Jean
Piaget wurde am 9. August 1896 in Neuenburg geboren und verschied am
16. September 1980 in Genf. Er ist das erste Kind von Arthur Piaget,
Professor für mittelalterliche Literatur, und Rebecca Jackson.
Im Alter von elf Jahren, damals Zöglin in der Lateinschule von
Neuenburg, beobachtet er in einem Park einen Albino-Sperling und
schreibt darüber einen knappen Bericht. Dieser kurze Artikel
gilt als Ausgangspunkt einer brillanten wissenschaftlichen Karriere,
die mit der Produktion von über sechzig Büchern und
hunderten von Artikeln als ausserordentlich fruchtbar gelten
darf.
Sein Interesse für die Mollusken zeichnet sich schon sehr früh ab. Er wird in diesem Bereich noch vor Ende seiner Sekundarschulzeit zu einem regelrechten Spezialisten. Piaget zeichnet zahlreiche Artikel in Malakologie und wird sein Leben lang an diesem Wissensbereich interessiert bleiben.
Nach
seiner Matura schreibt sich Piaget an der naturwissenschatlichen
Fakultät der Universität Neuenburg ein, wo er auch zum
Doktor der Naturwissenschaften promoviert. Er publiziert in dieser
Zeit zwei philosophische Schriften, die, obwohl später von ihm
selbst als "Jugendsünden" bezeichnet, für die Entwicklung
seines Denkens wegweisend sind.
Nach einem Studiensemester in Zürich, wo er sich mit der Psychoanalyse auseinandersetzt, reist er für ein Jahr nach Paris, um im Laboratoire Alfred Binet die Probleme der Entwicklung der Intelligenz zu studieren.
1921 wird er von Edouard Claparède und Pierre Bovet an die Universität Genf berufen, um die Stelle eines Forschungsleiters zu übernehmen. 1923 heiratet er Valentine Châtenay, die im drei Kinder schenken wird. An seinen Kindern beobachtet er die Entwicklung der Intelligenz, von der Geburt bis zum Spracherwerb.
Piaget
wird in der Folge als Professor für Psychologie, Soziologie und
Philosophie der Wissenschaften an der Universität Neuenburg
wirken (1925 bis 1929), dann von 1929 bis 1939 als Professor für
die Geschichte der Wissenschaften an der Universität Genf, von
1929 bis 1967 als Direktor des Bureau International d'Education, von
1938 bis 1951 als Professor für Psychologie und Soziologie an
der Universität Genf und von 1940 bis 1971, ebenfalls in Genf,
schliesslich als Professor für experimentelle Psychologie.
Piaget ist der einzige Schweizer Professor, der an die Sorbonne
eingeladen wurde (1952 bis 1963). 1955 gründet er das Centre
International d'Epistémologie Génétique, das er
bis zum seinem Tode leiten wird.
Mit
seinen Arbeiten in genetischer Psychologie und Erkenntnistheorie
wollte Piaget eine Antwort auf die Grundfrage nach dem Aufbau der
Erkenntnis geben. Seine Forschungs arbeiten um die Logik des Kindes
haben deutlich werden lassen, dass diese sich progressiv nach eigenen
Gesetzen aufbaut und dass sie sich dann im Laufe des Lebens,
charakteristischen Etappen folgend bis zum Erwachsenenstadium hin
weiterentwickelt. Der wesentlichste erkenntnistheoretische Beitrag
Piagets war, nachgewiesen zu haben, dass das Kind spezifische,
wissenschaftliche Denkformen entwickelt, die sich von denen des
Erwachsenen gänzlich unterscheiden.
Das
Werk Piagets hat eine weltweite Verbreitung erfahren und regt - wie
die jährlich erscheinenden Kataloge der Fondation Archives Jean
Piaget bezeugen können - auch heute noch die Forschung in so
unterschiedlichen Bereichen wie jene der Psychologie, der Soziologie,
der Erziehungswissenschaften, der Erkenntnistheorie, der Wirtschafts-
und Rechtswissenschaften an. Piaget ist mit über dreissig
Doctorats honoris causa verschiedener Universitäten aus der
ganzen Welt und mit zahlreichen Preisen geehrt worden.