Implizites Gedächtnis bei Gummibärchen

Thomas Krüger und Britta Hofmann
Psychologisches Institut der Universität Bonn

Zusammenfassung

Während sich die Humanpsychologie schon seit etwa 25 Jahren mit impliziten Gedächtnisphänomenen beschäftigt, scheint die GB-Forschung bisher über dieses Gebiet hinweggegangen zu sein. Mit dieser erstern Arbeit soll dieser Mißstand beendet werden. In zwei technisch aufwendigen Studien werden direkte und indirekte Gedächtnisleistungen von GB verglichen. Als VGB wurden je zwei Packungen handelsüblicher GB verwandt, die zufällig in einem Geschäft ausgewählt wurden. Es konnte keine impliziten Gedächtnisleistungen nachgewiesen werden. Die Ergebnisse werfen aber neue Fragen auf, sie legen PSI Phänomene bei GB nahe.

abstract

While the human psychology since about 25 years is interested in the so called implicite memory it seems that the gb psychology totaly missed this area. In this paper we present first studies about the implicte memory of gbs. In two technicaly complicated experiments direct (explicite) and indirect (implicit) memory tests are compared. As subjects we bought randomly two packets of gbs in a shop. We missed to show implicite memory, but new questions have to been asked. Perhaps gbs have some sort of psi.

Theorie

In den 70er Jahren fand sich, daß menschliche Amnestiker, die bei einer direkten, expliziten Befragung über zurückliegende Ereignisse keine (bewußte) Erinnerung zeigten, sehr wohl noch (unbewußte) "Erinnerung" zeigten, wenn sie indirekt (implizit) getestet werden. So zeigt man diesen Menschen in der Darbietungsphase Wörter, in der Testphase erhalten sie dann einen Bogen mit Wortanfängen. Diesen sollen sie dann entweder zu den vorher dargebotenen Wörtern (direkter Gedächtnistests) oder mit den erstbesten Wörtern, die ihnen in den Sinn kommen (indirekter Gedächtnistests) ergänzen. Während die Leistung in dem direkten Gedächtnistest bei Amnestikern meist nur auf dem Zufallsniveau ist und weit unter den Leistungen "normaler" menschlicher Versuchspersonen liegt, werden in dem indirekten Test überzufällig viele dargebotene Wörter verwandt. Die indirekre Testleistung unterscheidet sich zudem nicht von der normaler menschlicher Versuchspersonen.
Die humanpsychologische Forschung entwickelte inzwischen eine Vielzahl von Theorien zu Erklärung dieses Phänomens. Es fanden sich experimentelle Variationen die sich auf die beiden Tests unterschiedlich auswirken (Dissoziationen). Gerade in den letzten Jahren liegt dieser Forschungsbereich im Zentrum der kognitiven Humanpsycholgie.
Obwohl GB in vielen Gedächtnisexperimenten eine Testleistung zeigen, die denen von menschlichen Amnestikern entsprechen, wurde sie bisher noch nicht mit indirekten Testmethoden untersucht.

Design der Untersuchungen

Als direkten Gedächtnistests wählten wir den in der GB-Forschung beliebten "Wo kommst Du raus"-Test (wkdr-Test), wobei die GB direkt aus der Verpackung auf eine Tischplatte geschüttet werden (Darbietungs- oder Ausschüttungsphase). Auf den Tisch werden zu den GB in zufälliger Anordnung die ursprüngliche Verpackung und andere mögliche Verpackungen gelegt. In der Testpahase werden die GB mehrfach laut und deutlich aufgefordert in die Verpackung zurückzukehren, aus der sie stammen. In unseren Experimenten wurde den GB als alternative Verpackungen eine Tüte eines Supermarktes (mit großem Werbeaufdruck), ein (unbenutzes) Kondom ("Lümmeltüte"), eine Tütensuppentüte und ein Schuhkarton angeboten. Den GB wird schließlich 24 (Exp. 1) bzw. 120 (Exp. 2) Stunden - wie üblich unbeobachtet- Zeit gelassen, eine der Behausungen aufzusuchen. Wir entwicklten ein eigenes Aufzeichnungsgerät, mit dem wir feststellen konnten, wenn ein GB eine bestimmte der möglichen Behausungen aufsucht. Leider ist immer nur die Kontrolle einer der alternativen Behausungen möglich.
Der indirekte Test ist wie der direkte aufgebaut, nur daß die GB hier nicht aufgefordert werden in ihre Verpackung zurückzukehren, sondern es wird ihnen nur laut "Gute Nacht" gewünscht. Unter der gängigen Annahme, daß GB am liebsten in ihrer Verpackung schlafen ("sleeping at home - sleeping well"-hypothesis), wird erwartet, daß sie am ehesten in ihre Verpackung zurückkehren - wenn noch geringe (unbewußte) Erinnerung an diese vorliegt.
In Experiment kontrollieren wir das Aufsuchen der "richtigen" Verpackung. Die Ergebnisse dieses Experimentes veranlaßten uns aber in einer zweiten Reihe von Experimenten das Aufsuchen auch der Distraktorverpackungen zu messen und den Beobachtungszeitraum deutlich zu verlängern.

Design Experiment 1

In zwei Räumen unseres Instituts für GB-Forschung werden auf den vorbereiteten Tischen je eine Packung Gummibärchen ausgeschüttet. Nachdem die GB Zeit hatten, sich an die neue Umgebung zu gewöhnen, wird ausgelost welcher der Tische welche der Aufforderung erhalten. Den Gummibärchen der direkten und indirekten Bedingung wird von dem mänlichen Versuchsleiter dreimal ruhig mit lauter Stimme "Hopp, hopp, auf nach Hause" bzw. "Gute Nacht, schlaft gut!" gesagt und dann das Aufzeichnungsgerät angeschaltet. Der VL verläßt dann für genau 24 Stunden die Räume während für diese Zeit das Meßgerät das Aufsuchen der richtigen Verpackung (mit einer zeitlichen Auflösung von 14,7 msec) notiert.

Ergebnisse Experiment 1

Die folgende Tabelle zeigt das Aufsuchen der richtigen Verpackung für die GB der beiden Bedingungen.

Direkte Bedingung

0

Indirekte Bedingung

0

Tabelle 1: Anzahl richtiger Rückehrer in den 24 Stunden

Die statistische Analyse dieses Ergebnisses zeigt keinen auf dem 0.05 Niveau bedeutsamen Unterschied zwischen dem direkten und dem indirekten Test. Auch bei einer getrennte Analyse für die 24 Stunden der Testphase (s. Tabelle 2) fand sich kein signifikantes Ergebniss.

Zeitintervall

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

Direkte Bedingung

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

Indirekte Bedingung

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

Tabelle 2: Anzahl richtiger Rückehrer innerhalb jeder der 24 Stunden

Die gefundenen Ergebnisse deuten an, daß die GB weder -wie erwartet- eine Leistung bei dem direkten, noch -übrraschenderweise- bei dem indirekten Gedächtnistests zeigen können. Sind die Parallelen zu menschlichen Amnestikern doch nicht so groß, wie gedacht?

Diskussion der Ergebnisse von Experiment 1

Die fehlende Dissoziation zwischen dem direkten und dem indirekten kann auf die aufgrund technischer Hindernisse nicht realisierte Berücksichtung von fehlerhaften "Rückkehrern" (false alarm) zurückzuführen sein. Vielleicht sind in der direkten Bedingung deutlich mehr GB in die falschen Verpackungen gegangen als bei dem indirekten Test? In dem Folgeexperiment muß das Augenmerk auch auf die anderen Verpackungen gelegt werden.
Kritisch ist die niedrige Rate richtiger "Erinnerung" bei beiden Bedingungen (p1=p2=0.00). Leider ist über die Schlafphase der GB noch wenig bekannt, aber unter Umständen haben diese bewegungsarmen Tiere eine deutlich längere Wach-Phase und kehrten deshalb in bei der indirekten Bedingung nicht in ihre Verpackung zurück. In einem zweiten Experiment muß die Testphase deutlich verlängert werden.

Design Experiment 2

Das Design des zweiten Experiments gleicht im wesentlichen dem des ersten Experiments. Die Dauer der Testphase beträgt nun insgesamt 120 Stunden, so daß darunter mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eine Schlafphase ist. Das Meßinstrument wurd so erweitert, daß es mehrfach die Stunde die Verpackung wechselt, die es überwacht. Damit sind alle 5 mögliche Verpackungen überwacht, leider jeweils nur zu einem 5tel jeder Stunde.
Die folgende Tabelle 3 stellt die Ergbenisse dieser Untersuchung dar.

Verpackung

Richtige

Supermarkt-Tüte

Kondom

Tütensuppentüte

Schuhkarton

Direkte Bedingung

0

0

0

0

0

Indirekte Bedingung

0

0

0

0

0

Tabelle 3: Anzahl Rückehrer in die 5 Verpackungen in den 120 Stunden

Bei einer statistischen Analyse der Daten findet sich wieder kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Bedingungen. Insgesamt ist in beiden Bedingungen die Tendenz in eine der Tüten einzukehren eher schwach ausgeprägt und weicht nicht signifikant von der 0-Wahrscheinlichkeit fehlender Aktivität ab.

Diskussion der Ergebnisse

In beiden Experimten konnte keine Dissozation zwischen der direkten und der indirektenTestbedingung gefunden werden. Dies kann an der zu niedrigen Power der beiden Untersuchungen liegen. Leider entsprechen die Ergbnisse nicht einmal deskriptiv der Erwartung. Eine weitere Erklärung könnte darin liegen, daß die GB eine noch deutlich längere Wachphase haben, oder überhaupt nicht schlafen müssen. Dies macht GB interessant für einen Einsatz als Piloten, LKW-Fahren etc. (vgl. dazu auch die Schlußfolgerungen von Funke 1995). Für diese Erklärung spricht, daß das bisher beobachtete Verhalten der GB eher durch Passivität und Untätitgkeit geprägt ist. (Man denke nur an den berühmten Ausspruch der Verhaltensforscher: "Man kann sich nicht nicht verhalten, außer man ist ein Gummibärchen.", auch wenn die in älteren Lehrbüchern gerne zitierte Fassung "... außer man ißt ein Gummibärchen." inzwischen als widerlegt gelten kann.)
Aber warum zeigen die GB weder in der direkten noch in der indirekte Bedingung irgendwelches Einkehrverhalten? Es kommt der Eindruck auf, die GB widersetzten sich in der direkten Bedingung der Instruktion des VL. Interessant ist auch die hohe Gruppenkonformität. Hier scheint sich ein interessante Bereich der Forschung für die Sozialpsychologie des GB anzudeuten. Aber warum kehren die GB auch der indirekten Bedingung kein einziges Mal in eine der Verpackungen ein? Möglich wäre, daß die GB jeweils kurz in eine der vier Tüten eingekehrt sind (und vielleicht ein kurzes Nickerchen halten), die nicht beobachtet werden. Aber wie können die Bären so schnell erkennen, welche Tüte als nächestes beobachtet wird? Die Steurung des Meßgerätes erfolgte zufällig und ohne irgendwelche Regeln. Verfügen die GB vielleicht über übersinnliche Wahrnehmung (PSI)? Diese - im ersten Moment - unwahrscheinlich klingende Erklärung, könnte aber auch viele bisher offene Probleme der GB-Forschung erklären : Warum ist keine Kommunikation zwischen der GB beobachtbar (vgl. Jusko 1996)? Wieso klappen so viele so schöne GB-Experimente einfach nicht?
Wir sind zunehmende davon überzeugt, daß es an der Zeit ist, die Forschungsstränge der experimentellen GB-Forschung und der Para-GB-Forschung wieder zu vereinen. Für beide Seiten sollte sich hier ein fruchbares Feld ergeben!

Sonstiges

Fragen und Anmerkungen zu diesen Beobachtungen bitte an die Autoren Thomas Krüger und Britta Hofmann.
Man beachte aber bitte auch die bemerkenswerten Beobachtungen und kritischen Anmerkungen zu dieser Arbeit von Kelly Timothy Lynch, Kanada.


Quelle: http-//pilzecker.psychologie.uni-bonn.de/sonstige/gummibaer/gb_impl.htm