DER STANDARD, 13. August 2001



"Vorfälle wie in der Bronx"

Kriminalist Lißl: Jugendliche Straftaten aus Orientierungslosigkeit

Linz - Die Perger Morde zeigten, wozu jugendliche Straftäter fähig sind. "Solche Vorfälle würde man in der Bronx erwarten" - Alois Lißl, Leiter der oberösterreichischen Kriminalpolizei, ist sichtlich betroffen: "Die Abgebrühtheit der 15-jährigen Drogenverkäufer ist unfassbar."

Was Lißl besorgniserregend findet, ist nicht die Häufigkeit der Jugendkriminalität - denn diese sei rückläufig. Die Zahl der ausgeforschten jugendlichen Straftäter sank in Oberösterreich von 5330 (1999) auf 4820 im Jahr 2000. Den Kriminalisten beunruhigen vielmehr deren Motive: fehlendes Unrechtsbewusstsein, Orientierungslosigkeit, Gruppendynamik und jugendlicher Leichtsinn.

Die 14- bis 19-Jährigen verüben vor allem Einbrüche und Raube. "Oft aus Geldmangel - man will sich dasselbe leisten können wie die Freunde", so Lißls Erklärung. Andererseits spiele Gruppendynamik eine wichtige Rolle: "Die Jugendlichen hängen zusammen herum, einer hat die Idee, man überlegt nicht lange, und kurz darauf wird, ohne an die Konsequenzen zu denken, etwa ein Diebstahl begangen."

Gruppen- und Konsumzwang sind laut Lißl längst nicht mehr Stadtphänomene, sondern haben auch Jugendliche am Land ergriffen. In etwa 40 Prozent der Straftaten sind zudem Alkohol oder Drogen im Spiel. Die Dunkelziffer der jugendlichen Drogenkonsumenten sei extrem hoch. Bedenklich findet Lißl, dass sich hier die Eltern oft liberal zeigen, so etwa die lapidare Aussage eines Vaters: "Wir haben selbst alles ausprobiert, wir sind auch nicht gestorben."

Das bestätigt auch Claudia Stangl-Taller, Jugendpsychologin beim Land Oberösterreich. Die Eltern verzichteten auf Autorität, und so würden den Kindern Regeln und Grenzen nicht klar vermittelt. Auch Empathievermögen werde den Kids immer seltener beigebracht.

"Die Jugendlichen müssen für die Opfer sensibilisiert werden, die Strafandrohung alleine reicht oft nicht für eine Einstellungsänderung", so Stangl-Taller. Diversionelle Mittel seien der Tateinsicht viel förderlicher. (etz)


© DER STANDARD, 13. August 2001