Die folgenden Hinweise stellen kein fixes Ablaufschema für die Abfassung einer Diplomarbeit dar, sondern sind vielmehr Scheinwerfer auf einzelne Arbeitsschritte, bei denen mehr oder minder jeder Diplomand im Verlauf seiner Arbeit stolpern kann. Formale Ablaufschemata sind ohnehin in jedem besseren Lehrbuch der Sozialforschung enthalten, wobei diese eher abschreckend wirken werden. Als Student kann man sich damit trösten, daß konkret wohl noch nie eine Arbeit genau nach einem solchen Schema entstanden ist - d.h. nun aber nicht, daß man einfach drauflosarbeiten sollte. Es schadet sicher nicht, einmal ein solches Schema genauer durchstudiert zu haben. Man sollte die Logik solcher Systeme aber nicht mit der Chronologie verwechseln, die damit suggeriert wird. Diese Hinweise sind aus der Sicht eines langjährigen Betreuers von Diplomanden und Dissertanten geschrieben, wobei vor allem empirische Arbeiten unter meiner Betreuung verfaßt wurden. Dabei traten immer wieder dieselben Schwierigkeiten auf - Schwierigkeiten, die man vermutlich leichter bewältigen kann, wenn man weiß, daß es sie überhaupt gibt. Die folgende Liste ist sicherlich nicht vollständig, aber eine vollständige Liste würde wohl eher zum Abbruch des Studiums führen als zum "krönenden" Abschluß. Ordnungsrahmen für die Hinweise ist eine mehr oder minder schlüssige Chronologie, d.h. aber nicht, daß verschiedene Probleme nicht früher oder später auftauchen werden, als es die hier gewählte Reihenfolge vielleicht nahelegt (s.o.). Manche Aspekte tauchen mehrmals auf, d.h., sie sind besonders wichtig. Zum besseren Verständnis der Ausführungen - oder zu Ihrer völligen Verwirrung - werde ich an manchen Stellen eine Analogie verwenden, die sich mir geradezu aufdrängt:
"Welchen Kuchen soll ich für den Geburtstag meines Freundes backen", d.h., "Ich brauche ein Thema"
Eine erste Schwierigkeit liegt darin, daß Sie bei der Diplomarbeit vermutlich zum ersten Mal in Ihrem Leben selbständig eine größere Forschungsarbeit durchführen sollen. Bisher war man als Student eher rezeptiv und weniger aktiv, bestenfalls hat man im Schonraum eines Seminars noch dazu in einer Gruppe an einem kleineren Projekt mitgearbeitet. Jetzt ist man großteils auf sich allein gestellt.
Bisher hat die Mutter oder eine Schwester beim Backen mitgeholfen., nun müssen Sie allein zeigen, was Sie dabei gelernt haben. Sie sollen ihr kulinarisches Gesellenstück liefern.
Es besteht zwar grundsätzlich die Möglichkeit, gemeinsam mit anderen Studenten an einem umfangreicheren Thema zu arbeiten, aber dann werden wieder andere Probleme (Koordination, Konkurrenz, Selbständigkeit der eingereichten Arbeit) akut. Man sollte bei einem solchen Vorgehen einige soziale Kompetenz mitbringen, doch das muß man auch wieder alleine entscheiden.
Zuviele Köche verderben den Brei bzw. die Torte!
Bevor Sie überhaupt mit einer Arbeit anfangen, sollten Sie den Kontakt zu bereits aktiven Diplomanden suchen. Das geschieht am besten in bzw. nach Diplomandenseminaren. Ein solches sollte man auf jeden Fall mindestens ein Semester vor dem geplanten Arbeitbeginn besuchen.
Besuchen Sie daher rechtzeitig einen Kochkurs und suchen Sie den Kontakt zu anderen Köchen. Es gibt genug Köche, die auf ihre Rezepte stolz sind und damit angeben.
Die Kollegen können einem sicherlich am besten dabei helfen, welche Strategie man dem Institut oder dem Betreuer gegenüber einschlägt. Auch erfährt man in einer solchen Lehrveranstaltung manch Nützliches über die Institutsstruktur, denn in vielen Fällen erlebt man dort am schönsten die Interaktion zwischen Institutsvorstand (Professoren) und Institutsmitgliedern (Assistenten). Sie werden auch erleben, wie mit Ihren Kollegen an diesem Institut umgegangen wird. Es wird sehr hilfreich sein, schon jetzt etwas darüber zu wissen, wie man an einem Institut miteinander umgeht - als Diplomand ist man ja de lege Mitglied eines Instituts. De lege, wohlgemerkt, in der Praxis werden Studenten dann nur in den seltensten Fällen etwas von ihrer Mitgliedschaft merken.
Die Wahl der Küche ist oft entscheidend für das Gelingen einer Torte. Stellen Sie sich vor, ein schelmischer Küchenjunge dreht jedesmal das Backrohr ab, wenn Sie gerade wegschauen.
Ein Tip: In den Sozialwissenschaften gibt es in den meisten Fällen Forschungsdokumentationen. Darunter gibt es fast immer ein Verzeichnis der Dissertationen oder Diplomarbeiten in einem Fach, wobei meist auch Abstracts vorhanden sind. Schlagen Sie dort nach, um zu wissen, was derzeit gerade "in" ist. Lesen Sie auch einige aktuelle Jahrgänge von Zeitschriften Ihrer Wissenschaft, denn Bücher - insbesondere Lehrbücher - sind meist hoffnungslos veraltet.
Zwar finden Sie in alten Kochbüchern viele gute Rezepte, aber da gibt es manche Zutat, die Sie heute nicht mehr auftreiben können bzw. nicht mehr dem heutigen Geschmack entspricht.
Eine der ersten Fragen ist sicherlich die nach einem Thema. Erfahrungsgemäß orientieren sich die Studenten dabei an in den Instituten vorhandenen Themenlisten. Institutseigene Themen werden auch oft in Vorlesungen oder Übungen propagiert. Ein solches Thema zu wählen hat sicherlich viel für sich (s.u.), doch hat es den Nachteil, daß die Motivation dafür eher gering sein wird. Bei jedem Thema sollte man sich nämlich fragen, was es persönlich bringt. Welches Interesse besteht bei Ihnen daran, gerade diese und keine andere Fragestellung zu bearbeiten? Schließlich ist es Ihre Arbeit. Zwar kann es durchaus sein, daß man sich auch für ein "offizielles" Thema interessiert, aber dann sollte man seine persönlichen Interessen genau mit den möglichen externen Interessen des Institutes bzw. des Betreuers abwägen.
Es muß ja nicht immer Linzertorte sein. Vielleicht werden Sie dann auf ein Tortenstück eingeladen und Sie müssen es essen, auch wenn es Ihnen nicht schmeckt.
Alle auftretenden Probleme bei der Zusammenarbeit mit dem Institut haben in der Regel zwei Seiten: einmal eines auf seiten des Studenten und eines auf seiten des Betreuers. Der Student hat oft das Gefühl, daß sein Betreuer (meist ein Assistent) zuwenig Zeit für ihn hat. Das liegt in vielen Fällen daran, daß dem an seiner Karriere arbeitenden Studenten ein ebenfalls an seiner Karriere denkender Betreuer gegenübersitzt - bei Professoren fällt das meist weg, aber welcher Professor betreut schon einen Diplomanden selber?
Witzigmann wird ihnen sicher nicht erklären, wie man Schlagobers schlägt.
Dabei stoßen natürlich Interessen aufeinander. Oft hat der Betreuer in seiner Forschung ganz andere inhaltliche Schwerpunkte. Es ist daher immer günstig, einen Betreuer zu finden, der zumindest inhaltlich an der Arbeit Interesse hat. Das kann aber auch den Nachteil haben, daß ein zu großes Interesse zu einem zusätzlichen Druck führt, insbesondere dann, wenn die Ergebnisse der Diplomarbeit für den Betreuer zu einem bestimmten Termin (Kongreßvortrag, Publikation) vorliegen müssen. Abhilfe kann eine genaue gemeinsame Zeitplanung sein, die schon bei der Themenvergabe ausgehandelt werden sollte. An diesen Zeitplan sollten sich dann beide Teile halten.
Das Backen jedes Kuchens erfordert eine gewisse Zeit und manche Kuchen schmecken dann am besten, wenn Sie schon ein paar Tage an einem kühlen Ort stehen. Heißer Germteig etwa kann sehr gut schmecken, aber dann …
"Ich hab' ein Thema!" oder "Es wird eine Malakofftorte"
Dieser oft euphorische Ausruf geschieht meist in Unkenntnis der Tatsache, daß man damit eigentlich noch gar nichts hat. Außer vielleicht die Gewißheit, daß im nächsten Jahr (oder in den nächsten Jahren) sich fast alles um dieses Thema drehen wird. Bei der heutigen Lebenserwartung hat man damit etwa drei bis vier Prozent seines restlichen Lebens fix verplant.
Eine Malakofftorte hat den unbestreitbaren Vorteil, daß sie im wesentlichen aus dem mehr oder minder geschickten Kombinieren vorhandener Materialien besteht und in der Tortenkunst eher im Mittelfeld rangiert. Denken Sie daran, daß Sie ja bei Ihrem ersten Versuch nicht gleich eine neue Richtung der "Neuen Küche" begründen wollen.
Günstig ist es, etwa ein oder zwei Semester vor dem Beginn der eigentlichen Arbeit Kontakt zu dem Betreuer zu suchen. Frühere Kontakte erzeugen auch ein besseres Gesprächsklima, denn die üblichen Kennenlernrituale werden so reduziert. Sie sollten beim Betreuer auch mindestens eine Lehrveranstaltung besucht haben, in denen Sie durch Ihr Interesse an dem Fach "aufgefallen" sind.
Kündigen Sie daher dem Freund schon rechtzeitig an, was auf ihn zukommt. Vielleicht mag er keine Torten (wegen der Linie) und hätte lieber ein Computerspiel oder ein heißes Video.
Inhalt der ersten Besprechung wird meist eine erste Abklärung bzw. Präzisierung und Einengung des Themas sein. Erfahrungsgemäß sind die ersten Themenvorstellungen zu vage und meist zu umfangreich. Sie sollten zur ersten Besprechung schon ein kurzes schriftliches (einseitiges) Exposé - Thema, grobe Fragestellung, persönliches Interesse an der Fragestellung usw. - mitbringen.
Sicherlich macht sich ein Tablett mit verschiedenen Kuchen oder Torten sehr hübsch, aber denken Sie daran, daß drei verschiedene Tortenstücke immer von drei ganzen Torten stammen.
Ein Tip: Machen Sie möglichst alles schriftlich, denn mündliche Absprachen sind immer vom Vergessen (auf beiden Seiten!) bedroht. Schreiben Sie daher bei jeder Besprechung mit dem Betreuer mit.
Bei mündlich überlieferten Rezepten fehlen oft die wichtigsten Dinge, wie eine Prise Salz, ohne die auch eine süße Torte fad schmeckt.
Bei der ersten Besprechung mit seinem Betreuer sollte man neben dem Thema und einem ungefähren Zeitplan für die Diplomarbeit auch festlegen, wann das nächste Gespräch stattfinden wird. Empfehlenswert sind zwei oder drei Monate. An den meisten Instituten gibt es eine Kartei o.ä., in die Sie aufgenommen werden. Damit wird Ihr Thema offiziell bzw. für Sie reserviert.
Stellen Sie sich vor, alle Freunde bringen eine Malakofftorte mit! Sie sind dann zwangsläufig in einer Malakofftortenkonkurrenz und können die Party sicherlich nicht mehr so richtig genießen.
Fragen Sie den Betreuer nach konkreter Literatur und arbeiten Sie diese gewissenhaft durch. Nicht nur durchlesen. Legen Sie sich ein Arbeitsbuch oder eine Datenbank an. Halten Sie alles, was zur Diplomarbeit gehört, gleich schriftlich fest. Jeder Gedanke kann kostbar sein - er ist u. U. schon wieder ein Absatz in der zukünftigen Diplomarbeit. Oder zumindest eine Zeile.
Schon Großmütter wußten, daß man ein Kochbuch am besten selber schreibt.
Wie sie mit der Literatur arbeiten sollen, haben Sie ja hoffentlich bisher in Ihrem Studium gelernt. Wenn nicht, dann sollten Sie dieses Wissen zumindest jetzt parallel erwerben - es rentiert sich immer, zuerst einige Zeit in das Erarbeiten des Prozedere zu investieren und erst dann an die Ausführung einer Arbeit zu gehen. Erkundigen Sie sich genau danach, welche Zitationsregeln man an Ihrem Institut bevorzugt.
Bis zur zweiten Besprechung sollten Sie zu dem Thema die wichtigste Literatur studiert haben. Zögern Sie nicht, ein Thema zurückzulegen, wenn Sie feststellen, daß Sie mit dem Thema persönlich nichts anfangen können. Es gibt genug andere Themen.
Manchen Leuten wird von Schlagobers schlecht. Wie steht es da mit Ihnen selber? Wie wäre es dann mit einem Tiramisu?
Thema der zweiten Besprechung sollte in jedem Fall die wichtigste Literatur darstellen, die Sie bis dahin durchstudiert haben. Kommen Sie am besten mit einer schriftlichen Gliederung der geplanten Arbeit zum Betreuer - noch besser, schicken Sie ihm diese schon zwei Wochen vorher mit der Post. Auch ein Betreuer bereitet sich gerne auf eine Besprechung vor.
Ein Tip: Fragen Sie bitte niemals, wieviele Seiten die Diplomarbeit haben soll. Schauen Sie sich lieber ein paar frühere Arbeiten in der Universitätsbibliothek an. Fragen Sie Ihren Betreuer nach solchen "Vorbildern".
In den besten Kochrezepten gibt es keine genauen Angaben für die Backdauer und Temperatur, das hängt immer von der Art des Backrohrs ab. Übrigens: Malakofftorten dürfen nicht in einen Heißluftherd!
Bei dieser zweiten Besprechung sollte man versuchen, die Literatur weiter abzugrenzen. Das ist wichtig, da Betreuer immer wieder auf das eine oder andere Buch stoßen, das Sie dann noch unbedingt berücksichtigen müssen, um auf dem aktuellsten Stand zu sein.
"Empirische oder nicht-empirisch, das ist hier die Frage" oder "Vielleicht schenke ich meinem Freund ein Kochbuch und er soll sich selber eine Torte backen"
Reine Literaturarbeiten sind in den Sozialwissenschaften derzeit nicht "in" - aus meiner Erfahrung sind sie auch um nichts leichter als empirische Arbeiten. Das liegt daran, daß Literaturarbeiten in vielen Fällen aufwendiger sind, da sie ein großes Hintergrundwissen über ein Fach bedingen, welches man als Student nur in den seltensten Fällen mitbringt. Zwar muß auch für jede empirische Arbeit Literatur studiert werden, doch sind die Fragestellungen meist konkreter und enger, sodaß man sich auf wenige grundlegende Vorarbeiten stützen kann (etwa bei einer leicht modifizieren Wiederholung einer Untersuchung, wo die wichtigste Literatur von Ihrem Vorgänger schon aufgearbeit wurde und Sie nur einige neuere Arbeiten ergänzend berücksichtigen müssen).
Schauen Sie einer Freundin beim Verfertigen einer Malakofftorte zu - Sie wissen dann, worauf es ankommt.
Bei Literaturarbeiten werden erfahrungsgemäß höhere Anforderungen an die logische Stringenz der Beweisführung gestellt, denn jede Diplomarbeit sollte zumindest in Ansätzen einen neuen Aspekt eines Probems aufzeigen. Und das geht mit Ab- und Zusammenschreiben von anderen Arbeiten nicht so leicht, denn die Autoren dieser Arbeiten sind meist Fachleute, die sich schon das meiste gedacht haben. Notgedrungen wird man immer wieder die eine oder andere Arbeit übersehen oder auch zu spät - d.h., nach Abschluß der eigenen Arbeit - finden. Die Gefahr, daß Sie dann diese Arbeit auch noch einarbeiten müssen, ist daher sehr groß und verzögert den Abschluß. Trotzdem: Literaturarbeiten dauern in der Regel kürzer als empirische Arbeiten. Sie sind aber auch langweiliger, da man praktisch nur liest und schreibt. Sich während der Sommermonate für das stundenlange Sitzen in einer Bibliothek oder auch nur am Schreibtisch zu motivieren ist nicht jedermanns Sache. Viele Arbeiten bleiben dann auch zu sehr an der Literatur "kleben", teilweise aus der Erkenntnis: "Ich kann es nicht treffender ausdrücken, als es hier geschrieben steht." Sie sollen aber - als Prüfungsleistung - zeigen, daß Sie eigenständigformulieren können. Dazu ist hilfreich, daß Sie den Text einordnen (zeitlich, von der Position, der theoretischen Schule), daß Sie längere Passagen zusammenfassen (z.B. "Mayrs Position zur grundlegenden Frage der Unternehmensziele kann folgendermaßen zusammengefaßt werden: ....", daß Sie vergleichen ("Hopfenbecks Aussagen entsprechen in allen wichtigen Punkten denen Stangls."), daß Sie Texte kritisch interpretieren ("Paseka führt aus..., obwohl sie im vorigen Abschnitt noch behauptet hat, daß ..."). Sie sollten sich also von der Literatur und ihren Quellen emanzipieren und kein eklektisch zusammengewürfeltes Mosaik aus wörtlichen und sinngemäßen Zitaten abliefern. Wichtig sind Ihre eigenständigen Analysen und Schlußfolgerungen, die Sie mit Hilfe der Literatur entwickeln und begründen.
Stellen Sie bei der Darstellung der Ergebnisse den aktuellen Bezug Ihrer Arbeit in den Vordergrund. Die meisten Themen in der Pädagogik und Psychologie haben eine über die Zusammenfassung von Vergangenem hinausweisende Relevanz, d.h.,. die LeserInnen Ihrer Arbeit wollen immer wissen, was jetzt in der Gegenwart wichtig zu wissen ist. Eine Entschuldigung, daß Sie nur alte Literatur gefunden haben, kann deshalb nicht akzeptiert werden. Notfalls müssen Sie sich ein anderes Thema suchen. Praxisorientierung ist ein weiteres wichtiges Kennzeichen für die Ausbildung an Universitäten. Es ist also empfehlenswert, wenn Sie berufliche Kontakte oder Ihr Praxissemester entsprechend nutzen, oder auch Verbindungen im Zusammenhang mit bestimmten Fragen gezielt zur Praxis schaffen. Es ist bekannt, daß das zeitaufwändig und mühsam sein kann, aber es wird bei der Bewertung der Arbeit entsprechend berücksichtigt.
Erfahrungsgemäß dauern Torten mit Backfertigmischungen zwar nicht so lange, aber sie schmecken auch dementsprechend.
Empirische Arbeiten sind aus den oben genannten Gründen zwar einfacher - zumindest was die Literaturarbeit betrifft -, doch muß man für die Instrumentarien, die Untersuchung, die Auswertung der Daten und deren Interpretation einen längeren Zeitraum einplanen. Zwischen diesen genannten Phasen gibt es aber immer Leerläufe, die man für andere Arbeiten nützen kann - Sie studieren ja schließlich weiter bzw. die Diplomprüfungen müssen auch vorbereitet werden. Rechnen Sie dafür etwa ein Jahr - den Zeitrahmen sollten Sie mit Ihrem Betreuer ja schon vorher festgelegt haben. Er hat dabei sicherlich Erfahrungswerte.
Es ist ganz praktisch, in solchen Pausen das verschmutzte Geschirr abzuwaschen oder das verschüttete Schlagobers vom Küchenboden immer wieder aufzuwischen, denn Sie könnten ausrutschen. Mit einem Gipsfuß wird die Geburtstagsparty sicherlich nur halb so lustig.
Bevor Sie die empirische Arbeit angehen, sollten Sie die theoretische Vorarbeit (=Literaturarbeit) unbedingt abgeschlossen haben. Zwar steht das auch in den eingangs kritisierten Schemata, doch in diesem Punkt haben diese recht. Das hat nämlich nicht nur forschungslogische oder - ethische sondern auch praktische Gründe: denn bevor Sie noch Ihre Daten erheben, liegt die halbe Diplomarbeit schon vor. Der Betreuer hat also bereits einen Teil ihrer Arbeit abgesegnet. Das ist in den meisten Fällen motivierend und beruhigend.
Alte französische Kochregel: Der Einkaufszettel ist genauso wichtig wie das Tortenrezept selber (s.u.)
Spezialprobleme empirischer Arbeiten bzw. Vom Einkaufszettel zur fertigen Torte
Ein fast in allen empirischen Arbeiten auftauchendes Problem ist der Übergang zwischen theoretischem und empirischem Teil. Ihre konkrete Fragestellung muß aus der verarbeiteten Literatur schlüssig abgeleitet sein und in Form von Behauptungen (Thesen) bzw. "ungelösten Fragen" abgefaßt werden. Je prägnanter und exakter Sie die Problemstellung formulieren, umso leichter fällt die Beantwortung. Diese Thesen oder Hypothesen sollten überschaubar sein und sollten neue Gesichtspunkte enthalten, müssen aber nicht unbedingt völlig neu sein, sondern werden sich häufig aus früheren Arbeiten ergeben.
Das Lesen eines Tortenrezeptes unterscheidet sich grundlegend vom Selberbacken, auch bei so einfachen Dingen wie einer Malakofftorte.
Hypothesen sind bekanntlich Generalisierungen theoretischer Aussagen, die in der Arbeit geprüft werden sollen. Theoretische Hypothesen und Annahmen enthalten Begriffe und Variablen. Auf deren Definition sollten Sie schon im theoretischen Teil besondere Sorgfalt verwenden. Das erleichtert die nachvollziehbare Variablenbeschreibung (Operationalisierung). Empfehlenswert ist auch eine übersichtliche Zusammenfassung in einem Hypothesen- bzw. Variablenplan (etwa in Tabellenform).
Heften Sie das Rezept an eine Pinwand über Ihrer Arbeitsfläche. Stellen Sie den Einkaufszettel sorgfältig zusammen, denn sonst fehlt Ihnen bei der Fertigstellung der Torte eine wichtige Zutat, etwa das Schlagobers. Und Malakofftorten ohne Schlagobers schmecken nicht besonders
Ein Tip: Damit die Arbeit mit den verfügbaren Mitteln realisiert werden kann, sollte der Untersuchungsplan nie zu kompliziert sein - auch wenn dadurch die Erkenntnisse bzw. Forschungsziele beschränkt werden. Diese Warnung gilt besonders für experimentelle und quasi-experimentelle Vergleiche.
Zum Schneeschlagen müssen Sie nicht gleich die modernste Küchenmaschine anschaffen, ein Schneebesen oder eine Handrührmaschine tun's auch.
Die Aufstellung von Fragen und Hypothesen gibt gleichzeit auch die Gliederung für die Ergebnisdarstellung und die Interpretation der Daten vor, die Sie wohl in den meisten Fällen noch etwas umstrukturieren werden müssen, doch ist es sicherlich von Vorteil, eine Hypothese nach der anderen aufgrund der Daten zu beantworten. Eine Gliederung hat Ober- und Unterpunkte, wobei ein Hauptpunkt immer in mindestens zwei Unterpunkte unterteilt werden muß. Sie sollten also nicht zu fein untergliedern: Überschriften (z.B. 2.3.4.4.2.1. Die Abnützung des Hosenbodens beim Schwätzen) mit drei ganzen Zeilen Text machen keinen Sinn und stören den Lesefluß. Für solche feinen Untergliederungen gibt es Absätze, Hervorhebungen durch Fett- oder Kursivdruck oder Spiegelstriche. Vermeiden Sie auch, nach jedem längeren Satz oder einer "vgl.-Zitation" einen neuen Absatz zu machen. Ein Absatz macht nur dann Sinn, wenn Sie etwas Neues darstellen oder einen neuen Gedanken entwickeln wollen, der mit dem vorigen nichts gemeinsam hat.
Ein Tip: Legen Sie schon bei der Hypothesenerstellung fest, mit welchen statistischen Methoden Sie die Daten bearbeiten werden. Das machen Sie am besten in Absprache mit dem Betreuer. Es zeigt sich dabei oft, daß eine Hypothese in der konkreten Formulierung gar nicht empirisch überprüft werden kann.
Manche Torten können gar nicht gebacken werden, weil z.B. der Mürbteig keine höheren Temperaturen verträgt, während die zwar sehr dekorativen Kokosnüsse der Füllung mindestens drei Stunden bei hoher Hitze geschmort werden müssen, bis sie platzen. Übrigens: Bei Malakofftorten nimmt man am besten Mandeln, die man schon zerkleinert im Supermarkt erhält.
Kümmern Sie sich schon während ihrer Literaturarbeit um die zu untersuchende Stichprobe. Wenn Sie etwa in Schulen oder anderen Institutionen eine Untersuchung planen, wird es notwendig sein, die Erlaubnis dafür einzuholen. Und das dauert in vielen Fällen seine Zeit. Sie werden von den unmöglichsten Leuten schriftliche Bestätigungen brauchen - ein Empfehlungsschreiben des Institutes ist meist das geringste Problem. Verlassen Sie sich nie auf mündliche Zusagen.
Kündigen Sie Ihren Kochversuch in der Familie an, vielleicht will gerade zu Ihrem Termin Ihr Vater einen Sonntagsbraten vorbereiten. Und dann müssen Sie mit ihm um die Backzeit kämpfen (Schneebesen gegen Bratspieß - das sind keine vergleichbaren Waffen!).
Legen Sie die Art und Größe Ihrer Stichprobe mit dem Betreuer fest. Denken Sie dabei immer auch daran, daß Sie die Daten ja auch auswerten müssen. Die Größe der Stichprobe sagt noch nichts über die Qualität einer Untersuchung aus.
Große Torten für das Guiness-Buch der Rekorde® sollte man besser Profis überlassen. Erkundigen Sie sich rechtzeitig nach der Anzahl der eingeladenen Gäste bei der Geburtstagsfeier!
Aktivieren Sie rechtzeitig ihre Statistik und EDV-Kenntnisse. Besuchen Sie schon früh - spätestens parallel zur Literaturarbeit - eine entsprechende Lehrveranstaltung. Ihr Betreuer wird Ihnen zwar sicherlich bei der Auswertung behilflich sein, er wird Ihnen aber kaum erklären, wie Sie mit der Tastatur eines Terminals umgehen müssen.
Wenn Sie die Küche bisher nur vom Abwaschen kennen, dann sollten Sie sich an einem stillen Nachmittag einmal darüber orientieren, wo der Kühlschrank oder das Backrohr sind. Malakofftorten sind wie schon erwähnt nur bedingt mikrowellengeeignet.
Sichern Sie sich bei größeren Rechenarbeiten eine Benutzernummer im Rechenzentrum. Wie das geht, lernen Sie auch in einschlägigen Lehrveranstaltungen. Manche Daten sind auch "zu Fuß" oder auf einem PC auswertbar. Das hat den Vorteil, daß Sie dann von einem Rechenzentrum unabhängig sind bzw. bei entsprechender Ausstattung eines PCs auch die Daten direkt in den Text übernehmen können, den Sie vermutlich dann auch auf dem PC erfassen.
Ein Tip: Es ist zwar nicht unbedingt notwendig, daß Sie eine Diplomarbeit oder Dissertation auf einem PC schreiben, doch hat sich gezeigt, daß auch Literaturarbeiten wesentlich schneller und einfacher bewerkstelligt werden können. Die Zeit, die Sie für die diversen Reinschriften der Arbeit aufwenden - es werden meist zwei oder drei sein - können Sie gleich für die Einarbeitung auf einem PC nützen. Das wird für Ihre zukünftige berufliche Tätigkeit sicherlich nicht von Nachteil sein.
Manche Torten werden sicherlich auch über einem Lagerfeuer gelingen, doch beeinflußt das den Geschmack und manche Freunde befürchten, daß die unvermeidlichen Rußpartikel cancerogen sind.
Planen Sie den Einsatz eines PC rechtzeitig, dann können Sie nämlich schon Ihre Exzerpte und die ganze Literaturarbeit wesentlich ökonomischer durchführen. So ist das Erstellen des Literaturverzeichnisses für den Schluß der Arbeit auf einem PC sicherlich zeitsparender durchzuführen, wenn Sie die verwendeten Arbeiten nach den entsprechenden Richtlinien - die haben Sie doch? - gestaltet haben.
Auch der Umgang mit Küchenmaschinen will gelernt sein. Studieren Sie daher die Bedienungsanleitung genau - das gilt besonders für taiwanesische Billigprodukte.
Ein Tip: Falls Sie das nötige Kleingeld haben, können Sie umfangreichere Teile der Literatur "scannen" und auf Ihrem PC weiterverarbeiten. Das ist bei mangelnden Maschinschreibkenntnissen oft zeitsparend. Vergessen Sie aber nicht darauf, die Literatur dann auch zu richtig zu zitieren. Das gilt auch für Tabellen und Grafiken, die Sie aus der Literatur übernehmen.
Bei einer Malakofftorte können Sie die Biskotten zwar selber backen, aber es gibt sie in guter Qualität in jedem Supermarkt. Die italienischen Biskotten sind in der Regel inländischen Produkten vorzuziehen.
Kein Tip: Es gibt zwar auch Kollegen und Institutionen, die sich auf das Schreiben von Diplomarbeiten für andere spezialisiert haben, doch kommt das in der Regel sehr teuer - denken Sie an die eidestattliche Erklärung, die jeder Diplomarbeit voranstehen muß.
Gekaufte Torten machen nur halb soviel Spaß und vielleicht kennt Ihr Freund gerade den Konditor, bei dem Sie die Torte gekauft haben. Ersparen Sie sich also diese Peinlichkeit.
Die schließlich gewählten Forschungsmethoden (Fragebogen, Test, Interview etc.) müssen sich logisch nachvollziehbar dazu eignen, die genannten eigenen Zielsetzungen zu erreichen. Dokumentieren Sie alle Ihre Handlungsschritte während der Untersuchung möglichst genau und beschreiben Sie das in einem eigenen Abschnitt, denn jeder Leser Ihrer Arbeit sollte in der Lage sein, das Prozedere nachzuvollziehen. Diese Beschreibung sollte ja idealerweise anderen Forschern ermöglichen, Ihre Untersuchung zu wiederholen.
Den Espresso zum Tunken der Biskotten sollten Sie unbedingt frisch kochen, auch wenn Sie ihn von einem Kaffeehaus in der Nähe holen könnten. Unter Zeitdruck sind solche Hilfen aber sicherlich zulässig. Den hoffentlich echten Jamaikarum werden Sie auch kaum aus eigens dafür importiertem Zuckerrohr selber herstellen.
Die Grundgesamtheit der Untersuchungspersonen sollte in allen relevanten Merkmalen so detailliert wie nötig beschrieben werden. Dies gilt in besonderem Maße für die verwendete Stichprobe (bzw. Teilmenge der Grundgesamtheit), weil sie über die Aussagefähigkeit der Untersuchung entscheidet. Ebenso sollte man begründen, warum die gezogene Stichprobe angemessen ist. Weisen Sie auch darauf hin, warum Sie nicht ganz den in der Literatur geforderten Idealvorstellungen genügt - zum Trost: wirklich repräsentative Untersuchungen wird man in den Sozialwissenschaften kaum finden.
Die verwendeten Methoden sollten eine möglichst hohe Qualität aufweisen. Beispielsweise sollten Erhebungsinstrumente (z. B. Fragebogen, Tests, Interviewleitfäden etc.) tatsächlich genau das erfassen, was der Forscher messen möchte. Der Güte der eingesetzten Forschungsmethoden ist bei ihrer Beschreibung besonderes Augenmerk zu schenken. Denken Sie dabei immer schon an den Auswertungsaufwand bzw. daran, ob Sie auch die nötige Kompetenz für komplexere Datenanalysen mitbringen.
Vielleicht ist es doch besser, dem Freund ein Kochbuch zu schenken! Verlieren Sie diesen Aspekt nie aus den Augen.
So ist es sicher nicht sinnvoll, Regressions-, Pfad- oder Faktorenanalysen durchzuführen, wenn Sie nicht in der Lage sind, die Ergebnisse auch richtig zu interpretieren. Denken Sie daran, daß auch einfache Prozentstatistiken, einfache Zusammenhangsmaße oder Mittelwertsvergleiche durchaus sinnvolle und wichtige Aussagen ermöglichen. Bei der Auswertung zeigt sich auch der Vorteil, eine schon vorhandene Untersuchung zu replizieren, denn dann können Sie sich an den vom Autor gewählten statistischen Methoden orientieren.
Malakofftorten sind in ihrer Herstellung eher unkompliziert und erfordern meist keine besonderen Spezialkenntnisse. Erinnern Sie sich an ihre Sandkuchen auf den diversen Kinderspielplätzen.
Auch ist es günstiger, nicht allzuviele sondern nur einige wenige und schon bewährte Verfahren einzusetzen. Es ist in vielen Fällen daher besser, keine neuen Instrumente zu entwickeln, da das umfangreiche Vorerhebungen erfordert (so müßten diese nach den Regeln der Kunst vorher mit einzelnen Personen bzw. Personengruppen der interessierenden Grundgesamtheit geprüft werden, was Ihren Zeitaufwand stark erhöht). Das Entwicklen neuer Verfahren setzt meist eine sehr fundierte Ausbildung aber auch sehr viel Erfahrung in einer Wissenschaft voraus, die man sich nur in langjähriger Arbeit erwerbene kann - und auch das ist noch keine Garantie für Qualität. Das Verwenden schon vorhandener Datenerhebungsverfahren hat auch den nicht zu unterschätzenden Vorteil, daß Sie Ihre Ergebnisse dann mit denen der anderen Arbeit vergleichen könnten.
Man kann zwar selber Tortenrezepte erfinden, aber die sollte man lieber erst an einer kleinen Stichprobe von Haustieren erproben - auch wenn deren Magenverstimmung nicht unbedingt auf Menschen übertragbar ist.
Ein Tip: Wählen Sie bei Ihrer Diplomarbeit von vornherein gleich Fragestellungen, die Vergleiche (z.B. zwischen bestimmten Personengruppen) ermöglichen. Solche Ergebnisse sind in der Regel gut darstell- und interpretierbar. Auch sollten diese im Titel oder Untertitel der Arbeit klar zum Ausdruck kommen.
Die Auswertungsverfahren sind nur dann ausführlicher darzustellen, falls sie nicht allgemein üblich und bekannt sind (z. B. Eigenentwicklung eines statistischen Verfahren, was aber im Rahmen einer Diplomarbeit kaum sinnvoll sein wird).
Bei einer Eigenentwicklung eines Tortenrezeptes sollte man das Kochrezept in einigen Xerokopien® zwar zur Geburtstagsparty mitbringen, aber sicherheitshalber mit den Verteilen warten, bis alle die Torte gekostet haben. Die Nummer der Vergiftungszentrale in Wien erfahren Sie unter der Nummer 144. Die Nummer des Ärztenotdienstes ist 2101. Die Flugambulanz hat die Nummer 0512/888 888 (224 22).
Die Ergebnisdarstellung einer empirischen Untersuchung besteht in der Regel aus der Beschreibung des benutzten Datenmaterials und der Stichprobe, den Verteilungen der Rohdaten (Lineardaten) und statistischen Kennwerten und Prüfmaßen (z. B. Zusammenhangsmaße). Bei der Ergebnisdarstellung ist die Beziehung zu den Zielsetzungen der Arbeit und den Hypothesen herzustellen. Arbeiten Sie Ihre Hypothesen einfach der Reihe nach ab. Hier eine andere Logik zu finden wird nicht immer leicht sein, denn ob Sie den Vergleich zwischen Gruppe A und B vor oder nach dem Vergleich der Gruppe B und C bringen wird kaum begründbar sein.
Meist wird es aber günstig sein, zuerst das Schlagobers zu schlagen und das Kaffee-Rum-Gemisch fertigzustellen, bevor man an das Aufschichten der Biskotten geht. Sorgen Sie für ausreichend Rumnachschub - Tortenbacken macht durstig.
Zur besseren Übersicht sind Tabellen, Abbildungen und Diagramme zu verwenden. Diese geben den Rahmen für Ihre Interpretationen vor - sie sollten daher schon vorher in der endgültigen Form erstellt werden. Diese Zusammenstellungen sollten (idealerweise) auch ohne Kenntnis des Textes verständlich sein. Hierbei sind möglichst nur gängige Abkürzungen zu verwenden, jedenfalls aber in einer Legende zu erklären. Orientieren Sie sich dabei an der Literatur. Verfallen Sie auf keinen Fall in den häufig zu beobachtenden Fehler, im Text einfach die Ergebnisse der Tabellen mit Worten zu wiederholen - eine Interpretation stellt immer den Bezug zu theoretischen Annahmen her (s.u.).
Man kann Schlagobers nicht durch einen zugegebenermaßen nette verzierten Zettel ersetzen, auf dem "Schlagobers" steht und der die Torte krönt. Ein solches Vorgehen mag im ersten Augenblick originell wirken und Phantasien beim Geburtstagskind auslösen (" Er nimmt Rücksicht auf meine Linie" oder "Dafür hat das Geld nicht gelangt"), aber Ihr Ruf als Koch könnte darunter leiden. Schlagobers ist nun einmal ein Muß für eine Malakofftorte.
Ein Tip: Packen Sie nicht zuviel an Daten in eine Tabelle oder Grafik, zerlegen Sie umfangreiche Tabellen in mehrere kleinere. Tabellen haben immer Überschriften, Grafiken stets "Unter"schriften und Legenden.
Wenn Sie zuviel Zutaten eingekauft haben, dann machen Sie vielleicht zwei oder drei kleinere Torten - auch andere Freunde haben irgendwann Geburtstag. Malakofftorten halten etwa eine Woche im Kühlschrank, im Tiefkühlfach können sie bis zu einem halben Jahr aufbewahrt werden.
Viele zum Verständnis nicht unbedingt wesentliche Daten, Tabellen und sonstigen Materialien sollen in einem Anhang zusammengestellt werden. So gehören die verwendeten Untersuchungsverfahren hierher, aber auch interessante Grunddaten (etwa bei Inhaltsanalysen, Antworten auf offene Fragen).
Sie können das überschüssige Schlagobers auch als Kaffeeobersersatz verwenden, Biskotten werden von eventuell vorhandenen Kindern auch in Rohzustand goutiert.
Bei der Interpretation der Untersuchungsergebnisse sollten die gefundenen Ergebnisse vor allem im Hinblick auf die eigenen Ziele sowie die theoretischen Hypothesen erläutert und erklärt werden. Interpretationen enthalten immer auch (subjektive) Bewertungen über die Bedeutung der Ergebnisse für die Lösung der bearbeiteten Problemstellung. Allerdings sollten SIe nicht zuviel spekulieren (das können Sie in der die Arbeit abschließenden Zusammenfassung, s.u.).
Es ist immer zu berücksichtigen, daß aufgrund der Daten auch andere Interpretationen möglich sind. Deswegen sollten Sie auch zumindest auf plausible Alternativerklärungen bzw. -hypothesen eingehen.
Lassen Sie den Titel auf Ihrem für die Gäste vervielfältigten Tortenrezept offen - vielleicht hält man Ihr Werk doch für eine Linzertorte.
Ziehen Sie bei der Interpretation unbedingt die im theoretischen Teil verwendete Literatur heran - dabei erweist sich abermals die Nützlichkeit, schon auf bewährte Untersuchungsverfahren zurückgegriffen zu haben.
Auch die den meisten schon bekannte Malakofftorte erhält häufig ein Lob in der Art: "Das war die beste Malakofftorte, die ich je gegessen habe!" Das liegt erfahrungsgemäß an der Menge des verwendeten Rums.
Bei umfangreicheren Ergebnissen sollten Sie den Ergebnisteil gut durchstrukturieren, d.h., Sie sollten etwa anhand der Hypothesen Ihrer Arbeit Ergebnisblöcke bilden, die inhaltlich zusammengehören. Das erleichtert dem Leser (und Betreuer!) das Verständnis ihrer Argumentation. Stellen Sie an das Ende solcher Blöcke immer eine Zwischenzusammenfassung, um einen Fragebereich abzuschließen.
Eine solche Strukturierung können Sie etwa mit der Verzierung der Torte andeuten, erfahrungsgemäß geht das Teilen dadurch leichter.
In der die Arbeit abschließenden Zusammenfassung sollten Sie einerseits dem Leser den Stellenwert der Arbeit im Rahmen des Forschungkontextes verdeutlichen und andererseits die anschließende Diskussion der Ergebnisse sowie daraus zu ziehende Schlußfolgerungen vorbereiten. Diese Diskussion sollte sich schwerpunktmäßig den wichtigsten Interpretationen und möglichen Alternativerklärungen widmen (greifen Sie ruhig auf die schon durchgeführten Zwischenzusammenfassungen zurück, beschränken Sie sich aber nicht auf Seitenverweise).
Es stört die Geburtstagsstimmung erheblich, wenn Sie dem Freund angesichts der einzigen mickrigen Tortenschnitte, die Sie ihm mitgebracht haben, erklären, daß Ihre Geschwister Naschkatzen sind.
Jede Arbeit hat ihre Schwächen. Es gehört zum wissenschaftllichen Ethos und beinahe schon formalen Usus, auf diese Beschränkungen der eigenen Untersuchung und noch ungelöste Fragen hinzuweisen. Geben Sie daher auch Hinweise auf zukünftige Arbeiten (vielleicht auch Anregungen für weitere Diplomarbeiten) und allfällige Verbesserungen. Stellen Sie dabei aber Ihr Licht nicht allzusehr unter den Scheffel. Schließlich haben Sie hart gearbeitet und einiges in die Arbeit investiert.
Sagen Sie nicht gleich ängstlich: Es ist meine erste Torte. Das werden die Gäste schon noch merken. Vielleicht ist Ihnen auch ein großer Wurf gelungen.
Ein Tip: Eine gute Zusammenfassung Ihrer Arbeit ist für den Betreuer auch eine wichtige Grundlage für seine Vorbegutachtung, in der ja auch auf die Inhalte der Arbeit eingangen werden muß. Je überzeugender und logischer Sie hier argumentieren, umso leichter kann der Betreuer eine für Sie positive Schlußfolgerung ziehen. Fassen Sie eine Zusammenfassung daher nie als lästiges Anhängsel auf, sondern konzentrieren Sie hier alle Ihre Energie und Überzeugungskraft. Vielleicht stellen Sie an den Anfang oder Schluß Ihrer Arbeit auch ein etwa einseitiges Abstract, das von Ihnen oder vom Betreuer weitergegeben werden kann, etwa wenn Ihre Arbeit in eine Forschungsdokumentation aufgenommen werden soll.
Verfassen Sie das mitgebrachte Rezept nicht zu genau, denn sonst wirkt es zu einfach und Ihre Mühe wird unterschätzt: "Na ja, soviel Arbeit war das auch wieder nicht!"
Ein Wort zur sprachlichen Gestaltung der Arbeit. Nicht jeder ist ein Schriftsteller - Wissenschaftler sind das in der Regel überhaupt nicht. Bemühen Sie sich immer um eine verständliche Darstellung. Verfallen Sie nicht in den einschlägigen wissenschaftlichen Jargon, den Sie aus der Literatur kennen, auch wenn sich das nicht immer vermeiden lassen wird. Schon bei der Darstellung des theoretischen Teils der Arbeit sollten Sie eine Freundin oder einen Freund bitten, seinen Kommentar zu Ihren Ausführungen abzugeben. Auch die Eltern können hier hilfreich sein - schließlich haben Sie ein gewisses Recht darauf zu wissen, was Sie so wissenschaftlich tun (dabei ist es nicht unbedingt notwendig, daß diese alles verstehen, was Sie geschrieben haben, stolz werden Sie in jedem Fall sein).
Man kann auch eine optisch nicht so gelungene Malakofftorte sicherlich mit einem Dressiersack und verschiedensten Spritzdüsen geburtstagsgerecht gestalten. Übertreiben Sie aber nicht, denn sonst wird die Torte zu hoch und geht in keinen handelsüblichen Kühlschrank.
Ein Tip: Lassen Sie bei einem solchen Gespräch mit einem Außenstehenden ein Tonband mitlaufen. Konzentrieren Sie sich beim Abhören dann darauf, wie Sie einen unklaren Begriff oder eine schwierige Argumentation in Ihrer Arbeit erklären. Überlegen Sie dann, ob nicht eine solche ausführlichere oder einfachere Formulierung auch in der Arbeit besser oder gar notwendig ist.
Kontrollieren Sie bitte auch immer die Rechtschreibung bzw. die grammatikalische Richtigkeit ihres Textes. Verwenden Sie den Duden oder ein Rechtschreibkorrekturprogramm auf dem PC. Lassen Sie sich dabei auch von Kollegen helfen, denn selber überliest man Tippfehler (besonders in Überschriften oder anderen prominenten Stellen) leicht. Zwar wird auch der Betreuer die gröbsten Mängel anstreichen, aber auch der liest oft nicht jedes Wort mit der Lupe (manche Professoren schon!).
Übermitteln Sie Ihrem Betreuer nie die ganze Arbeit oder den gesamten empirischen Teil, sondern immer schon Abschnitte davon - so haben Sie die Gewißheit, daß Sie bei Ihrer weiteren Arbeit nicht völlig falsch liegen. Überarbeitungen werden immer notwendig sein und ganz perfekt ist niemand. Wenn Sie selber das Gefühl haben, daß etwa eine zusätzliche Auswertung nun wirklich zuviel ist, dann sagen Sie das auch. Schließlich will sich ein Betreuer ja auch nicht ewig mit einer Arbeit beschäftigen.
Lassen Sie während der Tortenproduktion hie und da die kleine Schwester kosten oder die Schüssel ausschlecken - bringen Sie aber vorher die Rumflasche in Sicherheit.
Sehen Sie in Ihrem Betreuer keinen Gegner, den man argumentativ niederreden oder überzeugen muß, sondern einen Partner, der mit Ihnen gemeinsam ein Stück eines wissenschaftlichen Weges geht. Es gibt für Ihn nichts Schöneres, als zu sagen:
"Reichen Sie Ihre Arbeit ein" oder "Zünden Sie die Kerzen an" - auf die haben Sie doch hoffentlich nicht vergessen - oder?
Übrigens: Der oben erwähnte Kaffee für das Tunken der Biskotten sollte nur sehr sparsam verwendet werden, denn sonst könnte man Ihr Werk für ein mißlungenes Tiramisu halten - aber das ist zugegebenermaßen auch nicht schlecht.
Nachtrag 2013: Wer sich an der traditionellen Rechtschreibung und der mangelnden Gendergerechtheit dieses Textes stößt, muss wissen, daß dieser Text etwa um 1977 entstanden ist, also zu einer Zeit, in der beides noch kein Thema war. Daher der Hinweis: wenn hier von Torte die Rede ist, ist stets auch die Tortin mitgemeint, ebenso Malakoffa für Malakoff und Guglhupfin für Guglhupf.
*) Dieser Text ist Bestandteil des Richtlinienkatalogs zur Abfassung von Diplomarbeiten des PPP an der jku.
Eine Variation dieses Rezepts (Pflaumentorte) fand sich auf der homepage von J. André Friedrich (andre-friedrich@etc.tu-ilmenau.de) unter http://www.uni-muenster.de/AngewandteKulturwiss/gfk-online/Diplomarbeit.html.
©opyright Werner Stangl, Linz 1997.
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