daran anzufangen (Kruse, 1997. S.21). Da Studierende die Texte, die sie lesen, als Vorbilder ansehen und sie im Vergleich mit den eigenen Produkten des Schreibens staark verunsichernd wirken, hat ferner seinen Grund darin, daß Studierende wenig Wissen darüber besitzen, welchen Kriterien eine wissenschaftliche Arbeit genügen muß und wie der Prozeß des Entstehens einer wissenschaftlichen Arbeit verläuft (Kruse, 1997, S. 21; Ruhmann, 1995b, S. 7). Diese Unsicherheit kann über die Arbeit hinausgehend zu einer generellen Abneigung der Wissenschaft führen.
Die geschilderten Probleme führen in den meisten Fällen dazu, daß zumindest die Beschäftigung mit eigenen schriftlichen Arbeiten mit negativen Emotionen verbunden ist. Die intrinsische Motivation, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, sinkt. Durch die Arbeit ausgelöste Selbstzweifel verstärken sich. Nach Kurse (1997, S. 28) leiden darunter insbesondere Studierende aus den höheren Semestern, die glauben, das wissenschaftliche Arbeiten mittlerweile beherrschen zu müssen. Die Bereitschaft über Schreibproblem zu sprechen, ist bei ihnen besonders gering, was zur Folge hat, daß sie sich mit dem Problem alleine fühlen, nichts ahnend, daß es vielen anderen möglicherweise ebenso ergeht.
Das Anfertigen schriftlicher Arbeiten wird zu einer Beschäftigung, bei der die Personsich weitgehend isoliert erfährt. Sie bekommt folglich keine Rückmeldungen über eigene Leistungen. In Phasen der Arbeit, in denen Schreibende Gefahr laufen, die Distanz zur Arbeit zu verlieren, sich mit unrelevanten Einzelheiten aufzuhalten oder in denen massive Unsicherheit aufkomt, ob der eingeschlagene Weg sinnvoll ist, wird diese Isolierung als besonders belastend empfunden.


1.3 Einzelfallberatung und ihre Ziele

In unserer Einzelfallberatung werden Studierende betreut, die beim Anfertigen einer Hausarbeit mit Problemen, wie oben geschildert, zu kämpfen haben. Eine inhaltliche Betreuung der Arbeiten, die durch die Lehrpersonen der entsprechenden Fachbereiche geleistet werden soll, kann im Rahmen dieser Beratung nicht erbracht werden.

Es geht vielmehr darum, die Ratsuchenden je nach Stand ihrer Arbeit, bei der Entwicklung einer Fragestellung, der Ausarbeitung einer Gliederung, bei der Ausarbeitung eines Zeitplans oder anderer anfallender Schritte zu unterstützen. Dabei ist es in vielen Fällen wichtig, daß die Ratsuchenden eine gewisse Distanz zu ihrer Arbeit gewinnen, um fortfahren zu können. Die Studierende müssen ermutigt werden, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten aufzubauen und ihre Ideen umzusetzen. Es ist hilfreich, ihnen vor Augen zu führen, daß es sich beim Schreiben um einen komplexen, vielschichtigen Prozeß handelt, der durch Übung erlernt werden muß. Ihnen muß deutlich werden, daß sie zuviel erwarten, wenn sie annehmen, auf Anhieb druckreif schreiben zu können und daß die Texte die sie gemeinhin lesen, ebenfalls Ergebnis eines längeren Arbeistsprozesses sind. In vielen Fällen hat sich gezeigt, daß bereits dieses Wissen Erleichterung hervorruft und den mit der Arbeit verbundenen Selbstzweifeln ein Stück weit entgegenwirkt.

Es ist ein wichtiges Anliegen der Beratung, den Studierende ihr hohes Anspruchsniveau, das sie letztlich daran hindert, mit dem Schreiben zu beginnen, bewußtzumachen.In der Beratung hat sich gezeigt, daß es vielen Studierende eine große Hilfe ist, über ihr Problem sprechen zu können. Die Angst für unfähig oder unintelligent gehalten zu werden, hat viele von ihnen daran gehindert, sich Kommilitonen oder ihrem Betreuer anzuvertrauen.



1.4 Grenzen der Einzelfallberatung

Es wurde bereits angesprochen, daß im Rahmen unserer Beratung keine fachliche Nachhilfe gegeben werden kann, die den einzelnen Studierende spezifisches fachliches Wissen von Grund auf vermittelt. Dies ist zum einen aus Komptenzgründen nicht möglich, zum anderen kommen viele Studierende erst dann zur Schreibberatung, wenn sie bereits stark unter Druck stehen, was häufig bei der Abschlußarbeit der Fall ist. Um dieser verfahrenen Situation vozubeugen, erachten wir es sinnvoll Kurse anzubieten, die es den Studierende ermöglichen, wissenschaftliches Schreiben, am besten schon in den ersten Studiensemestern systematisch zu lernen. Dies würde den Betreffenden Mißerfolgserlebnisse, die zur Verfestigung von Schreibproblemen und möglicherweise zur Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls beitragen können, ersparen.

Ein weiteres bereits geschildertes Problem ist, daß wissenschaftliches Schreiben eine Beschäftigung ist, bei der Studierende meist isoliert von anderen arbeiten und somit in kritischen Phasen der Arbeit weder Unterstützung durch andere, noch Rückmeldung über die Qualität des Geschriebenen bekommen. Der dadurch entstehenden Belastung kann eine Einzelfallberatung nur begrenzt entgegenwirken. Sie kann es nicht leisten, die Entstehung einer Arbeit in kleinen Schritten bis zum Ende zu begleiten. Berater können jedoch anregen, soziale Kontakte zu suchen bzw. soziale Kontakte initiieren.

Der soziale Rahmen, den eine Gruppe von Mitstudierende bilden könnte, ist durch Berater nicht zu ersetzen, schon weil die Kommunikation zwischen Berater und Ratsuchendem nicht symmetrisch ist. Es wäre somit sinnvoll, Schreibgruppen zu gründen, in denen die Studierenden sich beim Anfertigen ihrer Arbeiten gegenseitig betreuen und somit zugleich autonomes, selbstgesteuertes Lernen und Arbeiten erfahren können.

Es muß außerdem bedacht werden, daß eine Betreuung der Studierenden in Gruppen oder Kursen, verglichen mit Einzelfallberatung ökonomischer ist. Sie kann somit kontinuierlich über einen längeren Zeitraum hinweg erfolgen. Es gibt dennoch Fälle, in denen sich die Schreibprobleme verfestigt haben oder auch Symptome anderer persönlicher Problematiken sind, die eine Einzelfallberatung erfordern und in der Gruppe nur unzureichend betreut werden können.



2. Perspektiven

Im letzten Abschnitt wurde bereits angesprochen, daß es sinnvoll ist, Schreibkurse zum Erwerb der Basisfertigkeiten und Schreibgruppen, die Studierende mit ihren laufenden Arbeiten betreuen, ins Leben zu rufen. Die Universität Bielefeld hat im Rahmen eines Modellversuchs ein Schreiblabor gegründet, das neben Einzelfallberatung, Schreibgruppen, sowie Kurse anbietet (Ruhmann, 1995). An der Siegener Universität läuft, aufbauend auf den in Bielefeld gemachten Erfahrungen ein ähnliches Projekt zum Thema Ñwissenschaftliches Schreiben"(Augst, o.J.). Kruse & Knigge-Ilner (1996) verweisen auf das Angebot der FU in Berlin, in workshops ÑFertigkeiten wissenschaftlichen Schreibens oder den Umgang mit wissenschaftlicher Literatur" (a. a. O, S. 14) zu vermitteln. In Anlehnung an diese Projekte sei im folgenden dargestellt, wie Schreibgruppen und Schreibkurse an der LMU konzipiert werden.


2.1 Schreibgruppen

Eine Schreibgruppe wird Studierende, die an einem bestimmten Schreibprojekt arbeiten, unterstützen und zur Selbsthife anregen. Ihre Mitglieder treffen sich einmal pro Woche treffen und sprechen über Erfahrungen mit ihrem Projekt sowie über Hilfestellungen für auftretende Probleme, die neben dem eigentlichen Schreibprozeß auch Aspekte der Motivation oder Zeiteinteilung betreffen können. Sie haben die Möglichkeit, einzelne Teilschritte ihrer Arbeit in einem vorgegebenen zeitlichen Rahmen, innerhalb der Gruppe auszuführen. Die Ergebnisse können gemeinsam besprochen und einzelne Textpassagen der Arbeiten vorgelesen werden.

Die Studierende bekommen so zum einen Rückmeldung über eigene Leistungen, zum anderen haben sie die Chance, eine sinnvolle Zeiteinteilung zu üben. Der regelmäßige persönliche Kontakt in einer Schreibgruppe verhindert isoliertes Arbeiten und begünstigt das Wissen, daß andere ähnliche Probleme haben, was dazu beiträgt, Ängste vor Versagen und Gefühle von Einsamkeit zu mindern.


2.1 Schreibkurse

Schreibkurse haben die Aufgabe, Studierende, nach Möglichkeit schon zu Beginn des Studiums in wissenschaftliches Schreiben einzuführen. Die Folge wäre eine Verringerung auftretender Probleme bei Abschlußarbeiten und somit möglicherweise eine Verkürzung der Studienzeiten. Schreiben könnte außerdem als eine Methode der Erkenntnisgewinnung während des Studiums genützt werden.

Im Rahmen eines Schreibkurses muß anfänglich geklärt werden, was wissenschaftliches Arbeiten bedeutet und welchen Anforderungen eine wissenschaftliche Arbeit genügen muß. Damit werden Unsicherheiten, Ängste und Abneigungen, die den Schreibprozess blockieren können, abgebaut. Eine Einführung in die Methode des kreativen Schreibens könnte ebenfalls zum Abbau von Hemmungen beitragen (Ruhmann 1995 b, S. 9).

Des weiteren sollten im Schreibkurs Teilprozesse wissenschaftlichen Schreiben einzeln, anhand geeigneter Materialien eingeübt werden. Es müßten sowohl schriftsprachliche Fertigkeiten, als auch Techniken, wie Exzerpieren, Paraphrasieren, Kommentieren etc. gelernt werden (Eco, 1993).

Abschließend kann im Kurs ein eigenes, nicht zu umfangreiches Schreibprojekt durchgeführt werden, wodurch Studierende zum einen lernen würden, die Arbeitszeit sinnvoll einzuteilen, zum anderen, die gelernten Teilfertigkeiten zu kombinieren.

Literatur

Augst, Gerhard (o. J.). Training und Unterstützung wissenschaftlich argumentierenden Schreibens. Siegener Projektantrag.

Eco, Umberto (1993). Wie man eine wissenschaftliche Arbeit schreibt. Heidelberg.

Kruse, Otto (1997). Keine Angst vor dem leeren Blatt. Ohne Schreibblockaden durchs Studium. Frankfurt/Main.

Kruse, Otto, Knigge-Illner, Helga (1996). Mehr als individuelle Defizite, DUZ (17), S. 14-17.

Ruhmann, G. (1995a). Schreibprobleme - Schreibberatung. In J. Baumann & R. Weingarten (Hrsg.). Schreiben: Prozesse. Prozeduren und Produkte, Opladen.

Ruhmann, G. u. a. (1995b). Zwei Jahre Bielefelder Schreiblabor. Bericht über die bisherigen Erfahrungen und weiteren Perspektiven. Bielefeld: Universität.

 

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© August 1997 by  elb


Quelle: http://www.paed.uni-muenchen.de/~ppb/texte/konzept3.htm (99-07-01)