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1. Einzelfallberatung
1.1. Allgemeines
1.2. Probleme und Anliegen
1.3. Einzelfallberatung und Anliegen
1.4. Grenzen der Einzelfallberatung
2. Perspektiven
2.1 Schreibgruppen
2.2 Schreibkurse
Summary
This paper presents an overview about the conception of the
counseling project Ñcounseling for basic competence in
writing", a project at the counseling center at the
Ludwigs-Maximilans-University of Munich. Starting from a reflection
of the student's situation deficits in the writing competence of the
students and the students handling of this problem are outlined. From
this discussion there are descriped programmatics underlying the
counseling work to change this situation.
1. Einzelfallberatung
1.1 Allgemeines zur gegenwärtigen Situation der
Beratungsstelle
Die ÑBeratungsstelle für Grundlagen wissenschaftlichen
Schreibens" an der Ludwigs-Maximilians-Universität München
ist eine spezifische Arbeitsgruppe an der
Pädagogisch-psychologischen Beratungsstelle am Institut
Pädagogische Psychologie und Empirische Pädagogik,
Arbeitsbereich Psychologische Beratung. Sie versteht sich zum einen
als Ansprechstelle für Studierende der Universität, die
Fragen und Probleme mit den im Studium geforderten Aufgaben
wissenschaftlichen Schreibens haben, zum anderen bietet sie in Form
von Workshops Informationen und Übungen zum systematischen
Erwerb von Basisfertigkeiten des Schreibens und wissenschaftlichen
Arbeitens.
Zur Zeit bieten wir einmal wöchentlich in der Zeit von drei bis
fünf Uhr nachmittags Einzelfallberatung für Studierende an,
die Probleme mit dem Verfassen schriftlicher Arbeiten haben. Die
Beratung wird erstmalig an der LMU in München seit nunmehr sechs
Monaten angeboten und ist bereits von vielen Studierende angenommen,
die sich insbesondere aus dem Bereich der Geisteswissenschaften
rekrutieren.
Die an der Beratungsstelle vorsprechenden Studierende haben ihr
bisheriges Studium meist ohne größere Probleme und
innerhalb normaler Studienzeiten absolviert., fühlen sich aber
angesichts ihrer Abschlußarbeit oder anderer Hausarbeiten
dennoch überfordert. Die geschilderten Probleme reichen von
Unsicherheiten im Umgang mit Arbeitstechniken wie Zitieren,
Exzerpieren oder Aussagen zu formulieren bis hin zu massiven
Schreibblockaden, die sich im Laufe der Zeit entwickelt haben.
Studierende mit den zuletzt genannten Problemen haben es häufig
geschafft, schriftlichen Hausarbeiten Zeit ihres Studiums aus dem Weg
zu gehen und sehen in der Abschlußarbeit ein
unüberwindliches Hindernis.
Es hat sich gezeigt, da&szl; die Probleme der Studierenden, auf
die im nächsten Abschnitt genauer eingegangen wird, sowohl den
Bereich der Sprache betreffen als auch psychologischer Natur sein
können. Dem wird Rechnung getragen, indem die Beratung zur Zeit
von einer Linguistin und einer Psychologin gemeinsam
durchgeführt wird.
1.2 Probleme und Anliegen der Studierenden
Einige der Studierenden kommen in die Schreibberatung, weil sie
bei sich im Bereich des schriftlichen Arbeitens Defizite feststellen
und den Wunsch haben, diese aufzuarbeiten. Sie fühlen sich durch
die üblichen Lehrveranstaltungen in diesem Bereich zu wenig
gefördert und erhoffen sich von der Beratung eine Verbesserung
ihrer Schreibfähigkeiten. Häufig arbeiten sie zum Zeitpunkt
ihrer Kontaktaufnahme an einer Hausarbeit und fühlen sich in
ihrem Vorgehen verunsichert.
Der größere Teil der Ratsuchenden hat jedoch massive
Probleme mit einer bestimmten schriftlichen Arbeit, häufig der
Abschlußarbeit, die für viele das erste größere
Schreibprojekt darstellt. Einige von ihnen beschäftigen sich
schon lange mit der Arbeit und stehen zeitlich bereits sehr unter
Druck. Sie haben möglicherweise schon mehrere gescheiterte
Versuche hinter sich, da es ihnen an grundlegenden Arbeitstechniken
des wissenschaftlichen Arbeitens mangelt.
Die Probleme mit schriftlichen Arbeiten beginnen häufig damit,
daß die Themen unklar oder so weit gestellt sind, daß sie
eingegrenzt oder präzisiert werden müssen.
Angesichts der Literaturfülle bereitet dies vielen
Studierende Schwierigkeiten; sie haben Angst davor, durch eine
Eingrenzung wichtige Inhalte der Literatur unberücksichtigt zu
lassen. Somit wird die Entscheidung für eine Beschränkung
des Themas hinausgezögert, was zur Folge hat, daß die
Arbeit an Literatur ziellos verläuft (Ruhmann, 1995, S. 89).
Dies und dieAngst, etwas Wichtiges zu überlesen, führen
dazu, daß das Lesen zuviel Zeit einnimmt und der Beginn des
Schreibens immer weiter hinausgeschoben wird.
Ein weiterer Grund für das Hinauszögern des Schreibbeginns
oder des Erstellens einer Gliederung ist das mangelnde Vertrauen in
eigene Gedanken und Ideen. Sie erscheinen den Studierende angesichts
dessen, was in der Literatur gesagt wird, unwichtig. Manche
befürchten sie, daß eigene Ansätze schlicht falsch
sein könnten. Der Prozeß der Loslösung von der
Literatur (Ruhmann, 1995a, S.89, 1995b, S.7) verschiebt somit sich
immer wieder.
Eine mögliche Ursache für das beschriebene mangelhafte
Vertrauen in eigene Ideen ist sicher das übermäßig
hohe Anspruchsniveau vieler Studierende. Es hat sich gezeigt,
daß sie an ihre Arbeit in der Überzeugung herangehen,
etwas mit der gelesenen Literatur Vergleichbares produzieren zu
müssen. Sie berücksichtigen dabei in keiner Weise,
daß die meisten dieser Autoren lange Jahre Erfahrungen im
Verfassen wissenschaftlicher Texte haben.
Außerdem haben Studierende häufig den Eindruck, die Texte
seien auf Anhieb in der vorliegenden Form zu Papier gebracht worden.
Den Schriftstücken ist nicht mehr anzusehen, daß sie das
Ergebnis eines häufig langwierigen Schreibprozesses sind, der
neben dem eigentlichen Schreiben beispielsweise Prozesse des
Strukturierens, des Gliederns, des Analysierens, oder des
Interpretierens miteinschließt. Die Ansicht, einen perfekten
Text auf Anhieb schreiben können zu müssen, hindert sie
meist daran anzufangen (Kruse, 1997. S.21). Da Studierende die Texte,
die sie lesen, als Vorbilder ansehen und sie im Vergleich mit den
eigenen Produkten des Schreibens staark verunsichernd wirken, hat
ferner seinen Grund darin, daß Studierende wenig Wissen
darüber besitzen, welchen Kriterien eine wissenschaftliche
Arbeit genügen muß und wie der Prozeß des Entstehens
einer wissenschaftlichen Arbeit verläuft (Kruse, 1997, S. 21;
Ruhmann, 1995b, S. 7). Diese Unsicherheit kann über die Arbeit
hinausgehend zu einer generellen Abneigung der Wissenschaft
führen.
Die geschilderten Probleme führen in den meisten Fällen
dazu, daß zumindest die Beschäftigung mit eigenen
schriftlichen Arbeiten mit negativen Emotionen verbunden ist. Die
intrinsische Motivation, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen,
sinkt. Durch die Arbeit ausgelöste Selbstzweifel verstärken
sich. Nach Kurse (1997, S. 28) leiden darunter insbesondere
Studierende aus den höheren Semestern, die glauben, das
wissenschaftliche Arbeiten mittlerweile beherrschen zu müssen.
Die Bereitschaft über Schreibproblem zu sprechen, ist bei ihnen
besonders gering, was zur Folge hat, daß sie sich mit dem
Problem alleine fühlen, nichts ahnend, daß es vielen
anderen möglicherweise ebenso ergeht.
Das Anfertigen schriftlicher Arbeiten wird zu einer
Beschäftigung, bei der die Personsich weitgehend isoliert
erfährt. Sie bekommt folglich keine Rückmeldungen über
eigene Leistungen. In Phasen der Arbeit, in denen Schreibende Gefahr
laufen, die Distanz zur Arbeit zu verlieren, sich mit unrelevanten
Einzelheiten aufzuhalten oder in denen massive Unsicherheit aufkomt,
ob der eingeschlagene Weg sinnvoll ist, wird diese Isolierung als
besonders belastend empfunden.
1.3 Einzelfallberatung und ihre Ziele
In unserer Einzelfallberatung werden Studierende betreut, die beim Anfertigen einer Hausarbeit mit Problemen, wie oben geschildert, zu kämpfen haben. Eine inhaltliche Betreuung der Arbeiten, die durch die Lehrpersonen der entsprechenden Fachbereiche geleistet werden soll, kann im Rahmen dieser Beratung nicht erbracht werden.
Es geht vielmehr darum, die Ratsuchenden je nach Stand ihrer Arbeit, bei der Entwicklung einer Fragestellung, der Ausarbeitung einer Gliederung, bei der Ausarbeitung eines Zeitplans oder anderer anfallender Schritte zu unterstützen. Dabei ist es in vielen Fällen wichtig, daß die Ratsuchenden eine gewisse Distanz zu ihrer Arbeit gewinnen, um fortfahren zu können. Die Studierende müssen ermutigt werden, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten aufzubauen und ihre Ideen umzusetzen. Es ist hilfreich, ihnen vor Augen zu führen, daß es sich beim Schreiben um einen komplexen, vielschichtigen Prozeß handelt, der durch Übung erlernt werden muß. Ihnen muß deutlich werden, daß sie zuviel erwarten, wenn sie annehmen, auf Anhieb druckreif schreiben zu können und daß die Texte die sie gemeinhin lesen, ebenfalls Ergebnis eines längeren Arbeistsprozesses sind. In vielen Fällen hat sich gezeigt, daß bereits dieses Wissen Erleichterung hervorruft und den mit der Arbeit verbundenen Selbstzweifeln ein Stück weit entgegenwirkt.
Es ist ein wichtiges Anliegen der Beratung, den Studierende ihr
hohes Anspruchsniveau, das sie letztlich daran hindert, mit dem
Schreiben zu beginnen, bewußtzumachen.In der Beratung hat sich
gezeigt, daß es vielen Studierende eine große Hilfe ist,
über ihr Problem sprechen zu können. Die Angst für
unfähig oder unintelligent gehalten zu werden, hat viele von
ihnen daran gehindert, sich Kommilitonen oder ihrem Betreuer
anzuvertrauen.
1.4 Grenzen der Einzelfallberatung
Es wurde bereits angesprochen, daß im Rahmen unserer Beratung keine fachliche Nachhilfe gegeben werden kann, die den einzelnen Studierende spezifisches fachliches Wissen von Grund auf vermittelt. Dies ist zum einen aus Komptenzgründen nicht möglich, zum anderen kommen viele Studierende erst dann zur Schreibberatung, wenn sie bereits stark unter Druck stehen, was häufig bei der Abschlußarbeit der Fall ist. Um dieser verfahrenen Situation vozubeugen, erachten wir es sinnvoll Kurse anzubieten, die es den Studierende ermöglichen, wissenschaftliches Schreiben, am besten schon in den ersten Studiensemestern systematisch zu lernen. Dies würde den Betreffenden Mißerfolgserlebnisse, die zur Verfestigung von Schreibproblemen und möglicherweise zur Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls beitragen können, ersparen.
Ein weiteres bereits geschildertes Problem ist, daß wissenschaftliches Schreiben eine Beschäftigung ist, bei der Studierende meist isoliert von anderen arbeiten und somit in kritischen Phasen der Arbeit weder Unterstützung durch andere, noch Rückmeldung über die Qualität des Geschriebenen bekommen. Der dadurch entstehenden Belastung kann eine Einzelfallberatung nur begrenzt entgegenwirken. Sie kann es nicht leisten, die Entstehung einer Arbeit in kleinen Schritten bis zum Ende zu begleiten. Berater können jedoch anregen, soziale Kontakte zu suchen bzw. soziale Kontakte initiieren.
Der soziale Rahmen, den eine Gruppe von Mitstudierende bilden könnte, ist durch Berater nicht zu ersetzen, schon weil die Kommunikation zwischen Berater und Ratsuchendem nicht symmetrisch ist. Es wäre somit sinnvoll, Schreibgruppen zu gründen, in denen die Studierenden sich beim Anfertigen ihrer Arbeiten gegenseitig betreuen und somit zugleich autonomes, selbstgesteuertes Lernen und Arbeiten erfahren können.
Es muß außerdem bedacht werden, daß eine
Betreuung der Studierenden in Gruppen oder Kursen, verglichen mit
Einzelfallberatung ökonomischer ist. Sie kann somit
kontinuierlich über einen längeren Zeitraum hinweg
erfolgen. Es gibt dennoch Fälle, in denen sich die
Schreibprobleme verfestigt haben oder auch Symptome anderer
persönlicher Problematiken sind, die eine Einzelfallberatung
erfordern und in der Gruppe nur unzureichend betreut werden
können.
2. Perspektiven
Im letzten Abschnitt wurde bereits angesprochen, daß es
sinnvoll ist, Schreibkurse zum Erwerb der Basisfertigkeiten und
Schreibgruppen, die Studierende mit ihren laufenden Arbeiten
betreuen, ins Leben zu rufen. Die Universität Bielefeld hat im
Rahmen eines Modellversuchs ein Schreiblabor gegründet, das
neben Einzelfallberatung, Schreibgruppen, sowie Kurse anbietet
(Ruhmann, 1995). An der Siegener Universität läuft,
aufbauend auf den in Bielefeld gemachten Erfahrungen ein
ähnliches Projekt zum Thema Ñwissenschaftliches
Schreiben"(Augst, o.J.). Kruse & Knigge-Ilner (1996) verweisen
auf das Angebot der FU in Berlin, in workshops ÑFertigkeiten
wissenschaftlichen Schreibens oder den Umgang mit wissenschaftlicher
Literatur" (a. a. O, S. 14) zu vermitteln. In Anlehnung an diese
Projekte sei im folgenden dargestellt, wie Schreibgruppen und
Schreibkurse an der LMU konzipiert werden.
2.1 Schreibgruppen
Eine Schreibgruppe wird Studierende, die an einem bestimmten Schreibprojekt arbeiten, unterstützen und zur Selbsthife anregen. Ihre Mitglieder treffen sich einmal pro Woche treffen und sprechen über Erfahrungen mit ihrem Projekt sowie über Hilfestellungen für auftretende Probleme, die neben dem eigentlichen Schreibprozeß auch Aspekte der Motivation oder Zeiteinteilung betreffen können. Sie haben die Möglichkeit, einzelne Teilschritte ihrer Arbeit in einem vorgegebenen zeitlichen Rahmen, innerhalb der Gruppe auszuführen. Die Ergebnisse können gemeinsam besprochen und einzelne Textpassagen der Arbeiten vorgelesen werden.
Die Studierende bekommen so zum einen Rückmeldung über
eigene Leistungen, zum anderen haben sie die Chance, eine sinnvolle
Zeiteinteilung zu üben. Der regelmäßige
persönliche Kontakt in einer Schreibgruppe verhindert isoliertes
Arbeiten und begünstigt das Wissen, daß andere
ähnliche Probleme haben, was dazu beiträgt, Ängste vor
Versagen und Gefühle von Einsamkeit zu mindern.
2.1 Schreibkurse
Schreibkurse haben die Aufgabe, Studierende, nach Möglichkeit schon zu Beginn des Studiums in wissenschaftliches Schreiben einzuführen. Die Folge wäre eine Verringerung auftretender Probleme bei Abschlußarbeiten und somit möglicherweise eine Verkürzung der Studienzeiten. Schreiben könnte außerdem als eine Methode der Erkenntnisgewinnung während des Studiums genützt werden.
Im Rahmen eines Schreibkurses muß anfänglich geklärt werden, was wissenschaftliches Arbeiten bedeutet und welchen Anforderungen eine wissenschaftliche Arbeit genügen muß. Damit werden Unsicherheiten, Ängste und Abneigungen, die den Schreibprozess blockieren können, abgebaut. Eine Einführung in die Methode des kreativen Schreibens könnte ebenfalls zum Abbau von Hemmungen beitragen (Ruhmann 1995 b, S. 9).
Des weiteren sollten im Schreibkurs Teilprozesse wissenschaftlichen Schreiben einzeln, anhand geeigneter Materialien eingeübt werden. Es müßten sowohl schriftsprachliche Fertigkeiten, als auch Techniken, wie Exzerpieren, Paraphrasieren, Kommentieren etc. gelernt werden (Eco, 1993).
Abschließend kann im Kurs ein eigenes, nicht zu
umfangreiches Schreibprojekt durchgeführt werden, wodurch
Studierende zum einen lernen würden, die Arbeitszeit sinnvoll
einzuteilen, zum anderen, die gelernten Teilfertigkeiten zu
kombinieren.
Literatur
Augst, Gerhard (o. J.). Training und Unterstützung wissenschaftlich argumentierenden Schreibens. Siegener Projektantrag.
Eco, Umberto (1993). Wie man eine wissenschaftliche Arbeit schreibt. Heidelberg.
Kruse, Otto (1997). Keine Angst vor dem leeren Blatt. Ohne Schreibblockaden durchs Studium. Frankfurt/Main.
Kruse, Otto, Knigge-Illner, Helga (1996). Mehr als individuelle Defizite, DUZ (17), S. 14-17.
Ruhmann, G. (1995a). Schreibprobleme - Schreibberatung. In J. Baumann & R. Weingarten (Hrsg.). Schreiben: Prozesse. Prozeduren und Produkte, Opladen.
Ruhmann, G. u. a. (1995b). Zwei Jahre Bielefelder Schreiblabor. Bericht über die bisherigen Erfahrungen und weiteren Perspektiven. Bielefeld: Universität.
© August 1997 by elb