Wissenschaftliches Arbeiten muss den folgenden Anforderungen genügen:
Die Aussagen müssen intersubjektiv überprüfbar sein, d. h. aufgrund der Konventionen der Wissenschaft konsensfähig sein. Dazu gehören nachvollziehbare Herleitung und Begründung.
Die Informationsgewinnung muss bestimmten Konventionen folgen:
Die verwendete Methodik muss dem Stand der Kunst entsprechen, denn nur dann ist eine Einschätzung, wie fundiert der Beitrag des Einzelnen ist, und damit die Konsensfähigkeit gesichert.
Wissenschaftliche Arbeit muss seriös sein, d. h. sie muss Konventionen einhalten. Die wichtigsten Konventionen sind:
Gegen diese Anforderungen wird immer wieder fahrlässig oder vorsätzlich verstoßen. Nicht zuletzt deshalb glauben einige Fachleute nur noch Statistiken, die sie selbst gefälscht haben, und bestellen Bürgerinitiativen zu nahezu jedem Gutachten "nach Art des Hauses" ein Gegengutachten. Wenn grobe Verstöße entdeckt werden, ist es für den Verursacher nicht nur peinlich, sondern auch mit z. T. erheblichem Reputationsverlust und materiellen Konsequenzen verbunden. Letztlich kann aber nur an die Verantwortung der Wissenschaftler appelliert werden.
Wissenschaftliche Arbeiten müssen sich der Diskussion stellen. Dies geschieht durch Vorträge und/oder Veröffentlichung in einschlägigen Zeitschriften und ggf. in Buchform sowie in den letzten Jahren auch im Internet.
Die Problemdefinition ist oft bereits die halbe wissenschaftliche Arbeit. Allein das Herausarbeiten der richtigen Fragestellung kann bereits eine wesentliche wissenschaftliche Leistung sein. Das bedeutet:
Es gibt jedoch keine Methode zur Problemdefinition, hier dominieren Kreativität und Begabung. Grundzug der Wissenschaft ist, alles infrage zu stellen, denn nur dadurch entsteht die Herausforderung, Neues zu entwickeln. Das Bessere ist der Feind des Guten. Dazu benötigt man neben Kritikfähigkeit und Scharfsinn die Fähigkeit, sich von einer tradierten Denkrichtung zu lösen, bisherige Konventionen auch einmal infrage zu stellen und etwas in neue Bezugssysteme zu stellen.
Eine Fragestellung zu entwickeln, setzt voraus, dass man Verständnis vom zu behandelnden Objekt hat oder erlangt und Problembewusstsein hat. Problembewusstsein besteht darin,
Wahrscheinlich kann man generalisieren: Gute Wissenschaftler sind diejenigen, die Fragen stellen können.
Es gibt keine Technik zur Themenentwicklung. Je mehr man sich allerdings mit einem Thema befasst, desto bessere Fragen kann man stellen, desto klarer sieht man, wie das Problem zu definieren ist. Deshalb muss man sich zunächst intensiv mit dem Thema beschäftigen, indem man Gespräche mit Fachleuten führt, Literatur heranzieht und bei empirischen Arbeiten lange und differenziert beobachtet und die Beobachtungen reflektiert, d. h. gedanklich verarbeitet.
Bewährt hat sich, ein oder zwei zentrale Aufsätze oder Bücher zum Thema zu lesen, bis man einige Grundvorstellungen hat. Dann sollte man das Thema strukturieren, eigene Ideen sammeln und alles zusammenschreiben, dann wieder lesen und das Geschriebene dabei prüfen und ergänzen. Kriterien für die Prüfung sind:
Der daraus resultierende erste Vorentwurf ("draft") kann und wird in der Regel unvollkommen sein. Er wird aber den Vorteil haben, dass
Womit wir beim Thema Literaturbeschaffung wären:
Einstiegsliteratur bekommt man über wissenschaftliche Bibliotheken. Deren Benutzung setzt aber voraus, dass man zwei bis drei relevante Schlagworte bildet, unter denen man in den zugehörigen Datenbanken recherchieren kann. Dabei empfiehlt sich erfahrungsgemäß der Einstieg sowohl über Schlagworte (früher: Systematischer Katalog) als auch über Titelstichworte (funktioniert erst, seit es elektronische Kataloge gibt). Schlagworte werden von Fachleuten auf der Basis eines hierarchischen Verzeichnisses (Thesaurus) zugeordnet. Hier besteht aber das Problem, dass es den meisten Bibliotheken an versiertem Personal dazu mangelt. Recherche nach Titelstichworten findet im vom Autor vergebenen Titel statt. Dabei ist man darauf angewiesen, dass der Autor in seinem Titel die wesentlichen Stichworte eingebaut hat und dass die Software flexibel sucht (Tippfehler, Plural und Beugungen ignoriert). Während letzteres ein technisches Problem ist, das zunehmend gelöst wird, ist ersteres häufig ein ernstzunehmendes menschliches Problem.
Alle wissenschaftlichen Bibliotheken sind inzwischen im Internet vertreten, die meisten mit Recherchemöglichkeit. Ein Verzeichnis aller deutschsprachigen Bibliotheken im Internet bietet Markus Neteler an.
Seit einigen Jahren werden elektronische Literaturdienste aufgebaut, die auch Schlagworte bieten. Im Gegensatz zu den wissenschaftlichen Bibliotheken arbeiten hieran Fachleute, die für eine bessere Verschlagwortung garantieren, so dass hier die Suche nach Schlagwort derjenigen nach Titelstichwort unbedingt vorzuziehen ist.
Wenn man die Einstiegsliteratur gefunden hat, empfiehlt es sich, sich anhand von Literaturverweisen sowie den neueren Ausgaben einschlägiger Fachzeitschriften weiterzuhangeln. Auch Einträge in fachspezifischen Handwörterbüchern können weiterhelfen. Vor allem Fachzeitschriften sind hilfreich, denn bevor ein Buch veröffentlicht wird, werden meist Zeitschriftenartikel von den Autoren geschrieben, um sich der Diskussion zu stellen und auch Werbung für das zu veröffentlichende Buch zu machen. Hier setzen Datenbanken wie PSYCHLIT an, indem sie die Zeitschriften auswerten und das mühsame Durchsehen von Inhaltsverzeichnissen überflüssig machen.
Die Literatursuche ist aber kein Selbstzweck. Man kann gar nicht alles lesen und höchstwahrscheinlich wird kurz nach Fertigstellung der eigenen Arbeit genau der Artikel veröffentlicht, den man noch hätte brauchen können. Man muss ein Gefühl dafür entwickeln, wann man genug Literatur beisammen hat und dann auch den Mut haben, die Suche (vorläufig) zu beenden.
Geradezu essenziell ist es, sich unmittelbar beim Lesen die notwendigen Zitatangaben aufzuschreiben; später ist dies nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand, manchmal gar nicht mehr, nachzuholen. Früher hat man empfohlen, sich dazu Karteien oder Zettelkästen mit relevanter Literatur anzulegen. Inzwischen stellt eine eigene Datenbank die einzig zukunftssichere Empfehlung dar. Man sollte damit so frühzeitig wie möglich anfangen, denn der Bestand wächst ständig und ist für weitere Arbeiten verfügbar. Den Nutzen der Datenbank wird man dann merken, wenn man Literatur wiederfindet, von der man gar nichts mehr wusste.
Wichtig ist, über die bibliografischen Angaben (Autor, Titel, Ort, Jahr) hinaus wenigstens den Bibliotheksstandort (Name der Bibliothek + Signatur der Quelle) aufzunehmen, damit man die Quelle auf Anhieb wiederfindet. Ob man Abstracts anfertigt, Stichworte notiert oder die Gliederung dokumentiert, mag jeder selbst entscheiden. Es kann jedoch empfohlen werden, nach einer gewissen Zeit mit der Erstellung eines eigenen Schlagwortverzeichnisses (Thesaurus) zu beginnen, möglichst in Anlehnung an ein Muster, und die Quellen in der Datenbank danach zu verschlagworten.
Die oben genannten Hinweise stellen eine Grundlage für richtiges Zitieren dar. Der Sinn dieser Übung liegt darin, anderen das Wiederfinden der Literatur zu ermöglichen (was auch der Nachprüfbarkeit der eigenen Aussagen dient) und dem kritischen Leser die Einschätzung des zitierten Beitrags zu ermöglichen, ohne dass er ihn lesen muss.
Nicht nur der Anfänger steht nach erfolgreicher Literaturrecherche oft vor dem Problem, mehr Masse gefunden zu haben, als er in der zur Verfügung stehenden Zeit verarbeiten kann. Daher sollte man die Recherche zunächst danach durchsehen, welche Quellen (voraussichtlich) am meisten zum Thema zu sagen haben könnten.
Diese sollten dann gelesen werden, damit danach möglichst bald ein erster Vorentwurf erstellt werden kann. Weitere Quellen sollte man zunächst "diagonal" lesen, d. h. überschlägig auf ihren Beitrag zum Thema durchforsten. Dazu sind meist Gliederung, Einführung und Zusammenfassung hilfreich. Danach wird man umfangreiche Bücher selten ganz lesen, sondern zielgerichtet bestimmte Kapitel ansteuern.
1. Kopieren geht über Studieren: Man kopiert erst einmal undifferenziert alle recherchierten Artikel (Vorsicht, Copyright!), um dann festzustellen, dass es insgesamt zuviel und einiges irrelevant ist.
2. Undifferenziertes Lesen bis zum "Information Overflow": Es entstehen lange Reihen Ordner oder viele Dateien mit Exzerpten, die viel Zeit und Geld kosten; man verliert aber den Überblick und schafft vor lauter Information nicht mehr den passenden Einstieg.
Dagegen hilft, bereits früh eine Arbeitsgliederung zu entwerfen, die während des Lesens und Schreibens überarbeitet wird. Aber auch hier sollte man nicht zuviel Zeit verwenden, denn Ziel ist es, über das Thema zu lernen, schöne Gliederungen sind lediglich (notwendiges, aber nicht hinreichendes) Mittel zum Zweck.
Wissenschaftliche Literaturverarbeitung ist relativ anspruchsvoll. Man muss aktiv lesen, d. h. das Gelesene kritisch hinterfragen, und den Argumentationsgang des Autors in seinen Grundzügen verfolgen. Ob man dabei Abstracts anfertigt, ganze Textstellen kopiert oder scannt oder nur Stichwortlisten macht, ist dabei zweitrangig. Auf jeden Fall Seitenangaben der Fundstellen nicht vergessen.
Die Literatur muss zu einem eigenen Denkrahmen, einem Deutungssystem, verarbeitet werden. Es reicht nicht, viel zu lesen und diesen Fleiß zu dokumentieren, indem man alles Gelesene irgendwie zusammenbaut. Es kommt darauf an, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen, analytische oder synthetische Denklinien zu ziehen und durch die Literatur zu verfolgen, das Gelesene zu einem einigermaßen stimmigen Ganzen zusammenzufügen und sich damit ein eigenes Deutungsschema zu erarbeiten. Die Literatur muss daher entsprechend der eigenen Fragestellung ausgewertet werden. Es kommt darauf an, die Erkenntnisse des Autors in den eigenen Bestand an Erkenntnis einzubauen. Deshalb ist das relevant, was man im Rahmen der eigenen Fragestellung für wichtig hält, und weniger, was der Autor für wichtig hält.
Auseinandersetzen mit der Literatur bedeutet, wenn diese für die eigene Argumentation wichtig ist: Kurz skizzieren, wie und warum der Autor zu dem Ergebnis gekommen ist, das man als Beleg braucht, oder, wenn der Autor anderer Ansicht ist als man selbst, kurz widerlegen, wo man ihm nicht folgt.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass wissenschaftliche Literaturbeschaffung und -auswertung kein leichtes, aber ein - v.a. durch Erfahrung - erlernbares Geschäft ist.