Kausalität, Causa
(lat., Ursache, Grund).
Die scholastische Lehre von den verschiedenen Ursachen (causae)
setzt die aristotelische Einteilung voraus und differenziert sie
weiter. Grundsätzlich wird zwischen den internen (inneren) und
den externen (äußeren) Ursachen eines Seienden (z. B.
einer Bronzestatue) unterschieden.
- causa materialis (materiale Ursache) gehört zu den
inneren Ursachen. Sie liegt im Stoff (griech. hyle), "woraus etwas
entsteht, und was in diesem Etwas ist, z. B. ist die Bronze die
Ursache der Statue" (Aristoteles).
- causa formalis (formale Ursache) gilt als die zweite
innere Ursache. Sie besteht in der Form (griech. idea oder eidos),
der Struktur oder dem Muster, das sich im Seienden findet. Die
Bronzestatue z. B. entsteht dadurch, daß die Bronze in der
Form der Statue gestaltet ist. Die scholastische Philos.
identifiziert causa formalis häufig mit causa exemplaris (der
exemplarischen Ursache), die weitgehend identisch ist mit der
platonischen Idee (griech. idea). Die Unterscheidung zwischen
causa materialis und causa formalis ist eine relative. So ist die
Bronze selbst aus einem Stoff und einer besonderen Bronzeform
zusammengesetzt, ebenso wie die Bronzestatue als Materie dienen
kann, z. B. bei der Herstellung von Schmuck.
- causa efficiens (wirkende Ursache) ist eine
äußere Ursache; sie ist "die Quelle, worin die
Veränderung oder die Ruhe ihren Ursprung hat" (Aristoteles),
d. h. die causa efficiens bewirkt, daß etwas erzeugt wird.
So ist das Hämmern des Schmieds auf die Bronze eine der
wirkenden Ursachen, die die Bronzestatue erzeugen. Auch der
Schmied selbst kann als causa efficiens bezeichnet werden.
- causa finalis (Zweckursache) ist eine äußere
Ursache; sie gibt den Zweck unseres Tuns an. "Z. B. ist Gesundheit
die Ursache eines Spaziergangs. Denn ÐWarum macht man einen
Spaziergang?ð sagen wir. ÐWegen der Gesundheit.ð Und
wenn wir das sagen, meinen wir, daß wir die Ursache
angegeben haben" (Aristoteles). causa finalis war für
Aristoteles und die Scholastiker ein naturwissenschaftliches
Prinzip.
Teilweise die Einteilung in 1-4 überschneidend, gibt es noch
weitere Gruppen der causae:
- causa prima/causa secund(ari)a (erste/zweite Ursache):
In einer endlichen Kausalreihe a, b, c... n heißt n die
"primäre" oder "erste Ursache", wenn n die Ursache der ganzen
Kausalreihe ist; alle übrigen Ursachen sind sekundär.
causa prima wird gewöhnlich mit Gott identifiziert.
- causa proxima/causa remota (nächste/entfernteste
Ursache) und causa immediata/mediata (unmittelbare/mittelbare
Ursache): In der Kausalreihe a, b, c... n ist die Ursache c causa
proxima und causa immediata der Wirkung b, da zwischen b und c
keine weitere Ursache liegt; hingegen ist die Ursache c causa
remota und causa mediata der Wirkung a, da zwischen a und c die
Ursache b liegt.
- causa principalis/instrumentalis
(ursprüngliche/instrumentelle Ursache): Wenn die Ursache n
durch die Verwendung der Ursachen a, b, c wirkt, dann ist n causa
principalis, während a, b, c jeweils c instrumentalis
sind.
- causa sufficiens/deficiens (hinreichende/nicht
hinreichende Ursache): Wenn eine Ursache aus sich selbst heraus
eine bestimmte Wirkung erzielen kann, ist sie causa sufficiens;
kann sie die Wirkung nicht erzeugen - z. B. aufgrund widriger
Umstände -, ist sie causa deficiens.
- causa adaequata (adäquate Ursache; von lat.
adaequare, gleichstellen): eine Ursache, die der Wirkung
entspricht.
- causa efficiens/conservans (auswirkende/bewahrende
Ursache): causa efficiens bewirkt, daß etwas zustande kommt,
causa conservans, daß etwas weiterhin existiert.
- causa cognoscendi/essendi (Ursache des Erkennens/des
Seins): Die Scholastik unterscheidet streng zwischen der causa
cognoscendi, die Ursache dafür ist, daß ein Seiendes
erkannt werden kann, und der causa essendi, der Ursache
dafür, daß ein Seiendes ist, wie es ist.
- causa sui (Ursache seiner selbst): Bezeichnung
dafür, daß ein Seiendes nicht von einem anderen,
sondern nur durch sich selbst bestimmt ist. Der Begriff wurde in
der Geschichte der Philos. in zweifacher Bedeutung verwendet: Zum
einen kann causa sui dasjenige heißen, das notwendigerweise
existiert und dessen Nicht-Existenz unmöglich gedacht werden
kann. Einen solchen causa sui-Begriff verwenden u. a. Plotin,
Descartes, Spinoza und Hegel, während Thomas von Aquin ihn
ablehnt. Zum anderen kann causa sui dasjenige heißen, das
radikal frei ist, insofern es sich selber verursacht. Diese
Bedeutung findet sich bei Aristoteles und Thomas von Aquin sowie
bei Plotin, Descartes, Spinoza und Hegel.
- causa occasionalis (Gelegenheitsursache) ist bei
Malebranche die Bezeichnung für ein Ereignis, das selber
keine Wirkung hat, sondern nur die Gelegenheit (lat. occasio)
dafür abgibt, daß Gott eine Wirkung erzeugt. Laut
Malebranche sind z. B. körperliche Zustände die causa
occasionalis für Bewußtseinszustände und
umgekehrt.
- Literatur
- Aristoteles: Metaphysik.
- Thomas von Aquin: Über das Sein und das Wesen.
- Spinoza: Ethik. D. Henrich: Der ontologische Gottesbeweis,
1960.
- R. Spaemann/R. Löw: Die Frage ÐWozu?ð, 1981.
- W. Stegmüller: Das Problem der Kausalität. In:
Probleme der Wissenschaftstheorie. Hg. von E. Topitsch, 1960.
- Philosophielexikon/Rowohlt-Systhema
©opyright Werner Stangl, Linz 1998.
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