Studie;
Stangl, Werner (2000). internet @ schule 2000 (Version
1.0). https://www.stangl-taller.at/INTERNETSCHULE/NETSCHULE2000/default.html
Das Ziel der
Studie besteht darin, die vor etwa zweieinhalb Jahren
durchgeführte Untersuchung zum Einsatz des
Internets im Unterricht an Österreichs Schulen
(Stangl 1997) im Hinblick auf die damaligen Prognosen zu
überprüfen bzw. etwaige Veränderungen zu
beschreiben. Im Anschluß an die damalige Erhebung
entstanden mehrere kleiner Publikationen, insbesondere
das Buch internet @ Schule (Stangl
2000).
Seit dieser
frühen Studie zum Interneteinsatz im Unterricht hat
sich viel geändert, insbesondere ist das Internet
ein fester Bestandteil des alltäglichen Lebens
geworden. Außerdem wurde der Autor mehrmals
gebeten, die bisherigen Entwicklungen erneut unter die
Lupe zu nehmen und sowohl im Internet als auch in
Printmedien darüber zu berichten.
Es ist wenig
prophetisch zu sagen, dass der Umgang mit dem Internet
schon heute eine Schlüsselqualifikation ist,
die nicht nur für Studium und Berufswelt, sondern
auch für die Bewältigung des alltäglichen
Lebens von zunehmender Bedeutung sein wird. Von Tag zu
Tag steigt das Angebot an interaktiven, berufsbezogenen
Anwendungen mit großem didaktischen Potential.
Deshalb ist es auch für LehrerInnen nicht nur eine
große Herausforderung, diese neuen Ressourcen zu
erschließen und für den Unterricht nutzbar zu
machen, sondern auch eine Chance, das eigene Repertoire
an Routinen zu erweitern.
Allerdings
ist das Internet als Medium schwer einzuordnen, denn die
bisherigen Theorien und Modelle auf die neuen Medien
anzuwenden erweist sich als schwierig. Beim Internet
versagen viele der bisherigen Kategorien. Die technische
Gleichsetzung und die gleichmäßige
Erreichbarkeit aller Dokumente im W3 durch einen
einheitlichen Standard machen jede einzelne
website potenziell zu einem Informationsträger, der
dieselbe Reichweite haben kann wie die Titelseite einer
Tageszeitung oder eine Fernsehsendung.
Ein
besonderes Charakteristikum ist, dass das Internet sehr
viel stärker zur Eigenaktivität
auffordert als die "alten" Medien. Jeder Empfänger
von Informationen im Internet kann und wird über
kurz oder lang auch zum Sender werden. Jeder darf an
einschlägige newsgroups oder mailinglists schreiben
oder sogar eine eigene webpage erstellen, die Hilfsmittel
dazu finden sich in großer Zahl gratis im Internet.
Gerade für viele Kinder und Jugendliche dürfte
diese Möglichkeit - anders als bei Rundfunk.
Fernsehen oder Printmedien - selbst gestaltend tätig
werden zu können, besonderen Anklang finden und
motivierend wirken, sich damit aktiv auseinanderzusetzen.
Schließlich erweitert das Internet
herkömmliche Kommunikationsformen und
ermöglicht den Austausch von Informationen ohne die
Einschränkungen sozialer und geographischer Grenzen,
sodass ein Aufbrechen des starren Sender- Empfänger
Schemas der traditionellen Massenmedien möglich wird
(vgl. Obert 1998).
Während
es bei der ersten Befragung noch darum ging, die
Eindrücke von den ersten Erfahrungen von
österreichischen Schulen mit dem Medium zu sammeln
und auch die technischen Ausstattungen zu erheben, geht
es in dieser zweiten Untersuchung eher darum, ob im
Vergleich zu den damals eher ernüchternden
Resultaten Veränderungen beobachtbar
sind.
Heute wie
damals werden die Auswirkungen, die das Internet auf
Schule und Bildung haben bzw. haben werden, noch extrem
unterschiedlich eingestuft. Die Prognosen reichen von
einer Euphorie über eine aus allzeit
verfügbarer Information generierter
Wissensgesellschaft, in der Bildung in Zukunft
prinzipiell für jeden zu jeder Zeit und an jedem Ort
zugänglich sein wird, bis zu Untergangsszenarien,
die mit dem net den Verfall der abendländischen
Kultur herannahen sehen. Die Vorbehalte gegenüber
dem Internet dürften zu einem großen Teil
dadurch begründet sein, dass ein Zugang nur
über Technologie sprich Computer möglich
ist, also von Gerätschaften, die nach Meinung vieler
nichts in der Schule oder zumindest in einigen
Fächern verloren hätten. Dabei zeigen
Erfahrungsberichte über den Einsatz von Computern in
der Schule, welch großes Interesse schon
Grundschüler dem Computer entgegenbringen. Sie
finden - im Gegensatz zu den meisten Erwachsenen - ohne
Schwierigkeiten Zugang zu dieser neuen Technologie. Die
Grundlagen dafür werden bereits im Vorschulalter
gelegt, in denen etwa Computerspiele zum
Alltagsrepertoire gehören.
Darüber
hinaus sind moderne Anwendungsprogramme durch ihre
graphischen Benutzeroberflächen und die
Maussteuerung so bedienerfreundlich geworden, dass selbst
kleine Kinder schnell begreifen, welche Anwendung zu
welchem Ergebnis führt. Computer
überfordern daher eher die Erwachsenen - in den
Schulen sind das naturgemäß die LehrerInnen -
als die Kinder und Jugendlichen. SchülerInnen
erobern den Computer rasch als ein situativ zu
verwendendes Werkzeug, das nicht nur in der Schule
sondern auch in der Freizeit längst nichts
Sensationelles mehr besitzt, sondern alltäglich
geworden ist.
Auch
dieses Mal sollte keine quantitative Erhebung
durchgeführt werden, da eine Statistik über die
Anzahl der PCs an einer Schule oder auch die Anzahl der
online-Stunden wenig über die Durchdringung des
Unterrichts bzw. der Schulen durch das neue Medium
aussagt. Vielmehr geht es darum, die damals eher
skeptischen Einstellungen an den Schulen erneut zu
prüfen, zumal der Autor während seiner
Beobachtung der österreichischen und internationalen
Schullandschaft während der letzten Jahre eine
weitgehende Bestätigung der damals
geäußerten Kritikpunkte erfuhr.
Die
Ergebnisse der ersten Studie zeigten deutlich, dass die
damals in den Medien kolportierten Jubelmeldungen wie
"1000 der 6000 Schulen im Netz" oder "Globale
Klassenzimmer" die Tatsache verschleierten, dass bis auf
wenige Ausnahmen das Internet an Österreichs Schulen
kaum oder gar nicht genützt wurde. Für die
"normalen" SchülerInnen und LehrerInnen gab es Ende
1997 das Internet an den Schulen de facto nicht. Wenn
daher der Umgang mit neuen Informationstechnologien jene
- wie schon damals von manchen BildungspolitikerInnen
geäußert - vierte Kulturtechnik ist,
die jeder Mensch in naher Zukunft beherrschen muss, dann
waren unsere österreichischen Schulen wenig bis gar
nicht dazu in der Lage, diese auch zu
vermitteln.
Es wurden
aufgrund der Ergebnisse einige Rahmenbedingungen
(Stangl 1997) definiert, bei deren Vorliegen eine
Einführung des Internet in Bildungseinrichtungen
wahrscheinlich zum Scheitern verurteilt
wären:
Die
LehrerInnen besitzen zuwenig Kenntnisse über das
Medium und sind sowohl von technischer (Umgang mit der
hard- und software) als auch inhaltlicher Seite
(Informations- und Unterrichtsmanagement) her
überfordert.
Die
LehrerInnen haben wenig Interesse am Internet und
lehnen es aus den verschiedensten Gründen
(Pornographie, Nazipropaganda, Fixierung auf den
technischen Aspekt)
ab.
Die
Internet-Zugänge sind stark reglementiert, weil
es zu wenig Arbeitsplätze gibt und diese auf
einige wenige Fächer beschränkt bleiben.
Außerdem werden aus Angst vor den
"gefährlichen Inhalten" geschlossene Systeme
bevorzugt.
Es
gibt nur wenig technische und soziale
Unterstützung bei der Nutzung des Mediums, die
LehrerInnen und SchülerInnen sind alleingelassen
mit der Technologie.
Die
Erwartungen sind zu hoch und es wird nicht
berücksichtigt, das damit unterrichtliches
Neuland betreten wird und alle Beteiligten viel Zeit
zum Experimentieren brauchen.
Alle diese
Faktoren trafen nach der damaligen Untersuchung für
Österreichs Schulen in hohem Ausmaß zu. Es
wurden daher einige Maßnahmen vorgeschlagen, was zu
geschehen hätte (Stangl 1997):
An
unseren Schulen sind nicht so sehr Hard- und Software
gefragt, sondern Socialware in Form von ständig
verfügbarer technischer und medientechnologischer
Unterstützung, etwa kollegialer Support und
Austausch.
Weniger
flächendeckende Aufoktroyierung der Vernetzung
als Förderung der bereits bestehenden Initiativen
vor Ort.
Weniger
kurzfristige Einzelprojekte sondern kontinuierliche
Unterstützung in finanzieller und personaler
Hinsicht - zahlreiche Lockangebote von kommerziellen
Anbietern sind vermutlich Danaergeschenke, da die
Folgekosten die Errichtungskosten um ein Vielfaches
übersteigen.
Keine
halbherzigen Lösungen (ein Zugang mit Modem in
der Direktion, der weder für LehrerInnen noch
SchülerInnen offen ist bzw. aufgrund von zu
geringem know-how verstaubt) sondern
großzügige Ausstattung von einigen
Klassen.
Vorbild
der Behörden und Institutionen in Bezug auf die
Nutzung des Internet.
Bevorzugung
offener Lösungen statt
geschlossener.
Flächendeckende
Einbindung des Internet in die Ausbildung an
Universitäten und anderen
Lehrerbildungseinrichungen.
Einsatz
des Mediums in der Lehrerfort- und -weiterbildung,
insbesondere Förderung der Sozial- und
Managementkompetenzen beim Umgang
damit.
Förderung
und Unterstützung vor allem von Initiativen in
nicht-technischen Fächern, in denen bisher die
größte Skepsis gegenüber dem Internet
besteht.
Schaffung
von geeigneten Rahmenbedingungen für die
Erprobung und Entwicklung neuer Unterrichtsformen im
Zusammenhang mit dem Internet.
Aufgrund der
im Anschluß an die erste Untersuchung erfolgten
punktuellen Beobachtung der Entwicklungen in diesem Feld
wurden folgende Fragenkomplexe
überprüft:
Wie
hoch ist das erlebte Ausmaß der Internet-Nutzung
für den Unterricht an den
Schulen?
In
welcher Formen und durch wen wird das Internet an den
Schulen genutzt?
In
welchen Fächern bzw. für welche Fächer
wird das Internet genutzt?
Welche
Funktionen des Internet werden hauptsächlich
verwendet?
Welche
positiven oder negativen Veränderungen hat der
Einsatz des Internet für die LehrerInnen bzw
für die Schulen insgesamt
gebracht?
Welche
Fragen und Probleme bestehen bezüglich der
Nutzung des Internet für den
Unterricht?
Welche
Unterstützung würden LehrerInnen brauchen,
um das Internet für den Unterricht nutzen bzw.
besser einsetzen zu können?
Gibt
es von den Schulen praktische Beiträge, die
anderen KollegInnen über das Internet angeboten
werden.
Im
Unterschied zur ersten Befragung wurde den
qualitativen Aspekten mehr Beachtung geschenkt als
den quantitativen, wobei nicht so sehr objektive Fakten
sondern das subjektive Erleben der Entwicklungen
an den Schulen im Mittelpunkt stehen sollte.
Durch eine
zusätzliche Befragung aller Pädagogischen
Akademien und einer Auswahl der mit Lehrerausbildung
befassten Universitätsinstitute sollte auch
die Einbindung des Internet in die LehrerInnenausbildung
in Ansätzen überprüft werden, zumal in der
ersten Untersuchung Defizite geortet worden waren. Es
kann auch davon ausgegangen werden, dass diesen
Institutionen Vorbildcharakter zukommt.